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110 Dr. E. Friedberg: Der Missbrauch d. g. Amtsgewalt etc.

Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass gegen protestantische und jüdische Geistliche, d. h. also gegen Diener der staatlich anerkannten Religionsgesellschaften ebenfalls ein appel comme d'abus zulässig ist 203).

Die Articles organiques des cultes protestantes vom 18. germinal des Jahres X. bestimmen in Beziehung auf die Protestanten im Art. 6:

„Le conseil d'état connaîtra de toutes les entreprises des ministres du culte et de toutes dissensions qui pourront s'élever entre ces ministres. . . . 6 204)

Dass nach den Bestimmungen der organischen Artikel (Art. 7.) auch den Geistlichen ein Recurs gegen Staatsbeamte gewährt ist, wenn diese „portent atteinte à l'exercice public du culte et à la liberté que les lois et les règlements garantissent à ses ministres", entspricht völlig der Billigkeit und dem früher geltenden Recht 205).

in's Gedächtniss zurückgerufen und in Anwendung gebracht«, und von der Schule Napoleons III. und seiner Satelliten« spricht, so liegt dem mindestens eine tadelnswerthe Unwissenheit zu Grunde. Der appel comme d'abus ist in Frankreich in continuirlichem Fortgang seit dem 16ten Jahrhundert bis auf unsere Tage angewendet worden, und selbst unter der Regierung des so streng kirchlichen Karl X. finde ich in Dupins Manuel S. 256. allein 23. Fälle angemerkt. Ein Institut aber, welches wie eben der appel comme d'abus, schon seit dreihundert Jahren Anwendung gefunden hat, geräth nicht in dem kleinen Zeitraum von zwölf Jahren (1845-1857.) in Vergessenheit. Dieselbe Unkenntniss offenbart sich auch in der Bemerkung, die auf ein Lob der früheren Zustände abzielt, dass der jetzige Staatsrath als mit Protestanten und Juden vermischt, sich sehr vom alten Parlamente unterscheide, denn wie wir oben gezeigt handelt der Staatsrath mit einer Mässigung, die bei den Parlamenten nie zu finden war.

203) Nach Cormenin a. a. O. 1, 231. ist factisch eine derartige abus-Erklärung noch nicht vorgekommen.

204) Ausserdem aber findet hier auch eine analoge Anwendung der für die Katholiken geltenden Vorschriften statt. Vgl. Bu ob Manuel d'un Code ecclés. (Paris 1855.) S. 14. f.

205) Vgl. Dalloz a. a. O. 14, 801. f. Von Litteratur über den appel comme d'abus sind ausser den benutzten noch folgende mir unzugänglich gewesene Schriften zu bemerken: Le Maistre Traité des appellations comme d'abus in dessen Oeuvres (Paris 1653.). Richer Traité des appels comme d'abus (Paris 1764.).

Miscellen.

I.

Unsere Zeitschrift und das Archiv für katholisches Kirchenrecht.

Dass unsere Zeitschrift gewissen Leuten unbequem ist, wird unsere geehrten Leser nicht eben mit Verwunderung erfüllen. Dieselbe liefert den thatsächlichen Beweis, dass die ultramontanen Bestrebungen, wie sie sich in dem von Herrn Freiherrn v. Moy de Sons und Herrn Dr. Vering (jetzt Professor) herausgegebenen Archiv für katholisches Kirchenrecht und anderwärts breit machen, in staatskirchenrechtlichen Fragen nicht mehr allein das Wort zu führen haben. Wir wissen sehr wohl, dass auch an dem Archiv Männer mitarbeiten, deren bedeutende Verdienste um die Wissenschaft des Kirchenrechts stets auch der Anerkennung Derjenigen sicher sind, welche ihren streng katholischen Standpunkt nicht theilen. Es genügt Namen, wie Schulte, Walter, Hüffer, Phillips zu nennen. Die Achtung, welche wir diesen Mitarbeitern des Archivs zollen, auch wo sie unsere wissenschaftlichen Gegner sind, durfte uns jedoch nicht abhalten, dem Archiv da mit Entschiedenheit entgegenzutreten, wo es sich (überdies zum Theil in anonymen Artikeln) von dem Gebiet der wissenschaftlichen Bekämpfung entgegenstehender Ansichten auf das Feld persönlicher Verdächtigungen oder politischer 1) Anschuldigungen begab.. Unsere

1) Das Archiv wirft uns seinerseits vor, statt der wissenschaftlichen Ziele politische Tendenzen zu verfolgen. Dazu ist Folgendes zu bemerken: Kirchenrechtliche Fragen sind in neuerer Zeit vielfach auch in den Vordergrund des politischen Interesse getreten. Nicht also das kann mit Grund einer kirchenrechtlichen Zeitschrift zum Vorwurf gemacht werden, dass sie Fragen in den Bereich der Erörterung zieht, welche auch in der politischen Presse von verschiedenen Standpuncten aus besprochen werden. Dies Recht müssen wir freilich auch für uns in Anspruch nehmen, so gut wie das Moy'sche Archiv von ihm den ausgedehntesten Gebrauch macht, ohne dass ihm dies zum Vorwurf angerechnet werden dürfte. Heisst das

