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das Buch ist eben doch von Grund aus ein anderes, als sein Vorgänger gleichen Namens. Die Wichtigkeit des Gegenstandes für die gesammte evangelische Theologie läßt mich hoffen, daß die Fachgenoffen diesem neuen Beitrag zur Lösung einer schwierigen Aufgabe ihre Aufmerksamkeit nicht versagen werden. Den Beruf wenigstens, noch einmal die Geschichte der ältesten Entwickelung der Kirche zu behandeln, wird man mir, wie ich denke, zugestehen, zumal da ich mich von jedem Parteistreben als solchem frei weiß.

Bonn, den 7. Juli 1857.

Der Berfaffer.

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Die theologische Forschung hat sich in der neuern Zeit mit großer Lebendigkeit der Geschichte des apostolischen und nachapostolischen Zeitalters, d. h. der beiden ersten christlichen Jahrhunderte zugewandt. Es ist dies ein Gebiet der Geschichte, zu dessen Aufhellung bei dem Mangel direkter Quellen der Konjekturalkritik ein weiter Raum ́ gelassen ist, deren Anwendung ebenso viel Reiz darbietet, als sie Schwierigkeiten zu überwinden hat. Die Schwierigkeiten, welche der Geschichtschreibung des bezeichneten Zeitraums entgegentreten, sind aber nicht einfacher und gewöhnlicher Art, sondern gewissermaßen potenzirt. Nicht alle Schriften nämlich, welche jenem Zeitraume angehören, tragen das Zeichen ihres Ursprungs und ihrer Zeitbestimmung so deutlich an der Stirn, daß man an ihnen eine feste Basis zur Kontrole der einzelnen ge= schichtlichen Data, welche aus verschiedenen Gründen unsicher sind, und zur Aufstellung von Hypothesen besåße, mit welchen allein die Lücken der Geschichtsanschauung ausgefüllt werden können. Dies gilt von fast allen Schriften, von denen es klar ist, daß sie dem Jahrhunderte von der Zerstörung Jerusalems bis auf die Zeit des Irenåus angehören; aber auch eine Reihe neutestamentlicher Schriften, auf welche sich die Geschichte stüßen muß, entbehrt der unzweifelhaften Merkmale`ihrer geschichtlichen Stellung. Damit also diese Schriften der Geschichtsforschung feste Anhaltspunkte gewähren können, bedarf es literargeschichtlicher Untersuchungen, und bei diesen ist nicht zu umgehen, daß die Gesammtanschauung der Periode, welche erst hypothetisch aus der Analyse der einzelnen Schriften hervorgehen soll, vielmehr schon Ritschl, Altkath. Kirche. 2. Aufl.

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als Basis der Untersuchung derselben sich geltend macht. Wenn also überhaupt eine Voraussetzungslosigkeit der Geschichtschreibung möglich wäre 1), so ist sie auf diesem Felde gar nicht in Anspruch zu nehmen. Wird nun aber nicht eine solche Geschichtschreibung, welche erst den geschichtlichen Ort der Quellen nach der Totalanschauung der Periode, und dann diese nach jenen bestimmt, sich im Kreise bewegen? Wird diese Methode Gewißheit zu geben im Stande sein, und nicht in die größten Fehler und Willkürlichkeiten sich verwickeln? Dies alles wird freilich stattfinden, wenn man die streitige Periode, oder die einzelnen ihr angehörigen Quellen isolirt behandelt; allein wenn man eine feste Anschauung der Zeiträume und historischen Gestalten hat, welche der dunkeln Periode vorausgehen und folgen, so ist ein Grundfehler in der Totalanschauung der dazwischen liegenden Entwickelung nicht leicht zu begehen. Uebrigens aber kann bei den sich ergänzenden Untersuchungen des Ganzen und des Einzelnen immer nur eine der Wahrheit sich annähernde Gewißheit erstrebt werden. Die vollkommene Erfassung des Gegenstandes, welche die Zustimmung zu ihren Resultaten erzwingt, liegt nie in der Macht einer bewußten Absicht, und kann durch eine bestimmte Methode der Forschung doch nicht hervorgebracht werden.

Bei der Verfolgung der Aufgabe ist es aber nöthig, ein neuerdings manchmal angewandtes Mittel unbenußt zu lassen. Es ist freilich ein ganz richtiger Gedanke, daß die Kritik des neuen Testamentes, wenn sie die Echtheit einer kanonischen Schrift zu leugnen Ursache findet, nicht nur bei dem negativen Urtheile ste=

1) Dafür aber, daß sie es nicht ist, erlaube ich mir diè treffenden Worte W. v. Humboldts in der Charakteristik Schillers vor dem Briefwechsel zwischen S. und H. (Stuttg. 1830) S. 57 anzuführen: „Einé Thatsache läßt sich ebenso wenig zu einer Geschichte, wie die Gesichtszüge eines Menschen zu einem Bildniß blos abschreiben. Wie in dem organischen Bau und dem Seelenausdruck der Gestalt giebt es in dem Zusammenhange selbst einer einfachen Begebenheit eine lebendige Einheit, und nur von diesem Mittelpunkt aus läßt sie sich auffassen und darstellen. Auch tritt, man möge es wollen, oder nicht, unvermeidlich zwischen die Ereignisse und die Darstellung die Auffassung des Geschichtschreibers; und der wahre Zusammenhang wird am sichersten von demjenigen erkannt, der seinen Blick an philosophischer und poetischer Nothwendigkeit geübt hat. Denn auch hier steht die Wirklichkeit mit dem Geiste in geheimnißvollem Bunde."

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