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sonders mathematische Denken hat, ist so groß, daß manche sogar ihren Verstand darüber verloren haben; eins ist drei, drei ist eins; wer kann sich das vorstellen? Dem Dogma kann, ja muß widersprochen werden. Die Denkträgheit aber sagt: das fich Widersprechende und somit Ungereimte muß man nicht denken, mit Widersprüchen muß man sich in der Wissenschaft nicht abgeben. Das Größere und Nothwendigere ist vielmehr, sie anzuerkennen in ihrer Nothwendigkeit und sie dann auch aufzulösen, statt sie, die wirklich da sind, nur zu umgehen und zu vermeiden, was freilich das Leichtere und Bequemere ist. Die Widersprüche, in der Wissenschaft unvermeidlich und durch sich selbst gesezt und hervorkommend, sind die Schwierigkeiten in der Wissenschaft, und werden von denen nicht gescheut, welche den Muth zur Wahrheit auch unter allen, auch den schärfften und herbesten Gegensähen behalten haben. Es ist auch hier die innere Nothwendigkeit zu erkennen, womit das Dogma durch seine einzelnen Momente sich mit sich selbst in Widerspruch seßt, und daß auch das nicht äußerliches Thun nur, sondern die innere Bewegung der Wahrheit selbst sey nach verschiedenen Seiten. Sie wenigstens kann nicht vollständig zu sich selbst kommen, ohne alle Momente des Begriffs zu durchlaufen und jedem auch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen an seinem Ort. Auch der Verstand hat feine Rechte, wie der Zweifel; sie sind, wie dieser der Erzeuger der Wahrheit, so jener der den Dienst der Hebamme verrichtende. Es kann daher, wie das Dogma sich ausspricht, an dem innern Widerspruch nicht fehlen und durch ihn selbst bewegt sich die Wahrheit hindurch. Dieß zeigt sich schon darin, daß sich dem einen Moment und Ertrem des Widerspruchs sofort das andere gegenüberstellt, um die Einseitigkeit aufzuzeigen und zu ergänzen. In dieser Weise fangen nun beide Seiten an, sich selbst einander zu widersprechen und zu widerlegen, und das ist schon ein großer Fortschritt zur Wahrheit, wenn der Nationalismus dem Supernaturalismus und dieser jenem widerspricht

und sie sich so beide selbst widerlegen. Es ist klar, daß das von ihnen selbst geschieht; man darf sie nur einander überlassen, so zeigt jeder genugsam des andern und eben damit seine eigene Einseitigkeit und Unwahrheit. Eben dieselbe dialectische Bewegung findet in allen Dogmen statt und das ist eben erst ihr rechtes geschichtliches Leben. Professor Erdmann in Halle hat dieß in einem interessanten Aufsaß über die Widersprüche unter den christlichen Glaubenslehren in der Zeitschrift für spec. Theologie von Bauer, 3 Bd., 1. Heft S. 1—48 dargethan. Auf den nicht biblischen Ausdruck: Erbsünde ist die Dogmatik der Kirche eben auf diesem Wege gekommen, weil er gerade das in der Bibel selbst noch Enthaltene aufs bestimmteste ausspricht. Dieser Begriff nämlich ist die nothwendige Ergänzung eines andern, nämlich der Lehre, welche den Sündenfall auf das erste Menschenpaar beschränkt. Daß dieß zugleich die That des ganzen Menschengeschlechts sey, ist durch den Begriff der Erbsünde ausgesagt. Daß der Versöhner stirbt, ist gewiß der äußerste Widerspruch, aber es ist nicht ein solches Sterben, dem nicht die Auferstehung nothwendig folgen mußte. So ist auch in dem Dogma von Gott oder seinen Eigenschaften der Widerspruch gesezt, wenn er, der der gerechte ist, doch auch der barmherzige ist. Die Frömmigkeit, welche, indem sie beides behauptet, sich an die Wahrheit hält, verfährt darin ganz unbefangen, läßt sich unbewußt die härtesten Widersprüche gefallen, läßt sich auf den darin enthaltenen Widerspruch nicht ein. Erst im Wissen entdeckt sich derselbe. Da wird es kindisch und ungereimt, sich den vorhandenen Widerspruch zu verhehlen und zu verbergen, es ist feige Denkart, dem Widerspruch auszuweichen, weil freilich Gedanken dazu gehören, ihn aufzulösen, zu zeigen, daß das, in Wahrheit und vernünftig betrachtet, doch kein Widerspruch sey. Genug, der Widerspruch ist gesezt und die Elemente des Dogma gerathen in Streit. Indem nun jedes der streitenden Elemente des Begriffes auch seine Bekenner und Vertheidiger findet, wird