Abneigung gegen persönliche Polemik bewog uns jedoch, nur äusserst selten den zahlreichen Ausfällen des Archivs eine Entgegnung zu Theil werden zu lassen. Der Umstand jedoch, dass wir (Zeitschrift, Band II. S. 412. fg. u. S. 438. Anm. 1) Gelegenheit nahmen, einige nicht uns sondern der Württembergischen Staatsregierung entgegengeschleuderte Anklagen in ihrer Nichtigkeit darzulegen, hat Herrn v. Moy im Archiv N. F. Bd. III. H. 1. S. 175. fg. zu einem Wuthausbruch Anlass gegeben, der an Kraftausdrücken selbst von der Wiener katholischen Literaturzeitung wohl kaum übertroffen werden kann. Wir werden beschuldigt, unter den Waffen der Wissenschaft, mit denen wir für das Recht des Staates eintreten zu wollen in unserem Programm verhiessen, >>ein System von Verdächtigungen, ein Gespinnst böser Gedanken und schlechter Absichten verstanden zu haben, welche wir ersinnen, um sie dann unsern Gegnern in die Schuhe zu schieben.« »Abgeschmacktheit, Gedankenlosigkeit, um nicht zu sagen Unverschämtheit, Besinnungslosigkeit sind dann einige der freundlichen Wendungen, mit denen wir überhäuft werden, und welche schliesslich in die classische Frage auslaufen: »Armer Herr Dove, was wollen Sie denn? Besinnen Sie sich doch!<<

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Es hiesse unsere Leser beleidigen, wenn wir Herrn v. Moy mit gleicher Münze heimzahlen wollten. Das aber wollen wir denselben zur Erheiterung nicht vorenthalten, dass unserer Zeitschrift schliesslich zum Vorwurf angerechnet wird, »in einer Stadt zu erscheinen, wo ein Gesandter des Königs von Italien residirt. Dieser niederschmetternden Anklage konnten wir allerdings wohl nicht anders begegnen, als wenn wir uns beeilten, Verlag und Druck der Zeitschrift nach Tübingen zu verlegen. Auch das mag als Zeugniss der naiven Anschauungen des Herrn v. Moy angeführt werden, dass in demselben Athem, in welchem er die Beschuldi

etwa den Boden der Wissenschaft entweihen?« Was man aber von einer wissenschaftlichen Zeitschrift verlangen muss, das ist, dass sie bei der Besprechung wissenschaftlicher Fragen bei der Sache bleibe, und nicht der Erörterung derselben ganz fremde, der Tagespolitik entnommene Rücksichten einmische. Wie sich das Archiv in einer Reihe von Aufsätzen zu dieser Forderung verhält, davon können sich unsere Leser selbst überzeugen, wenn sie z. B. den Aufsatz: »Der Österreichische Reichsrath und das Concordat« (Arch. N. F. Bd. II. Hft. 2. S. 234-293.) oder die Referate über die Württembergischen Kammerverhandlungen u. s. f. im Archiv nachlesen wollen. Vgl. auch die in der Zeitschrift Band II, S. 412. ff. aus dem Archiv mitgetheilte Stelle.

gung unverhohlener Sympathien für die polnische Agitation als abgeschmackte Verdächtigung«2) zurückweist, derselbe Herr v. Moy auch für das bisher so maassvolle Verhalten der im Stande der Nothwehr befindlichen jetzigen Russischen Regierung gegenüber dieser -von einem Theil der polnischen Geistlichkeit leider auch mit kirchlichen Mitteln genährten Agitation nur den Ausdruck »tyrannische Gewaltschritte gegen die Kirche findet. Dass wir übrigens die Härte früherer russischer Maassregeln in kirchlichen Dingen, unter welchen auch die katholische Kirche in den ehemals polnischen Provinzen schwer zu leiden gehabt hat, unsererseits nicht gutgeheissen haben, dafür können wir uns auf das Urtheil beziehen, welches wir selbst in dem Artikel »Griechische Kirche« im Deutschen Staatswörterbuch Band IV. S. 420. fg. über das Verfahren des Kaisers Nicolaus gegenüber der römischen Kirche gefällt haben.

