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erörtert worden, ohne daß doch die Forschung zu einer allgemein acceptierten Lösung des Problems geführt hätte. Angesichts dieser Thatsache, sowie angesichts der hohen geschichtlichen Bedeutung der Urkunde wird es sich empfehlen 1. kurz ihren Inhalt mitzuteilen, 2. einen Überblick über ihre Geschichte und 3. über die Entwickelung der Kritik zu geben, 5 und endlich 4. kurz über den gegenwärtigen Stand der Forschung zu orientieren.

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1. Inhalt der Urkunde. Nach sehr eigentümlichen Protokoll (§ 1) fündigt der Kaiser § 2 eine liquida enarratio der wunderbaren Thaten an, welche die Apostel Petrus und Paulus durch den summus pontifex et universalis papa Silvester verrichtet haben. Bevor er aber diese liquida enarratio giebt, teilt er § 3 10 und 4 das Glaubensbekenntnis mit, das Silvester ihn gelehrt habe, und ermahnt im Anschlusse daran alle Völker, sich zu diesem Glauben zu bekehren und den Christus, den der pater noster universalis Silvester predige, anzubeten. Hierauf berichtet der Kaiser, im wesentlichen übereinstimmend mit der Silvesterlegende, wie er in Rom vom Aussat befallen, durch den inluminator noster Silvester befehrt, getauft 15 und geheilt worden sei, §§ 6-10. Dabei sei ihm klar geworden, welche Gewalt der Erlöser Mt 16, 18 dem Petrus verliehen habe. Um sich nun für Petri Wohlthaten erkenntlich zu zeigen, habe er im Einverständnis mit seinen Satrapen", dem Senat, allen Optimaten und dem ganzen römischen Volke es für angezeigt gehalten, die potestas principatus der Vikare des Apostelfürsten anzuerkennen, und beschlossen, den 20 Siz des Petrus über seinen irdischen Thron zu erhöhen, indem er demselben imperialis potestas, gloriae dignitas, vigor, honorificentia verleihe (§ 11). - Diesem Beschlusse gemäß „sanktioniert" er zunächst § 12 den Prinzipat der sedes Petri über die praecipuae sedes Antiochien, Alexandrien, Konstantinopel, Jerusalem und alle Kirchen des Erdkreises. Weiter verfügt er § 13, daß die von ihm im Bereiche des Lateran25 palastes gegründete Salvatorkirche als caput et vertex omnium ecclesiarum in universo orbe verehrt werde, und teilt zugleich mit, daß er auch dem Petrus und Paulus Kirchen gebaut und denselben pro concinnatione luminariorum seine „,largitas", d. i. seinen Besit in Iudaea, Graecia, Asia, Thracia, Africa et Italia vel diversis insulis geschenkt habe. Hierauf vermacht er § 14 den Päpsten den Lateranpalast, den 30 ersten Palast des Erdkreises, verleiht Silvester sein kaiserliches Diadem, die Mitra, das Pallium, die Purpurchlamys und die Purpurtunika, die kaiserlichen Szepter, banda, d. i. Fahnen, kurz die ganze processio imperialis culminis. Im Anschluß hieran bedenkt der Kaiser § 15 gleich auch die römischen Kleriker mit hohen Gnadenerweisen: sie erhalten Senatorenrang und damit die Qualifikation zum Patriziat und Konsulat und zu allen 35 übrigen dignitates imperiales; weiter verleiht er auch ihnen gewisse Ehrenabzeichen an ihrer Kleidung. Aber von den Klerikern wendet sich der Kaiser gleich wieder zu dem Papste selber; er spricht demselben das ausschließliche Recht zu, Senatoren zu Klerikern zu weihen, und warnt nachdrücklich vor anmaßender Übertretung dieses Gebotes. Darauf berichtet Konstantin § 16 weiter, daß Silvester es abgelehnt habe, das kaiserliche Diadem über der 40 corona clericatus, der Tonsur, zu tragen. So habe er denn die weiße Mitra ihm mit eigner Hand auf den allerheiligsten Scheitel gesezt und aus Ehrfurcht gegen den hl. Petrus ihm den Dienst eines strator, d. i. Stallknechts, geleistet. In Zukunft, schließt der Passus, sollen alle Päpste bei öffentlichen Aufzügen die Mitra tragen. Ferner aber, fährt der Kaiser § 17 fort, überlasse er dem Papste, damit der päpstliche Thron nicht er45 niedrigt werde, nicht nur den Lateranpalast, sondern auch ad imitationem imperii nostri die potestas et ditio über die urbs Roma et omnes Italiae seu occidentalium ( abendländisch vgl. orientalibus 1. 272) regionum provintias, loca et civitates. Nostrum imperium et regni potestatem verlege er (§ 18) nach dem Orient, wo er zu Byzanz eine Residenz sich gründen wolle. Denn es geziemt sich nicht, 50 daß ein irdischer Kaiser da herrscht, wo von dem himmlischen Kaiser das Fürstentum der Priester und das Haupt der Religion seinen Sit erhalten hat." Darauf beschwört der Kaiser § 19 alle seine Nachfolger, alle Optimaten, Satrapen", den Senat und alles Volk des Erdkreises an diesen Verfügungen nicht zu rütteln und wünscht allen Zuwiderhandelnden in eigentümlicher Formel die ewige Verdammnis. Es folgt § 20 noch die 55 Mitteilung, daß er diese Urkunde eigenhändig unterzeichnet und eigenhändig auf dem Leibe des hl. Petrus niedergelegt habe. Mit der subscriptio imperialis und dem Datum schließt dann endlich das umfängliche Schriftstück.

