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Christliche Dogmengeschichte.

Einleitung.

Je weniger eine Wissenschaft sich bereits in solchem Zustande

befindet, daß sie ihrem Begriff entspräche, um so mehr bedarf fie einer Einleitung. Zwar enthält diese von ihr nur das Allgemeine, aber um so mehr kommen darin zugleich die Prinzipien derselben zur Sprache. Eine Einleitung ist aber so nicht nur objectiv oder um der Sache und Wissenschaft, sondern auch subjectiv, um derer willen nöthig, welche in dieselbe sich einlassen und sich im voraus in den Grundsäßen orientiren wollen, nach denen die Wissenschaft am erfolgreichsten zu studiren ist. Was nun insonderheit die Dogmengeschichte und eine Einleitung in dieselbe betrifft, so kommt darin in Betracht: 1. das Dogma; 2. dessen Geschichte und 3. die wesentliche Form der Dogmengeschichte.

1. Das Dogma. Was ein Dogma sey im Sinne der christlichen Religion, das kann zunächst nur aus dieser selbst gewußt werden. 1) Es sind die Lehren des christlichen Glaubens selbst, welche auch Dogmen heißen. Was diese nun immer auch weiter noch seyen, den christlichen Glauben selbst müssen sie nothwendig enthalten, er muß in ihnen sich aussprechen, ohne ihn können sie nicht Dogmen seyn. Der christliche Glaube aber ist hier nicht zu nehmen in seiner Subjectivität, wie wenn das Dogma und etwa dessen Geschichte nur enthielte, was irgendwo Marheineke Dogmengeschichte. 1

und wann einmal von den Lehren der christlichen Religion geglaubt oder wohl gar auch nur gemeint und gefabelt worden wäre, sondern es ist an den christlichen Glauben zu denken in seiner Absolutheit, wie er die auf göttlicher Offenbarung beruhende ewige Wahrheit ist, in der das Heil und die Erlösung der Welt beschlossen ist. Es ist von großer Wichtigkeit und Nothwendigkeit, sich am Eingange zur Geschichte des Dogma auf diesen einfachen, substanziellen Grund und Inhalt des Dogma, welcher die christliche Religion selbst in ihren Grundwahrheiten ist, zu besinnen und sich daran vor allem die Aufgabe der Dogmengeschichte zum Bewußtseyn zu bringen. Wer diese Wissenschaft bearbeiten oder studiren will, muß nothwendig nicht nur ein reines Interesse am christlichen Glauben nehmen, sondern ihn wenigstens auch schon in seinen Grundartikeln kennen, um die Wißbegierde zu empfinden nach den Veränderungen, welche sich damit zugetragen haben, und zu erkennen, daß sie, diese Grundwahrheiten, und nur sie es gewesen sind, welche diese Veränderungen nicht nur erlitten, sondern selbst auch veranlaßt und bewirkt haben. Also ohne die christliche Religion und Lehre auch kein christliches Dogma. Das theologische Prinzip der Dogmengeschichte ist vor allem dieß, daß das Dogma, dessen Geschichte sie ist, eine wesentliche Lehre des christlichen Glaubens ist oder enthält, daß sie daran nicht etwa nur eine subjective Vorstellung, cine Meinung oder gar nur einen Wahngedanken hat, sondern eine substanzielle biblische Wahrheit, und an dieser Seite hat die Dogmengeschichte nothwendig die Kenntniß der biblischen Glaubenswahrheit, der Bibel selbst und ihre begriffsmäßige Auslegung zur Voraussetzung; denn die historische Notiz von demjenigen, was reine christliche Lehre sey und Glaubenswahrheit im Unterschiede von allem andern, schöpft die christliche Theologie allein aus der Bibel. Ohne so an die biblische Tradition und Eregese anzuknüpfen, kann die Dogmengeschichte nicht anfangen. Aber nicht auch kann sie dieselbe vollständig oder auch nur in irgend

einem größern Maaß in sich aufnehmen. In Münscher's Dogmengeschichte, herausgegeben von Cölln, Cassel 1832. Th. 1. S. 3. ist die Frage unbeantwortet aufgeworfen: Soll die eigene Lehre Jesu und der Apostel von der Dogmengeschichte ausgeschlossen seyn und soll diese sich blos mit dem kirchlichen Lehrbegriff beschäftigen? Gewiß muß das eine sowohl, als das andere geschehen, wenn die Dogmengeschichte nicht zugleich soll die ganze biblische Theologie des Alten und Neuen Testaments seyn oder in sich aufnehmen. Die Unterscheidung und Abgränzung der verschiedenen theologischen Wissenschaften ist eben dazu nothwendig, damit nicht jede einzelne theologische Disciplin alle die übrigen mit zu enthalten braucht. Das Verhältniß der Vorausseßung der einen durch die andere genügt. Darin liegt denn deutlich genug, daß ohne zu wissen, was Lehre Jesu und der Apostel, was der substanzielle Gehalt der christlichen Religion und die bestimmte Lehre der Bibel sey, auch die Dogmengeschichte nicht seyn könne. Von dem wenigstens, der diese Wissenschaft zu bearbeiten unternimmt, steht zu erwarten, daß er aus dem Compler der auch in einander eingreifenden verschiedenen theologischen Disciplinen wisse, was wesentlich zur christlich biblischen Lehre gehöre und was nicht. Aber allerdings hat die obige Frage noch einen schwierigeren Sinn; sie ist die Frage nach dem Anfangspunkt der Dogmengeschichte und berührt somit das Prinzip derselben. Die mannigfaltigen Gestalten dieser Wissenschaft kommen eben daher, daß die Urtheile der Dogmenhistoriker über das, was wesentlich christliche Lehre sey, so verschieden sind, daß manche dem Buchstaben der Bibel ein größeres Recht der Entscheidung einräumen, als dem Geiste derselben, andere über diesen nur sogenannten Geist den bestimmten Aussagen der Bibel Unrecht und Gewalt anthun, so daß sich am Anfang der Dogmengeschichte alle die sonstigen und anderweitig schon vorhandenen Differenzen der theologischen Ueberzeugung erneuern und geltend machen auch für die Behandlung dieser Wissenschaft. Wenn

