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Der Krieg, in seiner äußeren Erscheinung und unmittelbaren Wirkung unstreitig ein Übel und eine Folge der Sünde, läßt gleichwohl eine sehr verschiedene Betrachtungsweise zu. Richtet man den Blick auf die Leiden und Schrecken, die jeder Krieg mit sich führt, auf die Opfer an Menschenleben und an Familienglück, an Wohlstand und an Erwerbskräften, die er fordert, auf die Erbitterung, die er zwischen den Völkern pflanzt, auf die 5 Entfesselung böser Leidenschaften, die er in seinem Gefolge hat, erwägt man vollends, daß jene Opfer dermalen in hohem Maße schon von der permanenten Kriegsrüstung unserer Staaten erheischt werden und den Völkern nachgerade unerschwingliche Lasten aus dieser Rüstung erwachsen, daß ferner eben diese von Waffen starrende Haltung der Mächte eine stete Kriegsdrohung in sich schließt und dadurch eine lähmende Unsicherheit in den fried- 10 lichen Verkehr der Nationen bringt, Handel und Wandel und gemeinnüßige Unternehmungen hemmt: so möchte man das entschiedene Verdammungsurteil, das gewisse christliche Parteien, wie die Quäker, Mennoniten u. a. über den Krieg schlechthin fällen, für gerechtfertigt halten. Allein diese Betrachtungsweise ist einseitig und ihre biblische Begründung auf bekannte Äußerungen Jesu in der Bergpredigt (Mt 5, 39) ist geradezu falsch. Im 15 Himmelreich, das Gerechtigkeit, Friede und Freude im hl. Geist ist, hat freilich der Krieg feine Stätte, und die Ausgestaltung des göttlichen Heilswerkes in der Menschheit zielt auf einen Zustand ab, aus welchem er vollständig verbannt sein wird (Jes 2, 4; Mi 4,3; Offb. Jo 20, 4). Aber die Zukunft läßt sich nicht antizipieren, und in die Zeit samt ihren Unvollkommenheiten und übeln soll der Christ, dieweil er in ihr lebt, sich schicken (Rö 20 12, 11).

Zudem ist eine andere Betrachtungsweise des Krieges nicht bloß statthaft, sondern drängt sich vom biblischen Standpunkte geradezu auf. Wenn Mose (Er 15, 3) sagt: „der Herr ist der rechte Kriegsmann", und David (Ps 9. 18. 60 u. ö.) bald sein friegerisches Thun dem Beistand des Herrn mit gläubiger Zuversicht empfiehlt, bald und 25 mit Vorliebe das gerechte Walten Gottes unter dem Bilde der Kriegführung schildert, so kommt darin eine höhere Wahrheit zum Ausdruck, die nicht verkannt, auch nicht etwa auf die Zeit des alten Bundes in ihrer Geltung beschränkt werden soll. Denn das Neue Testament spricht nirgends in unbedingt verwerfendem Sinne gegen den Krieg. Johannes der Täufer mutet den Kriegsleuten Lc 3, 14, Jesus dem Hauptmann von Kapernaum 30 Mt 8, 5, Petrus dem Kornelius AG 10 kein Verlassen ihres Berufes zu, und in der Offenbarung Johannis erscheint nicht nur Kap. 6, 4 hinter dem Worte Gottes auf dem weißen Pferd V. 2, der Reiter auf dem roten Pferd, die Personifikation des Krieges, als von Gott gesendet und mit dem großen Schwert ausgerüstet, sondern Kap. 19, 11 ff. zieht der Herr selbst zum letzten Kampf und Sieg aus in der Gestalt eines Kriegsfürsten an 35 der Spitze seines Heeres, und der in der Sonne stehende Engel V. 17 ruft mit großer Stimme den Vögeln des Himmels: Kommt und versammelt euch zu dem Abendmahl des großen Gottes."

Wir werden daher nicht wie Hegel (Rechtsphilosophie § 324) das Jammern über den Krieg als eine feige Weichlichkeit verspotten, auch nicht mit dem Historiker Heinrich Leo 40 einen frischen fröhlichen Krieg" als Arznei gegen die Skrophulosität unseres Geschlechts herbeiwünschen, wohl aber zugeben, daß der Krieg als göttliches Verhängnis oft eine für das Ganze wohlthätige, luftreinigende, das Leben der Völker steigernde Wirkung nach sich läßt, und daher seine geschichtliche Notwendigkeit begreifen.