2. Geschichte der Urkunde. Es ist eine viel erörterte Streitfrage, ob schon Papst Hadrian I. in einem Briefe an Karl d. Gr. vom Mai 778, codex Carolinus 60 nr. 60, ed. Gundlach MG EE 3, S. 587, Jaffe nr. 2423, auf das constitutum an

spiele. Der Sat, in dem Hadrian Konstantin und Silvester erwähnt, 3. 9 ff., scheint unsere Urkunde vorauszusehen, die folgenden Säße, 3. 18 ff., führen eher zu der gegenteiligen Meinung. Beweisen läßt es sich somit nicht, daß Hadrian die Urkunde im Sinne hatte. Unanfechtbar ist dagegen das Zeugnis des codex Paris. lat. 2777. Er zeigt, daß das constitutum zu Beginn des 9. Jahrhunderts, ja vielleicht schon vor 793, in 5 S. Dénis, also im Frankenreiche, bekannt war. Dem Frankenreiche gehören auch die nächstältesten Zeugen für das Vorhandensein der Urkunde an: Pseudoisidor ed. Hinschius I, 569 ff., Ado von Vienne de sex aetatibus mundi ad 306; MSL 123, 92, Hinkmar von Reims, de ordine palatii c. 13, MG Capitularia II, p. 522. Dagegen hat man in Rom im 9. und 10. Jahrhundert sich nie auf die Urkunde bezogen. Erst zwei 10 ,,fränkische" Päpste Gregor V. und Gerbert, der zweite Silvester, haben sich ihrer zur Begründung gewisser territorialer Ansprüche bedient. Aber sie erregten damit am Hofe Ottos III. so großen Anstoß, daß der kaiserliche Kanzler Leo von Vercelli sich nicht scheute, in seiner Urkunde für die römische Kirche das constitutum kurzerhand für die Fälschung eines gewissen Johannes digitorum mutilus zu erklären (vgl. MG Dip- 15 lomata Ottonis III. nr. 389, Diplomata II, p. 818ff. und Bloch NA 22, S. 92 ff. Ob der Johannes, den Leo nennt, identisch ist mit dem Kardinal Johannes, dem Johann XII. 964 die Hand abhacken ließ, erscheint zweifelhaft, vgl. Döllinger, Papstfabeln, S. 82). Nach diesem ersten scharfen Angriff bleibt die Urkunde wiederum ein volles halbes Jahrhundert hindurch ganz unbeachtet. Erst wieder ein fränkischer" 20 Papst, Leo IX., entreißt sie zum zweitenmale der Vergessenheit, aber er verwertet fie in der Auseinandersetzung mit Byzanz gleich so energisch, Jaffé nr. 4302, daß fie nun nicht wieder der Vergessenheit anheimfällt, sondern mehr und mehr für die päpstliche Partei die Bedeutung eines klassischen Beweisstückes gewinnt. Schon Pier Damiani beruft sich auf sie mit Nachdruck im Kampf gegen Kadalus von Parma (dis- 25 ceptatio synodalis MG libelli de lite I, p. 88). Gregor VII. spielt auf sie an in der Eidesformel, die er 1081 dem Gegenkönige Hermann von Salm vorlegen läßt (MG Constitutiones I, p. 559). Sein Vertrauter, der Kardinal Deusdedit, spricht im Hinblick auf sie in dem sogenannten dictatus papae dem Papste kaiserliche Ehrenrechte