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wie diese als bewußter Gegensaß gegen Paulus aufgefaßt wer den. Nur indem man auf diese Voraussetzung verzichtet, wird man alle die Verwickelungen abschneiden können, welche daraus für das Verständniß der christlichen Urgeschichte hervorgegangen sind 1).

Der Glaube an Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, gilt dem Jakobus als Bezeichnung des allgemeinen religiösen Zustandes, in welchem er und seine Leser begriffen sind (2, 1.5); und es bedarf wohl nur einer beiläufigen Hinweisung darauf, daß der Bruder Jesu jenes Prädikat des erhöhten Meisters nur ebenso wie Paulus im Sinne der vollen Gottheit meint (Phil. 2,9-11; Róm. 9, 5). Aber Jakobus giebt in dem Briefe keine nåhere Auskunft über die Beziehung des Glaubens auf diesen seinen Gegenstand. Dagegen sondern sich seine Aussagen über den Glauben in zwei Gruppen, welche der Doppelseitigkeit der göttlichen Gnade entsprechen. Sofern Gott als Geber aller guten und vollkommenen Gaben aufgefaßt wird, ist der Glaube das zweifellose Vertrauen auf Gott, welches sich namentlich im Gebete äußert (1, 5-8; 5, 15). Sofern die Gnade sich speciell in der Mittheilung des vollkommenen Gesezes durch Christus erwiesen hat, ist der Glaube der Glaubensgehorsam, der seinen konkreten Inhalt an den auf das Gesetz bezogenen Werken hat. In diesem Sinne meint es Jakobus, daß der Glaube ohne die Werke todt sei, wie der Leib ohne die Seele todt ist (3, 26). Diese beiden Bedeutungen fallen übrigens nicht aus einander. Denn die Weisheit, um welche Jakobus in zweifellosem Vertrauen beten lehrt (1, 5. 6), weil sie von oben kommen muß, und weil der Mensch sie nicht selbst sich geben kann (3, 15. 17), ist eben die Fertigkeit des Glaubensgehorsams, oder die Durchdringung des Willens mit dem Geseze. Also der Glaube geht nicht auf in der Reihe der einzelnen empirischen Werke, als wenn dieselben reines Eigenthum des Menschen wären; sondern der Glaube, der die Werke umfaßt, verbürgt es, daß die Fertig

1) Vgl. Weiß, Paulus und Jakobus. In Schneiders Deutscher Zeitschrift c. 1854. Nr. 51. 52.

Ritschl, Altkath. Kirche. 2. Aufl.

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keit zur Erfüllung des Geseßes die wahre von Gott gegebene Weisheit ist. Andererseits ist aber der Glaube ohne Werke todt und nichtig (2, 17. 20), nicht nur, weil der Glaube in den Werken erscheint (2, 18), sondern weil die dem Gesetze entsprechenden Werke der subjektive Stoff des Glaubens sind.

Dem Saße, daß der Glaube ohne Werke nichtig ist, würde Paulus zustimmen, nicht dagegen dem, daß sich die Werke zum Glauben verhalten wie die Seele zum Leibe. Denn Paulus beschränkt den Begriff der Gnade, auf welche sich der Glaube bezieht, auf die Verheißung und ihre Erfüllung in Christi Tod und Auferstehung, und denkt die Werke als Folge des in jenem Inhalte vollendeten Glaubens. Ungeachtet dieses begrifflichen Unterschiedes läßt aber auch Paulus die Werke aus dem im Glåubigen innerlich geseßten Geseße der Liebe hervorgehen.