der innere Streit und Widerspruch auch der äußere. Es bes ginnt die Anfechtung des Dogma schon wie es noch die unmittelbare Glaubenswahrheit ist; durch die Hinüberführung derselben zum Dogma gewinnt der Streit Tiefe und Kraft und bewegt die Welt, erschüttert ganze Welttheile. Der Streit, wie er so von dem Innern des Dogma hervorkommt, so hat er auch seine innere Nothwendigkeit und ist nicht zu nehmen als eine willkührliche Aeußerlichkeit nur. Auf diesem Wege des Streites ist es vielmehr geschehen, daß das Dogma nach allen seinen Seiten durchgearbeitet ist, und so hat er selbst eine große Bedeutung. Auf diesem Wege hat das Dogma erst ein wahrhaft geschichtliches Leben und Interesse erlangt und so muß man, statt darüber zu jammern, daß über Dogmen so viel gestritten worden, vielmehr sagen: Gottlob! daß das geschehen ist. Zur Aeußerlichkeit des Streits gehört nur, daß auch Leidenschaften aller Art sich eingemischt haben und daß man oft mit schlechten Mitteln gekämpft, Waffen irdischer Art in diesem rein geistigen Kriege geltend gemacht hat. Aber wie oft das auch geschehen, was geht das das Dogma und seine Wahrheit an? Wie eine Lehre nicht wahr wird dadurch, daß sie ohne Leidenschaft behauptet worden, so wird sie auch dadurch nicht unwahr, daß sie unter Einmischung der schlechtesten Leidenschaften vertheidigt worden. Die Frage: was ist wahr? steht für sich, ist unabhängig von allen äußerlichen Beziehungen. Es ist das aber ein Haupttrugschluß der neueren Dogmenhistoriker. Sie zichen dem Dogma und seiner Wahrheit einen bösen Schein zu, indem sie die ihm äußerlichen Leidenschaften, womit es vertheidigt worten, mit demselben in eine innere und wesentliche Verbindung bringen; sie sagen: eine Lehre, für welche mit solchen Affecten, Ränken und schlechten Waffen gekämpft worden ist, kann doch wohl unmöglich wahr seyn. Statt dessen verfallen sie nun darauf, das Dogma jeglicher Meinung und Ungereimtheit gleichzusehen. Dem entgegen ist aus dem Begriff der Dogmengeschichte

zu behaupten, daß nichts ihr angehöre, was nicht im Feuer des Streites sich durchgekämpft und ein großes, geschichtliches Leben erlangt habe. Der Dogmenhistorie gehören nur solche Dogmen an, die auch wirklich eine Geschichte haben. Wie Meinungen keine Dogmen und Dogmen keine Meinungen sind, so ist es auch gleichgültig, was über wirkliche Dogmen nur gemeint worden. Welche große Bedeutung haben dagegen nicht die scharf und hartnäckig vertheidigten Irrthümer. Jeder wirkliche Jrrthum, weil er doch nicht ohne seine particula veri seyn kann und von irgend einer Seite eine Beziehung auf die Wahrheit hat, steht schon bei weitem höher, als die nur in der Subjectivität wurzelnde Meinung. Der Irrthum ist nur die einseitig gefaßte Wahrheit selbst und macht geschichtlich einen wesentlichen Theil des Widerspruches aus, in welchen das Dogma durch Reflerion und Abstraction verwickelt wird.