zu (vgl. Sacur in NA 18, S. 197 ff.) und nimmt sie, wie schon vorher Anselm von Lucca 30 in seine Kanonensammlung auf. Auch von den Publizisten des beginnenden 12. Jahrhunderts wird sie eifrig benußt und zum Teil zu sehr weitgehenden Schlüssen verwertet (Hugo von Fleury ca. 1105 in De regia potestate et sacerdotali dignitate II, lib. de lite II, p. 486; Placidus von Nonantula ca. 1111 in De honore ecclesiae c. 57, 91, 151, ebd. p. 591 f., 614, 635; disputatio vel defensio Paschalis papae 35 ca. 1112, ebd. p. 664; Honorius Auguftodunensis ca. 1123 in De summa gloria c. 17, ebd. III, p. 71f.). Kurz, zu Beginn des 12. Jahrhunderts ist das noch vor 50 Jahren fast verschollene Dokument überall verbreitet, bekannt und als wertvolle Waffe im Kampfe gegen die weltliche Macht erprobt. Eben dadurch aber sahen sich auch die Anwälte der lehteren genötigt, sich mit der Urkunde auseinanderzusehen. Nur sehr selten geschah das 40 wohl in der Weise, daß sie dieselbe geradezu zum Beweis ihrer Thesen verwerteten, indem sie z. B. aus § 17 die Berechtigung der Laieninvestitur folgerten (Gregor von Catina, Orthodoxa defensio imperialis, c. 4 lib. de lite II, p. 537). In der Regel versuchten sie wohl nur, ohne die Echtheit der Urkunde zu bestreiten, sich den rechtlichen Konsequenzen derselben zu entziehen und die Interpretation der Gegner als falsch zu erweisen, 45 indem sie darlegten, daß Konstantin und seine Nachfolger laut dem Zeugnis der Überlieferung nie auf die Herrschaft über Italien verzichtet hätten (so die Mönche von Farfa 1105 vgl. den Bericht des Gregor vor Catina in historiae Farfenses c. 20-22, SS. XI, p. 569-571, und ähnlich auch die fautores imperii, deren Ansichten Otto von Freising 1143-1146 in seiner Chronik IV, c. 9 ed. Pert p. 478 f. wiedergiebt), oder 50 daß Konstantin Silvester nie mit den Regalien belehnt habe (so lothringische Anhänger Heinrich V. um 1120 nach Hugo Metellus, Certamen papae et regis v. 133 ff., lib. de lite III, p. 718 f.). Aber all solche Ausführungen verfehlten ihren Zweck, so lange man der Urkunde selber nicht beizukommen vermochte. Hierzu fand Mittel und Wege erst die republikanische Opposition in dem päpstlichen Rom, und ihr Lehrmeister war auch in 55 diesem Stücke, wie es scheint, Arnold von Brescia: ein Anhänger Arnolds, ein Jurist, bestritt ca. 1151 in einer Disputation im päpstlichen Palast mit dem streitbaren Propst Gerbob von Reichersperg zum erstenmale die rechtliche Giltigkeit der Urkunde, weil Konstantin in der arianischen Häresie getauft oder wieder getauft sei (Gerhoh, De novitatibus huius temporis c. 11, lib. de lite III, p. 296; Commentarius in 60

