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genuss bei ihnen nicht gefordert wurde, so zwar, dass sie auch das Fleisch der in ihrem Blute getödteten Thiere zu essen keinen Anstand nahmen und auch dadurch den orientalischen Christen Anstoss gaben. Übrigens entwirft Photius von dem sittlichen Charakter der Sekte überhaupt eine sehr ungünstige Schilderung. Ohne alles Bedenken sollen sie, so oft es ihnen rathsam schien, ihren Glauben verleugnet haben; doch dürfte diess, wenigstens in früheren Zeiten, nicht allgemein gewesen sein, da ja viele Paulicianer hingerichtet wurden, die sich durch Heuchelei das Leben hätten retten können. Auch Trunkenheit, Schwelgerei und andere Laster sollen sehr häufig unter ihnen vorgekommen sein.

Wie bei allen derartigen Sekten der späteren Zeit nahm man auch bei den Paulicianern eine unerschütterliche Anhänglichkeit an die einmal ergriffenen Lehren wahr, und die griechischen Geschichtschreiber versichern, dass die aufrichtige Bekehrung eines Paulicianers kaum möglich sei.1) Durch die langen Kriege und Raubzüge und durch den grimmigen Hass gegen die Katholiken, welchen, als eben so vielen Anhängern des Satan, sie als das auserwählte Geschlecht des guten Gottes gegenüberstanden, waren sie eine verwilderte, kriegerische und blutdürstige Horde geworden, ähnlich den späteren Hussiten, so dass Anna Comnena von ihnen sagt, diese Manichäer seien von Natur das schlagfertigste Volk und gleich den Hunden stets begierig, Menschenblut zu schlürfen.2)

Seit ihrer Verpflanzung nach Thracien hat die Sekte der Paulicianer sich bis in die neuesten Zeiten herab dort erhalten, allmählich aber einen von dem ursprünglichen wesentlich verschiedenen Charakter angenommen. Nach

1) Theophanes p. 419: Αδύνατον ἦν τοὺς τῇ πλανῇ ἐκείνῃ ἑαλωκότας μετανοήσαι.

2) Alexias 6, 14 (ed. Bonn. I, 325): Tévos yàg oi Mavizało φύσει μαχιμώτατον καὶ αἵμασιν ἀνθρώπων λαφύσσειν καθάπερ οἱ κύνες ἀεὶ ἱμειρόμενον.

dem Berichte eines Augenzeugen, der sie gegen Ende des 17. Jahrhunderts in vielen zwischen Adrianopel und Philippopel liegenden Dörfern wohnend fand, war ihre Religion auch damals noch eine Mischung von Christlichem und Heidnischem; aber gerade das, was den Grundsätzen der älteren Paulicianer besonders zuwider und ihnen verhasst war, hatten ihre Abkömmlinge von beiden Religionen angenommen, nämlich die Thieropfer und die Verehrung des Kreuzes. Marsigli sah an einem neben ihrer Kirche stehenden Baume Stücke der als Opfer geschlachteten Stiere und Hämmel hangen; er sah in der Nähe einen steinernen Tisch, an welchem sie ihre Opfermahlzeiten hielten, und ein steinernes Kreuz, vor welchem sie sich nach griechischem Ritus niederwarfen; doch pflegten sie das Zeichen des Kreuzes nicht wie die Griechen mit drei Fingern, sondern mit der ganzen Hand zu machen.') Die meisten dieser Paulicianer sollten, wie man ihm sagte, Bulgaren sein, welche, ihrer Religion wegen von den Russen vertrieben, die Ufer des Don verlassen und sich bei ihren schon länger hier wohnenden Glaubensgenossen angesiedelt hatten.

Drittes Kapitel.

Armenische Paulicianer. Die Thondrakier. Die Melchisedekianer oder Athinganer.

In Armenien zeigte sich im Anfange des achten Jahrhunderts eine Sekte von Paulicianern, welche der damalige armenische Katholikus oder Patriarch Johannes Philosophus von Ozun (geb. 668) in einer eigenen Schrift)

1) Marsigli, Stato militare dell' imperio Ottomanno, Amsterd. 1722, p. 24.

2) Die Schrift contra Paulicianos steht in Johannis Philosophi Ozniensis Armeniorum Catholici Opera ed. J. B. Aucher, Ven. 1834,

geschildert hat. Sie wurden, wie er berichtet, bereits von einem seiner Vorgänger, dem Katholikus Nerses III., um 645 bekämpft.') Nach dessen Tode, sagt er weiter, seien sie nach Armenien entwichen und hätten sich an den Grenzen des Landes aufgehalten; hier seien einige Bilderfeinde aus Albanien, von den dortigen Bischöfen vertrieben, zu ihnen gekommen und hätten sich mit ihnen vermischt; auf den Schutz der Muhammedaner vertrauend, seien sie endlich wieder in Armenien eingedrungen und hätten sich in grösserer Anzahl am See Cirga niedergelassen. Es scheint, dass damals in Armenien bereits eine Opposition gegen den Gebrauch und die Verehrung der religiösen Bilder vorhanden war; denn nach dem Bericht des Johannes machten die Paulicianer bei dem rohen und unwissenden Volke diesen Punkt, vorzüglich die Verehrung des Kreuzes, zum Gegenstand ihrer ersten Angriffe und schilderten namentlich die armenischen Mönche als Götzendiener.

