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Clemens seinen Anweisungen für die Christen das Buch eines römischen Moralphilosophen geradezu zu Grunde legen konnte und gelegt hat; er ist demselben genau gefolgt, häufig unter Beibehaltung sogar des Wortlauts. Sein Meister ist der Vertreter eines cynisch gefärbten Stoicismus, Musonius Rufus1, der unter Nero und Vespasian in Rom die Philosophie gelehrt hat. Epiktet gehört zu seinen Schülern, und auch die Christen haben ihn früh zu schätzen gelernt; Iustin2 nennt ihn mit dem von ihm verehrten Heraklit zusammen. Strenge zeigt Clemens lediglich gegenüber dem Götterdienste. Er sieht den Christen so manches nach, aber Kränze sollen sie nicht tragen; denn die Idole werden bekränzt.* Und der Hauptgrund des Clemens ist offenbar der, dass die Opfernden ihre Stirn bekränzten. Auch an den Opferschmäusen, die den Dämonen gewidmet sind, soll der Christ sich nicht betheiligen, nicht aus Furcht vor einer Kraft, die in solcher Speise durchaus nicht liegt, aber aus Hass gegen die Dämonen; an ihren Tisch gehört der Christ nicht, der göttlicher und geistiger Nahrung gewürdigt ist. Auf dem Siegelring eines Christen darf kein Abbild eines Gottes angebracht sein.8 Clemens ist eben in Allem streng, was sich mit dem Götterdienste eng berührt. Dem Kaiserkultus gegenüber entschliesst er sich zu keinen Concessionen. Es sind von Einbildung aufgeblasene Menschen, die sich selbst zu Göttern machen. und sich voller Überhebung solche Ehren decretieren. Sichtbare und geborene Götter soll niemand anbeten. 10 Indessen in jenen Zeiten der Ruhe hat man von den Christen schwerlich in Praxi den Kaiserkult gefordert, und in allem Übrigen zeigt Clemens eine vollkommene Loyalität. Aus der Antwort Jesu auf die Frage, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht, aus seinen Worten Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was

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1 Die Abhängigkeit des Clemens von Musonius ist nach dem Vorgange älterer Gelehrter in WENDLANDS sorgfältigen Quaestiones Musonianae 1886 präciser nachgewiesen worden. 2 Iustin. apol. 2, 8.

3 Clem. Alex. paed. II 8, 72 p. 213, 4 P., p. 276, 21 D. εoyovτai toivvv otεφάνων οἱ τῷ λόγῳ παιδαγωγούμενοι; vgl. II 8, 76 p. 216, 3 P., p. 286, 16 D.; III 12, 90 p. 306, 7. 10 P., p. 397, 23. 25 D.

4 Clem. Alex. paed. II 8, 73 p. 213, 20 P., p. 277, 14 D.

5 So sagt später Cyprianus, de lapsis 2 p. 238, 6 HARTEL frons cum signo

dei pura diaboli coronam ferre non potuit.

Clem. Alex. paed. II 1, 8 p. 168, 24 sqq. P., p. 218, 19 sqq. D.

