Obrazy na stronie
PDF
ePub

196

IV. Fahnenwagen: Carroccio, Standart.

Da Aller Augen auf die Sturmfahne gerichtet sind, so musste sie auch für Alle leicht sichtbar sein. Die Fahnenträger sassen zwar hoch zu Ross, aber doch konnten sie das Heereszeichen nicht so hoch halten, dass es in einer Schlacht von einer zahlreichen Kriegerschaar immer leicht bemerkt wurde. Viel praktischer musste es daher erscheinen, die Fahne an einen hohen mächtigen Mastbaum zu befestigen. Nun konnte sie aber nicht mehr von einem Ritter vorgetragen werden, sondern musste auf einen Wagen gesetzt und in die Schlacht gefahren werden 1). So entsteht der Fahnenwagen. Die Italiener scheinen diese Erfindung gemacht oder wenigstens am frühesten benutzt zu haben. Zuerst wird das Carroccio der Mailänder von dem Erzbischofe Arnulphus von Mailand in seinen Gestis Mediolanensium zum Jahre 1038 erwähnt 2). Nach den Annales Caesenates haben die Bürger von Bologna erst 1170 das Carroccio angewendet. Das Carrochium Parmensium erwähnt Albericus Trium Fontium 1229. Aber schon zu Anfang des zwölften Jahrhunderts brauchte man den Fahnenwagen in Deutschland. Bei einer Schlacht, die der Herzog von Löwen 1129 dem Bischofe von Lüttich lieferte, verlor er seinen Fahnenwagen 3). Im Deutschen und Englischen wird das Carroccio gewöhnlich Standart genannt 4). 1138 schlugen die Engländer die Schotten in einer Schlacht, die gewöhnlich die Standartenschlacht genannt wird, bei Cuteen Moor. Ausführlich beschreibt die Standarte der Engländer Ricardus Hagustaldensis3),

1) Lanceloet I, 34153: Die standart was So suaer, als icker af las, Datten met pinen mochte draghen Met iiij. perden een waghen. 2) Vgl. San Marte a. a. O. 324 ff. Otto Morena 1160: (Medio lanenses) cum carozolo, supra quod maximum vexillum album cum cruce rubea in medio deferebatur, abire coeperunt.

3) Lamberti Parvi Ann. 1129: Bellum inter Alexandrum episcopum et ducem Lovaniensem pro castro de Durace; in quo vexillum ducis captum est; quod fastu superbiae et precepto illius quadriga boum ferebat.

tur.

4) Ann. Colon. maximi 1162: Postea tercia feria venit populus cum Carrocio (so ist jedenfalls statt barrocio zu lesen), quod apud nos standare diciFriderici Imperatoris Epist. (Freher I, 237): Venit populus cum carocio, quod apud nos stendart dicitur. Matth. Paris 1236: Cum standardo suo, quod carrucam vel carrochium appellant.

5) Ricardus Hagustaldensis de gestis Regis Stephani et de bello Standartii (Twysden, Hist. Angl. Script. I, 322): Mox autem aliqui eorum in medio cuiusdam machinae quam ibi adduxerant, unius navis malum erexerunt, quod standard appellaverunt. Unde Hugo Sotevagina Eboracensis archidiaconus: 'Dicitur a stando standardum, quod stetit illic, Militiae probitas vincere sive mori.' In summitate vero ipsius arboris quandam argenteam pixidem cum corpore Christi et sanctorum Petri Apostoli et Johannis Beverlacensis et Wilhelmi Ripensis Confessorum ac pontificum vexilla suspenderunt.

[blocks in formation]

während Ethelredus nur von dem königlichen Feldzeichen spicht, welches gewöhnlich Standart genannt wird 1). Twysden, der Herausgeber, giebt dann (Hist. Angl. Script. I, 339) eine Abbildung dieser Standarte, die er vermuthlich einer Miniatur der von ihm benutzten Handschrift entlehnt. Ich theile dieselbe hier (Fig. 87. 88) mit. Wir sehen also einen hohen Mastbaum, der die Fahnentücher trägt und

Fig. 87. Fahnenwagen.

Fig. 88. Fahnenwagen.

der auf einem vierrädrigen Wagen befestigt ist. In den deutschen. Gedichten wird das Wort stanthart selten erwähnt2); die Dichter ziehen es vor, den Fahnenwagen Karrotsche oder ähnlich zu nennen3). Dass man jedoch recht wohl das Land kannte, in dem diese Art von Feldzeichen zuerst aufgekommen war, ergiebt sich aus dem Gedichte ,,Moriz von Craon". Es wird dort das merkwürdige Schiff beschrieben, welches der Held sich erbauen lässt, und da heisst es v. 738: „Als ein lampartischer van Schein sîn segel in daz lant, Dô man in an den mast bant."

1) Ethelredus abbas Rievalensis, de bello . . . apud Standardum (Twysden a. a. O. 337): Regium signum quod vulgo standard dicitur.

