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Die Humanisten des 16 Jahrhunderts, welche Hymnen machten, wie Erasmus, Muretus u. a. verfielen in den Fehler, dass sie durch die Ausdrücke auch klassische Vorstellungen mit den christlichen vermengten, wenn sie dieselben gleichwohl christlich verstanden, und dieser üble Einfluss der Classicität zeigt sich auch noch in den französischen Hymnendichtern des 17 und 18 Jahrhunderts, wie bei den Brüdern Santeul, bei Le Tourneux, Habert, Du Plessis de Geste, Le Brun Desmaretes, Coffin u. a. Solche Lieder haben, wie die klassisch verbesserten alten Hymnen, eine bunte Mischung, welche der christlichen Bildung nicht angemessen ist, weil sie dieselbe interpolirt.

Auch der Nachweis ist nöthig, dass die Lieder gesungen wurden und nicht zur allgemeinen Klasse der geistlichen Gedichte gehören. Bleibt man streng bei dem Begriffe des Kirchenliedes stehen, so wird der Umfang der Hymnologie zu sehr beschränkt, denn man darf hiernach nur Lieder aus den Ritualbüchern aufnehmen, also nur solche, die im öffentlichen Gottesdienste gewönlich gebraucht wurden. Die Geschichte der Hymnologie fordert aber auch, dass man dazu die Lieder sammle, die bei Privatandachten gesungen wurden. Die Bestimmung zum Gesange erkennt man unzweifelhaft daran, wenn das Lied in der Handschrift mit Singnoten versehen ist, darum wurde bei jedem angegeben, ob in den Handschriften die Melodie beigeschrieben steht oder nicht, weil diese Nachweisung auch für die Erforschung der alten Kirchenmusik nützlich ist. Da nämlich die Hymnen bis zu Anfang des 13 Jahrhunderts mit Neumen oder Accentnoten versehen sind, die späteren Handschriften aber Choralnoten haben, so lassen sich die bisherigen Versuche, die Neumen auf unser Notensystem zurückzuführen, am sichersten dadurch prüfen, dass man die Melodien derselben Hymnen nach alten und neuen Handschriften vergleicht, wodurch man die Geltung der Neumen in unserm Notensystem vielleicht finden kann, weil wir die Choralnoten noch kennen, die das Zwischenglied der Neumen und der heutigen Noten sind. Eine solche Vergleichung hat vor kurzem Lambilotte angestellt, es eignen sich dafür vorzüglich die Notkerischen Sequenzen, weil jede Sylbe darin nur einen Ton hat und von . dieser Regel in den Handschriften selten und nur in so weit abgewichen wird, dass auf eine Sylbe hie und da zwei kurze mit einander verbundene Töne kommen. Bei Antiphonen, Responsorien

und Hymnen aber, die eine Melodie mit Fugen haben, ist die Vergleichung unsicher, weil die Fugen mehr Abwechslung zulassen als die Grundtöne der Melodie. Wo in den Handschriften die Melodie fehlt, ist die Bezeichnung hymnus oder sequentia ein Beweis für den Gesang solcher Lieder. Ein Strophenmass war zum Gesang nicht durchaus nöthig, denn die Geschichte der Hymnologie beweist, dass auch strophenlose Gedichte, wie Hexameter und Hendecasyllaben gesungen wurden.

Es liegt nämlich in der Eigenthümlichkeit des Chorals, dass er auch freiere Verse, wie z. B. Distichen, in seinen Gesang aufnehmen kann. Daraus zeigt sich, dass viel mehr lateinische geistliche Lieder im Mittelalter gesungen wurden, als man aus den Ritualbüchern abnehmen kann, und dass demnach die Hymnologie einen grösseren Umfang und Einfluss hatte, als man gewönlich annimmt. Da man keinen allgemeinen Namen für die kirchlichen und geistlichen Lieder hat, so wählte ich auf dem Titel die Benennung Hymnen, weil sie am deutlichsten diese Lieder bezeichnet. Es soll damit der Unterschied zwischen den Hymnen und andern christlichen Liedern nicht verwischt werden.