7 Clem. Alex. paed. II 1, 9 p. 169, 7 P., p. 219, 11 D.

8 Clem. Alex. paed. III 11, 59 p. 289, 9 P., p. 374, 11 D.

9 Clem. Alex. protr. 4, 54 p. 48, 16 P., p. 60, 16 D.

10 Clem. Alex. protr. 10, 97 p. 78, 3 P., p. 100, 19 D.

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Gottes ist wird zunächst die Steuerpflicht des Christen abgeleitet1; aber weiterhin werden diese Worte ohne jegliche Einschränkung als die Norm des politischen Lebens betrachtet.2 Vor den Gesetzen hat Clemens Achtung:,,König ist, wer nach den Gesetzen herrscht."3 Auch aus den Strafen soll niemand einen Einwand gegen das Gesetz herleiten. Diese Stellung des Clemens erscheint besonders den Anschauungen gegenüber beachtenswerth, die wir später bei Origenes und schon bei Tertullian finden werden. Auch Origenes ist nicht darauf ausgegangen, Conflicte mit dem Staatsgesetz zu suchen, aber das Gesetz des Staates hat als solches in seinen Augen keinen Werth. Anders Clemens. Er erkennt dasselbe an, er sucht sich demselben, soweit irgend möglich, anzuschmiegen. Als Norm für den Eid nennt Clemens 5 nicht die Worte Jesu,,Ihr sollt überhaupt nicht schwören", sondern die des Sacharja: „Liebet nicht falsche Eide."7 Er verbietet lediglich den Meineid. Auch im übrigen werden dem Christen keine Fesseln auferlegt, die ihn dem Staate gegenüber binden und in eine schwierige Lage bringen könnten. In den für den Christen bestimmten Lebensregeln wird es, im Gegensatze zu den Frauen, als für den Mann passend bezeichnet, dass er unbeschuht einhergeht, ausser wenn er zu Felde zieht. Clemens sieht also keinen Grund, warum der Christ nicht Soldat sein sollte. An Christen wendet er sich mit den Worten: ,,Die Soldaten ermahnt der Herr durch Johannes (den Täufer) mit den Worten,,Lasset euch genügen an eurem Solde" 10, an die Zöllner geht seine Mahnung ,,Fordert nicht mehr ein als wozu ihr angewiesen seid" 11 und zu

1 Clem. Alex. paed. II 1, 14 p. 172, 35 P., p. 224, 14 D.

2 Clem. Alex. paed. III 12, 91 p. 306, 25 P., p. 398, 12 D. naì ñɛọi nokitɛiagʻ ἀπόδοτε τὰ Καίσαρος Καίσαρι καὶ τὰ τοῦ θεοῦ τῷ θεῷ.

3 Clem. Alex. strom. I 24, 129 p. 417, 12 P., p. 128, 18 D. pasikeis toivvv ἐστὶν ὁ ἄρχων κατὰ νόμους.

4 Clem. Alex. strom. I 27, 171 p. 422, 25 P., p. 135, 26 D. S. oben S. 100 A. 3. 5 Clem. Alex. paed. III 12, 91 p. 306, 26 P., p. 398, 14 D. öozov dè лégi.

ὅρκον ψευδῆ μὴ ἀγαπάτω.

6 Matth. 5, 34 ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν μὴ ὀμόσαι ὅλως.

7 Zach. 8, 17 öonov yevdñ μỳ áɣaлāτɛ. Dа POTTER diese Bibelstelle aus Versehen nicht nachgewiesen hat, so wissen seine Nachfolger, DINDORF eingeschlossen, sie auch nicht zu finden.

8 Clem. Alex. paed. II 11, 117 p. 240, 27 P., p. 313, 12 D. ávdoì dè ɛð páka ἁρμόδιον ἀνυποδησία, πλὴν εἰ μὴ στρατεύοιτο. In paed. III 11, 53 p. 286, 4 P., p. 370, 8 D. ist nicht etwa ein Widerspruch zu finden. Vgl. auch paed. II 12. 121 p. 243, 41 P., p. 317, 23 D.

9 Clem. Alex. paed. III 12, 91 p. 306, 15 P., p. 398, 4 D.

10 Luc. 3, 14. 11 Luc. 3, 12. 13.

dem Richter sagt er: ,,du sollst zum Schirme derer, die Unrecht erlitten haben, vor Gericht die Person nicht ansehen; denn die Geschenke machen die Augen der Sehenden blind und die gerechte Rede wird geschädigt." Der öffentlichen Thätigkeit brauchen sich Christen also nicht zu entziehen. Man kann ein Hörer der christlichen Weisheit sein und dabei doch seine Stellung im Staate ausfüllen, man ist durch nichts gehindert, die Dinge der Welt in gehöriger Weise Gott angemessen zu besorgen.2

Auch im Verkehr des täglichen Lebens geht Clemens nicht etwa darauf aus, den Christen vom Heiden streng zu sondern. Zwar will der Pädagog den Besuch des Theaters und des Stadiums wegen des dortigen Sinnenreizes nicht gestatten und lässt auch den Einwand nicht gelten, den Christen ihm machen, die es damit anders zu halten gewohnt sind und sich damit entschuldigen: „Wir sind doch nicht alles Philosophen."3 Indecente Statuen soll der Christ, den überhaupt eine grössere Mässigung im Verkehr der Geschlechter auszeichnen soll 5, nicht einmal ansehen. Aber im Ganzen lässt Clemens mit sich reden, ja mit sich handeln. Er verbietet den Christen nicht, Einladungen zu Heiden anzunehmen. Er wiederholt das Wort des Paulus an die Korinther:,,Werdet ihr von einem Ungläubigen eingeladen und wollt hingehen, so esset alles, was euch vorgesetzt wird, ohne Gewissens halber nachzuforschen." Er gestattet demnach in diesem Falle sogar etwaigen Genuss von Opferfleisch, und fügt nur die nicht eben eindringlichen Worte hinzu: ,,Gut ist es freilich, mit ihnen keine Gemeinschaft zu haben."7 Von den Lebensregeln wird unter Umständen etwas nachgelassen. Clemens verwirft den Gebrauch der Salben, aber den Frauen darf man denselben schon bis zu einem gewissen Grade nachsehen.8 Überhaupt,,ist es gelegentlich am Platze, von der Strenge nachzulassen." Legt der Mann darauf Werth, so wird es der Frau