Das Recht des Krieges aber gründet sich klar darauf, daß der Obrigkeit das 45 Schwert von Gott gegeben ist zur Strafe über den, der Böses thut (Rö 13; 1 Pt 2). Gleichwie sie solche Macht übt zur Aufrechthaltung von Zucht und Ordnung, Geset und Recht im Innern des Gemeinwesens, so hat sie auch nach außen dasselbe zu schützen und zu verteidigen die unzweifelhafte Pflicht und würde ihren Beruf versäumen, wo sie es nicht thäte. Von diesem Gesichtspunkt aus entwickelt Luther die evangelische Anschauung 50 vom Krieg in seiner bekannten kleinen Schrift: „Ob Kriegsleute auch in seligem Stande jein können? Er handelt gründlich ab, daß die Unterperson niemals wider die Oberperson, diese gegen jene nur im Falle des Aufruhrs, Gleicher wider Gleichen aber dann mit gutem christlichen Gewissen kriegen möge, wenn er ungerechterweise angegriffen und herausgefordert sei. Kriegslust sei verdammlich und führe ins Unglück (2 Kg14), kriegen 55 um des Krieges willen sei Sünde, Notkrieg aber Pflicht der Obrigkeit. Demnach fällt die gerechte und dem Christen erlaubte Kriegführung unter den Begriff der Notwehr. Was ferner die Beteiligung des einzelnen Christen am Krieg anlangt, so ist dies eine Frage des Gehorsams gegen die Obrigkeit. In einem aus gerechter Ursache zum Schuße des Vaterlandes und des guten Rechts unternommenen Krieg kann der Christ mit aller 69

Freudigkeit ausziehen und als Kriegsmann seine Schuldigkeit thun. Das Recht seiner Obrigkeit zum Krieg zu prüfen soll ihm nicht verwehrt sein, aber wo nicht einem ausdrücklichen Willen Gottes zuwider gehandelt wird, soll er die gewisse Pflicht des Gehorsams über die ungewisse, von ihm weder zu entscheidende noch zu verantwortende 6 Rechtsfrage stellen. Die Rechenschaft hat er nicht zu geben. Dagegen schärft Luther nachdrücklich ein, daß Rauflust, Ehrgeiz, Beutesucht, Hang zu Abenteuern schlechte Antriebe und Reizmittel seien, mit denen ein christlicher Kriegsmann unverworren bleiben müsse; ihm zieme vielmehr, in Demut und Bußfertigkeit sich vor Gott zu beugen, sich des zu trösten, daß er in einem gottgeordneten Berufe streite, und dann mutig und tapfer drein10 zuschlagen. (Vgl. das herrliche Gebet am Schlusse der Schrift.)

Die evangelische Ethik hat dieser Anweisung des Reformators wenig beizufügen. Es ist nicht zulässig, das Unrecht und die Verantwortung eines Krieges und aller seiner Übel demjenigen zuzuschieben, der die ersten kriegerischen Akte vornimmt, 3. B. die Kriegserklärung zuerst absendet, das feindliche Gebiet zuerst betritt. Die Notwehr ist im Völkerrecht 15 anders als im Privatrecht zu beurteilen. Wohl aber muß der Eröffnung der Feindseligkeiten die Erschöpfung aller friedlichen Mittel, der Unterhandlung und der Drohung voraus, gehen, damit der Gegner ins offenbare Unrecht gesetzt werde. Als ein rechtmäßiger Krieg wird auch die dem Bundesgenossen vertragsmäßig oder aus anerkannt sittlichen Beweggründen geleistete Hilfe angesehen; der bare nackte Egoismus steht auch einem christ20 lichen Volke übel. Ein schwieriges Kapitel aber ist das sogenannte Interventionsrecht welches neuerdings ziemlich allgemein vertreten wird; und nicht minder bedenklich scheint die Frage, ob in Sachen des Reiches Gottes das Schwert zu ziehen schlechthin verboten sei, gemäß Mt 26, 52. Die Kriegslist hat von jeher als erlaubt gegolten und kann aus der Reihe der erlaubten Kampfmittel um so weniger ausgeschlossen werden, als sie 26 zur Abkürzung des Kriegs und zur Vermeidung von Blutvergießen oft wesentlich beiträgt. Wenn ferner Luther noch neben Schlagen und Würgen auch Rauben und Brennen als unvermeidliche, dem Feinde zuzufügende übel kennt und nennt, so freuen wir uns der humaneren Grundsäge, die in der modernen Kriegsführung wenigstens theoretisch herrschen und praktisch allmählich durchdringen, wonach Leben und Eigentum der Privatpersonen 30 ungestörte Sicherheit im Krieg genießen sollen, alle Personen aber, Gegenstände, Einrichtungen, die der Pflege der Verwundeten und Kranken gewidmet sind (Rotes Kreuz), als gänzlich außerhalb des Kriegszustandes befindlich betrachtet und behandelt werden. Überhaupt ist zu betonen und wird auch nicht mehr bezweifelt, daß der einzige rechtmäßige Zweck des Krieges die Herstellung des Friedens und der gestörten Rechtsordnung sei, und 35 daß dem Feinde nur soviel Schaden dürfe zugefügt werden, als die Sicherung dieses Zweckes erfordert.

