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1. die Form der Urkunde anlangt, so sei hervorgehoben, daß der Text an einer Stelle interpoliert erscheint. Der bekannte Sat über den Marschallsdienst Konstantins in § 16 paßt absolut nicht in den Zusammenhang. Er erweist sich bei genauer Prüfung als späteres Einschiebsel. Ist er als solches zu betrachten, dann fragt sich, warum er nachträglich eingeschoben ist. Zweierlei ist, wie mich dünkt, möglich entweder hatte der Interpolator die s Begegnung von Ponthion vor Augen, d. i. er interpolierte den Saß nach derselben, oder er beabsichtigte den Frankenkönig zu jener Ceremonie zu bewegen; denn es ist möglich, daß man päpstlicherseits, vielleicht in Erinnerung an einen ähnlichen Fall (vgl. Ölsner, Pippin, S. 127 f.), diese eigenartige Huldigung forderte, als man mit Pippins Abgesandten sich über das bei der Zusammenkunft zu beobachtende Ceremoniell verständigte. Bei beiden 10 Annahmen gelangt man aber zu dem Ergebnis: das constitutum ist mit Ausnahme jenes Sahes vor Stephans Abreise entstanden. Was dann 2. die Ausdrucks- und Anschauungsweise des Fälschers anlangt, so hat Scheffer-Boichorst nachgewiesen, daß beide am meisten der Ausdrucks- und Anschauungsweise der Kanzlei Pauls I. entsprechen. Aber der Stil der Kanzlei unter Stephan zeigt eine solche Verwandtschaft mit dem Stil der Kanzlei 15 unter Paul, daß die Entstehung des constitutum unter Stephan nicht für ausgeschlossen gelten kann. Auch ist zu beachten, daß aus Stephans Zeit längst nicht so viel Schriftstücke uns für einen Vergleich zu Gebote stehen, wie aus Pauls Zeit, von letterem enthält der codex Carolinus, die Hauptquelle, 31, von ersterem nur 8 Briefe und endlich ist nicht zu vergessen, daß das Personal aus Stephans Kanzlei zum Teil unter 20 Paul im Dienst verblieb. Nichts hindert also die Annahme, daß das constitutum von einem Notar verfaßt wurde, der erst unter Paul zu voller Wirksamkeit gelangte. Ich erinnere nur, um einen ganz bekannten Namen zu nennen, an den Notar Christophorus, der Stephan als Regionar ins Frankenreich begleitete, unter Paul als primicerius fungierte und bei Paul wie bei Stephan als consiliarius ein solches Vertrauen genoß, daß man 25 ihn in Byzanz der eigenmächtigen Abfassung antibyzantinischer Erlasse der Kurie beschuldigte (cod. Carol. nr. 36, p. 546; Jaffé nr. 2363). Was dann weiter die,,Anschauungsweise" des Fälschers anlangt, so sei a) erwähnt, daß Stephan mit seinem Bruder Paul die Verehrung für den hl. Silvester teilte (V. St. liber pontificalis c. 4, ed. Duchesne I, p. 441; Surius, De probatis Sanctorum historiis V, p. 659), und daß gerade 30 kurz vor der Abreise des Papstes ins Frankenreich die Aufmerksamkeit der Römer auf den hl. Silvester gelenkt wurde. Denn im Jahre 753 wurden mit Aistulfs Genehmigung die Gebeine des Heiligen von dem lombardischen Abte Anselm ausgegraben und weggeschleppt. Weiter sei b) daran erinnert, daß die Anklage: die Bilderverehrer seßten an Stelle der Dreieinigkeit eine Viereinigkeit, durchaus nicht erst zur Zeit der Konstantinopolitaner Synode von 754 im 35 Lager der Bilderfeinde aufgetaucht ist. Schon Johann von Damaskus seht sie in seiner ersten Rede für die Bilder voraus (c. 4 MSG 94, p. 1236). Daß man aber auch in Rom schon vor 754 von diesem allergravierendsten Vorwurf erfuhr, dafür werden die zahlreichen kaiserlichen Gesandten, die zwischen 726 und 754 den päpstlichen Hof besuchten, sicherlich gesorgt haben. Anschauungs- und Ausdrucksweise des Fälschers nötigen uns also durch- 40 aus nicht, bei der Datierung des constitutum über 753 hinabzugehen. Die Interpolation in § 16 macht es sehr wahrscheinlich, daß es noch vor dem 14. Oktober 753 verfaßt ist. Stephans Verhalten gegenüber dem fränkischen Hofe fordert geradezu die Annahme, daß er 754 mit gefälschten Dokumenten operierte. Dazu kommt nun noch, daß auch die Ueberlieferungsgeschichte der Urkunde dem Ansatz 753 günstig ist: sie taucht 45 zuerst in dem Kloster S. Dénis auf, wo Stephan 754 die kalten Monate zubrachte, und wo Abt Fulrad amtierte, Pippins Abgesandter bei Stephans Ankunft in St. Moriz; und sie findet sich in der dionysianischen Formelsammlung zwischen einem Briefe des Papstes Zacharias und einem Briefe Stephans II., gegen dessen Echtheit allerdings mehrfach Einspruch erhoben worden ist. Der Ansah 753 hat also den Vorzug, daß er allen That 50 sachen, die bei der Zeitbestimmung in Betracht kommen können, gerecht wird. Fr nötigt nirgends zu einer künstlichen Erklärung derselben. Darum darf er als die relativ einfachste Lösung der viel erörterten chronologischen Frage wohl von neuem empfohlen werden. H. Böhmer.

