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DER GERMANISCHE ORENDEL, ARY

Heinzels gehaltvolle schrift über den könig Orendel enthält einen abschnitt 'Entwicklung der Orendelsage', der verfrüht erscheint, weil darin der nordische Aurvandil keine stelle findet'. mit der Helenalegende allein lässt sich nicht auskommen. zwar die heimkehrsagen, auf die man bisher, verführt durch einzelne anklänge an die Odyssee, das augenmerk gerichtet hat, müssen aus dem spiel bleiben. aber eine bekannte märchengruppe kommt in betracht, über die wir der kürze halber auf Leskien 2 und Brugmann Litauische volkslieder und märchen nr 9 und Cosquin Contes populaires de Lorraine nr 12 verweisen. auch Buovo von Antona, dessen ähnlichkeit mit dem Orendelgedicht H. s. 30 hervorhebt, gehört hierher, und zwar zu den versionen mit der ungetreuen frau, die ihr kind durch gift aus dem weg räumen will (Cosquin 142); mir ist er nur in der abgeleiteten fassung des russischen volksbuches bei Dietrich s. 68 ff zur hand, doch ist das wol von keinem wesentlichen belang, da im nachstehnden ohnehin nur umrisse angedeutet werden können; sie dürften genügen für den versuch, der hier gewagt werden soll, aus der litterarischen, halbgelehrten überwucherung den alten volksmäfsigen kern herauszuschälen, nach dem sich das gedicht benennt.

Orendel, der in unscheinbarem gewand an den hof zu Jerusalem kommt, durch tapfre taten in turnier und feldschlacht sich hervortut, wobei ihm engelshände dienstbar sind, endlich (nach dem kampf mit Pelian, wie der russische Bowa beim auszug wider Lukoper, Dietrich s. 86) den beharrlich verschwiegenen namen verrät und mit der hand der königin zugleich den thron gewinnt das ist, in den hauptzügen deutlich erkennbar, der

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1 die nachstehnden ausführungen sind einer besprechung von Heinzels schrift entnommen, die für den Anz. f. d. a. bestimmt war, aber trotz ihrer gedrängtheit zu umfänglich geriet. die arbeit war im october abgeschlossen, vor dem erscheinen von EHMeyers Quellenstudien zum Orendel (Zs. 37, 325 ff). nachträge, die seither hinzukamen, sind in eckige klammern eingeschlossen. zu einer den stoff bequemer vorlegenden neubearbeitung fehlt die zeit. gut wäre es deshalb, vor dem lesen wenigstens den inhalt von KHM nr 136 'Eisenhans' im gedächtnis aufzufrischen.

2 citiert als Leskien, wiewol meistens Wollners anmerkungen gemeint sind.

Z. F. D. A. XXXVIII. N. F. XXVI.

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märchentypus von 'Eisenhans' oder 'Goldener' oder 'Werweifs', nur dass das märchen statt der engel, die auch in dem gleichfalls hierher gehörigen Robert dem teufel auftreten, einen hilfreichen eisenmann, waldmenschen oder dgl. nennt. die stummheit Roberts des teufels, welche anderwärts durch eine auf das stereotype 'weifs nicht sich beschränkende schweigsamkeit ersetzt ist, stammt aus solchen märchen, die von stumm ertragener alptraumqual handeln, und ist nur für einen teil unserer gruppe characteristisch. wenn aber im russischen märchen (Afanassieff vir 117) dem helden auf sein ne znaju ('weifs nicht') erwidert wird: 'dann sei du eben der Nesnajko', so hat das sein gegenstück im Orendel (842 ff): 'Got grüez iuch, her Grawer roc, ich kan iuch nit anders nennen, weiz got! Ob ich iuch, her, erkante, wie gern ich iuch anders nante! statt des grauen rockes verwenden die märchen ochsenhaut und blase (Afan. vII 116), andere tierhäute, sogar menschenhaut, die auch im Morolf eine rolle spielt, blase, strohkappe udgl. (Rätsel der Sphinx I 144. 147). nachdem Orendel den Merzian in die wüste Schalung gejagt hat, ruht er vierzehn tage, ähnlich wie Bowa sich von seinen kraftwerken durch einen vieltägigen märchenschlaf erholt. wenn bei drohender gefahr Bride in des Graurocks kemenate tritt, ihn fragt, ob er schlafe, und auf seine verneinende antwort ihm ansagt, dass eine grofse heeresmacht heranrücke, so ist das ein zug, der ganz ähnlich im russischen märchen begegnet (Dietrich s. 46. 48); in einem kleinrussischen lässt sich Nesnajko von der königstochter durch einen nadelstich in die wange aufwecken (Leskien s. 541). der jungfräuliche ehestand Orendels mit Bride ist, wie H. s. 32 richtig sieht, in asketischem sinn gemeint; aber als motiv stammt er aus unserm märchenkreis (vgl. Beuves bei H. s. 30. 33; Gonzenbach nr 26 und 67): der 'grindkopf' weifs nämlich, dass die braut seine schwester ist, oder der 'gänsejunge' hat schon eine frau, gerade wie Beuves. auch daran ist zu erinnern, dass das trennende schwert auf dem ehebett der königstochter typisch ist für das zweibrüdermärchen (Gonzenbach I 230; vgl. Gervasius, hsg. v. Liebrecht 101f); dieses aber kommt hie und da mit zügen aus unsrer gruppe ausgestattet vor, in den 'Goldkindern' (KHM nr 85) hüllt sich der goldene prinz in ein bärenfell, oder der held erwirbt die prinzessin, wie unser Orendel usf., im turnier (Gonzenbach nr 39; Vernaleken bei Cosquin 1 72; Sommer nr 7; vgl. auch Wolf Deutsche märchen und sagen