Mit dem hier über den Krieg selbst Gesagten ist bereits gegeben, daß die für den Kriegsfall im Frieden schon getroffenen Anstalten und Einrichtungen für den Christen zu Recht bestehen, daß er, je nach den Gesezen seines Staates, die Dienstpflicht im Heere 40 leisten, den Fahneneid schwören, in die eigentümliche militärische Disziplin sich fügen muß, desgleichen den Stand eines Berufsfoldaten (Offiziers) wählen darf und, wenn einmal in denselben eingetreten, die besonderen Pflichten dieses Standes erfüllen muß, endlich an der Entscheidung über Krieg und Frieden als Staatsbürger mittelbar oder unmittelbar teilzunehmen hat.

45 Ganz anders freilich hat sich das christliche Altertum über Krieg und Kriegsdienst ausgesprochen. Man berief sich, in leicht zu beseitigendem Mißverstand, auf Jesu Wort an Petrus: „Wer das Schwert nimmt, soll durchs Schwert umkommen" Mt 26, 52, und war, mit besserem Recht, dem Dienst der Waffen abgeneigt wegen seiner vielfachen Vermischung mit abgöttischen Gebräuchen und Zaubereisünden. Hauptsächlich aber fiel den 50 Christen der ersten Jahrhunderte der Staat und das gottfeindliche Wesen dieser Welt zu sehr in Eins zusammen. So schreibt Tertullian de idolol. 19:,,non convenit sacramento divino et humano, signo Christi et signo diaboli, castris lucis et castris tenebrarum, non potest una anima duobus deberi, Deo et Caesari", und während er zugiebt, daß im Alten Bunde und noch bei Johannes dem Täufer der Krieg er55 laubt scheine, behauptet er:,,omnem postea militem Dominus in Petro exarmando discinxit". Noch stärker spricht er in der montanistisch gerichteten Schrift de corona militis 11 sich aus, wo er einen Soldaten verherrlicht, der den Festkranz aufzusehen sich weigerte und deshalb von manchen des unzeitig gesuchten Martyriums bezichtigt wurde: ,,Licebit in gladio conversari, Domino pronuntiante gladio periturum qui 60 gladio fuerit usus? Et proelio operabitur filius pacis, cui nec litigare con

veniet? Et vincula et carcerem et tormenta et supplicia administrabit, nec suarum ultor injuriarum? etc." Doch glaubt man an eben dieser Stelle zu bemerken, daß Tertullian sich der Zustimmung zu einem absoluten Verbot des Kriegsdienstes nicht ganz versichert hält, da er, obwohl für seine Person dazu geneigt, doch nicht darauf bestehen will:,,de prima specie quaestionis, etiam militiae ipsius inlicitae, plura 5 non faciam, ut secunda reddatur", d. h. ich will auf das eine nicht zu sehr dringen, damit mir das andere, das Verbot der Bekränzung, desto eher zugegeben werde. Denn thatsächlich war es ja, troz aller Bedenken der kirchlichen Schriftsteller, so, daß viele Christen damals schon im Heere dienten, vgl. Apolog. 42:,,navigamus et nos vobiscum et militamus", und ad Scap. 4 cf. Apolog. 5, wo Tertullian erzählt, daß die Fürbitte 10 christlicher Soldaten dem Markus Aurelius auf einem deutschen Feldzug wohlthätigen Regen verschafft habe.

