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290 Dr. Sarwey: Ueber die rechtliche Natur der Concordate.

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Punctationen, nicht Willens bestimmungen, sondern Ausdruck der Identität der Ansichten sind. Was also auch der Inhalt der Concordate sein mag, ob man diesen tadeln oder billigen mag, das Eine ist zu bedauern, dass die Regierungen den Schein von Verträgen hervorgerufen haben, wo keine Verträge möglich sind.

VIII.

Die kirchlichen Verhältnisse der Reformirten in Preussen, vornehmlich in den östlichen Provinzen des Staats

dargestellt von

Dr. H. F. Jacobson,

ord. Professor der Rechte in Königsberg i. Pr.

Ueber die Entwickelung der kirchlichen Zustände der Reformirten, deren hohe Bedeutung an sich und deren Einfluss auf die Gestaltung der gesammten evangelischen Kirche noch immer von Vielen nicht mit der nöthigen Kenntniss und Unbefangenheit gewürdigt wird, fehlen uns mit Ausnahme derjenigen Länder, in welchen die reformirten Kirchen eine mächtigere und weniger gebundene Stellung einnehmen, wie in den Niederlanden, England, Schottland, Frankreich u. a., die genaueren Nachweisungen. Die seit 1851 erscheinende reformirte Kirchenzeitung theilt dankenswerthe Materialien mit, jedoch im Ganzen mehr aphoristisch, die treffliche Geschichte der Presbyterial- und Synodalverfassung seit der Reformation von G. V. Lechler (Leiden 1854) konnte aber nach dem Plane des Verfassers nicht die Einzelnheiten der in der Diaspora befindlichen reformirten Gemeinden zum Gegenstande einer eingehenderen Erörterung machen. Seit dem Erscheinen dieses Werks ist überdiess die Verfassung der Reformirten, in Folge der neuesten Bestrebungen für die Reorganisation der Kirche überhaupt, weiter fortgebildet und dem Abschlusse einer neuen und festen endgültigen Ordnung näher geführt worden. Ganz besonders gilt diess von den Reformirten im preussischen Staate und hier wieder vornehmlich von denjenigen, welche sich zerstreut in den

Zeitschr. f. Kirchenrecht. III. 3.

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östlichen Provinzen der Monarchie befinden: denn während im Ganzen die Reformirten in Rheinland und Westfalen einen integrirenden Bestandtheil der beiden Provinzialkirchen bilden, welche sich des Besitzes wohl geordneter und im Wesentlichen den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechender Einrichtungen erfreuen, steht für die Reformirten in den übrigen Gebieten erst die weitere Entwickelung in Aussicht, nachdem neuerdings für die Gesammtheit der evangelischen Gemeinden die presbyteriale Grundlage zu Stande gekommen, welche die Reformirten seit ihrer ersten Begründung fortwährend besassen und welche die Vorbedingung zum Ausbau der ganzen Landeskirche bilden.

Die Schicksale der Reformirten in der Rheinprovinz und in Westfalen seit der Reformation sind im dritten Bande des vierten Theils meiner Geschichte der Quellen des preussischen Kirchenrechts so speciell dargestellt, dass es hier einer Wiederholung nicht bedarf. Es soll daher nur so weit auf dieselben Rücksicht genommen werden, als diess die Einsicht in die bestehenden Verhältnisse zu fordern scheint und sich zugleich darnach die Behufs des Zusammenschlusses der Landeskirche zu ergreifenden Maassregeln besser beurtheilen lassen.

I. Geschichte der Entstehung der reformirten Kirche Preussens. Die im preussischen Staate nach seinem jetzigen Umfange vorhandenen reformirten Gemeinden verdanken dem brandenburgischen Fürstenhause zum Theil ihre Entstehung, zum Theil wenigstens einen mächtigen Schutz, welcher ihre Existenz sicher stellte oder förderte.

In den Rheingegenden erfolgte die erste Verbreitung der reformirten Lehre meistens im Zusammenhange mit den Niederlanden und Ostfriesland. Im letzten Drittel des sechszehnten Jahrhunderts war die reformirte Kirche am Niederrhein schon fest gegründet, obschon sie bis zum Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts sich nicht ohne schwere Kämpfe zu behaupten vermochte. Nachdem die Synoden Wesel am 3. November 1568 und zu Emden vom 4. bis 14. October 1571 eine vollständige Presbyterial- und Synodalordnung, im Anschlusse an die in Frankreich aus