Konstantinopel und dessen Patriarchat. Ueber die Stadt Konstantinopel bietet 55 umfassende Litteraturangaben Krumbacher, Geschichte der Byz. Litteratur, 2. Aufl. 1897. Zu brauchen ist auch Ulysse Chevalier, Répertoire des sources historiques du Moyen Age, Montbeliard, Bd I, 1894-1897, s. v. Constantinople. Besonders bleibt zu nennen: Pseudo-Nodinos, zárgia Kwvoraviivov.rólews, ed. Lambecius, Paris 1655, zulegt bei MG SS 157,

S. 429-634; Du Cange, Historia byzantina dupl. comm. illustr., Paris 1680, Teil II, Constantinopolis Christiana; Anselm Banduri, Imperium Orientale, 2 Bde, Paris 1711; J. v. Hammer, Constantinopolis und der Bosporus, 2 Bde, Pesth 1822. (Patriarch Konftantios I. von fonftantinopel), Κωνσταντινιὰς παλαιάτε καὶ νεωτέρα, ἤτοι Περιγραφή Κων5 σταντινουπόλεως ἀπ' ἀρχῆς μέχρι τοῦ νῦν etc. Ἐν Βενετίᾳ παρὰ Πάνῳ Θεοδοσίου 1820; Skarlatos Byzantios, 'H Korotativovлolis, 3 Bdе, Athen 1851-1869; Eugen Oberhummer, Constantinopolis, Abriß der Topographie und Geschichte. S.A. aus Pauly-Wissowas Realencyklopädie der klassischen Wissenschaften 1899.