Als mit Konstantins Regierung das Verhältnis zwischen Staat und Kirche freundlich fich gestaltete, traten auch die früheren Einwendungen mehr und mehr zurück. Augustinus, der mit hochgestellten Staatsmännern in persönlichem und brieflichem Verkehr stand, wie 15 mit Marcellinus und Bonifacius, sieht den Krieg als eine Wohlthat an:,,cui licentia iniquitatis eripitur, utiliter vincitur, quoniam nihil est infelicius felicitate peccantium, qua poenalis nutritur impunitas et mala voluntas velut hostis interior roboratur", und den Waffendienst als gottgefällige Anwendung einer Gottesgabe: virtus tua etiam ipsa corporalis donum Dei est; sic enim cogitabis de dono 20 Dei non facere contra Deum (ep. 207 ad Bonif. cap. 4; 138 ad Marcell. 12); er fragt in seinem Werke gegen den Manichäer Faustus (lib. 22, cap. 74. 75): „,quid culpatur in bello? an quia moriuntur quandoque morituri, ut dominentur in pace victuri? hoc reprehendere timidorum est, non religiosorum"; er unterscheidet auch schon zwischen der Verantwortlichkeit der Oberperson und der Unterperson 25 ganz wie Luther:,,ita ut fortasse reum faciat regem iniquitas imperandi, innocentem autem militem ostendat ordo serviendi".

Es verstand sich von selbst, daß aller Widerspruch gegen den Krieg verstummen mußte, als es galt, die germanischen Stämme der Kirche einzuverleiben. Nur mäßigend, mildernd, oder auch schreckend konnte die Kirche auf die wilde unzähmbare Kampflust ihrer Neu- 30 befehrten wirken durch die treuga Dei, die Unverleglichkeit aller heiligen Stätten und Bezirke u. dgl. Begeisternde Aufforderung aber zum Krieg ließ die Kirche ergehen in den Kreuzzügen, die als Kriege Gottes selbst gleich denen Josuas und Davids dargestellt wurden; und nachdem die lehte Scheu, welche sonst jeden auch entfernten Anteil am Blutvergießen der Kirche wehrte, geschwunden war, deckte man auch die Greuel der Albigenser- 35 kriege, der Waldenserverfolgung, der Ausrottung der Stedinger mit dem Schild der göttlichen Ehre.

Die deutschen Reformatoren bildeten ihre oben dargelegte Anschauung an den in ihre Zeit fallenden Anlässen des Bauernaufruhrs und des Türkenkriegs. Das Recht, ja die Pflicht, jenen zu dämpfen, diesen mit allem Nachdruck zu führen, folgte ihnen aus dem 40 obrigkeitlichen Beruf, von welchem Luther in seiner Schrift,,von weltlicher Oberkeit", die Augsb. Konfession art. XVI, die Apologie 217, zuerst seit der Apostel Tagen wieder richtig lehrten. Auch in einer anderen ihnen je länger je näher tretenden Frage blieben Luther ganz und Melanchthon ziemlich fest bei ihrer einmal gewonnenen christlichen Überzeugung: ob es nämlich statthaft sei, zum Schutz des Evangeliums und der Gewissens- 45 freiheit gegen die rechtmäßige Obrigkeit, sc. gegen den Kaiser, Krieg zu führen? Nur mit schwerem Herzen und nur auf das Gutachten der Juristen, die aus dem weltlichen Recht ihren Beweis schöpften, gab Luther den schmalkaldischen Bund zu. Anders standen in diesem Punkt die Calvinisten. (Vgl. die sehr lehrreichen und ausführlichen Mitteilungen in v. Polenz Geschichte des französ. Calvinismus, Bd III.) In der Schrift Junius Brutus, 50 einer Hauptquelle des sog. hugenottischen Staatsrechts, wird sogar verlangt, daß benachbarte Fürsten den wegen der wahren Religion gedrückten oder offenbarer Tyrannei erhegenden Unterthanen anderer Fürsten Hilfe leisten, also der Religionskrieg zur religiösen Pflicht gemacht! (a. a. D. S. 326 ff.). Die neuerdings aufgetretenen Bestrebungen zur Herstellung des allgemeinen Weltfriedens, nach vorangegangener Abrüstung der Weltmächte, 55 geben weniger von christlichen Gesichtspunkten oder Grundsätzen aus, als von der unbestreitbaren drückenden Belastung und fortwährenden Bedrohung der Völker durch die Kriegsbereitschaft aller Staaten, und sind mit einem sentimentalen Zug behaftet, der sie dem Spott preisgiebt.

