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Daß der Stuhl Petri die Fülle der apostolischen Gewalt besize, erklärt Bossuet in seiner berühmten Predigt über die Einheit der Kirche für eine ausgemachte Sache, worin Alle übereinkommen. Ein und derselbe Heiland, welcher den Aposteln die kirchliche Regierungsgewalt verleiht, überträgt sie zuerst dem Einen Petrus, zum deutlichen Beweis dafür, sezt Bossuet hinzu, daß dieselbe Vollmacht, welche der Ge= sammtheit der Apostel verliehen wurde, unabhängig davon von einem Einzigen besessen wird. Dadurch, daß dieselbe Gewalt nachträglich allen Aposteln verliehen wird, wird ihre frühere Verleihung, wobei Petrus für sich allein die Gewalt der Schlüssel erhält, nicht rückgängig gemacht, und eben darum, weil sie schon zuvor dem Petrus allein verliehen worden war, können davon die andern Apostel nicht anders Gebrauch machen, als in Unterordnung unter Petrus. Wer eine Gewalt in Gemeinschaft mit andern Jnhabern derselben besigt, ist in ihrem Gebrauche nothwendig beschränkt. Eine Vollgewalt ist undenkbar außer in einem einzigen Inhaber derselben. Sohin folgt aus der Thatsache, daß Petrus allein vor allen übrigen Aposteln die kirchliche Regierungsgewalt empfängt, nicht bloß ein Ehrenvorrang, sondern auch eine höhere Gewalt desselben. Christus, schließt Bossuet, hat in dem Einen Petrus die ganze Kirche grundgelegt, und wie er selber die Fülle der kirchlichen Gewalt dem Einen Petrus verliehen hat, so bestimmt auch Christus selber das Maß, in welchem sie von den übrigen Aposteln besessen wird. Sie besigen also dieselbe Gewalt wie Petrus, und obschon von ihm in ihrem Gebrauche abhängig, empfangen sie dennoch ihre apostolische Gewalt unmittelbar aus derselben Quelle, so gut wie Petrus unmittelbar von Christus, nicht aber in derselben Ausdehnung, noch in dem gleichen Grade.

Die entgegengesetzte Ansicht von der gleichen Macht der einzelnen Apostel oder die Lehre, daß der kirchliche Primat nicht unmittelbar und direct dem Apostel Petrus verliehen worden sei, sucht man mit dem Ausspruch des Herrn, wo

durch Petrus als der Felsengrund der Kirche bezeichnet wird, durch die Wendung zu vereinbaren, Petrus habe das mit jener Verheißung belohnte Bekenntniß der Gottheit Christi im Namen der Gesammtkirche, beziehungsweise ihrer Häupter abgelegt, und deßhalb sei die darauf erfolgte Verheißung des Herrn nicht unmittelbar und direct an die Person des Petrus gerichtet, sondern vielmehr an die Gesammtkirche, in deren Namen er gesprochen hatte. Diese Auffassung übersieht, daß damals die Kirche noch nicht gegründet war. Wie konnte also Petrus in ihrem Namen sprechen? Allerdings galt jene Verheißung nicht ausschließlich seiner Person, sondern sie bezieht sich auch auf die Kirche, deren Gründung ja dabei verheißen wurde, und unzweifelhaft kommt hier Petrus als Repräsentant der Kirche in Betracht, dennoch ist das Wort des Herrn, daß Petrus der Felsengrund der Kirche sein solle, allein an seine Person und an seine Nachfolger gerichtet, nicht aber an die Gesammtkirche. Nicht also sie selber ist der unmittelbare und ordentliche Inhaber der obersten kirchlichen Regierungsgewalt, sondern diese wird in der Person des Petrus nur insofern der Kirche selber verliehen, als sie Petrus zu dem Zwecke empfängt, damit er der Felsengrund der Kirche sei. So erklärt der Hl. Augustin selber seinen bekannten Ausspruch, Petrus habe, da ihm Christus die Schlüssel des Himmelreichs übertrug, die ganze Kirche vorgestellt. Aber wie? In Anbetracht seiner einzigen Stellung in der Kirche, seines Vorrangs vor den übrigen Aposteln, stellte sich in seiner Person die Gesammtkirche dar1. So versteht St. Augustin die Repräsentation der Kirche durch Petrus. Als ihm Christus das oberste Hirtenamt übertrug, hat er in dem Einen die Kirche selber geformt 2, in dem Sinne nämlich,

1 Tract. 124. in Joann. Nro. 5: Ecclesiae Petrus apostolus propter apostolatus sui primatum gerebat figurata generalitate personam. 2 Serm. 137. cap. 3.

daß ihm zuerst die kirchliche Regierungsgewalt verliehen worden ist; weil er sie aber nicht als einzelner Mensch empfängt, sondern damit er der Mittelpunkt der Kirche sei und damit auf ihm ihre Einheit beruhe, darum konnte St. Augustin sagen, die Einheit der Kirche selber habe in Petrus die Gewalt der Schlüssel erhalten 1. Die Einheit der Kirche ist in Petrus gleichsam persönlich geworden, und weil die Vielen, welche in der Kirche sind, zusammen ihre Einheit ausmachen, deßhalb empfing die Gewalt der Schlüssel ein Einziger an Statt der Vielen, welche an ihrer Ausübung Theil nehmen sollten 2. Es ist derselbe Gedanke, wenn der Hl. Augustin bemerkt, Petrus habe, als er die Gewalt der Schlüssel empfing, darum die ganze Kirche vorgestellt, weil die ihm verliehene Gewalt, zu binden und zu lösen, durch die Kirche selber ausgeübt wird und diese Ausübung einen der wichtigsten Acte des kirchlichen Lebens bildet 3.