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1 Exod. 23, 8.

2 Clem. Alex. paed. III 11, 78 p. 299, 28 P., p. 388, 7 D. ¿§òv dè ȧngoão dai pèv σοφίας θεϊκῆς, ἀλλὰ καὶ πολιτεύσασθαι ἐξὸν, ἀλλὰ καὶ τὰ ἐν κόσμῳ κοσμίως κατὰ θεὸν ἄγειν οὐ κεκώλυται.

8 Clem. Alex. paed. III p. 11, 76. 77 p. 298, 17 P., 2. 386, 25 D. sqq.; III 11, 78 p. 299, 15 Ρ., p. 387, 26 D. ἀλλ ̓ οὐ πάντες, φησὶ, φιλοσοφοῦμεν.

4 Clem. Alex. protr. 4, 61 p. 53, 16 P., p. 67, 2 D.

5 Clem. Alex. paed. II 10, 96 p. 227, 39 P., p. 296, 4 D. Vgl. paed. II 10, 103 1 Cor. 10, 27.

p. 232, 8 P., p. 301, 21 D.

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7 Clem. Alex. paed. II 1, 10 p. 169, 36 P., p. 220, 10 D. Die άtaztoι der Parenthese καλὸν γὰρ μὴ συναναμίγνυσθαι τοῖς ἀτάκτοις sind eben die ἄπιστοι. 8 Clem. Alex. paed. II 8, 66 p. 208, 23 P., p. 271, 19 D.

Clemens und die Philosophie.

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auch erlaubt sein, sich zu schmücken, aber freilich lediglich, um ihrem Manne zu gefallen.1

Von so grossem Werthe es auch ist, die Milde des Urteils festzustellen, welche wir bei Clemens finden: eine unendlich grössere Bedeutung nimmt sein Werk dadurch in Anspruch, dass es die geistigen Bedürfnisse, die sich innerhalb der Kirche regten, in den Formen der Weltlitteratur zu befriedigen versuchte. Die Philosophie der Griechen wird in einem Umfange verwerthet, wie das kein Vorgänger des Clemens in den Kreisen der Kirche gethan hat. Gewiss ist das Christenthum längst nicht mehr auf Leute ohne höhere Bildung eingeschränkt; es ist unhaltbar, wenn das ,,wahre Wort" des Celsus behauptet, die Christen hätten eine Erweiterung ihrer Gemeinschaft durch den Zutritt gebildeter Leute nicht gewünscht. Dies Urteil fusst nur auf dem Durchschnitt der Gemeinden, die sich allerdings zum grossen Theil aus Sklaven und kleinen Leuten zusammensetzten. Aber in den Schriften der Apologeten ist der Einfluss der Philosophie bereits unverkennbar. Zwar rühmt sich Tatian, ein Barbar zu sein, und verachtet die griechische Bildung; aber auch widerwillig wird er von ihren Gedanken gefangen genommen. Die Apologeten sind im Stande, bei den Philosophen Ahnungen der Wahrheit anzuerkennen, die sie z. Th. als Entlehnungen aus dem alten Testamente bezeichnen. Für keinen aber nimmt die Philosophie eine solche Stellung ein, wie für Clemens den Alexandriner.

Gewiss liegt ihm nichts ferner als der Wunsch, das Christenthum auf die gebildeten Kreise zu beschränken. Ebenso wenig wie die Armuth steht der Mangel an Bildung der Bekehrung zum Christenthum im Wege. Aber Clemens gehört nicht zu den Leuten, welche die Philosophie für ein Übel halten, die nichts von ihr und nur vom Glauben etwas wissen wollen. Vor der Erscheinung des Herrn war sie den Griechen zur Gerechtigkeit unentbehrlich, und jetzt ist sie für die Gottes verehrung denen nützlich, die sich den Glauben durch Beweise erwerben wollen. Zwar hat der Apostel im Kolosserbriefe 5 vor der Philosophie gewarnt: ,,Sehet zu, dass euch nicht jemand beraube mittels der Philosophie und leeren

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1 Člem. Alex. paed. III 11, 57 p. 287, 35 sqq. P., p. 372, 18 sqq. D. ååå' éœtiv οἱ καθυφεῖναι τοῦ τόνου καιρὸς κτλ.

