Aber Vigfusson (Corp. poet. bor. 1 436, 572 f) hatte mehrere runen anders gelesen, namentlich pr statt þu und durchweg j statt und diesen beiden Vigfussonschen lesungen1 schliefst sich B. mit aller entschiedenheit an, während er die übrigen neuerungen Vigfussons, die in der tat keiner widerlegung bedürfen, kurzweg verwirft. 'die zweite rune in der mittelreihe', sagt B. s. 38, ... ist auf dem steine unglücklich eingehauen und ist sowol von den r-runen wie von den u-runen, die sich sonst auf derselben seite finden, wesentlich verschieden. der seitenstrich biegt sich zuerst nach unten, aber geht dann auswärts nach links. dieser seitenstrich, der auswärts nach links geht, ist in seinem ersten teile ebenso tief und glatt wie der seitenstrich im übrigen, und der macht es notwendig, die rune als r, nicht als u zu lesen. der letzte teil des seitenstriches, durch den dieser mit der folgenden rune i verbunden ist, ist dagegen weniger glatt und tief, und der muss als zufällig angesehen werden'. Auf B.s photographien sieht das auf þ folgende am ehesten aus wie (linksläufiges) is. da jedoch alle, welche den stein selber gesehen haben, mit B. wenigstens darin übereinzustimmen scheinen, dass sie nicht is, sondern statt dessen nur eine rune lesen, ja die lesung is weder als undenkbar noch als ev. denkbar überhaupt nur erwähnen, so muss sie wol unmöglich sein: um so sicherer, je näher sie wenn die züge des originals sie irgend zuliefsen - deshalb läge, weil ihr s zusammen mit den 3 folgenden runen ja einen complex ergäbe, der sich mit rune 7-10 der linken zeile deckte. Während sich B. zu der lesung þr statt þu schon aus rein graphischen gründen gezwungen sieht so dass es ihm eigentlich nicht der mühe wert sein sollte, noch sprachliche einwände (s. 30 f) gegen die lesung þu zu machen, entscheidet er sich für die lesung j statt eingestandenermafsen ausschliefslich aus gründen der interpretation, indem er unumwunden zugesteht (s. 37), dass das fragliche zeichen wesentlich dasselbe sei wie das -zeichen anderer inschriften und sonst bisher nirgends j bedeute. und aus 1 Bugges vermutung (s. 43), dass ich diese lesungen 1884 noch nicht kannte, ist richtig. gründen der nämlichen art gelangt er, und zwar vor unsern augen - zwischen dem 13 juni und 1 juli 1891 zu der überzeugung, dass die rechte oder die rechte und die mittlere zeile der inschrift oben unvollständig sei, das denkmal also, wie auf der wiwaRseite, so auch auf dieser seite etwas von seiner ursprünglichen höhe eingebüfst habe (s. 33), was er vorher (s. 25) aus innern wie äussern gründen unwahrscheinlich, wenn auch keineswegs den äufsern indicien nach undenkbar gefunden. Die auffassung des zeichens als einer form der j-rune schliefst die zwar sehr überraschende, aber nicht von vorne herein unzulässige voraussetzung in sich, dass dem verfertiger unserer inschrift die - rune entweder nur in hiervon verschiedener gestalt oder aber als lautzeichen überhaupt ebensowenig geläufig gewesen sei wie dem Wakrar von Reidstad. Alle anläufe, welche von den 3 voraussetzungen ausgingen: den lesungen þu und und der annahme, dass unsere inschrift abgesehen von dem untersten teile der rechten zeile vollständig sei, haben zu keiner einwandfreien gesamterklärung geführt. Bugge list: [afte]R woduride: staina: (linksläufig) unten nimmt an, dass in der rechten zeile hinter staina: oder aber teils hier, teils in der mittleren vor þrijoR, oder endlich beide zeilen verbindend noch eine 3 ps. pl. mit etwa der bedeutung 'setzten', 'errichteten' oder 'beschrieben', oder auch mehrere wörter, zb. noch ein wort mit der bedeutung auch', auf einem längst abgebrochenen und verlorengegangenen teile des steines gestanden 2, und übersetzt: efter Vodurid [mærkede] tre døtre stenen, de nærmest beslægtede af arvingerne delte arven'. d. i.: 'nach (nach dem tode des) Vodurid [beschrieben] den stein drei töchter, die nächstverwanten unter den erben teilten das erbe'. Da 'teilten so viel besagen soll wie 'teilten unter sich', so erinnert der satz 'die nächstverwanten unter den erben teilten 1 ich meine mit dieser übersetzung des Buggeschen 'mærkede' selbstverständlich: inscripserunt. 