Dass man die Texte der Lieder, die man in eine Sammlung aufnimmt, vollständig mittheilen soll, wird wohl jeder zugeben. Bei einer collectio amplissima, wie sie Daniel liefern wollte, scheint es kaum durch Ersparung des Raums zu entschuldigen, dass er von vielen Liedern nur die Anfänge gab. Wenn es auch Niemand bestreitet, dass nicht alle lateinischen Kirchenlieder in Form und Inhalt vollkommen sind, sondern auch manche einen geringen Werth haben, so darf man diese doch nicht ganz übergehen, weil sie zur geschichtlichen Entwicklung der Hymnologie gehören. Die Hymnendichtung umfasst bis zu Ende des Mittelalters einen Zeitraum von elfhundert Jahren, in welchem sie mancherlei Veränderungen erfuhr, auf alle diese Entwicklungen muss die Geschichte der Hymnologie Rücksicht nehmen und eine allgemeine Hymnensammlung darf die Beispiele gesunkener Dichtung nicht ausschliessen. Bei einer Auswahl hängt dagegen Manches von subjectiven Ansichten ab, was der Sache nachtheilig werden kann. Ich gieng noch weiter und nahm sogar die Gesänge einiger Chorofficien ganz auf, weil sie durchaus in Versen geschrieben sind. Wie es nämlich zu Anfang des Mittelalters Messofficien gab, deren unständige Gebete in Versen waren, so trifft man auch im späteren Mittelalter ganz versificirte

Chorgesänge an, und es ist nützlich, einige Beispiele derselben mitzutheilen, damit man daraus ersehen könne, wie die kirchliche Dichtkunst den ganzen Gottesdienst durchdrungen hat. Auch sind solche Gesänge zur Vergleichung mit dem griechischen Choral der Tagzeiten nicht ohne Interesse.

Es gibt auch unvollständige Texte von Hymnen durch ihre Entlehnung und Anspielung aufeinander und durch Auszüge aus grösseren Gedichten, die man stellenweise zum Gesang bestimmte. In beiden Fällen genügt eine Verweisung auf die vollständigen Texte. Ich habe daher die Verse, die aus andern Liedern entlehnt sind, cursiv drucken lassen, und nachgewiesen, wohin sie gehören. Man erkennt daran nicht nur die Verbreitung, sondern zuweilen auch das relative Alter der Lieder und die Anwendung, die man von ihnen gemacht hat. Die Nachweise der grösseren Gedichte, aus welchen man Stellen zum Gesang auswählte, habe ich ausführlicher behandelt, wenn die Abweichung der Handschriften von den Ausgaben so bedeutend war, dass durch jene Ausführlichkeit für den Text der grösseren Gedichte etwas gewonnen wurde.

Alle Völker des Abendlandes haben zur lateinischen Hymnologie beigetragen, könnte man daher die Verfasser aller Lieder angeben, so würde sich dadurch der Antheil jedes Volkes am Kirchengesang herausstellen, wie auch die Zeit und Umstände, die dazu mitgewirkt haben. Man kennt aber nur von wenigen Liedern die Verfasser, von andern sind sie mit Wahrscheinlichkeit zu vermuthen, wenn die Eigenthümlichkeit der Lieder auf einen bestimmten Verfasser hinweist, wie es bei den Hymnen des h. Ambrosius der Fall ist. Andere Dichter werden in den Handschriften genannt, welche Angaben jedoch manchmal der Berichtigung bedürfen. Wo die Namen fehlen, lässt sich aus der Beschaffenheit der Lieder zuweilen das Volk angeben, bei welchem sie entstanden sind. Die nationale Eigenthümlichkeit der Kirchenlieder würde sich deutlich zeigen, wenn man Hymnensammlungen aus den Handschriften jedes abendländischen Volkes hätte, besonders Lieder auf Heilige, die bei einem Volke ausschliesslich oder vorzüglich verehrt wurden. Die nationale Behandlungsart des Kirchenliedes gibt Aufschluss über die Heimat und Verbreitung mancher Liederformen, die man nicht richtig beurtheilen kann, wenn man ihre Herkunft nicht kennt. In den Anmerkungen wurde wohl auf diese Gegenstände Rücksicht genommen, aber diese Sammlung

ist zu klein, um die Merkmale der nationalen Dichtungsart erschöpfend anzugeben, ich musste mich begnügen, darauf hinzuweisen und der Sache eine Aufmerksamkeit zuzuwenden, die sie bisher nicht gefunden.

Die christliche Hymnologie des Mittelalters hat eine grosse Literatur, denn sie reicht von Armenien bis Portugal und begreift einen langen Zeitraum. Bei diesem Umfang darf man schon zufrieden seyn, wenn selbst für die abendländische Hälfte nur ein Theil dieser Literatur aus handschriftlichen Quellen hier bearbeitet ist. Eine längere und ausgedehntere Sammlung würde allerdings reichere Ausbeute liefern, aber auch die Herausgabe schwieriger machen, wie mich die Erfahrung gelehrt hat. Wollte man aber keinen Hymnus herausgeben, bis man für jeden viele Handschriften gesammelt hätte, so blieben die seltensten Lieder ungedruckt, was um so unstatthafter wäre, als selbst grössere Werke oft mit sehr wenigen handschriftlichen Mitteln herauskommen. Darum ist auch hier Genügsamkeit am Orte und der Text einer einzigen Handschrift nicht zu verschmähen, denn er kann allein bleiben, oder für Bruchstücke, die sich davon anderstwo finden, massgebend werden.