3) Die Auflösung des Widerspruchs. Käme es dazu nicht, so verfiele das Dogma ganz und gar jener negativen vernünftigen Dialektik, welche nur die des Verstandes ist, oder es wäre auf dem Wege des Streites nicht völlig durchgebildet worden. Es bliebe ungewiß, was denn nun im Streit der Gegensätze das Wesen und Richtige der Affirmation sey. In aller Dialektik ist noch keine Ruhe und Beruhigung; des Streites Ziel ist der Friede und nur darin ist für die Vernunft Befriedigung. Daß die Vernunft und Wahrheit selbst, wie oben gesagt, sich in den Streit und Widerspruch einläßt und sich durch denselben hindurch bewegt, thut sie nur, um sich allseitig zu vermitteln, kein Moment von ihr übersehen zu lassen, sondern jedes an seis nen Ort zu stellen und sie auf einem höhern Standpunkte in die Einheit und eben damit zu ihrer Wahrheit zu erheben. Um sie da hinaufzuheben und sie so aufzuheben, mußte sie sie zuvor sehen und jedes der einzelnen Momente, welches für sich genommen der Irrthum wäre, somit den Irrthum selbst erst vollständig ausreden lassen. Hierdurch kommt es also mit dem Dogma

noch zur größesten Veränderung; aber auch dazu kommt es mit innerer Nothwendigkeit und auch das gehört somit wesentlich zur innern Geschichte des Dogma, womit es die Dogmenhistorie vorzugsweise zu thun hat. Es ist dieß der Abschluß der dialectischen Bewegung des Dogma in der kirchlich sanctionirten Formel, das reine Resultat aller der mannigfachen Schicksale des Dogma und so das Ende, die Rückkehr in die Ruhe des Anfangs. Diese ganze Bewegung ist die rein logische, in ihrem Anfang den Begriff, in ihrem Fortgang das Urtheil, an ihrem Ende den Schluß enthaltend. Die Wahrheit dieses erreichten Endpunkts ist, daß nichts in demselben hervorkommen kann, was nicht in dem Anfange lag; dieß ist das Systematische der ganzen Bewegung. Hätte die christliche Kirche jemals durch ihre Entscheidungen irgend etwas in ihren Lehrbegriff aufgenommen, was im Widerspruch mit der schriftlichen und kirchlichen Tradition geblieben wäre, oder dem denkenden Geiste und der Vernunft zum Anstoß gereichte, so müßte der Abschluß rein von außen gekommen und gewaltsam herbeigeführt seyn. Das hat die Dogmenhistorie zu untersuchen und also zu zeigen, wie die kirchliche Formel entstanden und ob und wie das Bedürfniß des Weitergehens vorhanden sey. Die kirchliche Feststellung des Dogma nimmt den Character der Orthodorie an und scheidet alle ihr untergeordneten Momente als Einseitigkeit und Unwahrheit, als Heterodorie und Häresie von sich aus. Die äußerliche Form und Unähnlichkeit der kirchlichen Formel im Vergleich mit der einfachen Schriftbestimmung erklärt sich genugsam theils durch die starken Bewegungen, welche das Dogma, bis es in diesen Hafen einlief, erlitten, theils überhaupt durch den Unterschied von Glauben und Wissen, oder der Religion und Theologie.

3. Die Form der Dogmengeschichte. Sie bestimmt sich 1) 'nach dem Verhältniß der Dogmengeschichte zu andern nahe liegenden Wissenschaften. Sie ist 2) die Methode; 3) die Eintheilung der Dogmengeschichte.

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