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Verstoß gegen die Glaubens- und Sittenlehre bewahrt bleibt, so werden doch anderweitige Mißgriffe, welche das Heilsinteresse nicht berühren, durch die päpstliche Unfehlbarkeit nicht unmöglich gemacht.

Damit also die päpstliche Lehrentscheidung nicht auf wunderbare Weise erfolge, sondern auf dem gewöhnlichen Weg oder mittelst Anwendung menschlicher Mittel, dabei aber dennoch unfehlbar sei, hiezu ist erforderlich, daß ihr eine Reihe darauf hinzielender, durch den Papst zu vollbringender Handlungen vorangehe, diese aber stehen nothwendig unter einem besondern Einfluß Gottes, welcher nicht bloß den Papst verhindert, sich dabei, wie es der menschlichen Schwäche nur zu oft geschieht, von dem rechten Weg des Glaubens zu entfernen, sondern er wird auch dadurch in Gemäßheit der göttlichen Rathschlüsse zur Verkündigung einzelner Wahrheiten und zur Verurtheilung der entgegengesetzten Irrthümer direct angetrieben und bestimmt.

Dies wird Niemand für unmöglich halten, dem die Wirksamkeit der Gnade und ihr die Geister bewegender Einfluß bekannt ist. Der aus der göttlichen Kraft kommende wirksame Gnadenbeistand, wovon noch jüngst das vaticanische Concil gesprochen hat, ist die bewirkende Ursache der päpstlichen Unfehlbarkeit. Zu dem besondern göttlichen Beistand, worauf das Concil die päpstliche Unfehlbarkeit zurückführt, gehört außer mannigfachen Fügungen der göttlichen Vorsehung auch eine den geheimen Absichten Gottes gemäß im Geiste des Papstes durch die göttliche Kraft hervorzubringende Wirkung, welche, wenn einmal Gott beschlossen hat, sie wirklich hervorzubringen, unfehlbar erfolgt und welche sohin unmöglich durch das eigene Verhalten des Papstes, etwa durch seine fehlerhafte, unzweckmäßige Behandlung der einschlägigen Angelegenheit, vereitelt werden kann.

Wenn daher einmal der Papst eine bestimmte Lehrent

1 Efficax subsidium e superna virtute.

scheidung für die Gesammtkirche erläßt, so muß jeder Katholik unzweifelhaft annehmen, daß er dabei nicht voreilig gehandelt, sondern die nothwendige Sorgfalt angewandt habe. Dies eben, daß es der Papst daran nicht fehlen lasse, ist eine wesentliche Wirkung seiner Unfehlbarkeit, denn diese wird ihm gerade dazu verliehen, damit seine Lehrentscheidung in keinem Punkte gegen die geoffenbarte Wahrheit verstoße, hiezu aber ist die Anwendung entsprechender Mittel und ein gewisser Grad von Sorgfalt wesentlich erforderlich. Die Reinerhaltung des Glaubens in der Kirche ist der Zweck, um deßwillen der Kirche die Unfehlbarkeit verheißen ist. Weil Gott diesen Zweck will, so will er auch die zu seiner Verwirklichung erforderlichen Mittel, und daher wird Gott niemals zulassen, daß der Papst die Mittel anzuwenden versäume, welche schlechthin dazu erforderlich sind, damit seine Lehrentscheidung, wenn er sie einmal wirklich erläßt, in jedem Stücke dem Glauben gemäß und folglich in Uebereinstimmung mit der göttlichen Wahrheit sei; sonst ginge die Verheißung Christi, daß Petrus für alle Zeiten (durch die Lehrentscheidungen seiner Nachfolger) der Felsengrund der Kirche sein werde, nicht in Erfüllung, denn bei dieser Verheißung an ein wunderbares, die eigene Thätigkeit des Nachfolgers Petri überflüssig machendes Einwirken Gottes zu denken, sind wir weder durch den Wortlaut des biblischen Textes berechtigt, noch steht diese Annahme mit dem Rathschluß Gottes in Einklang, der durch einen Menschen, als seinen Statthalter, die Kirche regiert.