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psalmum 64/65, ebda. p. 447). Aber hierbei blieben die Arnoldisten nicht stehen: sie erklärten 1152 die ganze Urkunde rundweg für ein mendacium und eine fabula haeretica und suchten diese Behauptung erstmalig historisch zu begründen, indem sie darauf hinwiesen, daß nach Pseudoisidor Konstantin bereits vor seiner Ankunft in Rom 6 die Taufe empfangen habe (Brief des Arnoldisten Wezel an Barbarossa, Wibaldi epistulae nr. 404, ed. Jaffé, rer. Germ. bibl. I, p. 542 f.). Allein, was die häretischen Arnoldisten behaupteten, machte weder auf die Anhänger des Papstes, noch auf die Anhänger des Kaisers Eindruck. Friedrich I. erinnerte sich, als Hadrian IV. von ihm den Marschallsdienst forderte, nicht an Wezels inhaltreichen Brief, und seine Parteigänger und 10 Freunde wagten, so anstößig ihnen die Urkunde schien, doch nie deren Echtheit zu bezweifeln, sondern begnügten sich, gleich jenen älteren fautores imperii, die rechtlichen Konsequenzen derselben unter Hinweis auf Konstantins Reichsteilung und Bibelstellen wie Mt 22, 21, abzulehnen (vgl. Gottfried von Viterbo, Pantheon 22, 3, SS 22, p. 176. Auch für Gerhoh ist die Schenkung ein Stein des Anstoßes, De investigatione I, lib. de lite 15 III, p. 393 f., de quarta vigilia noctis ebd. p. 517 f.). Um so zuversichtlicher beriefen sich seit Ende des 12. Jahrhunderts die Päpste selber auf das constitutum (Innocenz III., sermo de s. Silvestro MSL 217, p. 481 ff.; Gregor IX., Raynaldi annales ad 1236, 24, p. 481), ja im 13. Jahrhundert verstiegen sie sich sogar zu der später oft wiederholten Behauptung, daß Konstantins Konzessionen nichts weiter seien als Restitution der 20 dem hl. Petrus bis auf seine Zeit unrechtmäßig vorenthaltenen Rechte (Innocenz IV. Potthast nr. 11848). Aber je überspannter die Ansprüche der Kurie wurden, um so stärker ward die Abneigung nicht nur der Anhänger der weltlichen Gewalt, sondern auch der Frommen gegen die unheilvolle Urkunde. Schon Ende des 12. Jahrhunderts begegnet die Sage, daß in dem Augenblicke, wo Konstantin dem Stuhle von Rom Kreuz, 26 Speer und Krone übertrug" eine Teufels- oder eine Engelsstimme laut gerufen habe: ,,Heute ist der Kirche Gift eingeträufelt worden". Auf Grund dieser Sage gelangten dann die Waldenser, Katharer, Apostelbrüder zu der Ueberzeugung, daß Konstantins Schenkung in der Entwickelung der Kirche die Wendung zum Abfall, zum Antichristentum bezeichne, ja daß Silvester der Antichrist sei (vgl. Döllinger, Papstfabeln, S. 111 ff.). 30 Die Sage sezt die Echtheit des constitutum voraus. Selbst den Rehern fällt es also im 13. Jahrh. nicht ein, dieselbe zu bezweifeln so sehr beherrscht damals die Urkunde die Geschichtsauffassung des Abendlandes (darüber, daß sie Ende des 13. Jahrhunderts auch im Orient bekannt wurde, vgl. Döllinger S. 78). Erst um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts erhält das fast kanonische Ansehen des Schriftstückes einen starken Stoß: die 35 Legisten Philipps des Schönen kommen zurück auf die Ideen jenes arnoldistischen Juristen, mit dem Gerhoh 1151 disputierte: sie bestreiten wiederum die rechtliche Giltigkeit der Schenkung (vgl. Pierre Dubois, Deliberatio ed. Dupuy, Hist. du différ. entre Boniface VIII et Phil. le bel, preuves p. 45f., die Schenkung ungiltig, prout concorditer dicunt doctores legum. Die Quaestio in utramque partem dis40 putata ed. Goldast, Monarchia II, 95 ff. führt nicht weniger als fünf juristische Gegengründe gegen die Schenkung ins Feld). Diese Theorie findet sogleich an der Pariser Universität großen Beifall (vgl. Johann von Paris, De potestate regia et papali c. 22, Goldast ebd. I, 140) und verbreitet sich von Paris aus über alle anderen Länder des Occidents. Aber nur auf solche echt scholastische Weise vermag man sich im 45 14. Jahrhundert der unbequemen Urkunde zu entledigen. Die Möglichkeit, daß dieselbe eine Fälschung sei, faßt man nie ernstlich ins Auge: auch Marfilius von Padua spielt nur mit diesem Gedanken, Defensor pacis I, c. 19, ed. Goldast, Monarchia I, p. 187. Erst im 15. Jahrhundert tritt an Stelle der juristisch-scholastischen Deduktion wieder die historische Kritik, und der erste, der diesen Weg wieder einschlägt, ist ein 50 Deutscher, Nikolaus von Kues. Nach sehr gründlicher historischer Untersuchung kommt er 1432/33 in seiner concordantia catholica III, c. 2 zu dem Ergebnis: Constantinum imperium per exarchatum Ravennatem, urbem Romam et Occidentem papae minime dedisse. Die donatio ist demgemäß seiner Ansicht nach ein dictamen apocryphum. 1440 folgt dann die glänzende declamatio des Laurentius de Valla, in 55 welcher die Urkunde evident als Fälschung erwiesen wird, und 1450 die etwas schwerfällige Darlegung Reginald Pecocks, der ganz selbstständig zu demselben Resultat ge= langt, wie Kues und Valla. Aber über ein Jahrhundert sollte noch vergehen, ehe die Unechtheit des constitutum allgemein zugestanden wurde. Am frühesten machten Vallas Argumente, wie es scheint, Eindruck am deutschen Hofe. Hier stellte Piccolomini 60 schon 1443 den Antrag, auf dem neuen Generalkonzil, dessen Berufung er empfahl, auch