Ueber das Patriarchat in Konstantinopel sind zunächst die alten und neuen Werke über 10 die griechische Kirche zu vergleichen. Vorzügliche Dienste leistet Kattenbusch, Lehrbuch der vergleichenden Konfessionskunde I, 1892, die Orthodoxe anatolische Kirche. Ueber die ältere Entwickelung findet man auch sehr vieles bei H. Gelzer, Abriß der byzantinischen Kaisergeschichte (Anhang bei Krumbacher, Gesch. der Byz. Litt. 1897, S. 911-1067). Besondere Werke sind Petrus de Marca, De Constantinopolitani patriarchatus institutione, ed. P. Faget 15 1669; Le Quien, Oriens Christianus, im ganzen 3 Bde. Namentlich Bd I, Paris 1740 kommt in Betracht; J. Hergenröther, Photius, Patr. von Konstantinopel, Regensburg 1867, 3 Bde; C. J. v. Hefele, Conciliengeschichte, 2. Auflage, Freiburg 1889 ff.; Tevizoi Kavoriouoi περὶ διευθετήσεως τῶν ἐκκλησιαστικῶν καὶ ἐθνικῶν πραγμάτων τῶν ὑπὸ τὸν οἰκουμενικὸν θρόνον διατελούντων ὀρθοδόξων χριστιανῶν ὑπηκόων τῆς Α. Μεγ. τοῦ Σουλτάνου, fonftan= 20 tinopel, Patriarchatsdruckerei 1888 und öfter; M. Sakellaropulos, Exxinoiaorizòr Aizaior, Athen 1898; Maaßen, Das Primat des Bischofs von Rom u. d. alten Patriarchalkirchen 1853; Gelzer, Der Streit über den Titel des ökumenischen Patriarchen JprTh XIII (1897), S. 549 ff.; Sickel, Das byzantinische Krönungsrecht bis zum 10. Jahrhundert, Byz. Zeitschr. 1898, S. 511-557. Die neuere russische Litteratur ist bei Krumbacher nachzuschen. Ueber 25 die Reihenfolge der Patriarchen hat sich eine besondere Litteratur entwickelt. Die älteren Kataloge in dem auch hier sehr wichtigen Werke von Anselm Banduri, auch bei Konst. Sathas Mεo. Bißh. III. 1872, S. ¿ð ́ff. Grundlegend für die ältere Zeit Le Quien in seinem schon genannten Berte. Sofitheos, Batt. v. Ser. Ἱστορία περὶ τῶν ἐν Ἱεροσολύμοις πατριαρχευoάvrov, Bukarest 1715, S. 1169 giebt eine Reihe neuerer Patr., ebenfalls Neophytos Mau30 rommatis, Metropolit von Arta im 18. Jahrh., herausgegeben von J. Sakkelion im Evayyeλικός Κήρυξ 1862, S. 445 ff.; 21. f. gpfilantis in feinem Berte Τὰ μετὰ τὴν Αλωσιν, ed. Aphtonides, Konstantinopel 1870, bringt die Patr. von 1453-1789; Sergios Makräos in seiner 'Exxinolaorizǹ iorogía bei K. Sathas, Mɛo. Bißh. III, S. 204 ff., ist wichtig für die Zeit 1750-1800. Eine Monographie über sämtl. Patr. schrieb 3. N. Mathas, Bischof von 35 Thera unter dem Titel Κατάλογος ἱστορικὸς τῶν πρώτων ἐπισκόπων καὶ τῶν ἐφεξῆς πατριαρzov etc., 2. Auflage, Athen bei Koromila 1884. Das inhaltsreichste Verzeichnis der Patriarchen verfaßte M. J. Gedeon, Пarqiaozizoi Пívaxes, Konstantinopel 1890, mit wertvoller Einleitung, angezeigt und beurteilt von Gelzer in der Byz. Zeitschr. 1893, S. 152–154. Einige kleinere spätere Schriften bis 1897 bei Krumbacher S. 1088. Seitdem ist zu notieren: 40 Brooks, The London Catalogue of the Patr. of C., Byz. Zeitschr. 1898, S. 32; A. Papadopulos Kerameus, Ilargiagzizoi xarákoyo (1453-1636) ebenda 1899, S. 392 ff.; E. Ruzicic, Katalog der Patriarchen von K. 2c., Belgrad 1897 (serbisch). Der Katalog der Patriarchen von 315-1520 von Gelzer bei Krumbacher a. a. D., S. 1148 ff. Eine vollständige Sammlung der Erlasse der Patr., auch nur der allgemeineren existiert bislang nicht. Die älteste 45 Zusammenstellung und zwar der Erlasse von 1538-1684 bildet die Nouizy ovvaywyý des Patr. Dositheos von Jer. Das Nähere bei A. Papadopulos Kerameus, Tɛooookvirizη BißhioDýn, Bd IV, Petersburg 1899, S. 3f. Neuere Sammlungen von Rhallis und Potlis, Σύνταγμα τῶν θείων καὶ ἱερῶν Κανόνων, 28 V, then 1855; . 3. Gedeon Κάνονες καὶ diarážeis etc., 2 Bde, Konstantinopel 1888-1889. Die Rechtsprechung des Patriarchats von 60 1800-1896 hat registriert Michael G. Theotokas in der Nouohoyía rov oizovμɛvizov rarqiagzɛiov etc., Konstantinopel 1897.

