INHALT Segen aus Londoner hss., von Priebsch Der Strafsburger gönner Konrads von Würzburg, von Schröder Eine urgermanische inlautregel, von RMMeyer Zwei gedichte Frauenlobs, von Hampe Bruchstücke aus Ulrichs von Türheim Rennewart, von Barack Quellenstudien zur mittelhochdeutschen spielmannsdichtung, von EHMeyer Kritisches und exegetisches zu altdeutschen dichtern, von Schröder Lückenbüfser Wunderlich, Der deutsche satzbau, von Tomanetz Schlüter, Untersuchungen zur geschichte der altsächs. sprache 1, von Brandstetter, Die reception der nhd. schriftsprache in Luzern 1600-1830; ders., Die Luzerner kanzleisprache 1250-1600; Bohnenberger, Zur geschichte der schwäb. mundart im 15 jh., von Heusler Wright, A grammar of the dialect of Windhill, von Napier Jellinek, Die sage von Hero und Leander in der dichtung, von Hönig Richter, Erasmusstudien, von Herrmann. Werner, Der Laufener Don Juan, von Szamatólski Hirzel, Geschichte der gelehrtheit von Wieland, von Seuffert Berger, Bürgers gedichte, von Schüddekopf . Litteraturnotizen (Mommsen, Chronica minora saec. IV-VII, von Henning; Sander, La mythologie du nord, von FKauffmann; Jellinghaus, Armi- nius und Siegfried, von Henning; Faulmann, Etymologisches wörterbuch der deutschen sprache, von Franck; Lichtenberger, De verbis quae reduplicatum praeteritum exhibebant, von Holthausen; Kahl, Mund- art und schriftsprache im Elsafs, von Martin; Menges, Volksmundart und volksschule im Elsafs, von Martin; Westphal, Allgemeine metrik der idg. und semit. völker, von Heusler; Boer, Orvar-Odds saga, von Detter; Schullerus, Gellerts dichtungen, von Köster; Umfrid, Goethe der deutsche prophet, von Harnack; Buchner, Herders Cid, von Köster; Gneisse, Untersuchungen zu Schillers aufsätzen, von Breul; Breul, Schillers Tell, von Elster; Schwering, Franz von Kleist, Zwei briefe von Uhland, von Hirzel. Berichte über GWenkers Sprachatlas des deutschen reiches vi (heifs, zwei, schnee, bruder), von Wrede ZU WALTHER VON DER VOGELWEIDE. 1. Der vaden 44, 9. Das lied im hohen stil 43, 9 ff Ich hoere iu só vil tugende jehen, eine huldigung des sängers, die er einer frau darbringt, und zwar vor ihr selbst, in persönlicher gegenwart vorgetragen gedacht, geht durch antworten der frau in eine wechselrede über, in welcher die rechte art der minne verhandelt wird. am schlusse verheifst die frau dem bewerber, der recht verfahre, das beste (womit natürlich den edlen frauen mehr zugeschoben wird, was sie tun sollten): kan er ze rehte ouch wesen frô und tragen gemüete ze máze nider unde ho, der mac erwerben swes er gert. welch wip verseit im einen vaden? guot man ist guoter siden wert. Der faden war das zeichen der gunst, die verheifsen wurde, und zwar der höchsten, nur dass, wie bei aller verblümten rede, der grad, das wieviel der zugesagten gunst unbestimmt bleibt. Wie es eigentlich gedacht war, wird deutlich durch eine stelle in Boccaccios Decamerone 9, 5, wo eine frau einem manne ihre gunst gewährt u. a. mit den worten: tu m'hai con la piacevolezza tua tratto il filo della camiscia, in Steinhöwels übersetzung: du hast mir mit deiner lieplichen (so 1.) zucht den faden aus dem hemde gezogen (s. 567 Keller). es erscheint da schon zur blofsen redensart geworden, setzt aber voraus, dass die frau zuerst würklich einen faden aus dem gewebe ihres kleides herauszog (das also ein entsprechend lockeres sein muste) und dem manne übergab, damit aber sinnbildlich sich selbst: der faden war ein für eine zusage gegebenes pfand. Sprachlich zu bemerken ist noch für Walthers worte, dass das einen vaden