Aus den Angaben des Johannes erhellt, dass diese armenischen Paulicianer, gleich älteren gnostischen Sekten, Verehrung und Anrufung gewisser Dämonen mit einigen scheinbar christlichen oder vielmehr gnostischen Lehren und Gebräuchen verbanden. Den Sonnendienst hatten sie wohl aus der alt-armenischen Religion, die sich noch lange nach Einführung des Christenthums in einzelnen Gegenden erhielt, und aus dem Parsismus ererbt. Seltsam war der Gebrauch, welchen sie bei der Einsetzung eines Vorstehers ihrer Sekte beobachteten: im Kreise stehend, warfen sie einer dem andern einen Knaben, den

p. 79 ff. Vgl. F. Windischmann, Mittheilungen aus der armenischen Kirchengeschichte, in der Tübinger Theol. Quartalschr. 1835, S. 25.

1) Dieser Nerses III. Schinogh ist gemeint, wie Windischmann unter Berufung auf Tschamtscheans Geschichte Armeniens II, 356 bemerkt, und nicht, wie Aucher meint, Nerses der Grosse, der im vierten Jahrhundert lebte.

ein Weib als ihr erstes Kind kürzlich geboren hatte, zu, und derjenige, in dessen Armen der Knabe den Geist aushauchte, wurde als das Oberhaupt aller verehrt. Bei ihm, den sie zweideutig den erstgebornen Sohn nannten, pflegten sie dann zu schwören, auch mit der Formel: Zeuge sei dir die Herrlichkeit dessen, in dessen Hände der erstgeborene Sohn seinen Geist übergeben hat." Wahrscheinlich lag dabei die Vorstellung zu Grunde, dass die Seele dieses Kindes in den Körper desjenigen, in dessen Armen es gestorben, übergegangen und nun als höherer Geist mit seiner eigenen Seele zu einer Syzygie verbunden sei. Nach dem Berichte des Johannes pflegten sie auch den Leichnam eines bei ihren Mysterien getödteten Kindes unter dem Dachgiebel eines Gebäudes zu verbergen und sich dann mit Beziehung darauf der doppelsinnigen Betheuerungsformel zu bedienen: „Der Höchste weiss es!"

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Ob die Sekte der Thondrakier, welche gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts in Armenien sich ausbreitete, aus jenen Paulicianern hervorgegangen sei oder sich mit denselben verbunden habe, ist nicht ganz klar. Ihr Gründer, der Armenier Sembat, hatte sich mit den Lehren der verschiedenen manichäischen oder Paulicianischen Gemeinden vertraut gemacht und dann im Umgange mit einem persischen Arzte Medschusik, der sich zugleich mit Magie und Astrologie beschäftigte, noch andere Meinungen angenommen. Sembat liess sich in dem südöstlich vom Euphrat gelegenen Flecken Thondrak nieder, nahm äusserlich den Schein eines eifrigen Christen an, gab sich, ohne geweiht zu sein, für einen Priester aus und brachte es (zwischen den Jahren 833 und 854) dahin, dass alle Einwohner des Fleckens sich zu seiner Lehre bekannten. Es wurde nun eine geheime geschlossene Verbrüderung errichtet; man verpflichtete sich, die Geheimlehre des Bundes niemanden als nur den Eingeweihten zu eröffnen und durch ausgesandte Glaubens

boten für vorsichtige Verbreitung der Sekte und Gewinnung zahlreicher Anhänger Sorge zu tragen. Diese Sendboten wurden angewiesen, jedesmal die Rolle zu spielen, welche der Gesinnung und Neigung desjenigen, den sie eben bearbeiteten, am besten zusagte; bei den Sinnlichen sollten sie die der Befriedigung der sinnlichen Gelüste günstige Seite ihres Systems hervorkehren, bei den Frommen und Strenggesinnten die Larve der Frömmigkeit und des sittlichen Ernstes vornehmen, bei den Manichäern oder Paulicianern auf die Lehre von den zwei ewigen Principien das grösste Gewicht legen. Diejenigen, welche, dadurch gewonnen, für weitere Mittheilungen reif schienen, machte man dann allmählich mit den eigentlichen Geheimlehren der Sekte bekannt. Diese waren: Verwerfung aller für geoffenbart sich ausgebenden Religionen, Leugnung der individuellen Fortdauer nach dem Tode und der Regierung der Welt durch die göttliche Vorsehung, sowie des Unterschiedes zwischen sittlich Gutem und Bösem.') Die Thondrakier versammelten sich zuweilen in abgesonderten Gebäuden zu angeblichem Gebete; die Katholischen aber glaubten, dass hier geheime Unzucht getrieben werde, wesshalb Aristakes der Lastiwerdier diese Gebäude Hurenhäuser nannte.

Dem Stifter und ersten Oberhaupt der Sekte, Sembat, folgte eine Reihe von Vorstehern in ununterbrochener Folge: Thokros, Ananias, Ankai, Sergius, Cyrillus, Joseph, Jesu und endlich Lazarus. Ausser dem Flecken Thondrak wurden auch Thulail im Distrikte Mananachi von Hocharmenien und Chnun, wahrscheinlich die heutige Bergstadt Chnus im Paschalik Erzerum, Hauptsitze der Thondrakier. Sie selber nannten sich Gascheziks, von dem Volke aber wurden sie wegen des dualistischen Elements

1) Diese und die folgenden Nachrichten über die Thondrakier, die aus Tschamtscheans Geschichte Armeniens (Tom. II p. 884-895) geschöpft sind, verdanke ich der Mittheilung des Prof. K. Fr. Neumann.

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