Wir wenden uns nun zum anderen Teil unserer Aufgabe. Die in der ältesten co

Christenheit angestrebte, wenn auch nie ganz durchgesetzte Enthaltung aller Christen vom Waffendienste blieb als strenges Verbot für die Kleriker aufrecht. Ihr Dienst am Heiligtum vertrage sich nicht mit Blutvergießen. Ein militierender Kleriker sollte abgesezt, einer, der früher als Christ militiert hatte, in den Klerus nicht aufgenommen wer 5 den (Richters Kirchenrecht, 4. Aufl., § 94). Das Verbot mußte aber oft wiederholt und unter Strafdrohung eingeschärft werden. Abgesehen von den streitbaren Mönchshausen der morgenländischen Kirche und von den Circumcellionen und Agonisten der donatistischen Zeit in Afrika, war es besonders der deutsche höhere Klerus, dem die Lust zum Waffenhandwerk tief im Blute saß. Schon 712 kommt ein Bischof als fränkischer Feldherr vor 10 (Ann. s. Amandi). 865 tadelt Papst Nikolaus die fränkischen Bischöfe, die von einer Synode wegblieben, um die Küsten gegen Seeräuber zu bewachen. Als dann die höheren kirchlichen Würden meist den fürstlichen und adeligen Familien zur Versorgung ihrer jüngeren Söhne dienten und mit der Mehrung des kirchlichen Besizes an Land und Leuten die Lehnspflicht von Bischöfen und Äbten zu erfüllen war, kamen Kriegshelden, wie der Erzbischof Chri15 stian von Mainz, der Feldherr Friedrich I. Rothbarts, nicht eben selten vor.

Nach dem Hinfall des Feudalwesens und dem Emporkommen des landesfürstlichen Regiments trat der Grundsaß der Befreiung des geistlichen Standes von allem persönlichen Kriegsdienst in volle Kraft und blieb in Geltung bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Seitdem aber ist die Frage von neuem aufgetaucht und wird lebhaft ver20 handelt, ob es recht, ob notwendig, ob zweckmäßig sei, auch die Geistlichen und die, welche es werden wollen, zur Ableistung des Wehrdienstes heranzuziehen.

Was den Rechtspunkt anlangt, so kann sich der geistliche Stand auf eine Immunität berufen, die bis in die Tage Konstantins d. Gr. zurückreicht. Der Dienst am Reiche Gottes, für welches die Geistlichen unmittelbar zu wirken haben, verträgt sich nicht mit 25 dem rein weltlichen Beruf des Soldaten, der Universalismus der Kirche nicht mit den im Kriege stets vorwiegenden partikularistischen Interessen der Staaten. Die durch den Akt der Ordination geschehene Verpflichtung für den Kirchendienst muß daher von Rechtswegen der allgemeinen Wehrpflicht unbedingt derogieren (Martensen, Ethik III, 286).

