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und Niedre, Herren und Diener, verheirathete und ledige Perfonen, mit einem Worte, fast für alle Lagen des öffentlichen und Privat - Lebens enthält dieses Buch sittliche Vorschriften und zeigt, was ein jeder zu thun habe und was er unterlas fen müsse, um so glücklich und zufrieden als möglich zu leben. Doch kann aber nicht geleugnet werden, daß der Verfasser weit öftrer zu den mittlern Stånden, zu welchen er ohnstreitig selbst gehörte, spricht, als zu den höhern und niedern. Sirach aber war ein palásti

nensischer Jude; daher kommt es auch, daß seine Eitton sprüche ganz in dem Geiste seiner Nation aufgestellt und ab, gefaßt find, und daß er sich nirgends über das Gewöhnliche erhebt und irgend eine Bekanntschaft mit den Philosophimen des aufgeklärteren Auslandes verråth. Salomo ist und bleibt ihm das Ideal der Weisheit, und nicht selten findet man zwischen seinen Sittensprüchen und den Denksprüchen des Salomo eine so auffallende Achnlichkeit, daß jeder aufmerkfame und unpartheyifche kefer beyder Schriften offen geftes hen muß, der Verfaffer des Buches Sirach habe den lehtern fehr häufig benußt und zu seinen Zwecken verarbeitet. Nimat man daher einige Erweiterungen und ́nähere Bestimmungen weg; so enthält das Buch Sirach die nämliche Moral, wels che schon Salomo vortrug, und man würde sich sehr tåuschen, wenn man glaubte, daß in demfelben neue Aufklärun gen über moralische Lehren und Säße zu finden wären, und baß dasselbe große Fortschritte der reinpalästinensischen Ju ben in Bearbeitung der Moral beurkunde. Was die Form anlangt, in welcher Sirach seine Moral vortrågt; so find es Gwomen, d. h. kurze Sentenzen, welche nicht selten • alles inneen Zusammenhanges unter sich ermangeln und mehr

aus der Erfahrung und äußern Wahrnehmung, als aus der Betrachtung der moralischen Anlagen des Menschen selbst und den Zwecken und Bedürfnissen derselben hervorgegangen zu seyn scheinen. Sehr irren würde man daher, wenn man, wie in áltern und selbst in neuern Zeiten geschehen ist, in dem Buche Sirach einen fortlaufenden Faden wahrzunehmen glaubte; denn diese Systematik widerspricht durchaus dem Geiste und der Natur der Gnomen, und ohnmöglich hätten sich so viele Interpreten des Neuen Testaments eine so vergebliche Mühe machen können, in einzelnen Theilen deffelben (z. B. in einigen Abschnitten der Paulinischen Briefe, in der Bergpredigt u. f. w.) einen innern, nothwendigen Zusammenhang zu finden; wenn sie sich die Sitte des Drients, in Gnomen zu lehren, deutlich vergegenwärtiget und die Natur der Gnomen felbft näher gekannt hätten 9). Bill man daher das Buch Sirach nach seinem innern Charakter und wahren Werthe beurtheilen und namentlich bey der historischen Darstellung der Moral desselben nicht auf Abwege gerathen; so muß man es ganz in dem Geifte der Gnomenphilofophie beurtheilen und zu würdigen wif fen. Man muß es als ein Agregat kürzerer oder längerer Sentenzen betrachten, `ohne innern Zusammenhang und syBematische Haltung, als eine moralische Blumenlese, in

9) Nach den Untersuchungen, welche über die Gnomen der Alten, und namentlich der Hebråer, Rohde, Ziegler, Niemeyer, Linde, Konz und andere angestellt haben, würde es unnöthig seyn, von der Methode der Hebrder, ihre Weisheit, und namentlich ihre Moral, in Gnomen sorzutragen, weitläuftig zu handeln; vorzüglich hier, wo nur eine kurze Charakteristik der Apocryphen in mozalischer Hine ficht geliefert werben follte.

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welcher die einzelnen Gnomen so hingestellt sind, wie sie die Erfahrung und der Beobachtungsgeist eines Juden aufgefaßt hatte; als ein Chaos abgerissener, morálischer Säße, in welchen allès bunt durcheinander geworfen ist; bey welchen man sich vergeblich nach einem Prinzipe umsicht, nach welchem das Einzelne und Verschiedenartige zur Einheit erhoben wäre und welche deshalb von uns Occidentalen, die wir an systematisches Denken und an Bestimmtheit der Begriffe gewöhnt sind, oft nur mit Mühe und nicht selten fast gar nicht, oder wenigstens nicht hlnreichend verstanden werden können. Aus dieser angegebenen Beschaffenheit des Buches läßt es sich daher von selbst leicht abnehmen, daß fich in einzelnen Sentenzen (weil sie ohne allen Zusammenhang untereinander geworfen sind) viel Unbestimmtes und Zweydeutiges finden müsse, und warum man nicht selten Gnomen findet, welche sich geradezu widersprechen. Endlich sind auch, wie Sirach an einigen Stellen nicht undeutlich zu verstehen giebt, nicht alle Sentenzen von ihm felbft; er sammelte, vielmehr åltere. Guomen von andern jüdischen Weisen und verband damit das, was ihm seine Erfahrung und sein Beobachtungsgeift diccicte. Diese Bemerkung muß den historischen Forscher, welcher die moralische Cultur der Hebråer, nach den Zeiten des Exils pragmatisch schildert, sehr vorsichtig machen, damit er nicht von einzelnen Sentenzen, welche in diesem Buche befindlich sind und ein auffallendes Gepräge von Unvollkommenheit und Rohheit an sich tragen, voreilig auf die moralische Cultur der Zeit schließe, in welcher Sirach lebte und schrich.

