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durch den Papst die Kirche regiert, will auch der weiter unten zu erörternde, hochwichtige Lehrpunkt von den Grenzen der päpstlichen Unfehlbarkeit betrachtet sein. Um einzusehen, auf welche Gebiete sie sich erstrecke, muß man sich erinnern, daß durch sie Christus selber sein Lehramt in der Kirche fortsetzt.

XV. Der Begriff einer definitio ex cathedra.

Die unfehlbaren Lehrentscheidungen des Papstes erfolgen nicht auf wunderbare Weise, durch kein unmittelbares Eingreifen Gottes, wie dieses bei der Inspiration Statt findet, damit vielmehr der Papst den göttlichen Beistand erfahre, wodurch allein seine Lehraussprüche unfehlbar sind, muß er dabei von seiner apostolischen Amtsgewalt auf menschliche Weise selbstthätig Gebrauch machen. Dem vaticanischen Concil zufolge ist der Papst dann unfehlbar, wenn er von seinem Lehrstuhl herab (ex cathedra) einen Ausspruch thut, dies will sagen, wenn er, als Hirte und Lehrer aller Christen seines Amtes waltend, kraft seiner höchsten apostolischen Autorität entscheidet, was über einen Punkt der Glaubensoder Sittenlehre von der ganzen Kirche zu halten sei.

Eine bestimmte Form für die definitio ex cathedra gibt es nicht. Der göttliche Gnadenbeistand, welcher die Ursache ihrer Unfehlbarkeit ist, läßt sich an keine menschliche Form binden. Er ist überhaupt und ohne nähere Beschränkung der apostolischen Lehrthätigkeit des Papstes als solcher zugesichert, und in welcher Form diese am zweckmäßigsten zur Ausübung kommt, hängt von Zeit und Umständen ab. In den verschiedensten Formen haben die Päpste ihr apostolisches Lehramt ausgeübt, bald auf allgemeinen Concilien, bald indem sie zuvor die über den Erdkreis zerstreute Kirche um ihre Meinung befragten, bald auf Particularsynoden, bald anderer Hülfsmittel, wenn sie die göttliche Vorsehung darbot, sich bedienend. Eines aber ist in allen Fällen zu einer definitio ex cathedra unerläßlich, die vorgängige Ueber

zeugung des Papstes von der Offenbarungsgemäßheit ihres Gegenstandes, und eben dazu, damit hiebei der Papst vor Irrthum bewahrt bleibe, ist ihm ein besonderer göttlicher Beistand zugesichert. Dieser Beistand des hl. Geistes, worauf die päpstliche Unfehlbarkeit beruht, bezweckt keine neuen Offenbarungen, und daher verkündigen die päpstlichen Glaubensdefinitionen keine neue Lehre, sie sind keine Ergänzung der den Aposteln mitgetheilten Offenbarung, sondern vielmehr der Inhalt gerade dieser Offenbarung oder das depositum fidei wird dadurch gewissenhaft bewahrt und treu ausgelegt. So bestimmt das vaticanische Concil selber den Begriff einer definitio ex cathedra.

In den päpstlichen Lehrentscheidungen ist ein Zweifaches zu unterscheiden, erstens das dabei beabsichtigte Urtheil, und zweitens seine Begründung. In jenem allein (der definitio ex cathedra) ist der Papst unfehlbar 1. Die päpstliche Unfehlbarkeit ist, wie wir oft gesagt haben, wesentlich eine Amtsgnade, sie wird nicht der Person des Papstes zu seinem beliebigen Privatgebrauch verliehen, sondern ist insofern allein sein persönliches Eigenthum, als er der persönliche Inhaber des päpstlichen Stuhles ist und in dieser Eigenschaft handelt. Daher ist er allein in seinen Amtshandlungen als Lehrer der Gesammtkirche unfehlbar, allein von seinem päpstlichen Lehrstuhl herab (ex cathedra).

Damit also eine päpstliche Lehrentscheidung eine definitio ex cathedra sei, muß sich dabei der Papst an die Gesammtkirche wenden, denn in den Aussprüchen, welchen jene Eigenschaft zukommt, redet der Papst nicht als Theologe, sondern

1 Melchior Canus de loc. theol. lib. VI. cap. 8: In decretis pontificiis duo cum primis distinguenda sunt. Unum est tamquam intentio conclusioque decreti, alterum quasi ratio et causa a pontifice reddita ejus rei, quam constituerit. Atque in conclusione pontifices summi errare nequeunt, si fidei quaestionem ex apostolico tribunali decernant. Sin vero pontificum rationes necessariae non sunt, in his nihil est videlicet immorandum.

als der göttlich eingesetzte Lehrer aller Christen, er muß daher dabei irgendwie die Absicht kund geben, die Gesammtfirche zur Annahme seiner Lehre zu verpflichten, und diese erweist sich als eine definitio ex cathedra allein in den Punkten, welche überhaupt in den Bereich des kirchlichen Lehrberufs fallen, sie müssen irgendwie mit dem Offenbarungsinhalt zusammenhängen. Mit Einem Wort: in der definitio ex cathedra muß die Stimme Petri vernommen werden, der Papst muß dabei als Nachfolger Petri handeln und von der dem Petrus verliehenen, höchsten apostolischen Lehrgewalt Gebrauch machen. Dieses aber ist an keine bestimmte Formalität geknüpft. Es ist dazu weder die vorgängige Einholung der Meinung der Gesammtkirche, noch die Berathung mit dem Cardinalscollegium, noch sonst irgend welche bestimmte Feierlichkeit erforderlich; zwei Dinge allein werden dazu erfordert, daß der Papst dabei mit Freiheit handle und daß er als Papst rede, als Haupt der Kirche und als oberster Lehrer aller Christen.