Das alte Byzanz am thracischen Bosporus, der Sage nach 656 v. Chr. von Byzas, König von Megara, als Kolonie gegründet, hatte schon im klassischen Altertum teils die Wichtigkeit einer glücklich gelegenen Handelsstadt, teils auch politische Bedeutung gehabt. 55 Nach mehrfach wechselnder Abhängigkeit von persischer, macedonischer und gallischer Oberherrschaft, eine Zeit lang auch mit Athen verbündet, verfiel es endlich dem römischen Reich, erholte sich aber von jedem Verlust, selbst von den Folgen der Eroberung und gänzlichen Zerstörung unter Septimius Severus (192 n. Chr.). Seit der Mitte des dritten christlichen Jahrhunderts und noch mehr unter Diokletian lag der Schwerpunkt der römischen Reichs60 regierung nicht mehr in Rom selbst, sondern in den östlichen Gegenden von Jllyricum. Der Gedanke, auf dieser Seite des Reichs eine zweite Hauptstadt zu gründen, war also bereits historisch vorbereitet, ehe Konstantin ihn ergriff und mit der Thatkraft, die seine Handlungen auszeichnet, verwirklichte. Als Konstantin, so erzählt Sozomenus (Hist. eccl. II, 3), seine äußeren Feinde besiegt oder durch Bündnisse versöhnt hatte, beschloß er, eine 65 nach sich benannte und an Ehren Rom gleichstehende Stadt zu erbauen, und nach einem

nächtlichen Gesicht wählte er das herrlich gelegene Byzanz, welcher Ort nun sogleich in
bedeutendem Maße vergrößert und mit Mauern umgeben wurde. Dies geschah im Jahr

326, die Einweihung 330. Der Kaiser verwendete ungeheure Mittel für diesen einen

Zweck. Großartige Bauten von Kirchen und Palästen, Schenkungen von Ländereien an

vornehme Familien, Zwangsansiedelungen und Ausstattung mit unzähligen aus Italien 5

und Griechenland geraubten Kunstschäßen und Statuen (Euseb. Vita Const. III, 48. 54)

gaben diesem Neurom oder Konstantinopolis (auch wie Rom Flora und Anthusa genannt)

in kurzem den Glanz einer Residenz. Auf demselben Plaze wurden allein mehrere Hundert

Standbilder von allen Arten errichtet, und der Kaiser unterließ nicht, sich selbst in kolossaler

vergoldeter Statue zu verewigen. Als älteste, von Konstantin selbst errichtete Kirche be- 10

zeichnet Eusebius (De vita Const. IV, 58. 59) die der Apostel, von bedeutender Größe

und reicher Ausstattung, und Sozomenus (II, 3) nennt die Michaelskirche &v rais koriais.

Auch die berühmte Sophienkirche ist von Konstantin gegründet; sie wurde jedoch von

Justinian 538 völlig neu gebaut, der zugleich die von der Kaiserin Pulcheria (457) her-

rührende Blachernenkirche (v tais Blayέovais) neu und großartiger aufführte (Du Cange, 15

Constantin. christiana, lib. III et IV in Histor. Byzant. illustrata, p. 56. 65. 71).