die „viele Geister verwirrende Frage von der konstantinischen Schenkung“ zur Entscheidung zu bringen (Pentalogus ed. Bez, Thes. Anecdot. IV, p. 3, 679; Piccolominis Urteil über die Urkunde pflanzte sich überdies in der Reichskanzlei fort, vgl. Mt des österr. Instituts 2, S. 115 f.). Aber zu einer rückhaltlosen Anerkennung der Unechtheit konnten sich vor 1517 sicherlich nur sehr wenige Gelehrte entschließen (ein Beispiel: Hieronymus 6 Catthalaunus, Cubikular Alexanders VI., wohl Skriptor der päpstlichen Kanzlei, in seiner practica cancellariae apostolicae, zitiert in der oben angegebenen Ausgabe der Vallaschen declamatio p. 12 f.). In Paris hielt 3. B. um 1510 die Mehrzahl der Doktoren noch an der juristisch-scholastischen Theorie fest, daß die Urkunde echt, aber nicht giltig sei (vgl. Jakob Almain in Gersonii Opera ed. du Pin II, p. 971. 1063). 10 Andere Gelehrte, wie der Schotte Johann Major (1512), entschieden sich noch immer für die Echtheit wie für die Giltigkeit (ebd. p. 1158), und noch andere, wie der päpstliche Sekretär Antonio Cortese und der Kardinal Bernardin Carvajal, versuchten sogar litterarisch die Echtheit gegen Valla zu verteidigen (vgl. das Citat aus dem ungedruckten Auctarium des Joh. Buzbach zu Trithemius bei Gieseler 2. Bd § 136 n. 5). Aber die große Masse 15 der Priester und Juristen nahmen überhaupt von Vallas und Kues Untersuchungen keine Notiz. So kann es nicht Wunder nehmen, daß Luther erst durch_Huttens Druckausgabe der declamatio erfuhr, daß die Urkunde unecht sei (Briefw. ed. Enders nr. 274, Bd 1, S. 332 vom 24. Febr. 1520). Vallas Beweise machten nun auf ihn sogleich den tiefsten Eindruck: noch die spätere Verdeutschung der weidlichen, fetten, dicken, wohl gemästeten, echt 20 päpstlichen Lügen", die er 1537 publizierte (Erl.-Ausg. 25, S. 206 ff.), bezeugt das. Für ihn und die Protestanten war naturgemäß die Urkunde mit Vallas Kritik abgethan. Aber im katholischen Lager verstummten die Stimmen der Verteidiger erst, als Baronius 1592 sich genötigt sah, die Unechtheit zuzugestehen, Annales ad a. 324 ed. Rom. III, p. 244. Jedoch beschränkte Baronius dies Zugeständnis bloß auf die äußere Gestalt der 25 Urkunde. Den Inhalt, die fabelhaften Angaben über die Schenkungen Konstantins, suchte er mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten. Ihm folgte die Mehrzahl der katholischen Historiker bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Erst seitdem ist diese lahme Ausflucht aufgegeben worden, erst seitdem hat das constitutum also endgiltig aufgehört, die Geister zu verwirren" und endgiltig seine weltgeschichtliche Rolle ausgespielt.