Keinen Rechtsgrund wüßten wir dagegen geltend zu machen für Befreiung der 30 angehenden Kirchendiener, der Theologie Studierenden und nicht ordinierten Kandidaten, sofern in dem betreffenden Staat die allgemeine Wehrpflicht zu wirklicher Durchführung gelangt. Finden aber Ausnahmen statt, so sprechen unseres Erachtens keine Gründe der Notwendigkeit für, erhebliche Zweckmäßigkeitsgründe gegen die Einreihung der künftigen Kirchendiener ins Heer. Subordination und pünktlichen Gehorsam wird der Theologe 35 wohl in einer anderen Schule lernen und sich aneignen müssen, als in der Kaserne und auf dem Ererzierplay. Seine körperliche Ausbildung mag er durch die an jeder Universität reichlich gepflegten Übungen des Turnens, Schwimmens, Reitens nach Lust, Gabe und Vermögen fördern. Daß er mit der blanken und mit der Schießwaffe umzugehen verstehe, halten wir nicht für notwendig, eher für schädlich, denn in der Kenntnis liegt auch die 40 Versuchung des Gebrauchs, der dem Geistlichen durch sein Amt versagt ist. Geist und Sitte des Heeres zu veredeln, ist gewiß eine schöne Aufgabe. Aber der Theologe leistet dafür das Seinige als Lehrer und Erzieher der Jugend; was die Studierenden, die als Einjährigfreiwillige in Universitätsgarnisonen doch mehr nur unter sich verkehren, für diesen Zweck beitragen, möchte nicht hoch anzuschlagen sein. Daß vaterländische Gesinnung und 45 Loyalität vom Durchgang durch das Heer eine wesentliche Förderung erführe, die nicht auch anderweitig zu erlangen wäre, wird man uns nicht glauben machen.

Notwendig also wird der Kriegsdienst der Theologen nicht sein. Zweckmäßig aber erscheint ihre Befreiung. Sie macht einen Vorzug des geistlichen Standes aus, und wir sind so frei, es ganz gerecht zu finden, daß ein solcher Vorzug diesem Stande ein50 geräumt werde. Der Staat thut nur gut und weise, wenn er die Diener der Kirche auszeichnet und unterscheidet; sie vergelten es ihm reichlich. Vom kirchlichen Standpunkt aus aber muß dringend gewünscht werden, daß unseren jungen Theologen die Zeit ihrer wissenschaftlichen Ausbildung nicht durch einen Dienst geschmälert werde, der ihrem späteren Beruf so völlig fern liegt, der sie geistig zerstreut und von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenkt, der 55 endlich so beträchtliche Geldopfer erheischt.

Im Fall eines ausbrechenden großen und notwendigen Krieges, bei dem das Heil und die Ehre des Vaterlandes auf dem Spiele stünden, würden selbstverständlich alle hier genannten Gründe und Erwägungen verschwinden, und jeder Theologe und Kandidat, der noch nicht förmlich in den geistlichen Stand aufgenommen ist, sich bereitwillig zur Ver60 fügung stellen. Sie würden aber selbst dann als Krankenpfleger und Felddiakonen

wertvollere und ihres Berufes würdigere Dienste thun und so den durch ihre Befreiung entstehenden Ausfall an Kombattantenzahl überflüssig ersehen. Nachdem neuestens die angehenden Volksschullehrer durch die bestandene Seminaraustrittsprüfung das Recht zum Einjährigfreiwilligendienst erlangen, die katholische Kirche aber für ihre Theologen Befreiung vom Militärdienst ausgewirkt hat, bleibt nur ein Zugeständnis übrig, um welches 5 die evangelischen Kirchenregierungen sich bemühen sollten, daß nämlich die ihr Jahr abdienenden Studierenden und Kandidaten der Theologie wenigstens von der speziellen Ausbildung zu Offiziersdienstadspiranten bezw. Unteroffizieren ausgeschlossen und damit von den zwei Reserveübungen befreit würden, die am allerschädlichsten in das Universitätsstudium eingreifen. Auch die mit jener Ausbildung befaßten Instruktionsoffiziere wären dadurch 10 einer Arbeit überhoben, die ihnen, weil praktisch wertlos, keinerlei Befriedigung gewährt. Denn ehe der Kandidat wirklich Reserveoffizier wird, muß er bei seiner Ordination sich von der Adspirantenliste doch streichen lassen. Karl Burger.

Kriegswesen bei den Hebräern. — Litteratur: Die ältere einschlägige Litteratur fin Ugolini, Thesaur. Vol. XXVII. Von Neueren sind zu nennen: Ewald, Geschichte 15 Israels II, 600 ff.; Saalschüß, Mosaisches Recht 285 f. 641 ff.; die Archäologien von Jahn, de Bette, Saalschüß, Ewald, Keil, Visser, Benzinger, Nowack; die Artikel Krieg, Festungen, Waffen 2c. in Schenkels Bibellexicon, Winers Realwörterbuch, Riehms Handwörterbuch, Encyclopaedia Biblica u. a.; F. Schwally, Semitische Kriegsaltertümer I: Der heilige Krieg in Israel, Leipzig 1901. Für das ägyptische und assyrische Kriegswesen vgl. Wilkinson, 20 Manners and customs of ancient Egyptians I, 282; Ermann, Ägypten 686 ff.; Layard, Niniveh und seine Ueberreste (übers. von Meißner), Leipzig 1850, 356ff.

