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dem erzwungenen genuss getötet wurden, habe man die töchter 'menschenfresserische pferde' genannt. offenbar haben die stuten, denen nach der älteren sage Diomedes die landenden fremdlinge zum frafs vorwarf, bis Herakles ihn tötete, in der rationalistisch umgebildeten jüngeren sage den obscoenen sinn von оs bеkommen und sind zu zügellos begehrlichen mädchen geworden. aber selbst wenn man annimmt, dass auch der jüngeren form der dabei nicht bezeugte rächende kampf des Herakles mit Diomedes nicht fehlte, so erscheint sie auch dann noch zu abweichend und zu dürftig, um sie als grundlage des Wolfdietrichsabenteuers anerkennen zu können.

Dagegen kommt unsrer fabel die bisher übersehene bekannte sage von Oinomaos, Hippodameia und Pelops, namentlich in ihrer späteren, von Diodorus, dem scholiasten des Apollonius Rhodius, 1, 752ff und Hyginus fab. 84 überlieferten fassung viel näher. zunächst ist Hippodameia nicht eine von vielen töchtern, sondern wie Marpaly die einzige tochter ihres vaters. den Oinomaos schreckt ein orakel, dass ihm durch einen siegreichen schwiegersohn der tod bestimmt sei, wie den Belian der Sibillen- oder götterspruch von seiner besiegung durch Wolfdietrich. daher setzt jener als probestück eine wettfahrt an, bei der seine tochter den wagen des freiers besteigen muss, um diesen unterwegs durch ihre reize zu verwirren. im vorbeirennen durchbohrt der vater den überholten mit seiner lanze. das antike wagenrennen, dem mittelalter kaum verständlich, muste in eine zeitgemässere wettleistung verwandelt werden. man wählte das messerwerfen, wovon weiteres unten. damit entfiel das gemeinsame besteigen des wagens seitens des mädchens und des jünglings und wurde durch ein gemeinsames besteigen des bettes ersetzt, wobei die auch hier versuchte verwirrung durch die weiblichen reize noch durch einen betäubenden trank verstärkt wurde. in der Pelopssage wird der verwegene freier doppelt oder, wenn man will, dreifach bestraft: er wird durchbohrt, enthauptet und endlich sein haupt an der säule eines tempels aufgehängt oder über der tür aufgepflanzt. die einführung des schlaftrunks bewürkte im Wolfdietrichgedicht eine verteilung der strafen. da der betäubte nicht zum wettkampf fähig war, muste die durchbohrung aufgegeben werden; er wird sofort enthauptet und sein haupt auf der zinne aufgesteckt. aber die durchbohrung während eines

wettkampfes ist deshalb nicht ganz vergessen, sie ist ja dem letzten bei der tochter wachgebliebenen ritter Wolfdietrich zugedacht, trifft aber nun rächend den bösen vater. der siegreiche held, der diese wendung herbeizuführen hat, wird hier wie dort durch das orakel angekündigt, und wie Pelops und Hippodameia verlieben sich Wolfdietrich und Marpaly sofort in einander. die eine wie die andre verrät diesmal ihrem liebhaber, dass der vater ihn verwirren oder betäuben wolle, um dadurch den sieg über ihn davonzutragen. und so wird diesmal Oinomaos wie Belian von dem gewarnten helden besiegt und getötet, und wie Pelops den getöteten freiern auf ihrem grabe ein gemeinsames denkmal errichtet (Pausan. 6, 21, 9), bestattet auch Wolfdietrich die häupter seiner unglücklichen vorgänger. das folgende weicht ab und muste abweichen. denn die ältere hauptsage des Wolfd. bestimmte ihrem helden eine andere frau, als die heldin dieser aus der antike eingeschwärzten episode. Pelops heiratet Hippodameia, um sich erst späterhin von ihr loszusagen, weil sie ihren stiefsohn Chrysippos ermordete. Wolfd. und Marpaly trennen sich alsbald, nachdem sie noch nach dem tode ihres vaters einige zauberkünste aufgewendet hat, um den helden zu verderben. aber die gleichheit und ähnlichkeit all der übrigen grundzüge der griechischen und der deutschen so eigenartigen geschichte verbürgt beider zusammenhang zur genüge, und die abweichungen erklären sich entweder aus dem zwange der sie einfassenden Wolfdietrichsage oder aus den veränderten zeitumständen oder aus dem einfluss anderer, verwanter sagen, unter denen widerum eine antike voransteht.