2 Läffler (Uppsalastudier s. 5 anm. 1) giebt 'setzten' den vorzug vor 'beschrieben': "märkt' stenen, d. v. s. skrivit runorna, hade ju Wiwan'. vgl. hierselbst s. 165 anm. 2. das erbe' in logischer hinsicht einigermafsen an solche sätze wie ich bin der älteste meiner brüder' oder 'es ist ein glück für deine kinder, dass du keine hast'. gewis ist es nicht unlogisch, zu sagen: unter den und den umständen soll der und der erbe nichts erben', oder auch: ... sollen alle erben nichts erben'; aber nach geschehener teilung jemand, der nichts abbekommen hat, noch mit unter die erben zu rechnen, um dann diejenigen, die tatsächlich geerbt haben, geflissentlich als nur einen bruchteil der erben zu kennzeichnen, kommt mir sonderbar vor. zum mindesten muss, wer das tut, mit seinen gedanken noch tief in der situation, die vor der teilung herschte, befangen sein; denn der erbe' bedeutet und bedeutete auch ursprünglich — nicht soviel wie der verwaiste', sondern das erbe' ist es, wonach er in allen germ. sprachen benannt ist; vgl. Sievers in den Beitr. 12, 174 ff. Bugge scheint in jenem ausdrucke nichts auffälliges zu finden 1. er erwägt nur (s. 36), ob die 'drei töchter' in den nächstverwanten unter den erben' mitinbegriffen seien, und hält wegen der unverbundenheit der beiden aussagen (a) drei töchter [beschrieben] den stein', (b) 'die nächstverwanten unter den erben teilten das erbe' für das wahrscheinlichste, dass sie das nicht seien, oder vielmehr genau genommen für das wahrscheinlichste, dass sie überhaupt in den 'erben' nicht mitinbegriffen seien. für ihre nichtzugehörigkeit zu den 'erben' überhaupt findet sich aber wenn wir annehmen, dass söhne näherverwante erben waren, als töchter waren, in B.s übersetzung kein anhalt. anders in der aus dieser erwachsenen Läfflerschen (Uppsalastudier tillegnade Sophus Bugge, Uppsala 1892, s. 1). Läffler übersetzt: 'die nächstverwanten unter den männlichen erben teilten das erbe'. er meint nämlich, dass die nächstverwanten erben das erbe teilten', sei ja das normale gewesen, unser satz müsse mehr als solche trivialität enthalten; die absicht sei gewesen, 'anzugeben, dass in diesem falle der ältere rechtsbrauch, welcher die töchter vom erbe ausschloss, befolgt sei. dies widerum setzt voraus, dass damals die neue erbordnung, welche den töchtern zu erben gestattete, sich geltend zu machen angefangen, aber die ältere noch nicht verdrängt hatte, dass also damals ein über 1 belege für diese ausdrucksweise wären mir jedesfalls erwünschter, als für die ausdrucksweise 'ich N. N.', deren ehrwürdigkeit wol seit 40 jahren kein vernünftiger mehr bestritten hat. gangsstadium bezüglich des erbrechts eingetreten war'. aber abgesehen davon, dass uns Läffler hiermit vor zwei psychologische alternativen stellt, die beide gleich ungeheuerlich sind, liegt es ja auf der hand, dass seine übersetzung lexikalisch unzulässig ist und selbst die näclistverwanten männlichen unter den erben...' grundverkehrt sein würde. Bugge legt offenbar den hauptnachdruck auf 'nächst-'; man könnte ihn auch auf 'teilten' legen, indem man voraussetzte, dass nach dem tode Woduridars verhältnisse obwalteten, unter denen zur zeit unserer inschrift in der gegend von Tune teilung nicht das normale gewesen; man könnte ihn auch auf 'erben' legen, indem man voraussetzte, dass anspruch auch jemand erhoben hatte, der nicht wenigstens nach der juristischen ansicht der töchter und der teiler nicht zu den erben gehörte, etwa Wiwar. in jedem falle aber ist es, so lange wir die töchter von den nächstverwanten' ausschliefsen, höchst befremdlich, dass