I. Das Heer. Ein ständiges Heer haben die Israeliten erst in der Königszeit erhalten. Aber von jeher war jeder Erwachsene und Kampffähige natürlich auch kriegspflichtig. Wenn der Beduinenstamm auf Raub auszieht oder gegen seinen Feind, so ist 25 selbstverständlich jedes Glied des Stammes, das Waffen tragen kann, dabei. Wenn im Priestergeses (Nu 1, 2 f.; 26, 2; vgl. 2 Chr 25, 5) bestimmt wird, daß vom 20. Lebensjahre an der Mann waffenfähig und kriegspflichtig sein soll, so mag das wohl auch alter Sitte entsprechen und man darf vielleicht daraus schließen, daß in alter Zeit die Aufnahme der Jünglinge unter die vollberechtigten Mitglieder des Stammes, d. h. die Krieger, im 20. Jahre 30 stattfand. Jedenfalls dürfen wir den Zeitpunkt nicht später ansehen, eher früher. Die Erzählungen über die sogenannte Richterzeit geben uns ein anschauliches Bild der Zustände in dieser Hinsicht. Galt es, einen Beute- und Eroberungszug zu machen, oder war der Feind hereingebrochen, so sammelten sich die waffenfähigen Männer des Geschlechts oder der Nachbarschaft um ein freiwillig anerkanntes Oberhaupt, den tapfersten aus 35 ihrer Mitte (Ni 11, 1 ff.). War die Gefahr groß, reichte die Macht des Geschlechts und Stamms nicht aus, so riefen eilends ausgeschickte Boten die befreundeten Geschlechter zu Hilfe. Als die Stadt Jabes in Gilead von den Ammonitern hart bedrängt war, sandte fie Boten durch das ganze Gebiet Israels; und Saul, der sich vom Geiste Gottes ergriffen an die Spitze stellte, schickte seine Boten mit den Stücken der zerteilten Rinder im 40 Lande umher, alles Volk zur Heeresfolge aufzubieten (1 Sa 11, 3 ff.). War dann der Feind besiegt, so kehrte jeder wieder mit seiner Beute nach Hause zurück. An große Kriege und Schlachten und an gewaltige Kriegsheere darf man dabei natürlich nicht denken. Bei dem Einfall der Feinde handelt es sich eben um Ghazu's, Streifzüge von Beduinenscharen ins bebaute Land zum Zweck der Brandschaßung des Bauern, wie solche bis heute 45 in jenen Gegenden an der Tagesordnung geblieben sind, wenn nicht eine starke Regierung die Beduinenstämme der Grenzgebiete in Ruhe hält. Auch die in den alten, historisch wertvollen Erzählungen angegebenen Zahlen sind sehr bescheidene: Gideon hat bei seinem Zug gegen die Midianiter 300 Mann um sich (Ri 7, 16); der Stamm Dan zählt 600 waffenfähige Glieder (Ri 18, 11). Größere Massen sind nur in dem im Deboralied ge- 50 schilderten Kampf gegen Sisera, der die Mehrzahl der Stämme einigte, versammelt; die Gesamtzahl der waffenfähigen Männer Israels wird auf 40 000 angegeben, und lange nicht alle von diesen folgten dem Ruf der Debora (Ri 5, 8, vgl. 4, 14).

Erst das Königtum brachte den Israeliten ein stehendes Heer. War man im Kampf gegen die Nomadenhorden, die von Osten und Süden her ihre Streifzüge machten, mit 55 der alten Sitte zur Not ausgekommen, daß man jeweils die waffenfähigen Männer erst zum Kampf aufbot, so war man mit dieser Einrichtung dem neuen Feinde, den Philistern nicht gewachsen. Denn diese waren ein kriegsgeübtes Volk mit verhältnismäßig größerem und gut bewaffnetem Heer. Schon Saul hat die Notwendigkeit eines stehenden Heeres

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