Den raschen Aufschwung Konstantinopels erklärte die Auffassung eines Sozomenus aus

der kirchlichen Frömmigkeit und christlichen Wohlthätigkeit der Einwohnerschaft, welche sich

als wahre flanftätte Chrifti (νεοπαγής Χριστοῦ πόλις) belvährt, feine beibnigen

Tempel außer zu Julians Zeiten geduldet und unter Heiden und Juden große Früchte 201

der Bekehrung gebracht habe. Diese einseitig religiöse Tendenz lag wohl damals dem

Gründer fern; aber indem Konstantin sein erneutes Byzanz zu gleichem Ansehen mit Rom

erhob und sogar dessen innere Einrichtungen mit Einschluß des Senates dorthin übertrug,

bezweckte er doch gewiß, dem durch die Anerkennung des Christentums neugegründeten

Staat einen Mittelpunkt ohne heidnische Traditionen zu verleihen, der dem alten an Herr- 25

lichkeit nichts nachgeben sollte. Seine That hat die Geschichte in seltenem Grade zu der

ihrigen gemacht. Zwar wendete sich der lebendige Strom der Entwickelung entschieden

dem Westen zu; aber die Erhebung von Konstantinopel hat die östliche Hälfte des römi-

schen Reichs vom Untergang gerettet, gegen feindliche Angriffe auf die europäische Christen-

heit eine lange Zeit unzerstörbare Schußmauer aufgerichtet und einen Kulturzustand von 30

jedenfalls weitreichender Bestimmung vorbereitet.

Das erste Zeitalter der Hauptstadt kennen wir aus den Schilderungen des Chryso-

stomus genauer. Die Einwohnerzahl betrug damals etwa 100 000 Seelen, unter diesen

viele Juden und anfangs auch Heiden. Die herrschende Bildung enthielt römische und

griechische, christliche und heidnische Sitten und Unsitten in greller Mischung, ihr Charakter 35

war vorwiegend orientalisch. Das weibliche Geschlecht war von antiker Abhängigkeit und

Zurückgezogenheit zu maßloser Ungebundenheit übergegangen und bediente sich seiner Frei-

heiten mit anstößiger Prunksucht, Eitelkeit und Frivolität. Man lese nur die Scenen,

welche uns Chrysostomus deutlich genug beschreibt, von der schamlosen Behandlung der

Mägde durch ihre Herrinnen, von den öffentlichen Aufzügen der Frauen auf Maultieren 40

und unter Eunuchen, von ihrer Pußsucht und Schwazhaftigkeit selbst in den Kirchen, von

dem wilden Zudrang zu Kampfspielen und Theatern, den abergläubischen und den heid-

nischen Gebräuchen bei Taufen und Hochzeiten (vgl. Chrysost. ed. Montf. tom. XI,

p. 112. 153. 464. IX, p. 93. 198. 199. VI, p. 45. 100). Zahlreiche Einzelheiten be-

weisen einen hohen Grad moralischer Larheit bei verfeinerten Lebensformen. Welches 45

Beispiel der Hof von oben gab, beweist die Geschichte des Chrysostomus (f. den A. Bd ÍV

S. 103 ff.). Die dogmatischen Verwickelungen der nächsten Jahrhunderte hängen stark mit

dem Weiberregiment und den Hofintriguen von Byzanz zusammen. Die gelehrte Bildung

war meist die der Medizin und Jurisprudenz, jene den Griechen eigentümlich, diese von

Rom ererbt und späterhin auch auf die kanonistischen Studien hingeleitet. Außerdem stand 50

Rhetorik und Schönrednerei nicht gerade zum Vorteil der Gesinnung in Ansehen. Neben

Plato kam die Logik des Aristoteles in Aufnahme, die Beschäftigung mit der Mathematik

führte leicht zu astrologischen Rechnungen. Die Kenntnis der lateinischen Sprache, noch

im 5. und 6. Jahrhundert gepflegt, beschränkte sich später auf Dolmetscher und wenige

Gelehrte.

