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konnte es nicht seyn. Man wies der erstern Alles dasjenige an, was der Christ zu glauben, der leßtern das, was er zu thun håtte. Aber war denn nicht bey dem Begriffe einer factischen Offenbarung, welcher beyden Lehrganzen zum Grunde lag, das Glauben eben sowohl ein Thun, nämlich das Befolgen eines ausdrücklichen, posttiven Gottesgesehes, als das dem Christen vorgeschriebe ne Thun selbst wieder einen bestimmten Glauben, nåmlich den Glauben an eben dieses, das gesammte christliche Lehrgebäude begründende, positive Gottesgefeß vorausschte? So wie daher die ältere Theologie auf die Frage des Menschen: „Was soll ich thun, daß ich selig werde?" nur die Antwort hatte : „Glaube, so wirst du felig!" eben so konnte sie füglich ihre ganze Moral unter den Glaubensgegenständen, etwa da, wo sie in der Dogmatik von Gefeß und Evangelium handelte, als das. Gesetz Christi nach ihren Begriffen, aufstellen; und ihre Scheidung dieser beyden Wissenschaften war demnach im Grunde so gut, wie keine. Eben dasselbe that sich auch in der Ausführung kund. Man sprach in der Dogmatik.. z. B. von der kirchlichen, bürgerlichen und häuslichen Gesellschaft, und zählte auch wieder, wie billig, die Pflichten des Christen für alle diese Lebensverhältnisse in der Moral auf; und umgekehrt z. B. war vom Unterschied der Natur und Enade in der Moral nicht weniger die Rede, als in der Dogmatik. Die Gränzen beyder Disciplinen mußten wohl durch einander laufen, da sie vermöge ihres gemeinschaftlichen Princips, des historischen Offenbarungsglaubens, nur Eine waren. Aber auch der neuern Christentheologic gelang diese Scheidung darum

nicht beffer, weil sie, obgleich von jenem Begriffe einer materiallen Gottesoffenbarung sich immer weiter entfernend, dennoch festhielt an dem damit eng verbundenen und dem Buchstaben nach von Jesu selbst anerkannten Verhältnisse, nach welchem die Moral durch Religion nicht bloß bedingt, sondern sogar begründet seyn soll. Was konnte auch hiernach die ganze christliche Sittenlehre anders enthalten, als das von Gott gegebene, und namentlich das durch Jesum Christum von ihm promul girte Gefeß? Maßte nicht auf diese Weise, wenn man consequent verfahren wollte, immer wieder die Moral ein Theil, ein untergeordnetes Stück der Dogmatik werden? Die Unterscheidung beyder Wissenschaften nun würde, den Grundfäßen und Ansichten der vorstehenden Abhandlung gemäß, etwa folgende seyn. Die Moral

überhaupt ist die, durch keine andere ihrem Inhalte nach bedingte, Wissenschaft der Pflichten; die religiöse Dogs matik dagegen ist die Wissenschaft der pflichtgemäßen, mithin allerdings durch Moral bedingten, menschlichen Denkart über den Ursprung, die Beschaffenheit und den Entzweck des Weltganzen. Sie bleiben beyde auch für den Christen, was sie an sich find; nur daß die chriftliche Dogmatik sowohl als Moral um ihrer Kirchlichkeit willen die äußere Form des Geoffenbartseyns von Gott, und vermöge ihrer Chriftlichkeit die ebenfalls außere Form, nach der Weise Jesu Christi dargestellt zu `seyn, die christliche Moral insonderheit aber, wegen der dem Christen eigenthümlichen Lebensverhältnisse, auf einen besondern Theil der Materie und des Inhalts bekommt. Demnach erkennt man im Unterrichte Jesu und der Bibel

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überhaupt das Dogmatische zum Unterschiede vom Mo-
ralischen zuvörderst an feinem Inhalte und Gegenstande,
indem jenes nothwendig auf die Natur des Ganzen der
Welt, dieses bloß auf das freye Thun und Lassen der
vernünftigen Weltwesen sich bezieht, und dann eben so
sicher und deutlich durch seine innere Beschaffenheit, da
in der Moral durchgängig unbedingte Wahrheit herrscht,
inwiefern zu derselben im Allgemeinen Nichts, als dieß,
daß es in der Welt praktische Vernunft gebe, und in
Rücksicht der durch sie gebotenen besondern Pflichten
Nichts, als gewisse näher bestimmte praktische Verhält
nisse des Menschen, hier namentlich die eines Christen,
vorausgefeßt werden, wogegen die Wahrheit der reli-
giösen Dogmen ebenfalls durchgängig, obgleich sie au-
ßerdem noch auf ihrem eignen Grunde ruhet, als unter
der unerlaßlichen materiellen Bedingung, daß sie der
Moral nicht widerstreite, sondern freundschaftlich ent-
spreche, stehend sich zeigen muß. Jesus sprach selbst
diesen Unterschied und dieses innere Verhältniß beyder
religiösen Wissenschaften, der christlichen Dogmatik,
welche die Religion zu ihrem Inhalte hat, und der mit
Religion verbundeney christlichen Moral, aus, als er
für Christen die einzige und unveränderliche Grundmaxi-
me alles ihres Denkens, Gesinntseyns und Handelns
aufstellte: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gettes
und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles
zufallen!" Denn was kann dieß anders heißen, als:
Thut vor allen Dingen und mit unbedingtem Gehorsam
eure Pflicht, und dann, folglich in Gemäßheit und Uc-
bereinstimmung mit einem solchen Thun und Gesinnt-