nicht einen beliebigen meint, sondern den bestimmten mit der bekannten bedeutung, wie es auch bei Boccaccio il filo heifst, mit derselben bedeutung; es gehört zu dem dritten ein, das der beobachtung so lange entgangen ist, obschon es uns in 'ein hohes ministerium' uä. noch so nahe liegt, und das sich nun immer häufiger findet, seitdem man das auge dafür hat. Z. F. D. A. XXXVIII. N. F. XXVI. 1 Der gebrauch des fadens erscheint auch in der niederländischen fassung des alten liedes von der Frau von Weifsenburg im Antwerpener liederbuch von 1544 nr 23 (auch in Uhlands Volksliedern s. 289 ff), hier aber so, dass umgekehrt der mann den faden aus dem ärmel zieht und der frau hingibt. der frau 'von Lutsenborch' hat ihr buhle Friedrich den willen getan und ihren gatten erschlagen; aber da sie nun ihn selbst für sich will, weist er sie schnöde ab (s. 293), er wolle ihre treue nicht, denn sie könne ihn ebenso verraten: hi troc uut sijnder mouwen dh. er übergibt ihr nur den faden, hier schnur genannt, aber damit nicht sich selbst, worauf sie rechnete, sodass das herkömmliche sinnbild hier umgekehrt verwendet ist. die frau erhält aufserlich, worauf sie anspruch machte, aber nur so, die schnur ist da nicht mehr sinnbild, sondern die ganze gabe selber, die doch durch die sonstige bedeutung nun eine verhöhnende bedeutung erhält. es erinnert an den im minneleben entwickelten seltsamen gebrauch des korbes, eigentlich zum aufziehen des bewerbers zum stelldichein, dann aber mit dem boden so eingerichtet, dass der arme 'durchfiel', der korb also als zeichen scheinbaren gewährens, aber höhnisch ins gegenteil verkehrt. Die sinnbildliche verwendung des aus dem kleide genommenen fadens stammt aber aus dem rechtsleben, jener gebrauch im minneleben ist eigentlich eine rechtshandlung 3. der faden ist 1 'nehmt hin', genau wie franz. tenez là. 2 d. i. sult daer bij. 3 ich verdanke das meinem verstorbenen collegen vom deutschen recht, prof. Stobbe, und möchte, da einmal sein name zu nennen ist, auch eines wenig bekannt gewordenen umstandes erwähnung tun, der freilich schmerzliche empfindungen erregen muss. Stobbe hatte jahre lang für eine zweite ausgabe von JGrimms Rechtsaltertümern mit hingebender liebe gesammelt und ist zur ausführung des vorhabens nicht gekommen, wie JGrimm selbst auch nicht, sodass nun ein buch von 1828 die stelle ausfüllen muss, für die seitdem durch forschung und funde so viel stoff und licht hinzugekommen ist. wie fehlt uns nicht, auch für philologische zwecke, eine genauere kenntnis des alten rechtslebens, das ja damals leben und denken der leute (von jugend auf) umspannte und durchdrang, nicht wie jetzt ein vom leben abgesondertes gelehrtes gebiet war. der obige fall kann das wider nahe legen. an die stelle des halmes getreten, den man überreichte als zeichen einer übernommenen verpflichtung, zuerst als stellvertretendes zeichen eines landstücks, das man einem andern abtrat, s. darüber JGrimms Rechtsaltertümer s. 121 ff, vgl. 604; der lateinische ausdruck ist festuca, stipulus (daher noch stipulieren). der halm war nicht überall zu haben, besonders nicht in städten, das führte zu seiner vertretung durch den faden, der in der form ähnlich doch jederzeit zur hand war. so bestimmte im j. 1166 kaiser Friedrich für die stadt Aachen. die betreffende verfügung des kaisers, in einer längeren urkunde bei Lacomblet Urkundenbuch für die geschichte des Niederrheins 1 184, lautet: Quia quaedam abusio pro longa consuetudine (als altes herkommen) in populo aquensi locum justitiae obtinuit (zu einem rechtssatz