Aus solchen Anfängen entwickelte sich der Charakter des späteren griechischen Staates

und Kirchentums. Dieser byzantinische Geist ist ohne eigentliche Schöpferkraft und Frische,
aber mit wunderbarer Beständigkeit bewahrt er alles Überkommene und weiß jeden em-
pfangenen Inhalt genau und oft sinnvoll wiederzugeben. Kunst, Litteratur, Sitte und
Redeweise der Byzantiner haben etwas Gemeinsames in der Form oder Förmlichkeit und 69

unterscheiden sich von anderen Gattungen durch die seltsame Verbindung von Feinheit, Schwulst und Deutelei oder Schnörkelhaftigkeit, welche Eigenschaften gerade geeignet waren, teils einen Mangel an Gehalt zu verdecken, Schein und Heuchelei zu begünstigen, teils das einmal Ausgeprägte in unverrücklicher Überlieferung festzuhalten. Man kann ferner 6 dem Byzantinismus einen hohen Grad von Universalität nicht absprechen, da er alle kirchlich-politischen Erscheinungen, welche anderwärts zerstreut liegen, in sich vereinigt darstellt. Allein aus diesem Zusammensein entstand auch bald eine solche Verwirrung und Verwachsenheit der Interessen, daß jede Macht in die ihr fremden Gebiete übergriff und die Geschäfte der anderen übernehmen wollte. Ein reiner Kampf zwischen Kirchen- und 10 Staatsgewalt wie im Abendland war auf diesem Boden nicht möglich. Bald herrschte das Mönchstum und der Klerus und machte sich selbst zum Werkzeug politischer Despotie, bald trieben die Kaiser theologische Schriftstellerei und Polemik, führten kirchenpolitische Unterhandlungen mit dem Abendland und zogen sich am Ende nach unruhvoller Regierung in litterarische Muße zurück. Unter beständigen Schwankungen verharrte das kirchliche 16 Leben Jahrhunderte lang, ohne je durch ein großes Ereignis innerlich erschüttert zu werden. Aber dessen ungeachtet darf der Protestantismus dreierlei nicht vergessen, daß die byzantinische Welt- und Kirchenmacht das christliche Europa gegen die von Osten andringenden Gefahren geschüßt, daß sie der päpstlichen Oberherrschaft widerstanden und einen nichtrömischen Katholicismus durch alle Jahrhunderte aufrecht erhalten, welcher der Reformation 20 ein großartiges Beweismittel ihres historischen Rechts in die Hand gab, und daß sie endlich die griechische Sprache und Wissenschaft bis zu dem Zeitpunkt in sich gepflegt hat, wo diese in die reformatorische Geistesbildung fruchtbar eingreifen sollte.

Wir gehen zur Geschichte des Patriarchats über. Konstantin hatte durch seine Reichseinteilung für die sich gleichzeitig entwickelnde Metropolitanverfassung und für die Ver25 bindung der Diöcesen in größere hierarchische Körperschaften eine Grundlage gegeben. Unter den Metropoliten des Orients zeichneten sich aber aus kirchlich-historischen Gründen die von Alexandrien und Antiochien, nächst ihnen die von Ephesus, Cäsarea und Jerusalem vor allen aus. Die Lage ihrer Sprengel stimmte