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wirkte die katholische (ultramontane) Partei nicht nur in Belgien selbst viele Zwistigkeiten, sondern ihr Einfluß erstreckte sich über die Grenzen des Landes hinshaus, nach Preußen, wo der Erzbischof von Cöln, FreiTiherr von Droste-Vischering, dieselben Grundsäge gegen seine Regierung verfocht, aber zulegt bekanntlich den Kürzern zog. Das Ministerium de Theur dankte nun ab und an seine Stelle trat das Ministerium Lebeau, welches sofort ein Amnestie-Gesetz erließ und ein Anleihe von 90 Millionen Fr. creirte (März 1840), weil man sowohl Schulden decken, als die großen im Fortschritt begriffenen Eisenbahnbauten unterstügen mußte. (Die Regierung nahm 4000 Actien auf die Fortsehung ihrer großen Eisenbahn von Lüttich auf preußischen Boden, über Aachen nach Cöln). Als im Jahre 1840 die vier Großmächte ohne Zuziehung Frankreichs den sogenannten Juli-Vertrag (15. Juli 1840, zu Gunsten der Integrität der Türkei) geschlossen hatten, und das Ministerium Thiers, welches den Pascha von Legyp= ten und seine Pläne begünstigte, so gereizt war, daß es ihnen, durch große Rüstungen, den Krieg drohte und die Rheingrenze wieder zu erobern Lust bekam 1! (weshalb auch in ganz Deutschland das Lied von Niclas Beder,,Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!" so großen Beifall fand), mußte natürlich auch Belgien wieder für sein Gebiet fürch= ten. Die Kammern beschlossen deshalb eine stärkere #Bewaffnung der Festungen und Vermehrung des Heeres, um eintretenden Falles vorbereitet zu sein und allen Mächten gegenüber neutral zu bleiben. Die Aufregung der Franzosen endete indeß bald mit der Abdankung des kleinen Thiers. Seitdem nahm Belgien an Macht, Wohlstand und Einwohnerzahl (jegt 4,500,000) fortwährend zu, und weise Institutionen und Geseze verstärkten das Vertrauen zwischen

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König und Volk immer mehr, so daß das Land jezt unter den Reichen Europa's keinen unbedeutenden Rang einnimmt. Zu den großen organischen Gesezen sagt der erwähnte Profeffor Arendt welche die von der Verfassung aufgestellten Grundprincipe der geselligen Ordnung zu verwirklichen bestimmt sind, ist noch das Gefeß über die Prüfungsjury zu nennen. Die Freiheit des Unterrichts, in so absoluter Weise fie auch proclamirt ist, schließt doch nicht die Nothwendigkeit aus, den Beweis besonderer Befähigung für die Ausübung besonderer Professionen zu liefern. Der Staat kann das Recht dazu nur Denjenigen ertheilen, die diesen Beweis geführt haben. Da in Folge der Unterrichtsfreiheit aber Niemand angehalten werden kann, die Staatsuniversitäten oder sonst eine bestimmte Lehranstalt zu besuchen, so konnte auch keiner derselben, ohne parteilich zu sein und ein Privilegium zu ihren Gunsten zu errichten, die Prüfung der Candidaten für den Arzt- und Advocatenstand übergeben wer= den. Um die nöthigen Garantieen auch in dieser Be= ziehung herzustellen, errichtete das Gesetz eine besondere Institution, die große Prüfungsjury genannt, und segte zugleich fest, daß, um das Recht der gerichtlichen Praxis zu erhalten, man vor dieser Zurg drei Examina bestehen, und in Folge derselben die Diplome eines Candidaten der Philosophie, eines-Candidaten/des Rechts und eines Doctors der Rechte erhalten haben müsse. Um zur ärztlichen Praxis zugelassen zu wer den, find die Diplome eines candidat en sciences, eines Candicaten der Medicin und eines Doctors der= felben erforderlich. Die Prüfungsjury besteht aus sechs besonderen Commissionen, deren eine die Diplome in der Philosophie giebt — (man hat auch den Doctortitel in der Philosophie eingeführt, welcher für alle Diejenigen nothwendig ist, die sich um eine Stelle an den Collegien oder den philosophischen Facultäten

der Universitäten bewerben); drei andere die Diplome der Candidatur der Natur- und exacten Wissenschaften, in denen es ebenfalls einen Doctortitel giebt, der Candidatur des Rechts und der Medicin; zwei andere endlich die Doctordiplome für das Recht und die Medicin ertheilen. Eine jede dieser Commisfionen besteht aus sieben wirklichen Mitgliedern und eben so viel Stellvertretern. Zwei von diesen Mitgliedern werden von der Kammer, zwei vom Senat und drei von der Regierung, die Stellvertreter in demfelben Verhältnisse ernannt. Ihre Functionen dauern ein Jahr, während dessen die Jury zwei Sigungen, um Ostern und im August bis September, hält. Alle Individuen, die es verlangen, werden zum Examen der ersten Grade gelassen, ohne daß sie sich irgendwie 1. über den erhaltenen vorbereitenden Unterricht anders als durch die Prüfung selbst auszuweisen hätten. Zu den nachfolgenden Geaden wird man zugelassen, wenn man das Diplom des unmittelbar vorhergehenden Grades aufzeigen kann. Die Universitäten des Staats sowohl, wie die freien, können ebenfalls Diplome extheilen, doch haben dieselben nur eine rein wissenschaftliche, keine öffentliche Bedeutung. Unter den gro= Ben Unternehmungen, welche zur Hebung und Förderung des materiellen Wohlstandes des Landes be= stimmt waren, steht die Ausführung eines umfassenden Systems von Eisenbahnverbindungen oben an. Die Grundidee desselben ist die Verbindung des Rheins mit der Schelde, des westlichen Deutschlands mit der Nordsee, eine Verbindung, zu deren Darstellung Belgien durch seine natürliche Lage vor Allem berufen scheint. Dem deutschen Handel einen schnellen und fichern Weg nach dem Ocean durch belgische Vermittelung zu eröffnen, die drückende Alleinherrschaft, welche Holland bisher auf diesem Gebiete zum allergrößten Nachtheile der deutschen Interessen ausgeübt hatte,