2 Clem. Alex. strom. I 1, 18 p. 326, 34 P., p. 16, 18 D.

3 Clem. Alex. strom. I 9, 43 p. 341, 31 P., p. 37, 2 D. ěvioi Sè ev¶veis olóμevoi εἶναι ἀξιοῦσι μήτε φιλοσοφίας ἅπτεσθαι μήτε διαλεκτικῆς, ἀλλὰ μηδὲ τὴν φυσικὴν θεωρίαν ἐκμανθάνειν, μόνην δὲ καὶ ψιλὴν τὴν πίστιν ἀπαιτοῦσιν. 5 Col. 2, 8.

4 Clem. Alex. strom. I 5, 28 p. 331, 24 P., p. 23, 15 D.

Truges nach menschlicher Überlieferung, nach den Elementen der Welt und nicht nach Christus." Aber diese Warnung bezieht sich nach der Auffassung des Clemens nicht auf die ganze Philosophie, sondern nur auf die epikureische, welche die Vorsehung aufhebt und die Lust vergöttert.1 Noch in kein christliches Buch war eine solche Fülle philosophischen Stoffes aufgenommen wie in das grosse Werk des Clemens. Der Formen, die in der Weltlitteratur geläufig sind, bedienen die Christen sich seit dem Auftreten der Apologeten; es geschieht demnach in Schriften, die der Beeinflussung der Behörden und der Aufklärung des heidnischen Volkes über den Inhalt des Christenthums bestimmt sind. Nicht nur der Verständigung mit den Heiden, sondern der Behandlung innerer Angelegenheiten des Christenthums dienen sodann die Werke, in denen die Kirche sich mit den Ketzern auseinandersetzt; und auch diese Ketzerbestreitungen, wie das Werk des Irenaeus, gehören der allgemeinen Litteratur an. Aber noch ist diese Litteratur nicht in den Dienst des engsten, des inneren kirchlichen Kreises getreten. Erst mit dem „Hauptwerke des Clemens sieht man die christliche Litteratur profaner Form dahin gelangt, dass sie ihr Dasein nicht auf die wechselnden Beziehungen der Kirche zur Aussenwelt des Nichtchristlichen oder des Häretischen, sondern auf die eigenen, inneren und bleibenden Bedürfnisse der Kirche selbst gründet."2 Wenn irgend etwas, so ist dies ein gewichtiges Zeichen dafür, wie die Kirche sich in der Welt einlebt. Eine Fülle griechischer Gedanken wird christlichen Kreisen durch die Schriften des Clemens zugeführt; der den Christen und den Griechen gemeinsame geistige Besitz wird grösser. Das erleichtert die Verständigung und wird den Christen neue Bekenner aus den Reihen der Gebildeten gewinnen. Eine Erscheinung wie Tatian ist nicht mehr möglich. Die Kultur der Zeit ist für das Christenthum erobert, und der Aristokratie des Geistes ist der Weg in die Hallen der Kirche geöffnet.

1 Clem. Alex. strom. I 11, 50 p. 346, 4 P., p. 43, 5 D.

2 OVERBECK, Über die Anfänge der patristischen Literatur, v. SYBELS Historische Zeitschrift 48, N. F. 12, 1882, S. 454. Diese tiefgreifende Untersuchung hat die Frage über die Stellung der christlichen Schriften zur Weltlitteratur und in derselben überhaupt erst aufgeworfen. Welchen Einfluss der Inhalt der griechischen Philosophie durch die Vermittelung des Clemens auf das Christenthum geübt hat, ist in diesem Zusammenhange nicht zu erörtern. S. darüber HARNACK, Dogmengeschichte I, 1886, S. 501 ff.; BIGG, The christian Platonists of Alexandria, Oxford 1886. Vorher hatte eine Leipziger Dissertation von MERK (s. a.) über Clemens Alexandrinus in seiner Abhängigkeit von der griechischen Philosophie gehandelt.

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