überhaupt aller Anfang schwer ist, so ist es vornemlich der in geschichtlichen Dingen. Die Geschichte steht darin in einem wesentlichen Unterschiede gegen die Philosophie, daß diese als ein System von Gedanken sich in einem geschlossenen Kreise bewegt, worin der Anfang auch das Ende, das Ende der Anfang, cas Resultat auch Prinzip, das Prinzip auch Resultat ist. Die Geschichte hingegen hat ihrer Natur, d. h. ihrem Begriff nach, keinen Anfang in sich, wie sie auch kein Ende hat. Hat sie den Anfang nicht in sich selbst, so kann sie nur äußerlich, somit nur an irgend einem Puncte anfangen, der aus Gründen und Rücksichten z. B. auf das, was ja in andern historischen Disciplinen vorkommt und deshalb dermahlen nicht mit aufzunehmen sey, zu bestimmen ist. In diesem Sinne hat denn auch die Dogmengeschichte die biblische Theologie zu ihrer Vorausseßung. Es findet sich aber in der christlichen Religion und innerhalb des Kanons der Bibel selbst der Unterschied zwischen solchen Bestandtheilen, welche Lehren des Glaubens unmittelbar, und solchen, welche Lehren des Lebens und Handelns in solchem Glauben find. Obgleich der Unterschied nicht absolut, sondern nur dialectisch ist, so nimmt die Wissenschaft doch davon die Unterscheidung dessen her, was ein Dogma und was ein Präcept ist; es gründet sich darauf der Unterschied der Dogmatik, die es mit Dogmen, und der theologischen Moral, die es mit rein ethischen Bestimmungen zu thun hat. Ob nun gleich an manchen Dogmen, wie denen, welche unter den pelagianischen Händeln Gegenstände des Streits waren, die moralische Seite stark hervortritt, so hat es die Geschichte des Dogma doch nur vorzugsweise mit solchen Lehren der christlichen Religion zu thun, welche unmittelbar den Glauben angehen, und in eben dem Maaß, als sie der Dogmatik sich nähert, ihren Unterschied gegen die theologische Moral einzuhalten, deren Lehren wiederum ihre besondere Geschichte haben. Wenn aber alle Dogmen wesentlich bestimmte Lehren des christlichen Glaubens enthalten, ist die

Dogmengeschichte deshalb nur und nichts weiter als Geschichte der christlichen Religion unmittelbar? So wäre nicht auch bestimmt, ob sie die Religion sey nur in der Vorstellung, im Gefühl, in der unmittelbaren Praris, Moralität und Erbauung u. s. w. Es wäre dann im Wesentlichen die Dogmengeschichte nur Geschichte der Wirkungen des Christenthums in der Welt und die dogmatischen und ethischen Lehren vermöchte sie dann auch nicht auseinander zu halten. Dagegen erfordert der Begriff des Dogma, auch auf den Unterschied zu sehen, in welchem es mit der unmittelbaren Lehre des Glaubens steht. Hat das Dogma nothwendigerweise diese zu seinem Inhalt, so ist dieß Verhältniß zunächst nur ein unmittelbares. Im Dogma hat die Lehre des Glaubens sich auch vermittelt, hat sich somit das Verhältniß der Unmittelbarkeit aufgehoben; das Dogma ist nicht nur der Glaube, sondern vielmehr

2) die Glaubensbestimmung. Man kann allerdings den Unterschied des christlichen Dogma von der christlichen Religion unmittelbar so fassen, daß diese auf göttlicher Offenbarung beruhend sich selbst genügt, jenes dagegen, als auf menschlicher Bemühung beruhend ohne den Inhalt des christlichen Glaubens nichts ist. Im Vergleich mit der biblischen Glaubenswahrheit unmittelbar wird daher oft auf das Dogma ein geringerer, ja fast gar kein Werth gelegt. Es sind dieß doch, heißt es gewöhnlich, nur menschliche Bestimmungen, welche den christlichen Glauben nichts angehen, ihm mehr geschadet als genügt haben. Es kommt vor, daß selbst Dogmenhistoriker so denken, indem sie entweder ihrem Gegenstande gegenüber heimlich diese beständige Ironie haben, gleichsam ein heiliges Mitleiden empfinden mit den speculativen Unternehmungen eines Athanasius, Augustinus u. a., oder es auch geradezu heraussagen, daß nächst dem Papstthum nichts so sehr zum Verderben der christlichen Lehre beigetragen habe, als diese spißfindigen Glaubensbestimmungen, und was das Allerschlimmste, der Einfluß der Philosophie.

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