Der noch unerklärte name Marpaly, Marpalie mit seinem durchaus undeutschen klange weist den weg. trotz seiner offenbar romanischen endung ist er auch aus dem romanischen sprachkreise nicht abzuleiten, wol aber, wenn man eine verlesung oder vertauschung des ersten buchstabens annimmt, aus dem griechischen. Marpalie war früher eine französische *Harpalie1, deren name am ende ähnlich geschwächt worden ist wie das

1 möglicherweise hat der name der Marpessa, deren freier mit ihrem vater Euenos ein wettrennen zu wagen eingehn musten, wobei er sie einholte und tötete (Simonides bei schol. Hom. II. 9, 553. Bakchylides bei schol. Pind. Isthm. 4, 92), wie Oinomaos die freier der Hippodameia, auf die umnennung der Harpalyke in Marpalyke eingewürkt,

lat. antiqua im altfranz. antie, also auf eine Harpalike, Harpalyke zurückführt. nach den Virgilscholien und Hyginfabeln war Harpalyke wie Hippodameia mit rossen wol vertraut, eine windschnelle reiterin, von jugend auf durch ihren vater Harpalykos oder Klymenos, einen berühmten reit-, ring- und fechtmeister, mit allen leibesübungen bekannt gemacht. zu diesem wilden, dem Oinomaos ähnlichen Thrakerkönig kam auf seiner heimkehr von Troja und zwar über land Neoptolemos und besiegte und verwundete ihn schwer. nun erst begreifen wir, warum in Wolfd. B der held zum wilden bulgarischen heidenkönig auf seiner heimkehr von der alten Troja kommt, wodurch im mittelalter würklich, wie das beiwort bezeugt, das alte Ilion zum unterschied von der apulischen stadt Troja bezeichnet zu werden pflegte, vgl. DHB ❗❗❗ S. LXX. und noch ein anderer bisher nicht nachweisbarer zug wird uns klar. nach Pseudolukians oúzios novos verzaubert sich eine frau durch bestreichen mit einer salbe in einen nachtraben, nach den auf die gleiche quelle zurückgehenden metamorphosen des L. Apulejus in eine eule. so verwandelt sich auch Harpalyke, nachdem sie mit ihrem vom vater verfolgten gatten, der hier Alastor heifst, davongeeilt ist, nach verschiedenen schicksalswechseln in eine zaλzis dh. einen schwarzen habicht oder eine eule. ähnlich entfernen sich W. und Marpalie von der väterlichen burg, aber alsbald verwandelt sie sich in einen schwarzen vogel. ein später mythograph oder ein mittelalterlicher dichter löste also aus der Harpalykesage einzelne fäden: die rückkehr des helden von Troja, den namen der heldin und deren verwandelung in einen schwarzen vogel, um sie in die Hippodameiasage zu verweben. die annäherung beider mythen hatte schon im altertum begonnen. schon damals wurde dem vater der Hippodameia wie dem der Harpalyke nachgesagt, sie seien von sündhafter liebe zu ihrer tochter ergriffen gewesen und Hyginus, wol nicht der freigelassene des Augustus, sondern ein mythograph wahrscheinlich des 2 jhs. n. Chr. 2, stellt in seiner 253 fabel unter der überschrift 'Quae contra fas concubuerunt' 'Harpalyce cum Clymeno patre' und 'Hippodamia cum Oenomao patre' dicht neben einander. bei der willkürlichen sagenmischung der römischen kaiserzeit mögen auch der Thrakerkönig Diomedes mit

1 vgl. Roschers Lexicon 1 1835.