geworden ist), ut qui de calumpnia vel aliqua re impetebatur, non poterat expurgationis satisdationem offerre (sicherung geben, dass er zur rechtfertigung vor gericht erscheinen werde), nisi per festucam, quam inclinatus de terra levasset, quam si subito non invenisset, in penam compositionis (bufse) incidit. nos hanc iniquam legem perpetuo condempnantes .. statuimus, quod liceat unicuique in hoc nostro regali loco Aquisgrani, pro qualibet causa, qua impetitus fuerit, expurgationem suam offerre per quodlibet vel minimum, quod de mantello vel tunica vel pellicio vel camisia vel qualibet veste, qua inditus (so) est, manu potest avellere directe stando sine aliqua corporis flexione. s. dazu Heinr. Siegel Die gefahr vor gericht und im rechtsgang, Wien 1866, s. 25 ff. übrigens war das verfahren in der sitte schon länger tatsächlich im gange, s. Siegel s. 26 zb. aus SGallen. auch kaiser Friedrichs verordnung kann dafür zeugen; denn wenn da für das überreichen des stückchens vom kleide ein niederbücken für unnötig erklärt wird, was sich ja gar zu sehr von selbst versteht, so muss das von pedanten bei dem neuen verfahren noch mit verlangt worden, dies also schon im gange gewesen sein. auch die von Walther bezeugte anwendung im minneleben sieht durchaus wie schon länger feststehend aus und kann daher mit für den rechtsgebrauch als zeugnis dienen. In der kaiserlichen verfügung ist freilich nicht der faden bestimmt, sondern quodlibet vel minimum de mantello usw., daher der begriff in allgemeinster fassung, um für die ausführung spielraum zu lassen, der bei dem alten gebrauch gar zu eng be schränkt war. wie man aber das quodlibet vel minimum de mantello avellendum am leichtesten und daher wol am gewöhnlichsten ausführte, das zeigen eben die dichterstellen. dabei scheint auf seide besonderer wert gelegt zu sein. Hier im minneleben gewinnt aber der faden eine ganz andere, neue wendung des sinnes, die sich ja so nahe legte. aus dem faden oder der schnur wird ein band als zeichen, dass die frau den mann gleichsam bindet, für sich gefangen nimmt in liebe. in einem fastnachtspiel die Harnischvasnacht' spricht einer von einem kampfe, den er vor habe: do schicket mir mein pul ein seidene pinden, Fastnachtsp. 756, 18. die seidene binde, mit dem eignen kleide doch in keiner beziehung mehr, ist da doch vorwiegend noch ein zeichen der gunst, wie jener faden, das ihn im kampfe mutig machen soll, aber doch zugleich, indem es ihn an sie bindet, zu ihrem ritter macht. geradezu als gefangenschaft, durch eine fessel angezeigt, erscheint das verhältnis des liebenden zu seinem buhlen im 16 jh. zb. bei Murner in der Geuchmatt, wo die geuchin ihrem gauch ein halsband machen lässt: und umb sin hals dermasz beschlieszen, und er im halsband gfangen gan. Scheibles Kloster vi 940. der gauch wird sogar als an der schnur geführt gedacht, wie es ebenda heifst: (geuche) die si mit schwarzen siden schnüren am hals gefangen har musz füren. s. auch in Grimms Wb. unter 'gefängnis' 2, c. das bild des mannes als eines gefangenen in der gewalt der frau gehört doch auch schon dem 12 jh. an, s. Morungen Mfr. 126, 18; um so leichter konnte es sich bei dem aus dem rechtsleben übernommenen faden einstellen und unterschieben. Die vorstellung und das bild vom bande als zeichen der 'verbindung' in liebe und freundschaft (wir haben ja dafür kaum ein andres bild) ist übrigens fortgeführt worden und bis heute nicht abgerissen, wobei die anknüpfung an die alte sitte wol erkennbar bleibt. das sog. angebinde zum geburtstag ist eine unmittelbare |