Die übernatürliche Leitung der Kirche ist kein Wunder im theologischen Sinne des Wortes, kein außerordentliches Eingreifen Gottes in die gewöhnliche Thätigkeit der crea= türlichen Ursachen. Wie diese überhaupt mittelst ihrer eigenen Thätigkeit dazu beitragen müssen, daß die göttlichen Rathschlüsse in Erfüllung gehen, ebenso verhält es sich mit der kirchlichen Lehrthätigkeit. Der Papst als der Inhaber der obersten kirchlichen Lehrgewalt steht in ihrem Gebrauche unter

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einem besondern Einfluß Gottes, welcher den göttlichen Absichten gemäß seine Entscheidung lenkt. Diese aber geht wesentlich vom Papste selber aus, sie ist sein eigenes Werk und wird ihm nicht durch Gott eingegossen.

Es findet hier etwas Aehnliches Statt, wie bei der göttlichen Vorausbestimmung der einzelnen Erwählten zur ewigen Seligkeit. Da die ewige Glorie allein den Gerechten zu Theil wird, welche sie durch gute Werke verdienen müssen, so enthält die Vorausbestimmung der Erwählten zur Seligfeit wesentlich zugleich den göttlichen Beschluß, ihnen eine Reihe wirksamer Gnaden zu verleihen, wodurch in ihnen nicht allein das übernatürliche Vermögen guter Werke, sondern auch das wirkliche Vollbringen derselben unfehlbar bewirkt wird. Diese Wirkung aber erzielt Gott durch einen Einfluß auf den Geist des Menschen, welcher dadurch angeregt und unterstüßt, selbst- und freithätig die Handlungen vollbringt, welche zu seinem Seelenheil nothwendig sind. Besteht doch die geheimnißvolle Wirksamkeit der Gnade eben darin, daß der menschliche Wille unter ihrem Einfluß zwar unfehlbar, allein mit Freiheit handelt.

Was für den freien Willen die göttliche Vorausbestimmung, dasselbe leistet für die päpstlichen Lehrentscheidungen die Verheißung Christi von dem niemals abnehmenden Glauben Petri. Aber wie? Könnte nicht diese Verheißung an dem gegentheiligen Willen Petri oder eines seiner Nachfolger zu Schanden werden? Thörichte Voraussetzung, antwortet der Hl. Augustin. Hat doch das Gebet Christi für Petrus, daß sein Glaube nicht abnehme, gerade die Wirkung, daß er und jeder seiner Nachfolger im wahren Glauben, der ja wesentlich eine Sache des Willens ist, beharren wolle. Und dies vermag das Gebet Christi unfehlbar zu bewirken, wird doch überhaupt der menschliche Wille zum Wollen des Guten durch Gott zubereitet. Die durch Christi Gebet dem Nachfolger Petri erflehte Gnade der Unfehlbarkeit besteht daher in einem göttlichen Einfluß auf den Willen des

Papstes, damit dieser mit Freiheit, aber zugleich mit unbesiegbarer Stärke und Beharrlichkeit alles das wolle, was zu thun seine Pflicht ist, um sein Amt als Lehrer der Gesammtkirche dem Glauben gemäß zu verwalten1. Die päpstliche Unfehlbarkeit ist sohin eine besondere Wirkung der Glaubensgnade, die in den einzelnen Menschen in Gemäßheit ihrer persönlichen oder Standesbedürfnisse verschie= dene Wirkungen hervorbringt.

Dieser innige Zusammenhang der päpstlichen Unfehlbarkeit mit dem christlichen Glauben, welcher sich hier unter einem neuen Gesichtspunkte, nämlich dadurch fund gibt, daß beide die nämliche Ursache haben, kann gar nicht oft und entschieden genug hervorgehoben werden. Das richtige Verständniß ihres übernatürlichen Charakters, ohne welches bekanntlich die päpstliche Unfehlbarkeit unverstanden bleibt, hängt davon wesentlich ab.

