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und insbesondere Nikomedien schon zur Genüge durch Parteiungen zerrüttet sei. Man werde es nicht hindern können, dass die Verbindung doch in kurzem zur Hetärie ausarte und ein Verein mit politischer Spitze werde.1 Ein Jahr später, im Herbste 112 n. Chr., wendet Plinius sich wieder in Vereinsangelegenheiten an den Kaiser; es handelte sich um einen Eranos in der freien und verbündeten Stadt Amisos. Der Kaiser kann denselben in der Freistadt nicht verbieten, um so weniger, falls die Beiträge der Mitglieder nicht zu Tumulten und unerlaubten Versammlungen, sondern zur Linderung der Noth bei den kleinen Leuten verwendet würden. In den Städten dagegen, die dem Statthalter untergeben sind, seien alle solche Dinge zu verbieten, d. h. die Vereine überhaupt.2 Hier kann demnach nicht einmal die Rücksicht auf die Sorgen der armen Leute eine Ausnahme begründen.

Offenbar diese Instruction des Kaisers hat den Plinius veranlasst, durch öffentlichen Anschlag, durch sein magistratisches Edict, die Hetärien zu verbieten.3 Noch vor Schluss des Jahres 112 sieht er sich aber dazu genöthigt, gegen Christen einzuschreiten, die man ihm angegeben hatte.4 Die jüdischen Gemeinden betrachtete der römische Staat als Thiasoi, als religiöse Genossenschaften; konnten die christlichen Gemeinden ihm für etwas Anderes gelten? Dieselben erfreuten sich aber nicht mehr eines Schutzes, wie ihn die Zugehörigkeit zum Judenthum ihnen hatte gewähren können. Wurde der Genossenschaftscharakter der christlichen Vereinigungen festgehalten, so war kein Zweifel, dass dieselben nicht zu den collegia licita gehörten. Zwar hatte Plinius noch niemals an Christenprocessen theilgenommen, aber das wusste er, dass die Christen strafbar waren. Die Leute, die man vor ihm als Christen angeklagt hatte, fragte er, ob sie wirklich Christen seien; bekannten sie sich zu ihrem Glauben und blieben, auch zum zweiten und dritten Mal befragt, bei diesem Bekenntniss, so drohte er ihnen mit der Todesstrafe. Wen auch diese Drohung nicht zur Verleugnung seines Christenthums bestimmte, der wurde hingerichtet, falls er nicht römischer Bürger war. Den Bürgern gegenüber ging das Strafrecht des Statthalters nicht, wie den Nichtbürgern gegenüber, bis zur

1 Plini et Traiani ep. 33. 34, gegen Ende des Jahres 111 geschrieben. 2 Ep. 92. 93.

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tueram.

Ep. 96, 7 edictum meum, quo secundum mandata tua hetaerias esse ve

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Verurteilung zur Todesstrafe1; Plinius schickte sie daher nach Rom, wo das Gericht des Kaisers über sie zu entscheiden hatte. Innerhalb seiner Competenz indessen trug er nicht das mindeste Bedenken, den Christen gegenüber auf Tod zu erkennen. Was auch immer den Inhalt ihres Bekenntnisses bilden mochte, auf jeden Fall schien ihm die Hartnäckigkeit und der unbeugsame Starrsinn derer Strafe zu verdienen, die nicht zur Verleugnung zu bestimmen waren; wer verleugnete, den liess er offenbar unangefochten. Es ist dies das Verfahren eines Mannes, der sich dessen wohl bewusst ist, dass das Christenthum verboten ist; aber da eine Gefährlichkeit desselben ihm nicht unmittelbar vor Augen tritt, so begnügt er sich damit, die zu bestrafen, die durchaus Christen sein und bleiben wollen, und sucht in wohlwollender Absicht die Angeklagten zu einer Verleugnung zu bestimmen, die ihm gestattet, sie nicht für Christen zu halten und straflos zu entlassen.

Der Verlauf dieser Christenprocesse hatte eine zweite Anklage 2 zur Folge; es lief eine anonyme Klagschrift ein, die viele Leute als Christen angab. Jetzt begnügt sich Plinius aber nicht mehr mit der Frage, ob die Angeklagten Christen sind, sondern jetzt fragt er sie auch, ob sie es überhaupt einmal waren. Auch genügt ihm jetzt nicht mehr die einfache Verleugnung, sondern er fordert, dass sich dieselbe in der Anrufung der Götter und der Verfluchung Christi bewähre. Er verlangt jetzt, dass die Christen vor dem Bild des Kaisers und der Götter ein Bittopfer bringen, dass sie ihnen mit Wein und Weihrauch supplicieren.3 Offenbar ist es die Rücksicht auf die Stimmung des heidnischen Volkes, die in der Erneuerung der Anklage sich geäussert, welche den Plinius zu grösserer Umständlichkeit des Verfahrens und zu genauerer Prüfung veranlasst. Frei lässt er jetzt nur die Verleugner, die es überhaupt bestreiten, jemals Christen gewesen zu sein; wer dagegen sein Christenthum zwar jetzt verleugnet, aber zugiebt, früher einmal zu den Christen gehört zu haben, wird nicht entlassen, auch wenn er Christo fluchte und das Bild des Kaisers und der Götter ehrte. Trotzdem trägt Plinius Bedenken, diese Leute zu bestrafen; und auch das Urteil über die Christen, die fest geblieben, hat er offenbar noch nicht gefällt. Er hat sich über den Charakter der christlichen Versamm

