ihm vorzulegen. - Bald darauf erhielt ich folgenden Brief, welcher abermals manche sehr gewichtige Aeußerung enthält: Ew. Wohlgeboren nur allzukurzer Besuch hat mir eine tiefe Sehnsucht zurückgelassen, ich habe mich die Zeit her gar oft mit Ihnen im Stillen unterhalten und Ihre Reise im Gedanken begleitet, überzeugt, daß schöne Früchte zu erwarten seyen und zwar nicht späte, sondern unmittelbare, indem Sie sammelnd und erwerbend, alsobald zu ordnen wissen. Wir leben in einer eignen Zeit, die wahre NaturAnsicht verbreitet sich zwar immer mehr, das wunderliche jedoch ist dabei, daß die Mitarbeiter sich als Rivale zeigen und wenige recht begreifen, daß um etwas zu seyn, man einem großen Ganzen angehören müsse. Die übersendeten zwei Tafeln sind mir sehr werth, ich sehe, daß sie die Abtheilung in sechs Schädelknochen mit Nummern bezeichnen und durch hinzugefügte Buchstaben auf die Uebereinstimmung hindeuten.. Wie traurig, schrecklich, sinnverwirrend ist gegen diesen einfachen Vortrag das colossale, in gleichem Maße verunglückte Spirische Werk, welches die alte Wahrheit wieder zu Tage bringt, daß man mit fremdem Gute nicht so bequem, fruchtbar und glücklich gebahre als mit eignem. Wenn ich nun schon, Ihre Tafeln betrachtend, meine eigne Ueberzeugung darin zu sehen glaube, so wünschte ich doch, Sie übersendeten mir gefällig die Worterklärung dazu, damit ich sicher wisse, daß meine Auslegung mit der Ihrigen übereintrifft; ich muß dieser Angelegenheit in dem vierten Hefte der Morphologie, woran eben jekt gedruckt wird, nothwendig gedenken, da möchte ich mich denn am liebsten in völliger Uebereinstimmung mit Ihnen ausdrücken. Wollten Sie ferner auch von dem Werke selbst über das Schaalen- und Knochengerüst kürzlich mittheilen, was Sie allenfalls zur Kenntniß des Publikums zu brin gen geneigt wären, so würde solcher Anzeige gern eine schickliche Stelle anweisen. Bei Gelegenheit der trefflichen Arbeiten d'Alton's, deren 2tes Heft die Pachydermata enthaltend eben vor mir liegt, werd' ich einiges zu äußern haben. Solche Bemühungen müssen freylich Bewunderung und Erstaunen erregen, und alles was in uns steckt zu Tage bringen. Schlüßlich aber bekenne ich gern, daß es mir sehr angenehm seyn wird, Ihren Aufsak über die landschaftlichen Bilder zu lesen. In meiner Kupferstich - Sammlung habe diesem Capitel eine große Breite erlaubt und besike sehr viel erfreulich Belehrendes von der Zeit an, wo die Landschafts-Malerey sich mit der Geschichtlichen erst ins Gleichgewicht sekte, dann sich von ihr loslöste, aber noch immer dichterisch blieb, bis sie in der neuern Zeit, nach dem Durchgang durch eine gewisse Manier, sich zu wirklichen Ansichten beynahe ausschließlich herangiebt. Wie sehr Sie ein Recht haben über diese Gegenstände zu sprechen, beweisen Ihre eigenen Arbeiten, die noch täglich mir und meinem Sohn viel Freude machen, dem ich, als einem Höhelustigen, das Brockenhaus abtreten mußte. Von Zeit zu Zeit würde uns eine Sendung dieser Art sehr erfreuen, sie sollte ungesäumt zurückkehren; fürs Porto ist diesseits gesorgt. Weimar, d. 13. Januar ( treulich theilnehmend Göthe. Dem Wunsche am Schlusse dieses Briefes hatte ich einen Monat später durch Uebersendung eines Bildes entsprochen, welches späterhin Eigenthum Ihrer Majestät der jekt unlängst verstorbenen Königin Carolina von Bayern geworden ist. Es stellte den Abendspaziergang Faust's am Ostervorabende dar und wurde von Göthe, welcher es einige Zeit zur Ansicht dort behielt, in den Heften über Kunst und Alterthum ausführlicher