2 Teuffel Gesch. d. röm. literatur § 262.

seinen töchtern und der Thrakerkönig Clymenos oder Harpalykos mit seiner tochter mit einander verschmolzen worden und so der zug der Wolfdietrichssage, dass der vater seine tochter den fremden preisgibt, schon früher eingedrungen sein. auch ein einfluss der verwanten Marpessa auf den namen der Harpalyke ist denkbar. Das antike mischproduct zeigt sich im Wolfdietrich vielfach umgemodelt durch die anschauungsweise und cultur der kreuzzugszeit, aus der das gedicht stammt. schon nach der antiken überlieferung hiengen die häupter der unglücklichen freier an säulen oder waren über der tür aufgesteckt, aber ihre massenhafte aufpflanzuug auf die zinnen der burg war doch erst saracenische sitte, welche die Araber namentlich auch in Spanien oft in erschrecklicher ausdehnung an christenhäuptern ausübten (DHB III s. XXIX). wie das antike ballspiel des Apollonius von Tyrus in ein schirmfechten Jourdains von Blaivies und weiterhin in ein turnier Orendels umgebildet wurde (Zs. 37, 331), so verwandelte man das antike wagenrennen des Oinomaos, der seinen gegner mit einer lanze durchbohrt, in ein messerwerfen Belians, der seinen gegner mit einem messer zu durchbohren trachtet. die wahl gerade dieses gefährlichen wettspiels erklärt sich aus der häufig bezeugten freude jener zeit am messer- oder schwerterwerfen, das vielleicht an die altheimischen schwerttänze anknüpfte, und weiterhin aus dem, wie es scheint, morgenländischen messerkampf. nach den älteren berichten tat sich Taillefer nicht durch seinen sang, sondern durch sein spiel mit hoch in die luft geworfenen schwertern hervor 1. über die bewegten ruder an der aufsenseite des schiffes hinschreitend spielte der norwegische könig Olaf Tryggvason mit drei messern, die er in die luft warf, und der mythische könig Gylfi traf vor Valhöll einen mann, der sogar sieben messer zugleich in der luft hatte 2. in ganz ähnlicher lage wie Belian den Wolfdietrich fordert Galagandreiz den Lanzelet, der ohne seine einwilligung seine tochter beschlafen hat, zum zweikampf mit zwei zweischneidigen messern heraus 3. dass

1 nach einem gedichte des Troubadours Guiraut von Calanson fiengen die spielmänner kleine äpfel mit messern auf, vgl. AKaufmann Caesarius von Heisterbach s. 123.

2 KHoffmann Roman. studien 1 432. Heimskringla c. 92 s. 195. Gylfaginn. c. 2.

3 Lanzelet v. 1119. Heinzel Wiener SB. 119, 68 ff. 78 ff; DHB Iv 317. vgl. ASchultz Höfisches leben 1 130.

im Wolfd. der meister im messerkampf ein heide ist und Belian heifst, hat seine guten gründe. Belian, Pelian, Baligan usw. gilt im altfranzösischen und darnach im mhd. epos für einen heidennamen, den manche Saracenenfürsten und später in würklichkeit auch christliche herren im morgenlande, zb. die herren von Sidon, trugen. er wird von Belus, dem Bel oder Baal zu Babel, herzuleiten sein. die euhemerisierende kirche sah in diesem einen vergötterten könig, den ersten götzen, den urheber alles heidentums 1. darum heifst Belian zb. im Orendel v. 400 f ein wol vermessener heidnischer könig der wüsten Babilonie und, weil man Belus im altertum auch als sohn der Libya kannte, erwähnt Biterolf v. 315 einen Baligan von Lybia. anderseits kennt ihn Hyginus fab. 274 als den ersten, qui gladio belligeratus est, unde bellum est dictum'. nach diesem zuerst mit dem schwert hantierenden heidenkönig des orients wurde in unsrer dichtung oder deren vorlage der aus der Oinomaos-Harpalykos (-Diomedes?) sage hervorgegangene vater der heldin benannt und vollends zu einem mörderischen, messerwerfenden, auf einer einsamen burg hausenden heidenfürsten Belian umgeprägt, seitdem der Assassinenhäuptling, der scheik der Ismaeliten, der geheimnisvolle Alte vom Berge oder Senior Montanae, durch seine messer einen furchtbaren ruf im abendlande erlangt hatte. der kreuzzugshistoriker Jacob von Vitry nannte ihn dominus cultellorum'. mancher muhamedanische fürst fiel unter den meuchlerischen messern seiner sendlinge, wie auch mancher christliche: 1152 graf Raimund von Tripolis, 1193 markgraf Konrad von Tyrus und, was die Deutschen näher berührte, 1231 herzog Ludwig von Baiern. der herr dieser leute selber konnte kaum anders denn als ein grausamer messerwerfer auf seinem bergschlosse gedacht werden. die annahme eines einflusses dieser merkwürdigen historischen figur auf den messerwerfenden burgherrn Belian in Wolfd. D scheint der eigentümliche zug zu bestätigen, dass der böse heide den ritter an der hand über den hof vor das bild des Todes führt mit den worten:

'schouwe, ritter edele, daz bilde heizt der Tôt.

ez bringt dich, degen küene, noch hiute in grôze nôt!' denn es wurde von dem Alten vom Berge erzählt, er habe vor

11,

1 vgl. zb. Lactantii Institut. epitome c. 19 (24). Isidor. Etymolog. vII

23.

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