[ocr errors]

2) Willeh. 368, 6: Dô kom Synagûn mit schar, Der punjûr und der stanthart. — Vgl. Mhd. Wtb. II2, 592. — Cf. Ann. Wormat. 1259: Cum curru, qui dicitur stanthart. 3) Athis C 93: Die der karroschin phlâgin. - Titur. 3099: Die karratsch alle viere gelich dem eber porsten. Lohengr. 4981: Dem sturmvanen was vor bereit Ein karrutsch. Wilh. v. Wenden 3620: Karratschen. Phil. Mousques 29560: Leur karougne et leur estandart.

[blocks in formation]

Merkwürdig erscheint es, dass das Carroccio immer von Ochsen gezogen wird. Vielleicht hielten dieselben sich im Lärme der Schlacht ruhiger, als die feurigen Rosse. Die Italiener hatten diese Art der

Fig. 89. Carroccio.

(Nach Platina, Historia Mantuae. Vindob. 1675; p. 477.)

Bespannung zuerst eingeführt, und man behielt sie dann auch überall bei 1). Damit der Mast nicht so leicht gefällt werden konnte, war er mit Eisen beschlagen 2). Zuweilen hatte man auf dem Wagen noch eine Glocke, die geläutet wurde, sobald das Heer avanciren sollte, und

1) San Marte a. a. O. 324 ff. Vgl. S. 196, Anm. 3. Herz. Ernst D 4687: Sinen got Machamet Der vogt von Babilone het Uff eynen karrats hoch Gesatzt, den da niht enfloch Riche kost nynder. Den tzogen mer rinder; Wol getziret was der mast, Der da trug Machmetes last.

2) Athis A* 153: Nâch der scare giene der vane, Dâ sie houbitin ane, Sô sie ritin in den strît; Daz was ein rôter samît, gezierit nicht zu swache. Ein ûf gerichtit trache Als er iezu vliegin solde, Von gespunninme golde Meisterlich dar în gewebin, Der hangite dâ benebin Gehaft in eine stangin (Dar er mochte gelangin Und die in mochte virtragin) Mit îsirne beslagin: Und stuont ûf eime karrin, Den zugen zwêne varrin. Titurel 3098: Von stahel der beworhte ist der van al umbe in solher kuste Und stuend er ane wer der leut vereinet, Zwei klafter lanc von stale, pfel gespitzet alumbe sint daran gezeinet. Stricker, Karl 9631: Dô rihte man ûf einen wagen Einen mast mit stahel wol beslagen Dâ was sîn vane gebunden an. Den zugen vor dem her dan Zwêne starke merohsen grôz.

Carroccio.

199 still schwieg, wenn der Feldherr Halt gebot 1) (Fig. 89). Um die Fahne wirksamer vertheidigen zu können, befand sich auf dem Wagen selbst eine erlesene Besatzung, die durch zinnenartige Schutzwehren gegen die Feinde einigermassen wenigstens gedeckt war2); so konnte das Carroccio als eine Festung en miniature verwendet werden. Das Umwerfen desselben zu verhindern, waren an den Ecken Pfähle befestigt, welche tief in die Erde eingerammt wurden 3). Gelang es den Feinden dennoch, sich des Fahnenwagens zu bemächtigen, ihn umzustürzen, dann war die Schlacht gewöhnlich entschieden 4). Man baute aber nicht bloss auf die Tapferkeit des Heeres, sondern stellte die Fahne am liebsten auch unter den Schutz Gottes und seiner Heiligen. Wie die Engländer in der Standartenschlacht ein Ciborium mit der geweihten Hostie und verschiedene Reliquien auf ihrem Carroccio haben (s. S. 196, Anm. 5), so lassen die Dichter auch die Ungläubigen ihre Götzenbilder mit in den Kampf nehmen 5).

1) Lohengr. 5001: Ein grôze glocke ein karrutsch zôch, Diu dar ûf gemachet was mit pûwe hôch. Daz was bezeichent in, swenn man sie lûte, Daz sie dan vür sich solden zogen. Swenne mans niht hôrt, so wærens unbetrogen, Daz man in danne dâ mit halden bedûte.

2) Titur. 828: Karratschen ouch da giengen dar inne die starken awre, Dar uf sie umbe viengen ir sturm vanen veste sam die moure Für war dar umbe giengen hoch mit zinnen. Uf sturmeliches hurten kein dinc den vanen aldo moht gewinnen (Druck: erherten).

3) Lod. van Velthem lib. III, c. 12 (Schlacht von Woeringen 1288): Nu werd u hier vord geteld, Hoe syn standert (des Erzbischofs von Cöln) werd gevelt. Hi stont vaste op enen wagen, Daer of geset was ende beslagen Van starken planken een casteel, Daer liede binnen waren een deel. Ende dat casteel hadde tinnen, Daer men stont ten storme binnen. Met gescutten ende met gewere, Alse men pleget iegen here. Grote orsse met gewoulde Togen daer men hebben woude. Grote bome daer boven hingen An dien tinnen met starken ringen; Die dede man werpen dan dar buten Ende neder vaste in d'eerde sluten. Dat men niet mochte werpen omme Noch vorwerd minnen noch achter crommen.