zu

gebildete Kirchenverfassung, aufgestellt hatten, wurden von den mit Presbyterien versehenen Gemeinden der niederrheinischen Herzogthümer Classicalconvente (Kreissynoden) gehalten, von Jülich seit 1571, Cleve 1572, Berg 1589, in organischer Verbindung mit den niederländischen Generalsynoden, denen diese Kirchen commembrirt waren. So lange die Herzogthümer unter katholischer Regierung standen, war diese eine gewisse Unterordnung herbeiführende Vereinigung mit der niederländischen Kirche ein dringendes Bedürfniss. Als aber mit dem Herzoge Johann Wilhelm 1609 das jülich - clevesche Haus ein Ende nahm und von Seiten der succedirenden Fürsten Johann Sigismund's von Brandenburg für Cleve-Mark, und Wolfgang Wilhelm's von Pfalz-Neuburg für Jülich-Berg sofort die Religionsfreiheit sichernde Reversalien ertheilt wurden, konnten die Reformirten für sich eine selbstständigere kirchliche Stellung beanspruchen. Bereits am 17. August 1610 entwarfen sie auf einem ausserordentlichen Convent zu Düren den vollständigen Plan zu einer allgemeinen Synode der reformirten Kirchen in Jülich, Cleve, Berg nebst angehörigen Graf- und Herrschaften und hielten die erste Generalsynode selbst am 7-10. September dieses Jahres. Die Schlüsse derselben, durch welche der hergebrachte presbyterial-synodale Organismus befestigt und im Einzelnen weiter durchgeführt wurde, blieben nun bis zu dem späteren Erlasse neuer Kirchenordnungen das bindende Statut der niederrheinischen Kirche. Diese, theils unter der Landeshoheit, theils unter dem Schutze der brandenburgischen Regenten, entfaltete sich jetzt zu immer grösserer Blüthe und vermochte auch bald durch Gewinn neuer Glieder ihren Sprengel zu erweitern. Namentlich geschah diess schon 1611 mit der Grafschaft Mark, in welcher bis zum Eintritt der brandenburgischen Verwaltung die Reformirten nur wenige Gemeinden unter schweren Verfolgungen hatten bilden können, seitdem aber sogleich nicht weiter gehemmt in Conformität mit der jülich-cleveschen Verfassung sich zu einer mächtigen Provinzialkirche entwickelten 1).

1) Jacobson Geschichte der Quellen des evangelischen Kirchen

Viel mehr noch als in der Grafschaft Mark wurde im nordöstlichen Deutschland bei der allgemein herrschenden Missstimmung gegen die Anhänger Zwingli's und Calvin's die Entstehung reformirter Gemeinden erschwert, ja für längere Zeit gänzlich verhindert. Im Herzogthum Preussen) versagte Markgraf Albrecht Flüchtlingen aus den Niederlanden 1531, 1532, 1536 jede Duldung, welche ihnen auch während der Regierung seines Nachfolgers, des blödsinnigen Herzogs Albrecht Friedrich (1568—1618) nicht gewährt wurde. Auf dem Reichstage zu Lublin 1569 bei Gelegenheit der polnischen Belehnung des Herzogs wurde vom Könige Sigismund August der Fortbestand des evangelischen Bekenntnisses, jedoch nur „juxta formulam Augustanae Confessionis et Apologiam ejusdem" zugesichert, mit dem ausdrücklichen Zusatze: „Ut Augustanae Confessionis doctrina incorrupte servata, omnia alia peregrina dogmata et haeresium genera, quae post Aug. Conf. exorta sunt, quaeque ab ea sunt aliena, non modo non ferantur, sed penitus prohibeantur et aboleantur" 3). Diese gegen die Calvinisten gerichtete Bestimmung entsprach vollkommen dem Willen der preussischen Stände, welche den Schluss der Königsberger Synode vom 25. Mai 1567 „dass man bei dem Corpore doctrinae, wie dieselbige aus den prophetischen und apostolischen Schriften in der Augspurgischen Confession, derselben Apologia und Schmalkaldischen Artickeln verfasset, begriffen und in den Schriften Lutheri erkläret ist, unverrückt bleiben sollte" 4) gebilligt hatten und 1577 auch die Einführung der Concordienformel approbirten 5). Deshalb konnte den Reformirten weder die Neigung der Uni

rechts von Rheinland-Westfalen (Theil IV. Band III.) S. 99. fg. 139. fg. 169. fg.

2) Dan. Heinr. Hering historische Nachricht von dem ersten Anfang der evangelisch-reformirten Kirche in Brandenburg u. Preussen. Halle 1778. Jacobson Geschichte der Quellen des evangelischen Kirchenrechts von Preussen und Posen (Theil I. Band II.) S. 64. folg.

3) Das Privilegium zu Lublin vom 19. Juli 1569 in den: Privilegis der Stände des Herzogthums Preussen (Braunsberg 1616. Fol.) S. 90. Dogiel Codex diplom. Poloniae Tom. IV. pag. 345.

Jacobson a. a. O. I, II. S. 45. 46.

) a. a. O. S. 59.

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