1 MOMMSEN, Röm. Staatsrecht II S. 269. 967. 2 Ep. 96, 5 sqq.

3 C. I. L. XII 4333 a 17 sqq. hostias singulas immolent.... ad supplicandum numini eius thus et vinum de suo.. praestent; ibid. 25 sq. thure vino supplicent. Martial. epigr. 13, 4 Serus ut aetheriae Germanicus imperet aulae Utque diu terris, da pia tura Iovi.

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lungen unterrichtet und hat in den Aussagen der Christen, auch in den erfolterten zweier christlicher Diakonissen weiter nichts als einen verkehrten und jedes Mass überschreitenden Aberglauben gefunden. Gerade nach den Versammlungen der Christen hatte er darum gefragt, weil es sich eben um Vereinigungen handelte. Nach dem plinianischen Edicte, das die Hetärien verbot, hatten vorsichtige Christen sich von Versammlungen zurückgezogen, in denen aber niemals etwas Unrechtes vorgekommen war. Sie waren gewöhnt, sich an feststehenden Tagen vor Sonnenaufgang zu versammeln und ein Lied auf Christus als auf einen Gott vorzutragen; sie verpflichteten sich eidlich, nicht etwa zu einem Verbrechen, sondern dazu, keinen Diebstahl oder Raub und keinen Ehebruch zu begehen, kein Vertrauen zu täuschen und kein Depositum abzuleugnen. Nach dieser,,Versammlung zum Wort" 1 sei man auseinandergegangen und dann wieder zu gemeinsamem Mahle zusammengekommen; es war das die,,Versammlung zum Herrenmahl". Die Speise, die man da genoss, sei die gewöhnliche und unschuldig gewesen.

Aus den Antworten der Christen kann man zum Theil die Fragen erkennen, die man an sie gerichtet hatte. an sie gerichtet hatte. Dass die Unschuldigkeit der Speise, die man beim Herrenmahl verzehrte, ausdrücklich betont wird, setzt bereits den Vorwurf thyesteischer Mahlzeiten voraus, den man den Christen lange Jahre hindurch gemacht hat. Ausserdem bezichtigte das Volk sie oedipodeischer Verbindungen: auch hierauf antworteten die Christen und zwar mit dem Hinweis darauf, dass sie sich zur Unterlassung des Ehebruchs verpflichteten. Plinius gewann die Überzeugung, dass in den christlichen Conventikeln keine Unzucht getrieben wurde, wie sie vor dreihundert Jahren zum Verbot der bacchischen Vereine genöthigt hatte, und wie sie damals etwa von den Isispriestern geduldet wurde. Und war, wie wir gesehen haben, jeder Statthalter durch kaiserliche Instructionen angewiesen, seine Provinz von Dieben und Räubern rein zu halten, so mochte sich Plinius durch die Versicherung der Christen beruhigt fühlen, dass eben ihre christliche Verpflichtung ihnen Diebstahl und Raub untersagte. In Summa hat Plinius offenbar den Eindruck der Unschädlichkeit von den christlichen Vereinigungen gewonnen und trägt wohl eben darum Bedenken, sie mit Strenge zu bestrafen. Ferner räth die grosse Anzahl dieser Leute ihm zur Vorsicht, und er giebt sich der Hoffnung hin, am besten

1 WEIZSÄCKER, Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche, 1886, S. 568 ff.

werde Milde wirken, die Gelegenheit zur Reue böte. Er aber, der in viel kleineren Dingen die Entscheidung des Kaisers einzuholen pflegte, mochte in dieser wichtigen Sache nicht auf eigene Hand beschliessen. Er schreibt dem Kaiser1, er habe niemals Christenprocessen beiwohnen können. Er wisse nicht, Er wisse nicht, was man eigentlich an den Christen zu strafen pflege, und wie weit die Strafe gehe; auch Ziel und Art der Untersuchung macht ihm Zweifel. Er trägt Bedenken, ob er Rücksicht auf den Unterschied des Alters und der Körperkraft der Angeklagten nehmen dürfe, wie dies z. B. gerade dem Sacrilegium gegenüber geschehen sollte 2; vor Allem aber möchte er wissen, ob dem Christen die Reue und der Abfall von seinem Glauben etwas nützen solle. Als er zum ersten Male über Christen urteilen musste, hatte ihre Strafbarkeit für ihn festgestanden, und er war darnach verfahren. Das Ergebniss der genaueren Prüfung aber liess ihm den christlichen ,,Aberglauben" doch unschuldiger erscheinen, und so entsteht jetzt 3 für ihn die Frage, ob schon die Zugehörigkeit zum Christenthum, der blosse Name eines Christen, strafbar sei, auch wo mit demselben keinerlei Schandthat, kein flagitium verbunden wäre, oder ob allein solche flagitia zu ahnden seien, wo dieselben sich mit dem christlichen Bekenntnisse verbänden. Er fasst demnach die Möglichkeit ins Auge, dass ein angeklagter Christ, auch wenn derselbe seinen Glauben nicht verleugnete, frei gesprochen werden kann. Die flagitia, die man im Volke den Christen nachsagte, waren thyesteische Mahlzeiten und oedipodeische Verbindungen; die Verweigerung des Kultus kann zwar für ein crimen gelten, ist aber noch kein flagitium.