Diese und ähnliche Aeußerungen, wo St. Augustin sagt, die Gewalt der Schlüssel sei der Kirche selber verliehen worden, sind gegen die häretische Ansicht gerichtet, daß die den Aposteln verliehene Gewalt der Sündenvergebung bloß ihr persönliches Vorrecht gewesen sei und nach ihrem Tode nicht mehr in der Kirche bestehe. Diesem Irrthum gegenüber machte St. Augustin geltend, Petrus habe die Gewalt der Schlüssel nicht im Interesse seiner eigenen Person, sondern zum Vortheil der Gesammtkirche erhalten. In diesem Sinne also ist Petrus in dem Augenblick, wo ihm der Herr die oberste kirchliche Regierungsgewalt überträgt, der Repräsentant der Kirche, nicht auf Grund einer von den übrigen Aposteln erhaltenen Vollmacht, sondern darum allein, weil

1 Serm. 295. cap. 2.

2 Tract. 118. in Joann. Nro. 4: Ideo unus pro omnibus, quia unitas est in omnibus.

3 Tract. 50. in Joann. Nro. 12.

4 Tract. ultim. in Joann. Nro. 7.

er dem Willen Christi gemäß der Felsengrund der Kirche sein sollte, welcher von der Kirche selber ganz untrennbar ist. Daraus aber, daß die Kirche auf Petrus gegründet ist, folgt nicht allein ihre Untrennbarkeit von Petrus, sondern auch, daß die persönlich ihm verliehene, oberste kirchliche Regierungsgewalt in der Kirche fortdauern und in demselben Maße, wie sie Petrus selber besaß, durch seine Nachfolger ausgeübt werden sollte. So gewiß als die Kirche selber mit ihrem Felsengrunde steht und fällt, ist ihre Unvergänglichkeit davon abhängig, daß Petrus, um mit dem hl. Leo d. Gr. zu sprechen, das Kirchenregiment nicht niederlege 1.

In der obigen Ausführung dürfte der Beweis dafür erbracht worden sein, daß der Apostel Petrus eine höhere Gewalt als die übrigen Apostel von Christus erhalten hat. Auch der Nachfolger Petri oder der Papst besigt daher, δα er dieselbe Stellung in der Kirche einnimmt, eine höhere Gewalt als die Bischöfe. Wie verhält sich aber die päpstliche Gewalt zu der bischöflichen?

Die päpstliche Gewalt ist das Vollmaß der bischöflichen, oder der Primat unterscheidet sich bloß dem Grade nach von der bischöflichen Gewalt, welche ihre vollkommenste Verwirklichung im Papstthum findet, nicht aber bildet dieses, wie man behauptet hat, eine von der bischöflichen verschiedene Art kirchlicher Gewalt. Durch diese Auffassung wollte man die päpstliche Oberhoheit auf ein bloßes Aufsichtsrecht über die Bischöfe herabdrücken und der Ansicht entgegentreten, daß der Papst eine unmittelbare Gewalt über alle Bisthümer habe. Ist aber die päpstliche Gewalt, wie diese Auffassung will, keine wesentlich bischöfliche, so bedeuten die Schrifttexte über den Vorrang des Apostels Petrus höchstens einen Ehrenvorzug vor den andern Bischöfen der Kirche, keine höhere Gewalt. Denn welcher Art die dem Papste kraft göttlicher

1 Serm. 3. cap. 3.

Einsetzung vor den Bischöfen zustehende höhere Gewalt sei, bezeichnet eben die Hl. Schrift an den zwei Stellen, wo dem Petrus die Schlüsselgewalt und das oberste Hirtenamt übertragen wird. Sollen also diese Stellen dem Apostel Petrus eine höhere Gewalt in der Kirche zuerkennen 1, so beruht dieser Vorrang desselben unmöglich auf der Natur der ihm verliehenen Gewalt als solcher, welche der Art nach auch in den übrigen Aposteln, beziehungsweise den Bischöfen dieselbe ist, sondern in der Weise sie zu besigen. Sie wird früher als den übrigen Aposteln dem Petrus allein verliehen, er besitzt sie daher unabhängig von den übrigen Aposteln und ist auch in ihrem Gebrauche von ihnen unabhängig.

Der Unterschied der päpstlichen und bischöflichen Gewalt erhellt deutlich aus dem verschiedenen Zweck der dem Apostel Petrus allein und der den übrigen Aposteln verliehenen Gewalt. Diese erhalten die apostolische oder bischöfliche Gewalt, damit durch sie die Gründung der Kirche vollzogen werde, Petrus aber empfängt den Primat, um der Einheit der Kirche willen. Das ist ein folgereicher Unterschied. Weil nämlich die übrigen Apostel außer Petrus mit ihren außerordentlichen Vollmachten bloß zum Zweck der Kirchengründung ausgerüstet waren, deßhalb empfangen sie die bischöfliche Gewalt in dem nämlichen Grade, wie sie ihnen selber verliehen wird, allein für ihre Person, während die dem Petrus verliehene Gewalt, da darauf die Einheit der Kirche beruht, für immer in der Kirche bestehen und sohin auch in den Nachfolgern Petri fortleben sollte.

1 Die Behauptung des Antonius de Dominis, die ungleiche Gewalt der einzelnen Apostel sei eine menschliche Erfindung und ermangle der biblischen Begründung, hat die theol. Facultät von Paris i. J. 1617 als schismatisch und häretisch verurtheilt; dieselbe Bezeichnung hat i. J. 1647 Innocenz X. der Ansicht gegeben, daß die oberste Kirchengewalt gleichmäßig den zwei Aposteln Petrus und Paulus zukomme, und daß sie zusammen das Eine Haupt der Kirche bilden.

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