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MITTELHOCHDEUTSCHES

LESEBUCH.

MIT EINER KURZEN

GRAMMATIK DES MITTELHOCHDEUTSCHEN

UND

EINEM GLOSSAR.

VON

DR. KARL WEINHOLD,

ORD. PROFESSOR DER DEUTSCHEN SPRACHE, LITERATUR UND ALTERTHÜMER AN DER
UNIVERSITÄT ZU KIEL.

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PF

4069
W4

1862
MAIN

VORWORT.

Das

as Buch, welches ich hiermit in zweiter Bearbeitung vorlege, erhielt Ursprung und Gestalt in den ersten bewegten Wochen, die ich in Oesterreich, Frühjahr 1850 zu Krakau, verlebte. Mein Geschick wollte, daß ich in den letzten Wochen, die ich in dem Kaiserstate zubringe, fast den Wanderstab in der Hand, diesem kleinen Werke meine letzte Muße zu widmen hatte. Nachdem die erste Auflage sich erschöpfte, war es meine Pflicht, das Buch, welches bei aller Unvollkommenheit vielfach angeregt und genützt hat, nicht fallen zu laßen, sondern, soweit mir bei Kürze und Unruhe der Zeit möglich war, zu beßern und seinem Zwecke angemeßener zu machen.

Es ist im wesentlichen ein neues Buch geworden.

Ich habe zuerst die Lesestücke bedeutend vermehrt. Zwar bin ich noch jetzt überzeugt, daß der in der ersten Auflage gebotene Stoff in der Hand eines unterrichteten und geschickten Lehrers völlig für die Schule ausreicht; indessen wollte ich selbst scheinbar gegründetes Verlangen befriedigen und sodann für den literargeschichtlichen Unterricht mannichfachere Beispiele bieten. So traten in dem volksthümlichen Epos die Stücke aus Gudrun hinzu, während ich aus der Nibelungen Not eine wißenschaftlichere Auswahl

traf, dafür aber das zweite Stück aus Reinhard Fuchs wegließ. Im Bereiche des höfischen Epos erscheinen nunmehr auch die beiden großen Meister Gottfried und Wolfram. Ebenfalls ganz neu aufgenommen ist daz, mære vom schretel und dem wazzerber, ferner ein Stück aus Otackers Reimkronik und aus Konrads von Wirzburg Legende des h. Silvester. Das Epos ist dadurch in seinen verschiedenen Richtungen belegt.

Für die Lyrik kamen nur Sprüche Reinmars von Zweter neu hinzu. Außerdem muften die beiden Lieder Walthers von der Vogelweide, „Swer verholne forge trage“ und „Bin ich dir unmære" vermöge einer Anordnung des h. k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 10. Juni 1854, „aus pädagogisch-didactischen Rücksichten" wegbleiben. Sie wurden durch andere ersezt.

Für die lehrhafte Poesie ward die Auswahl von Freidank etwas verkürzt, dafür nahm ich einige Beispiele und Fabeln von Stricker und Boner auf, und gab zur Veranschaulichung der geistlich-allegorischen Dichtung ein Stück aus Lamprechts Tochter Syon.

In dem prosaischen Theile blieb die Predigt und die Schilderung der großen Geiselfahrt, leztere nur nach Closeners Text gebeßert und vervollständigt; neu traten zur Veranschaulichung der Rechtsprosa Stücke aus dem Deutschen Spiegel hinzu.

Die Gesichtspunkte bei der Aufname werden leicht zu finden sein. Erwogen muß dabei werden, daß das Buch für die Schule zunächst bestimmt ist.

Jedem Stücke sind kurze Einleitungen vorangestellt. Die allgemeinen Vorbemerkungen der ersten Auflage blieben weg. Die Anmerkungen unter dem Texte wurden gestrichen, da sie mehr als Kern alljährlich fortgeerbter Erklärungen, denn als Anregung und Anleitung zu weiterem Studium gedient zu haben scheinen.

Die Grammatik ward neu geschrieben. Ich wollte sie für den Schulunterricht geeigneter machen und ließ daher manches allgemeiner und höher gehaltene weg, suchte aber dafür bei aller Knappheit möglichst viel Einzelnheiten zu geben. Die Belege muften meist weggelaßen werden; sie finden sich übrigens in den Texten.

Das Glossar soll die Bedeutungen der in dem Buche vorkommenden Worte geben; die Zahl derselben ist mit dem Lesestoffe selbst gewachsen.

So möge sich mein mittelhochdeutsches Lesebuch in seiner neuen Gestalt brauchbar und anregend in- und außerhalb Oesterreichs bewären, und dem geschichtlichen Studium unserer Sprache und Literatur neue Schüler gewinnen. Wie sehr ich ihm Verbreitung durch alle deutsche Lande wünsche, so möchte ich doch vornemlich, daß es in Oesterreich seine Heimat behalte, die deutsche Gesinnung der Deutschen daselbst beleben und stärken helfe und nebenbei meinen Namen im Gedächtnisse junger und alter Freunde fortführe.

Ich sol und muoz ze lande farn,

iuch alle müeze Got bewarn!

Gräz in der Steiermark, am 12. August 1861.

Karl Weinhold.

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