28. HEINRICH VON VELDEKE. Nicht leicht ist ein Dichter von feinen Zeitgenoßen und der unmittelbar nachfolgenden Generation fo hoch gepriefen worden, als Heinrich von Veldeke. Der Grund hievon liegt weder in der Neuheit des Stoffes, den er behandelte (denn die antiken Sagen waren fchon vor ihm in die deutfche Literatur eingeführt), noch in einem hervorragenden poetifchen Talent, das in der Behandlung fich ausfpräche, fondern wohl hauptfächlich darin, daß Heinrich der erfte ritterliche Dichter war, der die Welt mit einem umfaßenderen Werke befchenkte, und daß man in diefem Werke, neben einer gebildeten Sprache, einem beinahe untadelhaften Reime und confequenter Anwendung metrischer Regeln, zuerft jene forgfältige Ausmalung erotifcher Gegenstände fand, welche dem Gefchmacke der Zeit fo ganz angemeßen war. Diefe Umstände machten ihn zum Vater der höfifchen Poefie, als welchen ihn das ganze Mittelalter betrachtet. Seine, einem franzöfifchen Gedichte nachgebildete Eneit (vollendet zwischen 1184 und 1189) ist im Ganzen ohne großen dichterischen Werth, enthält aber einzelne sehr ansprechende Parthien, worunter wir namentlich diejenigen zählen, die das von Heinrich mit fichtbarer Vorliebe behandelte Verhältniß des Äneas zur Lavinia betreffen. Weit beßer, als diefes Epos, und zum Theil wirklich voll Anmuth und reizender Naivität sind Heinrichs Minnelieder, welche auch infofern alle Beachtung verdienen, als fie zu den älteften lyrifchen Gedichten gehören, die eine eigenthümliche, von den epifchen Versmaßen verfchiedene, und mitunter kunftreiche Form haben. Veldeke ift von Geburt ein Niederdeutfcher und dichtete den größten Theil feiner Äneide am Hof zu Cleve, vollendete fie aber zu Neuenburg an der Unftrut, wo er später am Hofe Hermanns von Thüringen verweilte. Vgl. Gervinus I, 290 ff. Koberstein §. 62. 63. 67-69. 70. 72. 91. 92. 95. 111. (Müller, Sammlung d. Gedichte des zwölften bis vierzehnten Jahrhunderts, Bd. I, S. 98-100; verglichen mit der Heidelberger- und Münchener Handfchrift.) Dô fprâchete Êneas als vil ime liep was mit der vrowen rîchen 1) vil harte minneclichen, als in vil wol lufte.. Guotlich er fi kufte. Er gabir ein guldîn vingerlin, und bat fi frôes muotes fin. Er kufte fi wol drizicftunt an irn minneclîchen munt von liebe und durch minnen. Er fprach zir meisterinnen offenliche und unverholn: ,,lât ù dis maget fin bevoin.“ ,,Vrowe" fprach der troyân, ,,ir hât noch wol dar zuo getân, ich rât û daz irz vollen tuot: wen ûwer lôn wirt vil guot.“ Dô gruozte er die vrowen. Dâ machte man fchowen manegen minneclîchen lip, beide magede unde wîp, wol gecleit und wol gehêret, 1) Lavinia. wol gezogen und wol gelêret ze werken und ze worten. Manegen tûren borten mochte man då fchowen: die truogen die vrowen wol mit golde genât uf die phellelline wât, ûf famît unde ûf fîde. Man fach då guot gefmide unde manegen edelen stein. Eneas wart des enein, daz er ze herbergen reit; ime volgete manic ritter gemeit. Dô der herre Êneas ze herbergen komen was, hiez er dar zuo ime gân. gurtel unde vingerlin -die niet bezzer dorften fin: Iwan er was Lavinen holt. Er fante ein tùre houbit golt irre meifterinne ze gabe und ze minne. fin gabe die vil guot was daz er guot gap umb êre. komen durch den grôzen zorn. do fprach die kunegin uber lût : Dû macht mir des getrowen: mir ift leit daz ich dich ie getruoc. Daz ich dich niet ze tôde fluoc alfo fchiere fô ich dich gewan! Nû Turnus der edele man von dinen fchulden ift erflagen, ez mac