nr 27 mit Cosquin aao.): ein einfluss von dieser seite wäre also nicht undenkbar.

Das märchen kenut nebenfiguren, in der regel schwäger des helden, die auf diesen mit verachtung herabsehen, aber sich von ihm das mal der knechtschaft aufprägen lassen, damit er ihnen gestatte, sich mit seinen verdiensten zu schmücken (Gonzenbach II 240 anm. 2; Grundtvig, übers. v. Leo s. 245; Germ. 15, 180). ihnen entsprechen die heiden Sudan und Merzian; jener behandelt Orendel als 'vilzgebûren', dieser erklärt ihn für seinen eigenknecht, wird aber nachmals durch Bride auf gnade und ungnade dem angeblichen sklaven überlassen. wenn Orendel die beiden beim spiel antrifft, so ist das dieselbe situation wie im kleinrussischen märchen bei Leskien s. 541 (vgl. ebd. s. 540 die kartenspielenden schloss frauen, denen der held prächtige kleider abgewinnt). dem verachteten märchenhelden gibt man am königshof ein schlechtes pferd und unbrauchbare waffen (Peter Volkstümliches aus Österreichisch - Schlesien i 184; Wolf Hausmärchen s. 282 f; Asbjörnsen und Moe 1 95; Germ. 15, 180; Grundtvig-Leo 244. 247; Zingerle 2 161), die er dann insgeheim mit der wunderbaren, vom hilfreichen Eisenhans udgl. dargereichten ausrüstung vertauscht. an das letztere märchen gemahnen noch die goldnen schuhe, die Orendel vom engel empfängt, der tausch der rosse dagegen vollzieht sich in andrer weise: der dichter lässt das tier, das Merzian dem Graurock leiht, kein verkrüppeltes sein, sondern ein unbändiges, so dass es mit dem unbändigen märchenross verfliefst, das zb. Eisenhans (KHM nr 136) statt des kleppers herbeischafft. das rostige, hölzerne oder sonst untaugliche schwert endlich, das im märchen dem unscheinbaren helden spottender weis eingehändigt wird, gab anlass zu der scene mit dem unechten, splitternden schwerte v. 1600 ff, wobei sich Bride gegen den kämmerling benimmt, wie Siegfried im Siegfriedsliede 1 gegen den ausflüchte machenden zwergkönig Äugel oder auch wie 'Bärensohn' gegen den zudringlichen zwerg (Sphinx 1 58f; 1 21). wenn der eifersüchtige Merzian grimmiclichen zu Bride spricht (1466 f): ist daz nun getan reht, daz ir küssent minen kneht?, so gleicht er dem Orlop, der der Druschnewna vorwürfe macht, als sie

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an einen zug der tiersage von wolf und stute klingt eine andre stelle an: vgl. v. 2658 ff mit RF CCLXIII; Haltrich Zur volkskunde der Siebenbürger Sachsen, 1885, s. 502 f.

Bowa küsst (Dietrich s. 87; zum küssen vgl. auch ebd. s. 80 mit Leskien s. 538).

