Obrazy na stronie
PDF
ePub

kaum einen Blick in das Werk gethan, der aber schon auf das Vollkommenste erhebt und befriedigt.

Mit den treusten Wünschen und Grüßen folge dem würdigen Naturforscher gegenwärtiges Blatt und wo es ihn trifft, sey es Zeuge meines Dankes und meiner Segnungen.

Und so fortan

Weimar, d. 8. Juni 1828.

treu theilnehmend

I. W. v. Göthe.

Manche

Dies sollte der lekte Brief sein, den ich bei Lebzeiten des verehrten Mannes von seiner Hand bekam! Aenderung in meinen Verhältnissen entfernte mich in der nächstfolgenden Zeit von den comparativ = morphologischen Studien, welche mich mit Göthe bisher in näherer Wechselwirkung erhalten hatten, und als ich sie wieder lebhaft aufnahm, um die zweite so viel vermehrte Ausgabe meiner vergleichenden Zootomie zu besorgen war der Theure von uns geschieden. - Im Jahre 1831 jedoch brachte eine andere Richtung meiner Bestrebungen mich ihm noch einmal näher. - Die Vorlesungen über Psychologie, welche ich ein Jahr zuvor einem sehr ausgezeichneten Kreise von Männern und Frauen gehalten hatte, waren im Druck erschienen und ich verfehlte nicht, auch sie Göthe vorzulegen. Ganz unerwarteter Weise blieb meine Zusendung ohne Erwiderung und als im März 1832 der Unvergeßliche uns genommen wurde, beklagte ich zwiefach, nicht noch eine erfreuliche Zeile aus seinem lehten Lebensjahre erhalten zu

haben. So vergingen abermals Jahre, als im Winter 1834-35 die eigenthümlichsten Stimmungen mich drängten, meine Gedanken über den damals zuerst uns ganz bekannt gewordenen Faust zu einem deutlichern Bewußtsein zu bringen. - Von neuem trat Alles, was in meinem Leben auf Göthe sich bezogen hatte, wieder im hellsten Lichte hervor, lebhaft bewegte sich der Zug der Gedanken um den Dichter und die unsterbliche Dichtung, und was mich damals anhaltend beschäftigt hatte, concentrirte sich zulekt in drei Briefen, welche ein Heft bildeten, dessen Herausgabe im Jahre 1835 erfolgte und von manchem edlen Gemüthe und feinem Geiste mir Dank eingetragen hat. — Wie seltsam war es mir nun, als gerade um diese Zeit drei Jahre nach dem Dahinscheiden Göthe's mir ein Brief von ihm an mich zu Händen kam! Die Sache verhielt sich folgendergestalt: - Se. Excellenz, der Kanzler v. Müller, der geprüfte, vieljährige Freund Göthe's, hatte, bei der Durchsicht und Ordnung der Correspondenz von Göthe, geglaubt, in der Correspondenz mit mir einige Lücken zu bemerken, und mich um Abschriften der in den Weimarischen Manuskripten fehlenden Briefe ersucht. Als ich diese sendete und das Verzeichniß der in meinen Händen befindlichen Briefe beifügte, wurde mir erwidert, daß sich unter den von Göthe diktirten mir bestimmten Briefen einer und zwar der lekte vorfinde, welchen hinwiederum ich gar nicht erhalten zu haben scheine. - Natürlich bat ich sogleich um eine Abschrift desselben und erhielt nun erst die auf Zusendung meiner Psychologie vermiste Erwiderung. - Man kann denken, daß gerade damals, wo ich im Geiste so viel mit Göthe mich beschäftigt hatte, mir das Erscheinen eines Briefes an mich - wie aus einer andern Welt herüber den wunderlichsten und lebhaftesten Eindruck hinterlassen mußte! - Wahrscheinlich hatte ihn Göthe diktirt wie alle die übrigen, es war jedoch entweder die Reinschrift zur Unterzeichnung vom Sekretair nicht besorgt, oder die unterzeichnete verloren worden und so war mir damals entgangen, was mir bestimmt war, um in späterer Zeit doch noch glücklicherweise mein Eigenthum zu werden. Hier denn der Brief:

Ew. Wohlgeboren

bin sehr gern auf jenem Wege gefolgt, den Sie in Natur und Kunst ausübend zu betrachten in den verschiedensten Richtungen eingeschlagen hatten. Ebenso ange= nehm ist es mir, Sie gegenwärtig zu begleiten, da Sie uns in unser Inneres zurückführen. Ich sage dies bei den ersten Blicken, die ich in Ihr neuestes Werk thue, wo mir so viel Belehrendes und Aufregendes entgegentritt.