feyn, glaubet festiglich an eine Weltordnung, nach welcher die Gott gefällige Rechtschaffenheit der einzig richti ge Weg zur wahren Glückseligkeit ist? Und nach dieser allgemeinen und höchsten Regel des reinen Christenthums muß nun, und wird sich auch ungehindert alles Morali sche und Dogmatische seiner durchaus religiösen, durch Wort und That verkündigten, Denkungsart verstehen, beurtheilen und zum Behuf der Errichtung jener zwey oft genannten wissenschaftlichen Gebäude, der christlichen Moral und Dogmatik, aussondern und verarbeiten las sen. Was aber jedem von beyden insbesondere zugehöre, und wie, nach welchem Plane und durch welche Mittel und Künste, beyde nicht bloß neben einander, sons dern auch mit einander innigst verbunden, errichtet und ausgeführt werden sollen, das konnte hier nur angedeu det, nicht vollständig gezeigt werden. Genug, wenn es dem Verf. gelungen ist, die Begriffe der Wissenschaften, von welchen er handelte, der Wahrheit gemäß aufzufinden und zu entwickeln; es ist dann durch ihn zu jenem selbst gewissermaßen schon der Grund gelegt worden. Zum Bauen und Aufbauen auf demselben würden nicht Abhandlungen, sondern Bücher erfordert; und Heil der christlichen Theologie, wenn einst ihr Gebäude, auf unerschütterlichem Grunde ruhend und sich erhebend, für immer nur noch der Ergänzung und der Ausbesserung bedarf!

Cramer, .D., Versuch einer systemati=
L.
schen Darstellung der Moral der
Apocryphen des alten Testaments.

1814. gr. 8.

20 Gr. Mit Recht verdient der gelehrte Verfasser allen Dank des Publikums, daß er die Cultur eines in Betreff der moralischen Untersuchung so wenig bearbeiteten Feldes übernahm, und zuerst ein Ganzes zu bilden suchte, wo früher nur fragmentarische Arbeiten geliefert worden waren. Die hohe Nühlichkeit dieses Werks wird gewiß niemand verkennen, der sich davon überzeugt hålt, daß nur durch eine solche Bearbeitung die Momente der moralifden Enltur der hebräischen Nation in der wichtigsten Periode, welche sie verlebt, cha= rakterisirt, und so dieselbe als Vorarbeitung zu einer Culturgeschichte der Hebråer betrachtet werden kann; daß sie mit dem Geiste und den Eigenthümlichkeiten der apocryphischen Bücher selbst, die einem greßen Theile nach moralischen Inhalts find, vertrauter macht, und daß sie bey einer moraliz schen Bearbeitung des neuen Testaments nicht wenig Licht verschafft, und zu einer richtigen und vorurtheilsfreyen Be urtheilung und historischen Würdigung des lehtern unges mein viel beyträgt. Daher wird gewiß auch jeder einem Unternehmen um so größern Beyfall schenken, als durch dasselbe eine langft gefühlte Lücke in der Literatur ausgefüllt worden ist. Möge den mühsamen Forschungen des fleißigen und mit allen Kenntnissen ausgerüsteten Bearbeiters diese wohlverdiente Belohnung zu Theil werden!

Erziehungslehren

Joh. Umbr. Barth.

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3 Or.

Volksschrift. 1815. 8.

Das von jeher so allgemein und als unerläßlich beym Jugendunterrichte empfohlene Lesen der Bibel bewog den Verfasser eine Sammlung aller der biblischen Stellen zu bearbeiten, die direkte Beziehung auf Erziehungsgegenstände haben. Man wird sein Berdienst um so lieber anerkennen, als er daben die Idee zum Grunde legte, jedem Schulmann oder Hausvater mit diesem Auszuge hulfreich an die Hand

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