So bewegt sich der erste teil des Orendel nur um diesen handelt es sich in den bahnen des Eisenhansmärchens; eine ausnahme macht der eingang, doch nur scheinbar. Berger hat die entdeckung gemacht, dass der schiffbruch des Orendel und seine begegnung mit Ise aus dem Apollonius von Tyrus stamme; wenn einzelne züge dieser Orendelscene näher zu dem homerischen vorbild des sophistenromans stimmen, als was dieser selbst berichtet, so findet sich ähnliches in dem französischen Apollonius, dem Jourdain de Blaivies (Dunlop-Liebrecht s. 137). nun beruht aber der Apollonius bis dahin, wo der held die tochter des königs Archistrates heiratet, auf unsrer märchengruppe vom Eisenhans oder Werweifs, und zwar, wie es scheint, auf einer form, welche mit unbehaglichen familienverhältnissen anhebt, wie Bovo d'Antona und seine gruppe, oder mit einer weissagung von elternmord und schwesterehe wie bei Gonzenbach nr 26 und im Seghelijn (H. s. 51 f); denn das reich, aus dem der held entflieht, ist ursprünglich sein väterliches (Rohde Griech. roman s. 418), von lasterhaften zuständen darin berichtet die auf uns gekommene lateinische fassung, die jedoch ihre motive dem weiblichen seitenstück unsrer märchengruppe entlehnt (Rohde s. 420; Archiv f. slav. phil. 2, 622 ff). dass also der Apollonius, dessen zugehörigkeit zu unsrem märchenkreis sich deutlicher als in der lateinischen version in der dem griechischen volksmund entnommenen ausspricht (Hahn nr 50; BSchmidt Griech. märchen s. 7 anm.; Rohde s. 421), einfluss auf den Orendel gewann, ist sehr erklärlich. den vermittler braucht nicht erst unser dichter gemacht zu haben, denn wir haben eine spur, dass man auch sonst in Deutschland die verwantschaft des gelehrten romans mit dem volksmärchen erkannte, in das man dann den griechischen namen des helden einschwärzte auf ähnliche weise, wie sich die russische form des märchens mit den namen Lukopero und Polkan aus dem Bowa aufgeputzt hat (vgl. Dietrich s. 43. 46 mit 83 ff. 104 ff).

Durch die Thidrekssage nämlich wissen wir von einem 'Apollonius von Tyra unfern des Rheins', der mithin als landsmann Orendels von Trier ob der Mosel zu denken ist und ihm sagengeschichtlich nahe steht, auch wenn der anklang von Tyra an Trier zufällig und für die localisation des märchens in der stadt

des ungenähten rockes ohne bedeutung sein sollte. aufser dem namen des helden ist fast nichts aus dem roman entlehnt: die briefliche liebeserklärung der Herburg (Rassmann Heldensage 11542) gemahnt an das schriftliche bekenntnis der griechischen königstochter (Rohde s. 410; Hahn 1 277), ihr früher tod an den scheintod der andern (Rassmann 1 546; Rohde s. 410; Hahn 1 279). da auch ihr gatte bald stirbt (Rassmann 11 560) und die erzählung fortan seines bruders Iron schicksalen gilt, so erstreckt sich dieser deutsche Apollonius nicht über den ersten teil des griechischlateinischen hinaus, gerade wie das volksmärchen, und mit diesem stimmt denn auch sein inhalt überein. durch könig Isung seines väterlichen reiches beraubt, entflieht Apollonius und findet unterkunft in Tyra, wo ihn der Hunnenkönig zum jarl einsetzt. weil er blofs jarl sei und nicht könig, verweigert ihm könig Salomon von Frankreich die hand seiner tochter; diese aber fasst liebe zu dem scheinbar unebenbürtigen und reicht ihm einen apfel, worin er dann den vorhin erwähnten brief findet. ein zweites mal begibt sich der jarl vermummt an Salomons hof: er hatte unterwegs mit einem weibe die kleider getauscht. die prinzessin erkennt ihn und wirft ihm einen apfel zu mit einem briefe, worin sie abrede zur entführung trifft; dann zieht sie mit ihm nach Tyra — 'ins hühnerhaus' würde das märchen sagen (Wolf Hausmärchen s. 282) und stirbt. die schliefsliche enthüllung der alten königsherlichkeit ist also weggelassen, dafür aber auch die erniedrigung sehr gemildert, und nur in der vermummung bricht eine erinnerung an die knechtsgestalt des märchenhelden durch (zum kleidertausch vgl. Cosquin 1 134. 147). landflüchtig gleich Apollonius ist der märchenprinz bei Schneller Märchen aus Wälschtirol s. 42. der zugeworfene apfel begegnet in unsrer märchenreihe häufig, als zeichen der gattenwahl (zb. Schneller s. 45. 183; Hahn nr 6). wenn Apollonius den wald des königs Salomon verödet und niederbrennt (Rassm. II 553), so mag das auf den zug des märchens zurückgehn, dass der verkappte held den königlichen garten verwüstet (Hahn II 198; Afanassieff vin 603 Dietr. s. 44; Müllenhoff Sagen s. 423). möglicherweise war dem verfasser neben. der version des märchens, worin der kleidertausch vorkommt, auch diejenige bekannt, wonach sich der held in die haut eines menschen hullt falls folgender schluss nicht trügt: Apollonius gewinnt die liebe der königstochter nicht durch musikalische künste

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