Aus den dargelegten Gründen weicht die Behandlung der Hymnen in dieser Sammlung von der bisherigen Weise ab, weil ich überzeugt bin, dass dadurch die Kenntniss der Hymnologie gefördert werde. Andeutungen über jene Behandlungsart gab ich in meinem Anzeiger von 1835, sammelte auch einige Heiligenlieder zur besondern Ausgabe, da sie nicht wohl mit einem andern geschichtlichen Werke zu verbinden waren, hätte aber eine grössere Sammlung nicht unternommen, wäre seitdem eine andere nach obigen Erfordernissen gemacht worden. Jene Grundsätze der Behandlung sind nicht vorgefasste Meinungen, sondern die Resultate langer Arbeit, denn während derselben lernt man die wissenschaftlichen Bedürfnisse am besten kennen, und das Quellenstudium führt zu manchen Nachweisungen und Aufschlüssen, die man in den Handbüchern nicht findet. Aber dieses Werk ist doch nur ein unvollkommener Versuch, die Grösse und Tiefe des lateinischen Kirchenliedes darzustellen, zur Weiterforschung und Sammlung anzuregen und diesen Stimmen der christlichen Vorzeit ein geneigtes Gehör zu verschaffen. Denn ihre Fortwirkung ist wünschenswerth, damit die Nachwelt mit ihren Vorfahren in christlicher Gemeinschaft bleibe.

Es gilt auch vom Kirchengesang, was schon der h. Ignatius vom Christenthum überhaupt sagt: es ist kein Werk des Schweigens sondern der Grösse.*) Durch den Kirchengesang ist wahrlich das Gebot der Psalmen (116, 1) erfüllt worden: „lobet den Herrn alle Heiden, lobet ihn alle Völker," denn der Hymnengesang ist die welthistorische Ergänzung der Psalmodie, und hängt daher mit dieser wesentlich zusammen. Und wenn man den römischen Theil desselben besonders behandelt, so ist es auch kein geringer Gegenstand, denn Ignatius redet von der Grösse des Christenthums zu den Römern, deren weltberühmten Glauben schon der Apostel Paulus hervorhebt (Rom. 1, 8).

Die Einrichtung der Ausgabe ist diese. Nach jedem Liede folgt zuerst die Anzeige der Handschriften und ihres Alters, dann die Vergleichung derselben und der gedruckten Hülfsmittel, und hierauf die Erklärung durch Parallelstellen und andere Nachweisungen. Wo ich Handschriften im Privatbesitz ohne Namen angebe, weiss ich deren jetzige Eigenthümer nicht, wollte aber deshalb solche Quellen nicht übergehen, da ich sie benutzt habe. Von den Ausgaben sind gewönlich nur die alten ihres handschriftlichen Werthes wegen angeführt, und die neuen, welche auf Handschriften beruhen. Die Menäen sind einigemal nach den Blattzahlen der Monate citirt, gewönlich aber nur nach Monaten und Tagen, weil die alten Ausgaben die ich brauchte, nicht paginirt sind. Es heisst also z. B. Jul. 30. die Menäen zum 30 Juli. Die alte Ausgabe des Triodiums ist nach der Bogenzahl angeführt, weil sie keine andere Paginirung hat. Die Ueberschriften der Lieder in den Handschriften sind im Abdruck beibehalten, wo keine waren, musste ich sie hinzusetzen. Die Eintheilung der Hymnen nach dem Kirchenjahre gehört in die Ritualbücher, für dieses Werk war die Anordnung nach den Gegenständen vorzuziehen, weil sie leichter zu überschauen ist und deutlicher den Umfang jeder Abtheilung darstellt. Die chronologische Eintheilung, die einige Herausgeber befolgten, enthält viel Irrthümer, und erschwert schon dadurch die Uebersicht der Zeitfolge, während sie noch ausserdem durch ihre Lücken zu unrichtigen Ansichten führt.

*) S. Ignatii ep. ad Rom. 3. οὐ σιωπῆς τὸ ἔργον, ἀλλὰ μεγέθους ἐστὶν ὁ χριστιανισμός.

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