nicht ganz mit der neu geschaffenen Einteilung in Präfekturen, da die genannten Städte sämtlich in die Präfektur des Orients 30 und keine in die von Illyrikum fielen. Um so näher lag es, bei der Durchführung einer Organisation der Kirche den politischen Gesichtspunkt zu berücksichtigen, damit möglichst der Grundsah gelte, daß die kirchliche Regelung der politischen zu folgen habe (Conc. Chalcedon. can. 17). Dieser politischen Veränderung verdankte der Bischof von Konstantinopel, der bisher unter dem Metropoliten von Heraclea gestanden hatte, seine rasche Erhebung. 85 Es war ein bedeutender Schritt, als das zweite ökumenische Konzil von 381 nebst anderen die Verbindung der Diöcesen betreffenden Anordnungen festseßte (can. 3), daß das Episkopat von Konstantinopel, weil dieses Neurom sei, den höchsten Rang nächst dem römischen einnehmen solle, wodurch ihm natürlich der nachher den Metropoliten erster Ordnung (Alexandrien, Antiochien, Jerusalem, Rom) verlichene Titel Patriarch ebenfalls zugesichert 40 war. Noch weiter ging das Konzil von Chalcedon (451); dieses vindizierte im can. 28 dem Patriarchen von Byzanz, damit diese östliche Residenz der westlichen in nichts nachstehe, gleiche Ehren (rà iσɑ лoɛoßɛła) mit dem römischen, widersprach also wörtlich genommen der Bestimmung von Nicäa, woselbst can. 6 nur die Vorrechte der Bischöfe von Alexandria, Rom und Antiochia einfach anerkannt worden waren. Auch sollte der Patriarch 45 sein Aufsichtsrecht über die Diöcesen von Pontus, Asien und Thracien ausdehnen, sämtliche ihm untergeordnete Metropoliten ordinieren, Provinzialsynoden berufen dürfen und für höhere Kirchenfachen im Orient die letzte Instanz bilden (vgl. Petri de Marca de Const. Patr. institutione diss. p. 194 sqq.). Das verliehene Ordinationsrecht wurde praktisch noch weiter ausgedehnt. Den ganzen Inhalt dieses chalcedonensischen Kanons 50 iviederholte später das dem Abendland anstößige Concilium quinisextum (692). Justinian erklärte die Kirche seiner Residenz für das Haupt aller übrigen neben Rom und bestätigte die Stellung des Patriarchen über der Provinzialsynode (f. die Stellen bei Gieseler, RG I, 2, S. 408, 4. Aufl.). Allein troß aller Vorzüge, welche dieser bischöfliche Stuhl fortan genoß, wirkten doch mehrere Gründe zusammen, um dessen Ansehen in gewissen 55 Schranken zu halten. Erstens duldete die griechisch-orientalische Kirche keine Centralisation, die der im Abendlande sich entwickelnden hätte ähnlich werden, also ein byzantinisches Papalsystem begründen könne. Die Bischöfe von Alexandrien und Antiochien übten im 4. und 5. Jahrhundert noch großen Einfluß und traten erst während der monophysitischen Unruhen gegen Konstantinopel zurück, ohne jedoch die Selbstständigkeit ihrer Verwaltung 60 einzubüßen. Im Mittelalter finden wir diese Patriarchen des Orients häufig in freier Ver