Die Polemik des Jakobus kann nun nicht gegen die Lehre des Paulus oder gegen ein Mißverständniß derselben ges richtet sein. Die Leser des Briefes, jüdische Christen, welche noch im Synagogalverbande stehen (2, 1–7), lassen nicht auf. Einwirkung des Paulus schließen. Und der Gebrauch, welchen Jakobus von dem den Abraham betreffenden alttestamentlichen Hauptargumente des Paulus für seine Lehre macht (2, 21—24), ist so unbefangen, daß Jakobus eine andere, geschweige die entgegengesette Erklärung des Paulus unmöglich vorausgesezt haben kann. Es ist auch ganz verkehrt, wenn man den von Jakobus bekämpften werklosen Glauben in irgend einer bestimmten Parteibildung meint suchen zu müssen. Vielmehr ist das lieblose Verhalten gegen die Armen (2, 15. 16), an welchem Jakobus den werklosen Glauben anschaulich macht, eine Erscheinung un ter den Christen, die ebenso leicht zu verstehen ist, wie das von Christus gerugte werklose Bekennen (Matth. 7, 21-23). Die Belehrung nun, welche Jakobus jenen werklos Glaubenden ertheilt (2, 19-24), führt freilich noch zu einer Formel, welche von der bisher besprochenen Ansicht abweicht, nämlich, daß der Glaube zu den Werken mithilft, und daß der Glaube durch die Werte vollendet wird (2, 22). Diese Formel empfängt aber ihr Verständniß aus der Art, in welcher Jakobus die Belehrung

anlegt. Er führt den von ihm zu bekämpfenden Glauben in dem Bekenntniß der Einheit Gottes ein (2, 19). Anstatt nun diesen auch den Dämonen möglichen Glauben als völlig falschen abzuweisen, weil ihm ja das sittliche und eigentlich religiöse Element des Vertrauens mangelt, läßt er ihn, der Verständigung wegen, als unvollkommene Form, als Anfang des Glaubens gelten, und beweist nun an Abraham, daß dessen Glaube nur mit Einschluß des an Isaak bewiesenen Gehorsams die Rechtfertigung erworben habe. Aber die getrennte Beurtheilung von Glauben und Werken, in welcher der Glaube als Unterstüßung der Werke, oder als Anfang erscheint, der seine Vollendung durch die Werke erfährt, ist eben gar nicht die dem Jakobus natürliche Betrachtungsweise, sondern er ist nur wegen des Gegners auf sie eingegangen. Die bloße Addition von Glaube und Werke, welche er in der polemischen Situation ausspricht (2, 24), ist weit uns ter seinem eigentlichen Sinne, der vielmehr auf eine organische Identität gerichtet ist, wenn auch dieselbe noch nicht den Ausdruck ihrer klaren Gliederung erreicht hat. Indem das katholische Dogma hauptsächlich auf jene Formel sich stüßt, kann es sich nicht schmeicheln, dem vollen Sinne des Jakobus zu entsprechen.

Der Brief des Jakobus ist kein Dokument des Judenchristenthums; da er das vollkommene Geseß der Freiheit im Gegensaß zu dem mosaischen Geseze meint. Er ist hierin den Reden Christi treu; aber er hat doch nicht die Ges dankenreihe, in welcher Christus die Vervollkommnung des Geseßes mit der Verkündigung des Gottesreiches verband, einfach reproducirt, sondern er schließt das Glauben weckende und beseligende Wort Christi und sein vollkommenes Gesetz in Einem Ges danken zusammen. Hierin liegt das alttestamentliche Ges präge des Briefs, dessen Grund wir oben erklärt haben. Wir sprechen nicht von einem judaistischen Gepråge des Briefs. Denn der Sprachgebrauch, welcher das Epigonenthum seit Esra als Judaismus von der klassischen Zeit der alttestamentlichen Religion unterscheidet, ist durchaus berechtigt. Der Jakobusbrief berührt sich aber nicht, wie z. B. die Ansicht Cyprians, mit Mustern jener spätern Epoche. Auch müßte jenes Urtheil

so verstanden werden, als wenn der christliche Charakter der Anschauung des Jakobus nicht normal wåre. Wir finden aber, daß die Anlehnung des Jakobus an die didaktische Poesie des A. T. die Reinheit und die individuelle Originalität seiner christlichen Ansicht nicht beeinträchtigt hat; deßhalb weil innerhalb des A. T. Nichts der,,christlichen Freiheit“ näher steht, als die Schäßung des Gesetzes in jenen Psalmen. Einer christlichen Partei hat jedoch Jakobus mit seiner Idee vom Geseze und Glauben nicht die Losung gegeben, weil dieselbe hinter der dialektischen Klarheit zurückbleibt, welche zur dogmatischen Parteibildung nöthig ist. Das katholische Dogma ist von anderem Ausgangspunkte auf die Formel von dem Glauben und den Werken zurückgekommen, welche Jakobus als polemisches Mittel zwar ausspricht, welche aber weit entfernt ist, seine ganze Meinung auszudrücken.