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3. Die Kritik. Nachdem einmal die Unechtheit der Urkunde erkannt und anerkannt war, haben protestantische und katholische Forscher sehr lebhaft die Frage nach ihrer Herkunft und Entstehungszeit erörtert. Die Ansichten gingen zunächst weit aus einander: tot capita, tot sensus! Die Katholiken stimmten in der Regel für griechische (Baronius) oder fränkische (Thomassin, Zaccaria, Cenni), die Protestanten für römische Herkunft 35 (Freher, Schröckh). Bezüglich der Datierung schwankten die Ansätze zwischen 752-757 (Stephan II.), 757-767 (Paul I.; vgl. z. B. de Marca), 772-778 (Hadrian I.), ca. 850 (Cenni), ca. 875 (Freher), ca. 963 (Morin). Viel Unheil hat Leo von Vercelli angerichtet mit der Angabe, ein gewisser Johannes digitorum mutius habe die Urkunde verfaßt. Denn man suchte mit vieler Mühe diesen Johannes zu ermitteln, und benußte 40 das unsichere Ergebnis sofort als festen Anhaltepunkt für die Datierung (Morin: Kardinal Johannes ca. 963; Freher: Johannes Diakonus ca. 875; Cantel: Subdiakon Johannes 752 3). Eine Epoche in der Kritik der Urkunde bezeichnete die erste Auflage von Döllingers Papstfabeln 1863. Döllinger wies vor allem siegreich nach, daß das constitutum nicht griechischer, sondern abendländischer Herkunft sein müsse. Eine zweite Epoche 45 bezeichneten dann Grauerts Untersuchungen in HIG 1882-1884, nicht wegen ihrer Refultate, sondern wegen ihrer anregenden Wirkung und teilweise wegen ihrer Methode: Grauert hat zuerst energisch nicht überhaupt zuerst; denn schon bei Valla finden sich beachtenswerte Ansätze dazu Form und Wortschatz der Urkunde geprüft. Seine Rejultate: das constitutum bald nach 840 auf fränkischem Boden, in S. Dénis, ent- 50 standen, riefen eine sehr lebhafte Debatte hervor, in deren Verlauf Friedrich 1889 mit der neuen These hervortrat: das constitutum besteht aus einer älteren vor 653 verfaßten Urkunde und aus einer jüngeren, vor 754 von Papst Paul I. hinzugefügten, Fälschung. Die Debatte wurde zunächst geschlossen durch Loening in einem Aufsaße HZ 1890. Jhren Ertrag wird man troß Martens' neuester Beleuchtung der Frage - Hodgkin 55 ignoriert die gesamte neueste Kontroverslitteratur in folgenden Säßen zusammenfassen dürfen:

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4. Der gegenwärtige Stand der Forschung: 1. Das constitutum ist eine Fälschung. 2. Die Fälschung ist ein einheitliches Werk. Es liegt kein Grund vor, fie als die ungeschickte Zusammenfügung zweier gefälschter Urkunden zu betrachten. 3. Doch 60

hat der Fälscher älteres Material benußt, nämlich a) in § 6-10 die Silvesterlegende in einer bisher nicht aufgefundenen, aber im 8. Jahrhundert auch sonst in Rom bekannten und benutzten Fassung, b) in § 3 u. 4 ein älteres Glaubensbekenntnis, c) im Protokoll und Eschatokoll byzantinische Kaiserurkunden. 4. Die Fälschung ist in den Jahren 752

5 bis 778 in Rom entstanden.

Keine Übereinstimmung ist dagegen erzielt 1. über die Frage, ob die Fälschung dem. Pontifikat Stephans II. 752-757 oder dem Pontifikat Pauls I. 757-767 oder dem Pontifikat Hadrians I. 772-795 angehört, und 2. über die Frage, welche Tendenz der Fälscher verfolgte.

