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3. Die überlieferung und kritische behandlung der gedichte Walthers.

Die lieder Walthers 1) sind wie die der übrigen minnesinger in der regel zuerst einzeln oder in kleinen gruppen von gleicher strophenform und melodie 2) verbreitet, einerseits durch mündliche überlieferung, anderseits durch aufzeichnung auf einzelne blätter, die neben dem text auch die melodie zu enthalten pflegten. Es haben sich dann sammler gefunden, welche eine anzahl von liedern teils des gleichen, teils verschiedener verfasser in ein liederbuch vereinigten. Aus diesen liederbüchern endlich sind gegen ende des dreizehnten und im vierzehnten jahrhundert grössere sammlungen entstanden. Von diesen sind uns mehrere erhalten, während die einzelaufzeichnungen und die kleineren liederbücher verloren gegangen sind, und sind nun die hauptquellen für unsere kenntniss Walthers wie der übrigen minnesinger. Die drei wichtigsten sind die Heidelberger handschrift n. 357 (A nach Lachmanns bezeichnung), die Weingartener, jetzt Stuttgarter (B), die Pariser, früher fälschlich als die Manessische bezeichent, die umfänglichste unter allen (C). In geringerem masse kommt in betracht die Weimarer handschrift (F) und in noch geringerem die Heidelberger n. 350 (D). Eine sehr reichhaltige zusammenstellung Waltherscher lieder enthält ferner eine grosse sammelhandschrift, die sich nicht bloss auf lieder beschränkt, nämlich die schon oben erwähnte Würzburger (jetzt Münchener) hs. des Michael Leone (E). Ausserdem sind eine anzahl lieder hie und da zerstreut überliefert. Ich verweise dafür auf das vollständige verzeichniss in Lachmanns ausgabe.

Bei solcher art der überlieferung musste die reinheit und vollständigkeit des textes erheblich leiden. Dass wir manchen verlust zu beklagen haben, macht

217.

1) Vgl. zum folgenden Wilmanns Zschr. f. deutsches altertum XIII, 2) Die mittelhochdeutsche bezeichnung dafür ist đôn oder wise.

schon der umstand wahrscheinlich, dass unter den wenigen auf uns gekommenen citierungen Waltherscher gedichte eine ein verlorenes lied trifft (Parz. 297,24, vgl. oben s. 10). Unter den überlieferten liedern sind mehrere fragmentarisch, vgl. namentlich 53,25. 41. 105. Wenn Walther von manchen diensten spricht, die er dem Meissner erwiesen habe (74,15), so wird man daraus zu schliessen haben, dass er noch andere sprüche in dessen interesse gedichtet hat als 73,1. Ferner aber konnte manches von seinem eigentum auf fremden namen und umgekehrt manches fremde auf den seinigen. übertragen werden. So gibt es eine nicht ganz kleine zahl von strophen, um deren verfasserschaft sich nach den verschiedenen überlieferungen mit dem namen Walthers der eines andern dichters streitet. So der name Reinmars: 102. 103, Hartmanns von Aue: 2, Leutolds von Seven: 25. 28. 41, Ulrichs von Singenberg: 106,51. Weitere fälle der art sind von Lachmann in der einleitung zu seiner ausgabe s. XI angegeben. Andere strophen sind zwar nur unter Walthers namen, aber auch nur in einer einzigen handschrift überliefert, und auch bei diesen fehlt eine ausreichende äussere beglaubigung für ihre echtheit. Trotz anwendung aller hülfsmittel der kritik ist nicht immer eine sichere entscheidung zu treffen, und es bleibt eine beträchtliche masse von strophen, die mit voller bestimmtheit dem dichter weder zu- noch abgesprochen werden können, wenn auch die wahrscheinlichkeit der echtheit oder unechtheit eine mannigfach abgestufte ist. Wie wir uns in dieser hinsicht vielfach bescheiden müssen, sind wir auch nicht im stande den text durchgängig von den mannigfachen verderbungen zu reinigen, denen derselbe im laufe der zeit ausgesetzt gewesen ist, und ihn in seiner ursprünglichen gestalt wider herzustellen. Wo uns nicht wenigstens mehrere von einander unabhängige überlieferungen vorliegen, bewegen wir uns auf einem sehr unsicheren boden. Besondere schwierigkeiten macht es auch die ursprüngliche reihenfolge der strophen herzustellen, indem die handschriften mit

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unter sehr von einander abweichen. 1) Es hängt das damit zusammen, dass der gedankenzusammenhang zwischen den strophen oft nur ein loser ist, so dass auch eine sichere entscheidung über zusammengehörigkeit oder nichtzusammengehörigkeit nicht immer möglich ist.