4) Lod. van Velthem lib. II, c. 8: Doe die standart gevallen was Ende men't in 't here vernam oec das, Dat haer here were gevaen, Doe ward dat here al ondaen. Rom. de Rou 13970: (die Engländer bei Hastings) E dunc unt bien apercéu È li alkanz recognéu Ke l'estandart esteit chéu, È la novele vint è crut Ke morz esteit Herant por veir, Ne kuident mais secors aveir. De la bataille se partirent, Cil ki porrent fuir fuirent. Als die Deutschen in der Schlacht von Bouvines erfahren, dass die Franzosen ihre Standarte umwerfen, fliehen sie. Guiart I, 6899.

5) Herz. Ernst D 4687 ff. (s. S. 198, Anm. 1). – Willeh.352,1: Den selben got (Tervigant) hiez Terramêr Und ander sîne gote hêr Setzen ûf manegen hôhen mast. Daz was iedoch ein swærer last: Karrâschen giengen drunter, Die zugen dâ besunder Gewâpendiu merrinder; starke liute (ez wârn niht kinder) Menten si mit garten. Cf. 360, 24.

[blocks in formation]

Der Wichtigkeit des Fahnenwagens entsprach die prächtige Ausstattung desselben. Schon Bénoît de Sainte More hatte in seinem Roman de Troie 7845-7878 den prächtigen Wagen der Trojaner geschildert, und nach ihm versucht dies Konrad von Würzburg (Troj. 30010 ff.). Da hat der Wagen Räder und Naben von Ebenholz, Speichen von Elfenbein; die Deichsel und die Axen sind von Silber, und ein goldig leuchtendes Dach aus gesottenem Leder bedeckt den ganzen Bau, welcher von Hellebardieren bewacht wird. Mag nun in Wirklichkeit ein so kostbares Material nicht in Anwendung gekommen sein, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass man dies Gebäude, welches man mit solchem Stolze werth hielt 1), künstlerisch gestaltet, bemalt und vergoldet hat.

Das Carroccio der Parmesen hatte auch einen Namen, Blancardum (Ann. Parm. maj. 1250); dieser Fahnenwagen fiel 1250 in die Hände der Cremonesen, wurde jedoch 1281 gegen den von den Parmesen 1248 eroberten Carroccio von Cremona, den Ganyardus oder richtiger die Berta (vgl. Salimbene 1247), ausgewechselt. Hier nennt der Annalist den Wagen der Parmesen Regolium Parme (Ann. Parm. maj.).

Gewöhnlich weht vom Carroccio die Fahne des Fürsten, der Gemeinde. So sah man auf dem Wagen der Mainzer in der Schlacht von Gellheim 1298 das Banner mit dem Bilde des h. Martin 2). Otto IV. führte jedoch 1214 bei Bouvines nicht das Reichswappen auf seiner Standarte, sondern einen Drachen 3), der frei ausgeschnitten oder plastisch gebildet an dem Maste befestigt war. Es ist dies das alte Wappenbild der Sachsen (schon Widukind gedenkt desselben) 1); aber auch die Briten kennen dasselbe 5). Auf den Darstellungen der 1) Rolandini Patavini Chron. lib. IX: In hoc (carroccio) enim pendet honor, vigor et gloria Paduani Communis.

2) Ottokar von Steier (DCLXXXI) bei Massmann, Kaiserchron. II, p. 661 v. 614: Ir karrôtsche man jach Grôzer rîcheite. Ein sturmvan breite Dar ûf gestecket swebte; Dar în geworht, als er lebte, Ir hêrre sente Mertîn Und der dürf tige sîn, Dem er den mantel halben gap.

3) Guil. Brito, Philipp. XI (Duchesne V, 228): Erigit in carro palum, palodraconem Implicat ut possit procul hinc atque inde videri. Guiart I, que 6830: Fait lors son estandart drecier; 6832: Un grant dragon ot sus la perche, Qui fu sus un biau char posée; Vers France ot la gueule baée, Pour le réaume chalengier, Come s'il déust tout mengier. Cis dragons soustint la bonière Des connaissances l'emperière Qu'il porte au bel et à loré. Desus ot un aigle doré C'est signe de guerre cuisant.

4) Gesta Saxonum I, 11: Hic arripiens signum, quod apud eos habebatur sacrum, leonis atque draconis et desuper aquilae volantis insignitum effigie. Auch schon bei Amm. Marcell, 1. XVI, cap. 10, 7 u. cap. 12, 39. Draconarius ib. lib. XX, c. 4, 18. 5) Pierre de Langtoft I, 132: Deus draguns de fyn or fet le roy forger, L'un

« PoprzedniaDalej »