Nicht minder bedeutsam ist die innere Verwandtschaft zwischen der Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit und der alttheologischen Ansicht von der Wirksamkeit der Gnade als einer die Geister bewegenden göttlichen Einwirkung 2, wodurch in dem menschlichen Geiste eine höhere Freiheit

1 De corrept. et grat. cap. 8. Nro. 17: Quid moliturus es contra verba dicentis: Rogavi pro te Petre ne deficiat fides tua? An audebis dicere, etiam rogante Christo, ne deficeret fides Petri, defecturam fuisse, si Petrus eam deficere voluisset, hoc est, si eam usque in finem perseverare noluisset? quasi aliud Petrus ullo modo vellet, quam pro illo Christus rogasset, ut vellet. Nam quis ignorat, tunc fuisse perituram fidem Petri, si ea qua fidelis erat, voluntas ipsa deficeret; et permansuram, si eadem voluntas maneret? Sed quia praeparatur voluntas a Domino, ideo pro illo Christi non posset esse inanis oratio. Quando rogavit ergo, ne fides ejus deficeret, quid aliud rogavit, nisi ut haberet in fide liberrimam, fortissimam, invictissimam, perseverantissimam voluntatem?

2 Ein „wirksamer Beistand aus göttlicher Kraft“ ist sie bekanntlich dem Vaticanum.

geschaffen, nicht seine natürliche aufgehoben wird 1. Nach dieser Auffassung ist die Einwirkung der wirksamen Gnade wesentlich unabhängig von der Zustimmung des freien Willens, welche vielmehr dadurch erst hervorgerufen wird. Ein thatsächlicher Beweis für diese zuvorkommende, weil unmittelbar aus göttlicher Kraft entspringende Wirksamkeit der Gnade ist die päpstliche Unfehlbarkeit. Denn vor jedem Verstoß gegen die geoffenbarte Glaubenswahrheit kann die päpstliche Lehrentscheidung nur dadurch bewahrt werden, daß Gott dem sie vollziehenden Willensact des Papstes mit seiner Gnade zuvorkommt, und diese muß zu bewirken vermögend sein, daß der Papst nichts entscheiden wolle, außer was mit der geoffenbarten Wahrheit übereinstimmt. Die päpstliche Unfehlbarkeit ist sohin undenkbar, es sei denn, daß die wirksame Gnade, welche ihre Ursache ist, auf den menschlichen Willen (unbeschadet seiner Freiheit) bestimmend einwirke.

Wie die richtige Ansicht von der Wirksamkeit der Gnade den nothwendigen Schlüffel zum Verständniß der päpstlichen Unfehlbarkeit bildet, so wird ihr ursächlicher Einfluß darauf erst dann vollständig begriffen, wenn man dabei die päpstliche Unfehlbarkeit ihrer christologischen Beziehung nach in's Auge faßt. Durch den wirksamen Gnadeneinfluß auf den Willen des Papstes lenkt Christus, das unsichtbare Haupt der Kirche, die Entscheidungen seines Statthalters. Im Lichte dieser christologischen Grundanschauung, daß Christus selber

1 Unmittelbar an die kaum angeführten Worte reiht St. Augustin die Bemerkung: Ecce quemadmodum secundum gratiam Dei, non contra eam libertas defenditur voluntatis. Voluntas quippe humana non libertate consequitur gratiam, sed gratia potius libertatem, et ut perseveret delectabilem perpetuitatem et insuperabilem fortitudinem.

2 Mit Recht bemerkt der Benedictiner Petitdidier: Gratia enim infallibilitatis, in quantum a salvatore summis pontificibus promissa, suum super omnes gentes ac hominum corda absolutum probat imperium (De auctor. et infallib. summ. pont. cap. 13).

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