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wonach der Mensch, um die Wahrheit unfehlbar zu besitzen, sich den Weisungen eines andern Menschen unterwerfen soll, demüthigt den menschlichen Stolz. Die durch den Papst verkündigte Offenbarungslehre um der daraus kund werdenden göttlichen Wahrheit willen gläubig annehmend, demüthigen wir uns unter die mächtige Hand Gottes, auf daß er uns erhöhe zur Zeit seiner Heimsuchung (1 Petr. 5, 6). Diese freiwillige Demüthigung aber, weil sich dabei der menschliche Geist der Wahrheit selber unterwirft, ist keine Erniedrigung desselben, sondern sie bewirkt vielmehr seine höchste, übernatürliche Vollendung, und der menschliche Hochmuth, welcher sich dagegen sträubt, trägt seine Strafe unmittelbar in sich selber. Denn die Auflehnung gegen die päpstliche Autorität führt regelmäßig zu geistiger Knechtschaft. Der göttlichen Wahrheit sich zu unterwerfen, findet man unverträglich mit der Würde des menschlichen Geistes, und wem die Lehre des Christenthums auch für die Fragen des praktischen Lebens die oberste Richtschnur ist, der wird darob des theologischen Absolutismus bezichtiget; dafür aber sind diese kirchlichen Freiheitsmänner der weltlichen Autorität und der „öffentlichen Meinung" gegenüber um so gefügiger, auch auf die Gefahr hin, ihrer ganzen Vergangenheit dadurch untreu zu werden. Dieselben Leute, welche den päpstlichen Entscheidungen gegenüber ein Recht der Prüfung für sich in Anspruch nehmen, wollen ihre eigenen Lehrmeinungen keiner wissenschaftlichen Prüfung unterziehen lassen, und klagen bei dem Versuch einer Kritik derselben über Verletzung der Liebe. Diese Prüfung aber ist gerade da eine heilige Pflicht, wo es sich um eine Lehre handelt, der durch die bevorzugte Stellung ihres Urhebers eine namhafte Anhängerzahl gesichert ist. Auch diese Bevorzugten und die große Zahl der ihnen blindlings Folgenden müssen sich, was es auch kosten mag, daran gewöhnen, über ihrer eigenen Autorität noch eine höhere anzuerkennen, welche befugt ist, ihrem Denken und Thun seine Nichtung vorzuschreiben. Diese höhere Autorität ist die

göttliche Wahrheit, welche durch das unfehlbare kirchliche Lehramt, dessen oberster Inhaber der Papst ist, für jeden einzelnen Menschen mit Sicherheit erkennbar wird. Alle Verhältnisse und Fragen des menschlichen Lebens beurtheilt der Gläubige im Lichte der göttlichen Wahrheit, folglich ist sie nicht allein der übernatürliche Grund des christlichen Glaubens, sondern gerade als dieser ist sie zugleich eine geschichtliche Macht, dazu gehört aber nothwendig eine geschichtliche Bethätigungsform, und darum eben ist bekanntlich das sichtbare Haupt der Kirche mit der Gabe der Unfehlbarkeit ausgestattet, durch seine Lehraussprüche fällt das Licht der göttlichen Wahrheit auf alle Verhältnisse des menschlichen Lebens, damit es dabei dem Gläubigen ein untrüglicher Leitstern sei.

XIII. Daß nicht bloß das Papßthum als solches unvergänglich, sondern auch jeder einzelne Papst unfehlbar sei.

Die Versammlung des französischen Klerus v. J. 1682, von welcher bekanntlich die vier Artikel über die sogenannten gallicanischen Freiheiten ausgegangen sind, hatte zu ihrem Berichterstatter über die Grenzen der päpstlichen Gewalt den Bischof Choiseul von Tournay ernannt. In seinem Berichte war der Fall als möglich angenommen, daß der römische Stuhl den wahren Glauben verliere, und folglich war dabei vorausgesetzt, daß das Papstthum als solches untergehen könne, denn ohne die Annahme dieser Möglichkeit meinte der Berichterstatter, sei die päpstliche Unfehlbarkeit ganz unvermeidlich. Dieser Ansicht von dem möglichen Untergang des Papstthums widersprach Bossuet, sich berufend auf die dem Apostel Petrus gewordene Verheißung, daß sein Glaube nicht abnehmen werde, dadurch nämlich sei die Möglichkeit ausgeschlossen, daß die römische Kirche jemals von dem Glauben Petri abfalle, oder daß das Papstthum als solches in Irrthum gerathe und dadurch untergehe.