10 über beide Fragen sind daher noch einige orientierende Bemerkungen nötig. 1. Was die Tendenz des Fälschers anlangt, so behauptet Scheffer-Boichorst, es sei ihm in erster Linie um die Verherrlichung des hl. Silvesters zu thun gewesen. Aber wäre das der Fall, so hätte der Fälscher nicht eine Urkunde, sondern eine neue Legende verfaßt. Die Thatsache, daß er eine Urkunde fälschte, beweist schon zur Genüge, daß es ihm in erster Linie 16 darauf ankam, den Schuß oder den Erwerb von Rechtsansprüchen irgend welcher Art der römischen Kirche zu ermöglichen. Aber welches waren diese Ansprüche? Die Anerkennung des Papstes als eines dem Kaiser an Würde und Rang gleichstehenden Machthabers, die Ausstattung der römischen Kleriker mit Senatorenrang, die Herrschaft über alle Provinzen Italiens seu occidentalium regionum: das alles hat man nachweislich niemals im 20 8. und 9. Jahrhundert in Rom ernstlich erstrebt und beansprucht. Diese Thatsache führt zu der Vermutung, daß der Fälscher absichtlich, wie das auch sonst vorkommt, das Objekt, um das es sich handelt, nicht deutlich beschrieben, sondern nur umschrieben habe. Ist das der Fall, dann ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß die Tendenz der Fälschung sich in dem Absage § 17f. versteckte, in dem der dispositive Teil der Urkunde kulminiert, 25 d. i. in dem Absatz über die Landschenkung. Da nun die Päpste jener Zeit nie die Herrschaft über ganz Italien begehrt haben, so kann der Fälscher nur beabsichtigt haben, ihnen den Erwerb des Teils, den sie wirklich begehrten, des Exarchats, gründlich zu sichern. Die Urkunde sollte also, schließe ich, den Päpsten als Waffe in dem Kampfe um den Exarchat dienen, und sie war wahrscheinlich bestimmt, füge ich gleich hinzu, dem frän30 kischen Hofe vorgelegt zu werden; denn es fehlt auffälligerweise unter den Attributen des Kaisers im Protokoll das sehr gewöhnliche Francicus (vgl. Grauert a. a. D. 4, S. 62); dies Attribut, darf man vermuten, ist von dem Fälscher absichtlich aus Rücksicht auf die Franken weggelassen worden.

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Anspruch auf den Exarchat hat nun nachweislich zuerst Papst Stephan II. (752 bis 35 757) erhoben. Schon in den Verhandlungen mit dem fränkischen Hofe im Jahre 754 spielte dieser Anspruch eine große Rolle, und schon damals muß der Papst behauptet haben, daß er nicht auf Eroberung neuer Gebiete ausgehe, sondern lediglich Rückgabe ehemaliger Befihungen des hl. Petrus begehre. Denn in seinen Briefen an den fränkischen Hof aus den Jahren 754-757 geht er durchweg von dieser Anschauung aus. Diese 40 Anschauung entsprach jedoch keineswegs der Wirklichkeit. Sie war eine Fiktion, eine Fiktion, deren der Papst sich bediente, um die Franken seinen Wünschen gefügig zu machen. Es ist nun kaum denkbar, daß man diese Fiktion geltend machte, ohne Beweise" für sie vorzulegen. Solche Beweise mußte man aber erst fabrizieren. Das Verhalten Stephans im Jahre 754 fordert also geradezu die Annahme, daß er mit gefälschten Urkunden 45 operierte, und legt eben dadurch die Vermutung nahe, daß das constitutum vor seiner Abreise an den fränkischen Hof in Rom gefälscht wurde, um die Franken von seinem Rechte zu überzeugen. Nimmt man diese Vermutung an, dann muß man andererseits die Abfassung der Urkunde in die Zeit unmittelbar vor Stephans Abreise verlegen. Stephan ist nämlich als Bewerber um die Herrschaft über den Exarchat erst aufgetreten, 50 als sein Hilfegesuch an Kaiser Konstantin V. Kopronymos sich als wirkungslos erwiesen, und er die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß er von dem Kaiser nichts mehr zu hoffen, aber auch nichts mehr zu fürchten habe. Kurz vor seiner Abreise langte nun aber doch noch ein kaiserlicher Gesandter in Rom an, der ihn belehrte, daß Konstantin seine Ansprüche auf den Exarchat keineswegs aufgegeben hatte. Man mußte also an der Kurie to jest mit der bisher kaum recht gewürdigten Möglichkeit rechnen, daß der Kaiser gegen die Forderung des Papstes am fränkischen Hofe Einspruch erheben werde. Um diesem sicher zu erwartenden Einspruch, der später thatsächlich erfolgt ist, begegnen zu können, fälschte man, schließe ich, kurz vor Stephans Abreise, 14. Oktober 753, unser constitutum. Es fragt sich nun, ob die Form der Urkunde, die Ausdrucks- und Anschauungsweise des 60 Fälschers diesen auf historische Erwägungen gegründeten Ansah rechtfertigen. Was zunächst

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