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FREIHERRN JOS. VON LASSBERG

ZU MERSBURG AM BODENSEE.

und schwerfällige doch nicht ganz unterdrückte natürlichkeit zugestanden werden; als im sechzehnten jahrhundert tiefere bekanntschaft mit den classikern anfieng und der geschmack sich reinigte, wurden die edelsten kräfte in erleichterter und gehobner nachahmung der lateinischen poesie vergeudet. damals schüttelten alle gelehrten aus ihrem ermel fliefsende hexameter, welchen nichts abgieng als nationalität und die feinheit des nachbildens, dessen anforderungen durch fortgesetzte betrachtung der classischen werke beständig gesteigert werden. solche verse vermochten nie das volk zu erquicken, nur der bildung jener zeit genug zu thun, während sich die fort oder zurückschreitende der folgenden bald wieder von ihnen abwandte. Was hätte nicht die poetische eingebung eines Eobanus Hessus, Petrus Lotichius, Nicodemus Frischlin und vieler anderer auferbauen mögen, wenn sie der muttersprache zu statten gekommen wäre. diese dichter zogen das scheinleben einer vollendeteren, unnachahmlichen form dem wahren vor, das sich auf verwildertem aber fruchtbarem boden des vaterlandes selbständig und schöpferisch erzeugt hätte. Seit, nach überlangem ringen, unsere sprache sich wieder los machte, ist die hervorbringung lateinischer gedichte billig in enge schranken gewichen, und mehr ein probstück erworbner gelehrsamkeit, oder spielende lust an dem sträuben und nachgeben einer fremden zunge als freier trieb wirksamer poesie: sie tragen nicht aus was sie erstreben und laufen gefahr aufs schnellste vergessen zu werden.

Mit den einflüssen der lateinischen sprache kreuzen und begegnen sich durch das ganze mittelalter die geschicke der einheimischen. das steigende bedürfnis verfeinerter ausdrucksweise war halb geneigt und halb gedrungen sich des fremden mittels zu bedienen. Poesie

gibt die grundlage her zu dem gedeihen aller literatur, vermag sie aber nicht allein und ohne hinzutretende geistige kraft der prosa aufzubringen. Nachdem das christenthum die noch aus heidnischer wurzel entsprossene dichtung des achten und neunten jahrhunderts *) verabsäumt oder ausgerottet hatte, muste die deutsche poesie eine zeitlang still stehn, einer pflanze nicht ungleich, der das herz ausgebrochen ist, und erst im zwölften und dreizehnten begann ihr stiel auszuschlagen diesem fröhlichen wachsthum war dennoch abzuwelken beschieden, weil ihm keine schützende prosa zur seite trat. Als im sechzehnten jahrhundert die deutsche prosa sich ermannte, fehlte die macht der poesie, und der neuversuchten unvollbürtigen poesie des siebzehnten war die prosa abgestorben. Endlich im achtzehnten gelang die vereinigung beider, und fortan konnte nichts mehr die blüte und frucht unsrer literatur aufhalten.

Den samen lateinischer dichtkunst trugen Italiener nach Gallien und Britannien, erst von da wurde er Deutschland zugeführt. Dracontius, Sidonius Apollinaris, Venantius Fortunatus, in etwas weiterem abstand Aldhelm und Beda reihen sich an die letzten zöglinge der aussterbenden römischen poesie, namentlich an Au

*) die alliteration ist, über Sachsen hinaus, für Hochdeutschland erwiesen, und wer an der menge althochdeutscher, vorotfriedischer gedichte zweifeln will, sehe das von Reginbert im j. 821 aufgestellte verzeichnis der bücher zu Sindleozesouwa (später Reichenau), worunter: 'in vigesimo primo libello continentur XII carmina theodiscae linguae (theodisca lingua) formata ... in vigesimo secundo libello habentur . . . carmina diversa ad docendam theodiscam linguam, Neugart episcop. constant. p. 536. 547. 550. in ihrer mufse schrieben die mönche nach mündlicher überlieferung deutsche lieder auf, gewis aus mehr als einer absicht, viel

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