Ganz naturgemäß habe ich bei dem Allgemeinen, das Sie vortragen, auf die individuelle Psychologie meiner abgeschlossenen Persönlichkeit zu reflectiren gehabt und glaubte immer doch nur die Namificationen jenes geistig organischen Systems auf die verschiedenste Weise durchgeführt, in Wirksamkeit zu erblicken.

So viel sage ich übereilig und nur so viel andeutend, da ich bei wachsendem Interesse, bei innigstem Eindringen in das Gegebene meist den Muth verliere zu einer umständlichern Ableitung und Durchführung meiner Gedanken über das Gewonnene, wie mir es auch bei dem Studium Ihrer die Organisation aufhellenden Schriften gegangen ist; denn gerade da wo man sich am tüchtigsten auszusprechen wünschte, fangen an die Worte zu fehlen.

Auch hier sage ich nichts weiter, aber zu versichern hab' ich, daß ich Ihre Bemühungen, die uns noch innerhalb des Kreises menschlicher Natur dem Unendlichen anzunähern, auf das richtigste und bescheidenste sich bestreben, theilnehmend anerkenne; womit ich denn, eine lange Folge solcher edlen Unternehmungen wünschend, mich und das Meinige zu wohlwollendem Andenken dringlichst empfehle.

Weimar, November 1831.

Soweit denn also die Schilderung dessen, was persönlich mich mit Göthe in einige Berührung gebracht hat! Ich stehe nicht an, es unter die glücklichsten Verhältnisse meines Lebens zu zählen, daß mindestens so weit mir ein Verhältniß zu ihm gewährt war. Wer längere Zeit in der Welt lebt, erkennt gar bald, wie sparsam überhaupt Begeg= nungen uns gegönnt sind mit Menschen, welche eine höhere Bedeutsamkeit ihres Innern uns werth macht, und welche ein tiefbegründetes reines Wohlwollen uns verbindet. Jede verfehlte Begegnung solcher Art ist ein unerseklicher Verlust, jede erlangte und glücklich gegönnte ein unschäßbarer Gewinn. Es hat mich daher immer wahrhaft gerührt, wenn der würdige hochbejahrte C. W. Hufeland, in seiner Nachschrift zu Dr. C. Vogel's Aufsak: „die lekte Krankheit Göthe's" - noch mit wahrhaft jugendlicher Wärme das Glück preist, Göthe im Leben näher gestanden zu haben. Er durfte das in so viel weiterer Beziehung

sagen obwohl gerade über irgend wichtigere Probleme er wohl kaum mit Göthe in vieler Wechselwirkung sich befunden hatte; allein ihm war das Glück geworden, Göthe noch in den Jahren voller Kraft des jungen Mannes zu beobachten, und indem ich nun hier diesen ersten Abschnitt beschließe, halte ich es für angemessen, jene Aeußerungen Hufeland's hier noch selbst mit aufzunehmen, da sie in der Folge zu manchen weitern Betrachtungen uns führen werden.

Seine Worte sind:

„Ich rechne es zu den größten Vorzügen meines Lebens und zu den schönsten Seiten desselben, daß es mir vergönnt war, diesem großen Geiste, diesem Heros der der deutschen Geisterwelt eine lange Reihe von Jahren hindurch persönlich nahe zu stehen, und sie mit ihm zu verleben, so daß ich ihn als einen wesentlichen Bestandtheil meines eignen Lebens betrachten kann. Als Knabe und Jüngling schon sah ich ihn im Jahre 1776 in Weimar erscheinen in voller Kraft und Blüthe der Jugend und des anfangenden Mannesalters. Nie werde ich den Eindruck vergessen, den er als Orestes im griechischen Costüm in der Darstellung seiner Iphigenia machte: man glaubte einen Apoll zu sehen. Noch nie erblickte man eine solche Vereinigung physischer und geistiger Vollkommenheit und Schönheit in einem Manne als damals an Göthe. - Unglaublich war der mächtige Einfluß, den er damals auf gänzliche Umgestaltung der kleinen Weimarischen Welt hatte. Nachher hatte ich das Glück, 10 Jahre lang (von 1783-1793) als Arzt und Freund seines nähern Umgangs zu genießen. Zwar

« PoprzedniaDalej »