Sehr verschieden von dem Buche Sirach 'ist aber das Buch der Weisheit, und man erkennt bey einer auch

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nur flüchtigen Lectüre beyder Bücher, daß sie ohnmöglich ein Vaterland haben können. Die palästinensischen Juden erhoben sich nie zu einer höhern philosophischen Cultur; der Geist des Mosaismus war so in ihr Inneres verwebt, daß fie ohnmöglich die Weisheit anderer Völker, als solche, anerkennen und sich nach ihr bilden konnten, und ging auch allmählig etwas von den religiösen und moralischen Vorstellungen anderer Völker auf sie über; so bekam es doch ein so eigenthümliches Gepräge und gestaltete sich so sehr nach ih rer Art zu denken, daß der Gewinn, welchen sie in Hinsicht auf religiöse und moralische Cultur machten, nicht sehr. höch angeschlagen werden kann. Daher kam es denn auch, daß ihre Philosophie und namentlich ihre Sittenlehre stets auf der niedrigsten Stufe der Cultur stehn blieb und nichts Anders verhält es sich` weiter, als Gnomonologie war. aber mit den ägyptischen Juden, welche ein feinerer und befferer Sinn bescelte. Zwar hiengen auch sie an der mosaischen Verfassung und verehrten sie als göttliches Ge-Feb; allein sie modificirten den Geist des Mosaismus nach dem Geiste der Zeit, in welcher sie lebten, wurden vorzúg- : lich zu Alexandria mit den Philosophemen anderer Volfer, vornehmlich der Griechen, bekannt und trugen vermöge der allegorischen Interpretation diefelben auf ihre heiligen Urkunden und ihre Nationalreligion über. Und ein solcher alexandriuifcher Jude war ohnstreitig der Verfaffer des Buches der Weisheit, welches sowohl in Hinsicht auf Form als Materie ein höheres philosophisches Colorit an sich trägt, und als der erste Versuch (welchen wir kennen) angeschen werden muß, in welchem man von der Methode, die Sitteulchre und Weisheit in Gnomen vorzutragen, zu

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einem freyern und fubtilern philosophischen Discurs und zufammenhängendern moralischen Raisonnement übergegangen ist. Zwar findet man auch in diesem Buche noch kein festes Princip, an welches das Einzelne angeknüpft wåre; doch ist wenigstens in dem ersten Theile deffelben eine leitende Idee fichtbar, nach welcher sich der Vortrag mehr oder weniger gestaltet und nåher verknüpft. Mit Bergnügen bemerkt man, wie der Verfasser die engherzigen und egoistischen Grundfäße seiner Nation zu ́modificiren weiß und ihnen eis nen Anstrich von Allgemeingültigkeit und Unpartheylichkeit giebt;~wie er die jüdische Moral mehr zu einer Meno schen moral umzuschaffen sucht und vielen Scharffinn auf. bietet, den Mosaismus mit seinen moralisch - statutarischen Vorschriften in ein freundlicheres Gewand zu kleiden und dem Griste feiner Zeit gemäßer zu erklären. So wenig aber geleugnet werden kann, daß der Verfasser dieses Bu ches ein scharfsinniger, durch Philosophie gebildeter, Mann gewesen seyn muß; 'so scheint sich doch seine Bekanntschaft mit griechischer, und namentlich platonischer, Philosophie mehr bey theoretischen, als bey einzelnen praktischen Schren und Säßen zu beurkunden. Sicht man daher auf den Geist, welcher in seiner gesammten Moral herrscht; so bemerkt man auch gleich den philosophis renden Juden, welcher ohnmöglich bloß unter dem Einfluffe seiner Nationalcultur stehen konnte; doch ist man weniger und nur selten im Stande, bey einzelnen moralischen Lch= ren, welche er vörträgt, die Spuren einer andern Moral, als der jüdischen genau zu finden. Und dieses finde ich auch, fehé ́natürlich, denn bey theoretischen Sähen mußte bie Quelle, aus welcher er schöpfte, deshalb sichtbarer in seinent

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