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dadurch zu beseitigen, dass sie unter dem Jota und Strichlein bloss den Dekalog verstanden, der allerdings von den Juden würde beobachtet werden, bis Himmel und Erde vergingen. Die vorausgehenden Worte des Herrn: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern es zu erfüllen," erledigten sie theils mit Berufung auf diese fortdauernde Beobachtung des Dekalogs durch die Juden, theils durch einen Zusatz, durch den der Sinn der Stelle geändert wurde. Nach ihrer Behauptung sollte nämlich Christus so gesagt haben: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern um den von seinen ehemaligen Bewohnern, den Engeln, entleerten Himmel wieder zu bevölkern und die Reihen der gefallenen Mächte wieder auszufüllen."

Gemäss solcher prophetisch-allegorischer Deutung fanden die Bogomilen in den biblischen Stellen, welche Sünder, Gottlose, Götzendiener schildern oder strafen, durchweg vorgreifende Beziehungen auf die herrschende Kirche und ihre Anhänger. Jede Stelle dagegen, welche die Auserwählten, die Gerechten und Erben des Gottesreiches erwähnt, bezogen sie ausschliesslich auf ihre Gemeinschaft. Sie seien, rühmten sie, jene Lilien auf dem Felde, deren Pracht Salomo nicht erreicht habe, und diese ihre Pracht bestehe in dem Glanze der Seelenreinheit und dem Wohlgeruche ihrer Tugenden. Wenn es im Evangelium heisst, dass Christus Nazareth verlassen habe und nach Kapharnaum gegangen sei, um dort zu wohnen, so verstanden sie unter Nazareth die katholische Kirche, unter Kapharnaum die der Bogomilen, bei welcher nun Christus, nachdem er jener Kirche den Rücken gewandt, wohne. Das blutflüssige Weib, welches zwölf Jahre an dieser Krankheit gelitten, sollte nach ihrer Deutung die alte Kirche von Jerusalem sein, die in ihren zwölf Stämmen die Vergiessung des Blutes der Opferthiere geduldet habe, bis Christus gekommen sei und durch die bald nachher verhängte Zerstörung Jerusalems diesen Blut

fluss gestillt habe. Auch die Geschichte der drei Weisen aus dem Morgenlande galt ihnen für eine auf ihre Partei sich beziehende Allegorie. Jene Magier, sagten sie, seien die Bogomilen, Jerusalem sei die Kirche der Katholischen und das Mosaische Gesetz der Stern, welcher sie bis zum katholischen Glauben geführt habe; dann aber hätten sie von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten, d. h. von den Geistlichen der katholischen Kirche, in Erfahrung gebracht, dass Christus in Bethlehem geboren, d. h. nur in der Gemeinschaft der Bogomilen zu finden sei; denn ihre ersten Lehrer seien von der katholischen Kirche ausgegangen. Wenn Johannes der Täufer die zu seiner Taufe sich drängenden Pharisäer und Sadducäer Otterngezücht nannte, so wandten sie diess unmittelbar auf die Katholischen an; diese seien ja der Same jener Schlange, die ehemals der Eva beigewohnt habe, und sie sollten nur über diese Beziehung sich nicht erzürnen, da es ja der Täufer selbst sei, der sie prophetisch ihnen gegeben habe. Die Wurfschaufel Christi sei das evangelische, von seinem Munde ausgegangene Wort, die Tenne seien die theils rechtgläubigen, theils dem Irrwahn ergebenen Christen, der Waizen sei der Glaube der Bogomilen, welcher rein und nährend sei, die Spreu aber die unnütze und des Feuers würdige katholische Lehre. Die Schuhe Christi, sagten sie ferner, seien die Wunder, die er seinen Jüngern und dem Volke gezeigt habe; Johannes habe seine Schuhe nicht tragen können, d. h. er sei nicht im Stande gewesen, solche Wunder zu wirken.

Es war zu erwarten, dass sich die Sekte der Bogomilen, ungeachtet der in der Hauptstadt gegen sie ergriffenen Massregeln, wenn auch mehr verborgen, erhalten würde; auch geschah es zuweilen, dass einzelne Lehren der Bogomilen bei Geistlichen und Mönchen der orientalischen Kirche Beifall und Eingang fanden, so gross und entschieden auch im Ganzen der Widerwille und Abscheu der Griechen gegen alles von dieser Sekte kom

Dollinger, Geschichte der Sekten.

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mende war.