durch die Errichtung einer thätigen Concurrenz vernichten und in dieser Vermittelung neue und leichtere Absaßwege feiner eigenen Producte, neue Quellen zur Hebung des eigenen Handels sich eröffnen

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waren die Zielpunkte, nach denen man strebte und deren Erreichung nach sechsjährigen unausgeseßten, eifrigen, verständig geleiteten Bemühungen jezt gesichert erscheint. Das Verdienst, den ersten Gedanken zu diesem großartigen Unternehmen gefaßt zu ha= ben, gebührt dem Könige Leopold, der die Ausfüh rung desselben, obgleich sie mehrfache Schwierigkeiten fand, von den geschickten und einfichtsvollen Ministern Rogier, de Theur und Nothomb unterstützt, mit großer Festigkeit durchseßte. Im Augenblicke, wo das Gesetz zur Belegung der großen Eisenbahn von Antwerpen bis an die preußische Grenze publicirt wurde, am 1. Mai 1834, waren die Ansichten über die Nüglichkeit, die Art der Ausführung u. f. w. diefer Unternehmungen noch sehr getheilt. Kein Staat auf dem Continent besaß eigene Erfahrungen über die Resultate; die sämmtlichen damals vorhandenen Eisenbahnen betrugen nicht funfzig Stunden Länge, fast Alles war zu schaffen; was in England an Vorbildern bestand, war unter ganz anderen Verhältnissen nicht immer anwendbar, Belgien außerdem nach außen hin noch nicht vollständig constituirt und durch die Nothwendigkeit, seine Armee auf dem Kriegsfuß zu erhalten, zu den allerbedeutendsten Ausgaben verpflichtet. Troß aller dieser Schwierigkeiten ging man mit frischem Muthe und einem Selbstvertrauen, das, vom Throne ausgehend, alle Claffen der Nation durchdrang und durch den Erfolg gerechtfertigt wurde, anʼs Werk. Die Ausführung der Entwürfe fiel dem Staate anheim, und es ist nicht das geringste Verdienst Belgiens, durch sein Beispiel die wichtige, so vielfach bewegte Frage, wer Eisenbahnen bauen solle, ob der Dec. techn. Enc. Th. CCVI.

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Staat oder die Gesellschaften? zu Gunsten des erstern entschieden zu haben. Man darf durch die in Belgien gemachten Erfahrungen als festgestellt ansehen, daß in jedem Lande die Eisenbahnlinien, welche die großen Mittelpunkte der Consumtion zu verbinden bestimmt find, vom Staate ausgeführt werden müssen, während die Herstellung der Zweigbahnen, die die verschiedenen Centren der Production mit jenen Linien in Verbindung segen, der Privatindustrie überlassen werden können."

Die Stürme der legten französischen Revolution, die mit der Vertreibung des Königs Ludwig Philipp endigte (24. Februar 1848) und Frankreich zu einer Republik machte (Präsident Louis Napoleon, Sohn des ehemaligen Königs Ludwig von Holland, seit dem 10. December 1848), gingen an dem Königreich Belgien, das zu verschiedenen Zeiten schon mit dem erwähnten Nachbarstaate in so vielfacher enger Verbindung gestanden hatte, fast spurlos vorüber. Es fehlte zwar nicht an einigen kleinen Versuchen von Seiten der Franzosen, das Land wieder einmal republikanisch zu machen; aber die Bemühungen waren vergeblich. Die über alle Maßen glücklichen Erfolge des so ausgebreiteten Gewerbefleißes und Hondels hatten das Band zwischen Regierung und Volk schon so fest geknüpft, daß die Emissaire mit Schimpf ihren Rückzug nehmen mußten. Die Ruhe ist seitdem im Lande nicht gestört worden...

Wir haben nun noch Einiges über das deutsche Großherzogthum Luxemburg (in früheren Zeiter Lügelburg genannt) zu sagen, und zwar zuerst über das ganze Land, ehe dasselbe in zwei Hälften getheil und an die Niederlande und Belgien vertheilt wurde Das Großherzogthum Luxemburg grenzt an die preu ßischen Rheinlande, Frankreich und an die Provinze Namur und Lüttich. Das Land hatte eine Größe vo

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