Der erste Brief des Petrus hat in der leßten Zeitdie Ungunst mancher Kritiker erfahren, welche mit der Vorausseßung, daß ein Apostel in eigenthümlicher Weise dogmatisch produktiv sein müsse, an ihn herantraten 1), diese Erwartung nicht befriedigt fanden, und demnach an der Echtheit des Briefes zweifeln zu müssen glaubten. Dieser Maaßstab ist aber so wenig historisch-kritisch, als er ein unwillkürlicher Rest der alten Ansprüche der Orthodorie an die Schrift ist, daß sie zunächst oder ausschließlich dem Bedürfnisse dogmatischer Erkenntniß diene. Die Zeugnisse der evangelischen Geschichte über den Charakter des Petrus lassen gar nicht erwarten, daß er sich in der Lehrbildung ausgezeichnet haben werde. Nichts desto weniger beruht es auf unzureichender Beobachtung, wenn man die Lehrart des ersten Briefes des Petrus paulinisch gefunden hat. Vielmehr trägt derselbe gerade in den Punkten, die wir zu beachten haben, das Gepräge durchaus eigenthümlicher, individueller Auffassung, welche direkt weder im apostolischen noch im nachapostolischen. Zeitalter wieder vorkommt. Die vielfachen Berührungen mit dem Gedankenkreise des Paulus dagegen sind entweder nur scheinbar, oder beziehen sich auf allgemein christliche Ideen. Da ends

1) De Wette, Einleitung ins N. T. 5. Aufl. S. 350. Schwegler Nachapostol. Zeitalter 2. Th. S. 6.

lich der Brief das Zeugniß des ganzen christlichen Alterthums vom zweiten Briefe Petri abwärts für sich hat, und die inneren Gründe, mit denen seine Authentie verdächtigt worden ist, nicht stichhaltig sind, so wäre es sehr unkritisch, wenn man denselben nicht als echtes Dokument der christlichen Ansicht des Petrus gebrauchen wollte. Und an dem richtig erwogenen Standpunkte des Briefes hat man die sicherste Gewähr seiner apostolischen Ursprünglichkeit 1).

Ungeachtet des parånetischen Zweckes, welchen Petrus in dem Briefe, ebenso wie Jakobus in dem seinigen verfolgt, giebt Petrus viel mehr als dieser Andeutungen über die Bedeutung der Person und der Schicksale Jesu. Christus, der durch seine vorweltliche Prädestination (1, 20) und durch den Besitz des heiligen Geistes (3, 18) ausgezeichnet ist, dessen Werk schon durch seinen Geist in den Propheten vorherverkündigt worden ist (1, 1012), hat durch seinen Tod, den er als Gerechter für die Ungerechten lift (3, 18), die Menschen aus der Macht der Sünde losgekauft (1, 17. 18), um sie Gott zuzuführen (3, 18), oder, nach einem andern Bilde, deren auf sich genommene Sünden in seinem Lode vernichtet (2, 24). Durch seine Auferstehung (1, 3), und durch deren von den Aposteln vermittelte Kunde (1, 23-25) hat Gott seiner Barmherzigkeit gemäß die Christen wiedergeboren zu der Hoffnung auf das im Himmel bereit gehaltene Heil, oder das Erbe (1, 3. 4. 9. 10; 2, 2), welches Christus in seiner bevorstehenden Offenbarung vom Himmel herabbringen wird (1,5. 13). In dieser Hoffnung, deren gegenwärtige Gewißheit (1, 5. 7-9. 21) in dem als Gehorsam gegen Christus aufgefaßten Glauben (1, 2. 14. 22) dargestellt ist, sind die Christen neue Geschöpfe (1,3.23; 2, 2), sind sie in die priesterliche Stellung zu Gott, welche dem Volke des A. T. verheißen war, eingetreten, (2, 5. 9), sind sie innerlich durch den unvergånglichen Geist Gottes beseelt (3, 4; 4, 14). Andererseits stehen sie unter der Erwartung des Gerichtes über das Werk eines Jeden (1, 17. vgl. 4, 5. 15-17) und deßhalb in der Furcht vor Gott (1, 17; 2, 17; 3, 2. 15). Im Verhältniß zum Gericht

1) Vgl. überhaupt Weiß, Der petrinische Lehrbegriff. Berlin 1855.

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