In der neuzeit ist von einigen früheren flüchtigen erwähnungen abgesehen, Bodmer der erste gewesen, der die gedichte Walthers wider aus der vergessenheit hervorgezogen hat. In seinen 1748 erschienenen Proben der alten schwäbischen poesie wurden auch gedichte Walthers mitgeteilt, und in seiner 1758/9 erschienenen Sammlung von minnesingern der ganze inhalt der Pariser liederhandschrift. Nachdem dann Gleim (1773. 9) und einige mitglieder des hainbundes, später Tieck (1803) sich in der erneuerung mehrerer lieder Walthers versucht hatten und Uhlands schrift über ihn (1822) ein anschauliches bild geliefert hatte, erschien im jahre 1827 die erste kritische ausgabe von K. Lachmann, die grundlage für alle späteren ausgaben und noch immer die einzige, die den vollständigen kritischen apparat bietet. Die zweite ausgabe (1843) hat im text wenige veränderungen erfahren, mehr in den anmerkungen, namentlich zusätze. Die dritte (1853) und vierte (1864), die von Haupt besorgt sind, und die fünfte (1875), die von Müllenhoff besorgt ist, lassen Lachmanns arbeit unangetastet, geben aber einige wertvolle zusätze und berichtigungen. Ausserdem sind bis jetzt folgende ausgaben erschienen: von v. d. Hagen in seinen Minnesingern (Leipzig 1838) I, 222 ff.; von Wackernagel und Rieger (Giessen 1862); von Pfeiffer (Leipzig 1864, sechste auflage, besorgt von Bartsch 1880) mit erläuterndem commentar für weitere kreise; von Wilmanns (Halle 1869) mit commentar für studierende; von Simrock (Bonn 1870) mit einleitenden vorbemerkungen und einigen erläuterungen; von Bartsch (Leipzig 1875), schulausgabe mit wörterbuch. Von

1) Darüber handelt Wilmanns, Zschr. f. d. a. XIII, 229.

auswahlen sind zu nennen Bartsch, Deutsche liederdichter des zwölften bis vierzehnten jahrh., Leipzig 1864, zweite auflage, Stuttgart 1879, nr. XXI; Bechstein, Walthers von der Vogelweide und seiner schüler ausgewählte gedichte, Stuttgart 1879. An Lachmanns ausgabe schliesst sich an das Glossarium zu den gedichten Walthers von der Vogelweide von Hornig, Quedlinburg 1844. Eine vollständige übersetzung hat zuerst Simrock geliefert, Berlin 1833, sechste ausgabe Leipzig 1876. Die erste auflage enthält wertvolle erläuterungen von Wackernagel, die später nicht wider abgedruckt sind. Andere übersetzungen sind die von Koch (1848), Weiske (1852), Pannier (1876); die jüngste von Ad. Schroeter (Jena 1881) bietet manche gedichte, namentlich minnelieder in ansprechenderer gestalt als Simrock, verwischt aber in hohem grade die eigentümlichkeit des originals, auch wo gar keine not dazu vorhanden ist.

Von abhandlungen die sich mit kritik und erklärung der gedichte Walthers beschäftigen, sind noch zu erwähnen Pfeiffer, Germania V, 21; Bartsch ib. VI, 187; Paul, Beiträge z. gesch. d. deutschen spr. II, 550; Fasching, Germania XXII, 429. XXIII, 34 (zu den religiösen dichtungen). Man vgl. auch die recensionen von Bartsch in den Jahrbüchern f. phil. und paed., zweite abteilung, jahrg. 1869, s. 407 und von Hildebrand, ib. 1870, s. 73. Auf anderes wird in den anmerkungen verwiesen.

Eine orientierung über die ganze bereits ziemlich beträchtliche literatur gibt die schrift von Leo, Die gesammte literatur Walthers von der Vogelweide,

Wien 1880.

Es erübrigt noch die grundsätze darzulegen, die bei der anordnung der gedichte in unserer ausgabe befolgt sind. Ich habe wie die handschriften und die bisherigen ausgaben die strophen des gleichen tones

bei einander gelassen. Dadurch ist eine consequente anordnung nach sachlichen gesichtspunkten von selbst ausgeschlossen. Doch ist eine solche soweit angestrebt, als sie nicht durch die ordnung nach tönen und durch die natur der gedichte selbst unmöglich gemacht wird. Ich habe zunächst die ganze masse unter zwei hauptabteilungen gebracht, welche den stoffen nach einigermassen dem früheren gegensatz zwischen ritterlicher und spielmännischer dichtung entsprechen. Die erste umfasst die minnelieder, die naturlieder und diejenigen lieder, die sich mit den verhältnissen der höfischen geselligkeit beschäftigen. Voran stehen die reinen minnelieder, und zwar kommen zuerst diejenigen, die ihrem charakter nach den Reinmarischen am nächsten verwandt sind, dann die auf niedere minne, dann die übrigen auf hohe minne bezüglichen. Es folgen dann diejenigen töne, in denen der minnesang mit reflexionen über die gesellschaftlichen verhältnisse untermischt ist; endlich diejenigen, die gar keine beziehung auf ein minneverhältniss enthalten. Die zweite hauptabteilung umfasst die gedichte, die sich mit moral, religion, politik und persönlichen angelegenheiten des dichters beschäftigen, sämmtliche sprüche im Simrockschen sinne, aber auch eine anzahl lieder und den leich. stehen diejenigen töne voran, in denen sich strophen finden, die mit einiger sicherheit datierbar sind, und zwar in der reihenfolge, wie die vermutlich ältesten datierbaren strophen der einzelnen töne chronologisch auf einander folgen. Ebenso sind dann innerhalb jedes tones die datierbaren strophen vorangestellt, soweit wie möglich in chronologischer folge. Hoffentlich wird man diese weise der anordnung einigermassen rationell finden.

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