bindung mit dem von Konstantinopel, dessen Vorrang sie anerkennen, in Abhängigkeit aber meist nur, sofern das Verhältnis zum Papsttum und der Gegensah gegen die lateinische Kirche hauptsächlich von Byzanz aus entschieden wurden. So weit allerdings kann von einer Oberhoheit die Rede sein, als diese Kirche mehr als irgend eine andere die Zusammengehörigkeit des gesamten nichtrömischen Katholicismus repräsentierte. Zweitens hat das 5 mehrfach wechselnde Verhältnis zu Rom der Selbstständigkeit von Konstantinopel Abbruch gethan. Schon Papst Leo I. protestierte gegen die zu Chalcedon (nach P. de Marca 1. c. p. 196 von der Minorität des Konzils) dekretierte völlige Gleichstellung beider kirchlicher Site als gegen eine dem Nicänum widersprechende und die Rechte der anderen Patriarchen verlegende Neuerung (Leonis epist. Baller. ep. 104-106, de Marca, p. 211). Durch 10 eigene Demütigung gelang es dem Patriarchen Anatolius von Konstantinopel, Leo zu versöhnen, und der Widerspruch des römischen Bischofs gegen jenen Kanon läßt sich mit der sonstigen Anerkennung der chalcedonensischen Beschlüsse von seiten Roms nur künstlich vereinigen. Derselbe Protest wiederholte sich später gegen die Bestätigung des Concilium quinisextum. Ebensowenig wollten Papst Pelagius II. und Gregor I. dem Johannes 15 Jejunator (587) den schon von seinen Vorgängern angenommenen Titel ökumenischer Patriarch einräumen, und als sich später Sergius II. (1024) und Michael Cärularius (1053) diesen Namen beilegten, erfolgte der Vorwurf unbefugter Anmaßung. Über die Bedeutung dieses Titels herrschte wohl zwischen Rom und Neurom ein Mißverständnis. Kattenbusch (a. a. D. S. 112) hat es sehr wahrscheinlich gemacht, daß der Patriarch nie 20 ,,episcopus universalis" fein wollte. Der лaroiάorms oixovuεvizòs war vielmehr nur ,,Reichspatriarch". Solche konnte es mehrere geben. Nur die standhafteste Behauptung der Ebenbürtigkeit hätte aber diesen Widerstand Roms entkräften können. Sowie aber Flavian von Konstantinopel den Beistand eines Leo I., und Sergius I. von Konstanti= nopel im Monotheletenstreit den des Honorius I. annahm: so fehlte es auch übrigens 25 nicht an Schritten der Patriarchen, die einem Hilfesuchen bei Rom ähnlich sahen oder doch so gedeutet werden konnten. Die Folge dieses zwischen Eifersucht und Anerkennung schwankenden Verhältnisses war jene richterliche Superiorität, mit welcher die Päpste bei mehreren Gelegenheiten den Ausschlag zu geben sich erdreisteten. Nach solchen Vorgängen wurde der Bruch durch Männer wie Photius und Cärularius unvermeidlich. In den 30 folgenden Jahrhunderten hat sich die griechische Unionspartei zur Einräumung eines römischen Primats in gewissen Grenzen bereit erwiesen, die orthodore beharrte bei ihrem Widerspruch und unterstüßte ihn mit gelehrten Gründen. Drittens wurde die freie Bewegung des Patriarchats durch die Herrschsucht der Kaiser vielfach gehemmt. Die Patriarchen erscheinen als höchste geistliche Vasallen dem Throne beigesellt; die Hoffitte gebot ihnen 35 fogar, die Einführung jedes Bischofs oder kirchlichen Gesandten, der dem Kaiser vorgestellt sein wollte, zu übernehmen. Oft haben sie ihren Herrn Troß geboten und imponiert, nicht minder oft als Kreaturen des Hofes sich mißbrauchen lassen. Daß ihre Wahl oder Absetzung meist eigenmächtig vom Kaiser verfügt oder doch herbeigeführt wurde, daß manche durch kaiserlichen Einfluß fast unmittelbar vom Laienstande zur Patriarchenwürde emporstiegen, 40 daß die Kaiser in die kirchlichen und dogmatischen Angelegenheiten beständig eingriffen, Unionsverhandlungen einleiteten, einzelne Bischöfe und Klöster der Gewalt des Patriarchen ent= zogen und unmittelbar mit dem Hofe verknüpften: diese und ähnliche Umstände haben die Patriarchen von Byzanz nicht zu würdevoller und gleichmäßiger Ausübung ihrer Gerechtsame, viel weniger zu päpstlicher Allgewalt gelangen lassen; es waren die Beschränkungen 45 eines Staatsfirdentums, von denen die griechische Kirchenleitung auch in neueren Zeiten nicht frei geworden ist. Statt anderer Beweise erinnern wir an die Regierung des Bardanes (711), welcher durch seinen Patriarchen Johannes den Monotheletismus durchsetzen ließ, dessen Nachfolger Anastasius II. aber denselben Johannes zu dem entgegengesetzten Verfahren nötigte, ferner an die Zeiten des Bilderstreites, welche zwar manche kirchliche 50 Standhaftigkeit, aber auch die Schwäche eines Bischofsstuhles offenbarten, der unter Paulus (um 780), Nicephorus und Theodorus (814), Johannes (842) und in dicht aufeinanderfolgenden Kirchenversammlungen seine Grundsätze wiederholt zurücknahm und verwarf, sowie an die wilden bürgerlichen Unruhen des 14. Jahrhunderts.

Die Reihenfolge der Bischöfe von Konstantinopel kennen wir aus verschiedenen Ver- 55 zeichnissen ziemlich vollständig, eine sehr zweifelhafte Tradition führt dieselbe sogar durch die ersten Jahrhunderte und angeblich bis auf den Apostel Andreas als Anfänger hinauf. Abgesehen von den ersten unsicheren Jahrhunderten würden sich vier Perioden unterscheiden lassen, die erste von Konstantin bis zum photianischen Streit (861) oder bis zum gänz lichen Bruch mit dem Abendlande unter Cärularius (1054), die zweite bis zu dem Inter- 60

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