besprochen. Nächstdem hatte ich für die morphologischen Hefte einen Aufsak über die Construction der Schalenformen mitgetheilt, zu welchem einige schematische Figu= ren gehörten. - Auf alles dieses, so wie auf das Manuskript der Briefe über Landschaftsmalerei bezog sich das, was in den folgenden vier Briefen, von welchen die beiden lektern als Empfehlungsbriefe für talentvolle Künstler zu betrachten sind, enthalten war. Ew. Wohlgeboren geneigte Sendung hat mir und den sämmtlichen Kunstund Naturfreunden große Freude gemacht; fürwahr! Sie vereinigen so viel Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten, deren innigst lebendige Verbindung theilnehmendes Bewundern erregt. Von allen jedoch nächstens umständlicher, gegenwärtig nur die vorläufige Bitte, ob Sie wohl die Gefälligkeit haben wollte, beykommendes Blättchen zu rectificiren? ich würde die beyden Zirkel mit ihren Buchstaben, in Holz schneiden, und die Erklärung wie hier geschrieben mit Druckschrift untersehen lassen; deswegen um genaue Berichtigung des Blättchens wohl bitten darf. Schließen kann ich übrigens nicht ohne zu sagen, daß Ihre Hülfs wirbel mich sehr ansprechen; besonders der Erste, dessen Nothwendigkeit ich immer dunkel geahndet habe; wie freut mich daß mein Vorgefühl durch Ihre schönen Bemühungen zum Schauen geführt wird. Weimar, d. 18. Febr. 1822. *) Ew. Wohlgeboren ergebenst I. W. Göthe. die angenehmen Bilder zurücksendend füge zugleich den schriftlichen Aufsak hinzu; beide stehen in dem reinsten Bezug und deuten auf ein zartes gefühlvolles Gemüth, das in sich selbst einen wahren haltbaren Grund gefunden hat. Die hiesigen Kunstfreunde wallfahrteten fleißig zu dieser lieblichen Erscheinung und eigneten sämmtlich mit Behagen und Zufriedenheit jeder sich das Seinige zu. Haben Sie daher vielen Dank für die Mittheilung, wobei ich nur wünsche, daß die zarten Arbeiten wieder glücklich zu Ihnen gelangen mögen, worüber mir gefällige Nachricht erbitte. Die so wohl gedachten als schön geschriebenen Briefe über Landschaftsmalerei sollten Sie dem Publikum nicht vorenthalten, sie werden gewiß ihre Wirkung nicht verfehlen und für die mannichfaltigen Anklänge der Natur das Auge der Künstler und Liebhaber glücklich ausschließen. *) Dieser Brief ist vor meinen Briefen über Landschaftsmalerei abgedruckt worden. Wenn ich nun von der andern Seite betrachte, wie tief und gründlich Sie das organische Gebild erfassen, wie scharf und genau Sie es charakteristisch darstellen, so ist es wirklich als ein Wunder anzusehen, daß Sie bei solcher Objectivität so gewandt sich zeigen in demjenigen, was dem Subject allein anzugehören scheint. Der ungeachtet Ihrer deutlichen Zeichnung in den Druckerstock sich eingeschlichene Fehler läßt sich leider nicht wieder herstellen, daher werde das erratum bemerken wie Sie es angezeigt haben. Lassen Sie mir von Zeit zu Zeit wie Ihre Tafeln fertig werden, einen Abdruck sehen, damit ich die Ungeduld auf Ihr, erst in einem Jahre zu hoffendes Werk einigermaßen beschwichtige *). Das neueste Heft meiner Morphologie übersende nächstens Weimar, d. 20. April 1822. Ew. Wohlgeboren treulich theilnehmend I. W. v. Göthe. Geneigtheit läßt mich hoffen, daß Sie den Ueberbringer dieses freundlich aufnehmen, auch meine und seine Wünsche wohlwollend erfüllen mögen. Ein talentvoller Jüngling Friedrich Preller, Schüler des hiesigen Zeichnen - Instituts, welcher schon das ver *) Bezog sich auf mein erst sechs Jahre später erschienenes Werk von den Ur-Theilen des Knochen- und Schalengerústes. C. |