Eine Unwahrheit ist es ferner, wenn Herr v. Moy uns beschuldigt, dass wir den Vorwurf revolutionärer Sympathien und Bestrebungen der ganzen katholischen Kirche, ihren Bischöfen und ihren Orden entgegengeschleudert hätten. Wir haben nur von

2) Vgl. damit Archiv N. F. Bd. I. H. 1. S. 145: »Wir wollen hier nur das Motiv hervorheben, welches nach den Wahrnehmungen des Grafen (von Montalembert), so wie nach anderweitigen Kundgebungen die Polen zu ihrem politischen Befreiungskampfe hauptsächlich antreibt, ohne übrigens noch manche Motive anderer Art ausschliessen zu wollen. Dieses hauptsächliche Motiv ist ein religiöses, nämlich die Knechtung und Unterdrückung ihres katholischen Glaubens von Seiten der russischen Regierung, so dass es wie Montalembert meint nur ein Akt der Nothwehr sei, wenn die Polen ihre politische Unabhängigkeit anstrebten, ohne welche ihre heiligsten Güter, ihr Glaube und ihre katholische Sitte vernichtet würden. Dass in diesem Punkt Montalembert nicht falsch gesehen, zeigen folgende Thatsachen< u. s. w. Folgt eine Uebersicht früherer Bedrückungen der katholischen Kirche in Polen und eine aus ultramontanen Blättern zusammengestellte Darstellung der neuesten polnischen Bewegung bis zur Verurtheilung und Begnadigung (!) des Bisthumsverwesers Bialobrzeski. Die Leser mögen hiernach ermessen, ob wir Unrecht hatten, wenn wir das Archiv unverhohlener Sympathien mit der polnischen Agitation beschuldigten, was Freiherr v. Moy jetzt mit so edler Dreistigkeit zurückweist. Wir wären allerdings begierig zu erfahren, mit welchen »tyrannischen Gewaltschritten gegen die Kirche derselbe die Agitation im Grossherzogthum Posen zu rechtfertigen vermöchte, bei welcher doch auch eine nicht unbedeutende Anzahl katholischer Geistlicher compromittirt ist.

Zeitschr. f. Kirchenrecht. III. 1.

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der Richtung des Herrn v. Moy gesprochen, und wissen nichts davon, dass diese Richtung ein Recht hat, Namens der ganzen katholischen Kirche zu reden. Ausserdem haben wir nur davon gesprochen, dass die kirchliche Freiheit zu politischen Zwecken von einzelnen Geistlichen gemissbraucht werde, und die zahlreichen verurtheilenden Erkenntnisse unabhängiger preussischer Gerichte gegen katholische Geistliche polnischer Nationalität im Grossherzogthum Posen stellen wohl ausser Zweifel, dass in der That Ausschreitungen vorgekommen sind, welche selbst von einem, von uns für unzureichend erachteten Strafgesetz erreicht werden konnten. Dass wir ferner die Ausschliessung des Jesuitenordens, besonders in confessionell gemischten Staaten für vereinbar mit der kirchlichen Autonomie, ja für empfehlenswerth halten, stellen wir nicht in Abrede, aber wer möchte diesen Orden mit der katholischen Kirche identificiren? Wegen unserer, an einem andern Ort entwickelten Ansichten über die Principien des Jesuitenordens (vgl. den Artikel »Orden, geistliche« im Deutschen Staatswörterbuch Bd. VII.) können wir allerdings auch die Vertreibung des Ordens aus Sicilien nicht beklagen, und müssen es uns gefallen lassen, wenn uns Herr v. Moy desshalb der Sympathien mit der italienischen Bewegung beschuldigt. Auch sehen wir vom kirchlichen Standpunkt, welchen wir hier allein zu vertreten haben, insofern wenigstens in den in Italien eingetretenen Veränderungen eine heilsame Wendung, als die evangelische Predigt jetzt auch dort eine Stätte findet, wo sie früher durch eine unduldsame Staatsgesetzgebung zum Verbrechen gestempelt wurde. Diese Sympathien hindern uns jedoch nicht, andererseits die Schritte, welche Oesterreich in den letzten Jahren zur Abstellung der gerechten Beschwerden seiner evangelischen Angehörigen und zur Durchführung einer rückhaltslosen Gleichstellung der Confessionen gethan hat, mit aufrichtiger Freude auch um deswillen zu begrüssen, weil dies die Bahn ist, welche Deutschland und Oesterreich zusammenführt. Herrn v. Moy, der wenn Oesterreichische Zeitungen uns nicht falsch berichtet haben für die Glaubenseinheit« Tyrol's eifrig gekämpft hat, mögen freilich auch diese »österreichischen Sympathien unbequem sein.

Wir aber glauben überall für die Gleichberechtigung der Confessionen eintreten zu sollen, und werden das auch da thun, wo man, wie in Mecklenburg, durch die Unterdrückung der katholischen Kirche die protestantischen Confessionen oder eine derselben fördern zu können meint. Wir werden aber auch, unbeirrt durch alle persönlichen Verdächtigungen, fortfahren, in Beziehung auf das

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