sie sich gedrungen gefühlt haben, diese erbteilung zu verewigen. weit weniger befremdlich wäre das, wenn sie mit den nächstverwanten unter den erben' gerade sich selber gemeint hätten; und da dies anzunehmen bei B.s übersetzung nicht wol möglich ist, so drängt sich wol jedem die frage auf, warum B. nicht übersetze: nach W. den stein [beschrieben] drei töchter teilten das erbe als nächstverwante unter den erben'. er findet ich ihn recht versteh hierin (s. 36) ein unglückliches asyndeton'. ich sehe aber nicht, inwiefern dies asyndeton unglücklicher wäre als zb. das: Sipan lave konungr upp settargerdina. melti sva. pat scal upphaf .... (Saga Olafs konungs ens Helga... Christiania 1853, s. 1203). das pragmatische verhältnis von 'teilten' zu [beschrieben]' wäre ja freilich ein anderes, als das von melti zu lavc... upp; denn wir könnten wol kaum umhin, darin, dass die tochter als nächstverwante unter den erben das erbe teilten, das frühere und die veranlassung zu dem beschreiben anzuerkennen. aber das schadete ja nichts. nein, man könnte sogar den reflex dieses zusammenhanges aus der ich wage nicht zu sagen 'inversion' gruppierung: object verbum subject verbum object herauszulesen sich versucht fühlen und etwa interpretieren: 'teilten sie doch das erbe'. ob man nicht allein vor 'teilten', sondern auch hinter 'erbe' ein komma setzte, also das 'als nächstverwante unter den erben' grammatisch zu den stein [beschrieben] wenn drei töchter' zöge, wie man grammatisch das nach Woduridar' ja nur hierzu ziehen könnte, das dürfte geschmackssache bleiben. kurz, wenn es sicher wäre, dass eine der beiden übersetzungen die Buggesche oder diese modification der Buggeschen die im wesentlichen richtige sei, so müste das m. e. die letztere sein 1. Wie wenig sicher das aber ist, ergibt sich, sobald man bedenkt, dass, abgesehen von der lesung þr statt des nach Wimmers versicherung (Runenschrift s. 152) zweifellosen pu, abgesehen von der lesung des nach Bugges eigenem zugeständnisse sonst bedeutenden zeichens als j, abgesehen von der, wie Bugge selbst einräumt, durch aufserliche indicien nicht gebotenen annahme, dass oben an der inschrift etwas abgebrochen sei, abgesehen von der hieraus folgenden zweifelhaftigkeit des rechtes dort etwas zu ergänzen, abgesehen von der das ergänzungsbedürfnis vorausgesetzt hier unvermeidlichen unsicherheit der richtigkeit des ergänzten dass, abgesehen von alledem, die eine übersetzung sowol wie die andere noch zwei emendationen innerhalb der inschrift erfordert, nämlich die lesungen da(i)lidun und si(b)joster. B. räumt freilich nur die notwendigkeit der zu zweit genannten emendation ein, und Läffler (aao. s. 1 ff) glaubt sogar diese entbehren zu können. aber wenn B. (s. 28) in einer erörterung, die er mit dem satze einleitet: 'in dalidun ist a aus ai entstanden...', zu dem resultat gelangt, das a anstatt ai sei noch nicht hinreichend aufgeklärt, man sollte vom jetzigen standpunct unseres wissens aus * dailidun erwarten, er nehme hier eine ungenaue lautbezeichnung an, die möglicherweise andeute, dass das erste element in dem diphthong ai das am meisten hervortretende war, so scheint mir das keine glückliche umschreibung. erstens lässt sich wol nicht bezweifeln, dass auch in dem diphthong von staina das erste element das am meisten hervortretende gewesen, zweitens aber stellen die schreibungen arbija und arbijano vorausgesetzt, dass so zu lesen ist dem orthographischen redactor unserer inschrift ein glänzendes zeugnis aus: er muss ein ausgezeichneter phonetiker gewesen sein! dagegen lässt sich angesichts der runenformen sowie der zeilenkrümmungen und angesichts des schreibfehlers sijoster - voraus 1 ob sich zu gunsten von einer von beiden übersetzungen die starke flexion des superlativs auf er verwerten liefse, muss ich leider dahingestellt sein lassen. Z. F. D. A. XXXVIII. N. F. XXVI. 12 |