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Der kurze Brief, in dem Traian die Fragen seines Legaten beantwortet, hat welthistorische Bedeutung gewonnen. Zwar hat es gar nicht in der Absicht des Kaisers gelegen, eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen und eine allgemeingültige, feste Norm auf

1 Ep. 96, 1. 2.

2 Ulpianus, Dig. 48, 13, 7 sacrilegii poenam debebit proconsul pro qualitate personae proque rei condicione et temporis et aetatis et sexus vel severius vel clementius statuere.

3 Es kann nicht scharf genug betont werden, dass sich diese Frage dem Plinius erst auf Grund seiner Erfahrungen beim zweiten Processe ergeben hat. Dass sie für ihn anfangs noch nicht existierte, d. h. dass ihm das Christenthum ohne weiteres für verboten galt, ergiebt sich ohne Widerrede aus seinem Urteil über die erste Reihe der Angeklagten.

4 Nomen ipsum, si flagitiis careat, an flagitia cohaerentia nomini puniantur.

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zustellen;1 aber in Wirklichkeit hat sein Rescript zwei volle Jahrhunderte hindurch wenigstens in seinen Grundzügen gegolten und hat für die Dauer die Form der Christenprocesse geregelt. Es war kein kaiserliches Edict, wie dasselbe angewandt wurde,,,um eine viele Individuen gleichmässig betreffende Personalverfügung in kürzerer und allgemein gültiger Weise den betreffenden zur Kenntniss zu bringen“ 2; der Brief des Kaisers sollte lediglich dem Plinius als Weisung gelten, wie er die schwebenden Processe entscheiden und sich in seiner Statthalterschaft den Christen gegenüber verhalten solle. Indessen wurden solche Rescripte gern als Normen angesehen, wenn eine amtliche Publication derselben auch nicht erfolgte und sie „nur durch die private Thätigkeit der schriftstellernden Juristen zur Notorietät gelangten". Zwar gab es Rescripte, die allen Statthaltern zugingen, und unter Umständen wurden kaiserliche Mandate,,gleichmässig sämmtlichen Beamten in die Instruction gesetzt"5, aber das Rescript Traians lehnt ausdrücklich eine allgemeine Entscheidung ab und ist demnach allein dem Plinius zugegangen. Dasselbe ist zur Notorietät gekommen, als es, schon nach einigen Jahren, in dem Briefwechsel des Plinius mit Traian veröffentlicht wurde. Ohne diese Veröffentlichung würde es einen solchen Einfluss, wie es ihn thatsächlich gewonnen hat, schwerlich haben erlangen können; aber ebensowenig hätte es ihn ausgeübt, wenn es nicht den Verhältnissen gerecht zu werden geschienen hätte.

Der Kaiser billigte fast durchweg, was sein Legat bisher gethan, wenn er auch die Fragen desselben nicht insgesammt beantworten wollte. Nur darin tadelt er indirect den Plinius, wenn er die Berücksichtigung anonymer Klagschriften verbietet, die dem Geiste des traianischen Zeitalters nicht entspreche. Ebensowenig darf, ohne dass überhaupt eine Anklage eingelaufen wäre, ein Christenprocess begonnen werden; aufsuchen soll man die Christen nicht." Der Statthalter ist daher nicht angewiesen, auf sie zu fahnden, wie

1 Traian. ep. 97 neque enim in universum aliquid quod quasi certam normam habeat constitui potest.

2 MOMMSEN, Röm. Staatsrecht II S. 905.

3 MOMMSEN a. a. O. S. 913.

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Papinianus, Dig. 48, 2, 22 principes nostri generaliter rescripserunt.

5 MOMMSEN a. a. O. S. 908. Die oben erwähnte Instruction der Statthalter, auf die sacrilegi und latrones in ihrer Provinz zu fahnden, giebt ein Beispiel eines allgemeinen und tralaticischen Mandates.

S. 99.

6 MOMMSEN, Zur Lebensgeschichte des jüngeren Plinius, Hermes 3, 1869.

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