die werlt wol alle clagen, daz dû ie wurde geborn! durch dînen willen hât verlorn vil manic man finen lip. Daz ich ie wart dîns vater wip, daz quam von unheile, daz ich im ie wart ze teile." Aber fprach die kuneginne mit grôzem unfinne und mit grimmem zorne: „owê mir verlorne, daz ich den unnutzen man dinen vater ie gewan, daz mir mit ime wart vergeben! ich wil nu niet langer leben; und mochtich, ich enwolde. Sit daz ich fehen folde, daz dû und der troyân vor mir gekrônet foltet gân, daz doch fchiere muoz wefen, fone mochtich nimmer genefen: daz gienge mir harte ûz dem fpil. Nû dîn vater lâzin wil Eneafe fin riche, er tuot vil bôsliche: ich mochte ez ubele gefehen. Leide muoze û gefchehen, dir von ime, ime von dir." ,,vrowe, wes engelden wir" fprach Lavine die maget, ,,daz ir den goten von uns claget und uns gefluochet fô vil? unheil habe fwer ez haben wil.“ fprach fi,,,vrowe muoter min." ich enweiz wie manegen tac, in fchiffen und an der ftràzen, Die fpilman und die varende diet die verfùmden fich niet, Si mochten gerne dar komen wan fi dâ wurden riche, als daz billich was. Do wart der herre Êneas ze kunige gekrônet. Do was im wol gelônet ze êren ophert er den goten, und lônde den finen. Do krônte man Lavinen ze einer kuneginne. Si was dô irre minne komen ze liebem ende ân alle miffewende. Michel was die hochzît, und daz geftuole vil wit. Hêrliche manz dô ane vienc. Der kunic do ze tifche gienc und die vurften edele, ieclich an fin gefedele, arme unde rîche, harte vrôliche. Mit vlize da gedienet wart. Da wart die fpife niet gefpart. Der fich des vlizen wolde, daz er fagen folde, wie dà gedienet wêre, ez wurde ein langez mêre: wan als ich û hie fagen wil, man gab in allen ze vil. Ezzen unde trenken, des ieman kunde erdenken und des fin herze gerte, vil wol man in des gewerte. Dô si dô gefâzen und vrôliche gâzen vil wol nach ir willen, do ne was ez dà niet stille: dâ was geruofde fô grôz, daz es die touben verdrôz; da was spil und gefanc, unde bûhurt und getranc, phifen unde fingen, videlen unde fpringen, orgeln unde feitspil, maneger flachte vroude vil. Der nuwe kunic Êneas, der dà brûtegume was, er bereite die spilman. Der gabe er felbe bigan: wan er was der hêrfte; dâ von huob erz airêrste, als ez kunige wol gezam. Swer då fine gabe nam, dem ergienc ez fêlicliche: wan er wart es rîche fit biz an fin ende, und vrumete ouch finem kende die wîle daz ez mochte leben: wan er kunde wole geben, unde hete ouch daz guot, dar zuo den willigen muot. Dar nach die vurften riche gåben vollicliche, ir ieclich mit finer hant: daz fi alle dannen fchieden vrô und lob dem kunige fungen, ieclich an finer zungen. Dâ was michel hêrschaft, wunne unde wirtschaft. Iedoch clagete Êneas daz ir fo wênic dâ was, die fines guotes gerten. Einen mânôt do werte die brûtloft und die hôchzît, daz man da gab en widerftrît. Da waren vursten hêre, die durch ir felber êre und durch den kunic gàven. Herzogen unde grâven und ander kunige rîche, die gåben grôzliche, die wênic achten den schaden, fi gåben foumêre wol geladen mit fchatze und mit gewande. Ich en gevriesch in dem lande nicheine hochzit fô grôz, der alfo maniger genôz. Då von sprach man do wîte. Ichen vernam von hochzîte in aller wîle mêre die allô grôz wêre, als do hete Eneas, wan die ze Maginze då was, die wir felbe fâgen (des endurfen wir niet vrågen, die was betalle unmezlich), dâ der keifer Friderich gap zwein finen sunen fwert, dâ fô manc vurfte wêre Ez wirt noch uber hundert jår |