Grosses Aufsehen erregte die Entdeckung, dass die Schriften des kürzlich verstorbenen Constantin Chrysomalus Dogmen enthielten, die von den Bogomilen entlehnt zu sein schienen, wesshalb der Patriarch Leo Styppiota im J. 1140 auf einer deshalb berufenen Synode diese Schriften verdammte. Was dieser Mönch von der Taufe lehrte, bot in der That manche Berührungspunkte mit den Principien der Bogomilen dar; er behauptete, die Taufe der katholischen Kirche sei für sich völlig kraftlos; vielmehr müsse jeder, um wahrer Christ zu werden, sich erst der Katechisation, der Einweihung und geistigen Umwandlung unterziehen. Bei dieser Katechisation wurde wahrscheinlich die Mittheilung und Ablegung eines Glaubensbekenntnisses als die Hauptsache betrachtet; die Einweihung sollte durch eine Salbung mit Öl und Händeauflegung geschehen und, durch die Mittheilung einer zweiten, unsündlichen, zu der ersten, der Sünde unterworfenen hinzukommenden Seele, eine Umwandlung des Menschen bewirken. Chrysomalus lehrte daher, jeder Christ habe zwei Seelen, eine unsündliche und eine sündliche; so lange der Mensch nur Eine Seele habe, sei er noch nicht Christ geworden. Er behauptete ferner: Gott hasse und verabscheue alles, was Getaufte, die aber noch nicht durch jene mystische Vermittlung umgewandelt seien, vornähmen, auch ihr Kirchengehen und ihr Gebet; wer ohne jene Katechisation und Einweihung seine nach der Taufe begangenen Sünden bereue und abbüsse, der mühe sich ganz vergeblich ab; denn um die Vergebung der Sünden zu erhalten, sei die Katechisation und der Glaube an das dabei Mitgetheilte völlig unerlässlich, und nur durch die Handauflegung empfange er die Gnade Gottes, welche nach dem Maasse des Glaubens, nicht nach den Werken gegeben werde; der Eingeweihte aber sei dem Gesetze nicht mehr unterthan und könne nicht mehr sündigen. Dass Chrysomalus unter dieser Einweihung durch Salbung und Händeauflegung nicht etwa das katholische Sacrament

der Confirmation verstand, ergibt sich aus seiner weiteren Behauptung, dass es nur gewisse Personen seien, welche als Besitzer der heiligen Gnosis diese Mysterien verwalten könnten, und dass man dieselben mit grösster Sorgfalt als die einzigen Vermittler des Heils aufsuchen müsse, da sie nicht häufig gefunden würden. Es war daher ganz natürlich, dass die Synode in allem diesem, nach ihrem Ausdruck, unzweideutige Zeichen der bogomilischen Irrlehre fand.

Im Anwerben von Genossen ihrer Lehre und Gemeinschaft gingen die Bogomilen mit grosser Vorsicht zu Werke. Wer sich ihnen anvertraute, vernahm anfänglich nur die Lehren vom dreieinigen Gott und der Menschwerdung des Sohnes; man predigte ihm die Uebung der evangelischen Tugenden, vorzüglich Milde, Demuth und Entäusserung irdischer Güter. Sofort ward er veranlasst, einen Vergleich anzustellen zwischen der grossen Masse der Kirchengläubigen und der kleinen, verborgenen bogomilischen Genossenschaft; da werde er wahrnehmen, dass jene höhere, von Christus geforderte Gerechtigkeit doch nur bei den letzteren zu finden sei. Erst dann, wenn der Lehrling dem Meister mit festem, ehrfürchtigem Vertrauen sich hingab, wurden ihm die geheimeren Lehren der Gesellschaft allmählich eröffnet. Häufig trugen die Bogomilen das Mönchsgewand, um leichteren Eingang in den Häusern zu finden und weniger Verdacht zu erregen.

Fünftes Kapitel.

Die Verbreitung der orientalischen Sekten im Abendlande bis gegen Ende des elften Jahrhunderts.

Die gnostisch-manichäischen Lehren und die zu diesen Lehren sich bekennenden Sekten hatten zwar von

Anbeginn an ihre eigentliche Heimat und leichteste Verbreitung in den östlichen Theilen des römischen Reiches gefunden, aber auch die Länder des Occidents hatten sich ihnen frühzeitig geöffnet; die Manichäer, die besonders zahlreich im nördlichen Afrika wohnten, waren zur Zeit des Einbruchs der Vandalen nach Italien und Spanien gewandert, und schon zur Zeit des h. Augustin lebten viele von ihnen, wenn auch verborgen, in Gallien.1) In Afrika scheint der Kampf des Arianismus mit der katholischen Kirche, der sich seit der vandalischen Herrschaft dort entspann, dem Manichäismus günstig gewesen zu sein; die Manichäer bekannten sich zu der unterscheidenden Lehre des Arianismus, und als König Hunnerich sie auskundschaften liess, zeigte sich, dass mehrere von ihnen bei den Arianern sogar Priester und Diakonen geworden waren. Er liess nun zwar einige derselben verbrennen, andere aus Afrika vertreiben, 2) trug aber dadurch zur Verstärkung der Sekte diesseits des Mittelmeeres bei. In Rom, wo schon unter Papst Leo I. scharfe Massregeln gegen die Manichäer ergriffen worden waren, hatten sie sich dennoch bis zum Anfange des sechsten Jahrhunderts so gemehrt, dass der Papst Symmachus und der Senator Boëthius gemeinschaftlich an ihrer Vertreibung aus der Stadt arbeiteten und ihre Bücher und symbolischen Abbildungen feierlich vor den Thoren verbrennen liessen.3) Dieses hielt indess den Kaiser Anastasius Dicorus nicht ab, gegen eben diesen Papst die ohne Zweifel grundlose Beschuldigung des Manichäismus zu erheben.

Was fernerhin gegen die manichäische Sekte unternommen wurde, waren bloss vereinzelte, in langen Zwischenräumen sich folgende Massregeln, und die politische Verwirrung, welche in diesen Jahrhunderten in allen

1) Aug. de nat. boni, Opp. VIII, 36 f. ed. Amstel.

2) Victor Vit. ed. Ruinart p. 21.

3) Baron, ad a. 503.

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