Eine definitio ex cathedra segt daher nothwendig voraus, daß dabei der Papst selber ein Urtheil fälle. Dies kann er aber auch dadurch thun, daß er das Urtheil einer römischen Congregation durch seine Gutheißung zum seinigen macht, und hiezu bedarf es nicht wesentlich eines eigenen päpstlichen Schreibens, worin der Papst den fraglichen Fall selber entscheidet, es genügt vielmehr, daß die päpstliche Bestätigung des betreffenden Decrets der Congregation in ihm selber ausgesprochen sei, ja nach der Ansicht vieler Theologen muß die dogmatische Lehrentscheidung einer römischen Congregation schon dann als das eigene Urtheil des Papstes angesehen werden, wenn die Congregation dabei bemerkt, die Veröffentlichung ihrer Entscheidung erfolge im besondern Auftrag des Papstes (de speciali mandato).

Ein Urtheil der obersten kirchlichen Lehrautorität, was jede definitio ex cathedra nothwendig sein muß, hat wesentlich für die Gesammtkirche verbindende Kraft. Daß aber diese

wesentliche Wirkung derselben immer in einer bestimmten Form, z. B. durch Androhung des Anathems, ausdrücklich ausgesprochen werde, scheint uns nicht wesentlich dazu erforderlich, damit eine definitio ex cathedra vorliege. Jedoch obschon die ausdrückliche Namhaftmachung jener Wirkung, daß der einer päpstlichen Bestimmung Zuwiderhandelnde von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen sei, nach unserer Ansicht kein wesentliches Erforderniß der definitio ex cathedra bildet, so muß doch jene Wirkung wenigstens auf äquivalente Weije dabei angedeutet sein, denn die definitio ex cathedra ist nothwendig als das, was sie ist, männiglich erkennbar, als ein Urtheil des obersten Glaubensrichters, und als dieses kündigt sie sich am zweckmäßigsten gerade dadurch an, daß die Gläubigen an die Verpflichtung, sich den päpstlichen Urtheilen zu unterwerfen, und an die unvermeidlichen Folgen ihrer Nichtunterwerfung erinnert werden.

Eine definitio ex cathedra, wie dieses schon aus dem Begriffe und Zweck des Papstthums folgt, zielt wesentlich auf die Erhaltung der kirchlichen Einheit hin; die Auflehnung gegen eine definitio ex cathedra ist sonach zugleich ein Bruch der Kirchengemeinschaft, und die Päpste verbinden daher ganz sachgemäß mit ihren Lehrentscheidungen, um ihnen das Siegel einer definitio ex cathedra aufzudrücken, die Androhung des Anathems. Jedoch ungeachtet der Sachgemäßheit dieses Gebrauches vermögen wir darin kein schlechthin wesentliches Erforderniß zu einer definitio ex cathedra zu erkennen, weil es nicht zulässig ist, von einer durch Menschen eingeführten Gewohnheit die schlechthin übernatürliche Wirkung der Unfehlbarkeit, welche das auszeichnende Wesen jener Definition bildet, abhängig zu machen. Da eine solche Wirkung Gott allein hervorzubringen vermag, so kommt auch ihm allein die Feststellung der Bedingungen zu, wodurch ihre Hervorbringung beschränkt ist, oder diese Bedingungen müßten, damit ihre Erfüllung als die wesentliche Voraussetzung der päpstlichen Unfehlbarkeit mit Recht betrachtet werden könnte,

in der göttlichen Offenbarung klar und deutlich ausgesprochen sein. In der Offenbarung aber wird dem Apostel Petrus und seinem Nachfolger, als dem Erben seiner apostolischen Vollgewalt, die wesentlich hiezu gehörende Unfehlbarkeit innerhalb ihres Bereiches ohne jegliche Bedingung zuerkannt. Daher dürfen wir nach unserem eigenen Gutdünken sie keiner Beschränkung unterwerfen, denn es ist schlechthin unzulässig, der göttlichen Gnadenwirksamkeit eine Grenzlinie zu ziehen, welche Gott selber in seiner Offenbarung nicht gezogen hat.

Der Verheißung Christi gemäß ist der Nachfolger Petri überall da unfehlbar, wo er zur Stärkung der Brüder oder zur Erhaltung der kirchlichen Einheit über Glaubenspunkte eine Entscheidung trifft. Die definitio ex cathedra ist wesentlich ein Glaubensurtheil, dieser Begriff aber, wie wir später zeigen werden, würde zu enge gefaßt, wenn darunter bloß die Aufstellung eines eigentlichen Glaubenssages, die neue Definition eines Dogma, verstanden werden wollte. Nicht jede Entscheidung über Glaubenspunkte bildet immer ein eigenes Dogma, es wird dadurch nicht immer eine bestimmte Wahrheit, die bisher in dieser Fassung noch kein ausdrücklicher Glaubensartikel gewesen ist, der ganzen Kirche zu glauben vorgestellt; sondern es kann auch geschehen, daß dabei bloß über die Beziehung eines schon definirten Dogma zu andern Lehrpunkten, welche nicht selber ein Dogma bilden, etwas festgestellt werde. Auch eine solche Entscheidung ist unzweifelhaft ein Glaubensurtheil, weil ihr Gegenstand, obschon er nicht selber als ein eigener Glaubensartikel der

1 Ballerini, de primat. Rom. pont. cap. 15. §. 6: Ea igitur fides seu doctrina fidei, quae in controversiis fidei ab ipsis pontificibus ita proponitur, ut fratres et fideles omnes confirment in fide et unitatem ejusdem fidei exigant atque conservent in Ecclesia catholica, illa est, cui inerrantiae privilegium ex promissis Christi est vindicandum.

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