Dem Einwurf Choiseul's, daß dann die Unfehlbarkeit der päpstlichen Glaubensurtheile unvermeidlich wäre, weil nur dadurch der Abfall vom Glauben Petri und damit die Selbstauflösung des Papstthums unmöglich würde, antwortete Bossuet mittelst der Unterscheidung zwischen dem Papstthum als solchem und den einzelnen Päpsten; daß jenes jemals vom wahren Glauben abfalle, erklärte er für unmöglich, dabei aber läugnend, daß auch die einzelnen Päpste in ihren Glaubensurtheilen unfehlbar seien. Dies sei keineswegs nothwendig, damit das Papstthum als solches im Glauben Petri erhalten bleibe, oder damit dieser Glaube der Verheißung Christi gemäß niemals abnehme, denn nicht daß jedes päpstliche Glaubensurtheil unfehlbar sei, habe Christus dem Petrus verheißen, sondern bloß, daß der im Papstthum fortlebende Glaube Petri niemals gänzlich erlöschen werde, dies will sagen, es könne die römische Kirche oder das Papstthum nicht dauernd vom Irrthum überwältiget werden, wie z. B. die alexandrinische oder antiochenische Kirche, in welcher der Glaube Petri ganz erloschen ist. Diese Unvergänglichkeit der römischen Kirche aber, oder daß der Glaube Petri niemals vom Papstthum als solchem verlassen werde, vermöge die göttliche Vorsehung auch ohne die Unfehlbarkeit der einzelnen päpstlichen Glaubensurtheile zu bewirken, indem hiezu hinreichend sei, daß der Glaubensirrthum eines Papstes entweder durch denselben oder durch einen folgenden Papst wieder gut gemacht werde, und sohin bestehe die der römischen. Kirche oder dem Papstthum verheißene Unvergänglichkeit gerade darin, daß es sich niemals dauernd in Widerspruch mit der Gesammtkirche setze, die, wenn einmal ein Papst eine dem Glauben widerstreitende Lehrentscheidung abgeben sollte, dagegen Verwahrung einlegen und hiedurch das Papstthum wieder auf den Weg der Wahrheit zurückführen würde. Nicht also, daß der einzelne Papst in seinen Glaubensurtheilen niemals irre, sondern bloß daß das Papstthum selber nicht im Irrthum beharren könne, ist dieser Theorie gemäß der

Sinn der Verheißung Christi von dem nicht abnehmenden Glauben Petri, womit nicht den einzelnen Päpsten die Unfehlbarkeit, wohl aber die Unvergänglichkeit dem Papstthum als solchem verheißen wäre.

Diese Beweisführung Bossuet's ist ganz unstichhaltig. Mit Recht behauptete ihm gegenüber der Bischof von Tournay, daß die Beharrlichkeit des päpstlichen Stuhls im wahren Glauben ohne die Unfehlbarkeit des Papstes selber ganz undenkbar sei. Der Auffassung des Bossuet gemäß wäre nicht der Papst der oberste Juhaber der kirchlichen Lehrgewalt, sie stünde vielmehr der hörenden Kirche zu, welche den irrenden Papst auf die rechte Bahn zurückzuführen hätte; nicht also der Papst würde seine Brüder stärken, sondern umgekehrt, er selber bedürfte der Stärkung durch sie. Dagegen hat Christus gerade der lehrenden Kirche seinen ununterbrochenen Beistand verheißen („gehet hin und lehret alle Völker . . . und siehe ich bin bei euch alle Tage bis an's Ende der Zeiten"). Wäre etwa auch dem irrenden Papst, wenn er der Kirche einen Glaubensirrthum als göttlich ge= offenbarte Wahrheit vorlegt, der Beistand Christi zugesichert? Offenbar nicht. Sohin widerspricht die Annahme, daß der Papst wenigstens eine gewisse Zeit lang eine irrthümliche Lehre als Glaubenswahrheit festhalten und als solche verkündigen könne, der deutlichen Verheißung Christi, alle Tage bis an's Ende der Zeiten bei der lehrenden Kirche bleiben zu wollen. Jene Annahme widerspricht außerdem der Grundverfassung der Kirche, wonach der in seinen Nachfolgern fortlebende Petrus der Grundstein ist, welcher das ganze Gebäude der Kirche trägt. Dadurch ist die Möglichkeit, daß der Papst einer Belehrung durch die Bischöfe bedürfe, schlechthin ausgeschlossen, dann nämlich fände das gerade Gegen= theil statt, der Papst selber würde, anstatt die Kirche zu stüßen, durch sie gestüßt, und diese wäre nicht mehr gerade darum unvergänglich, weil sie auf Petrus, den Felsenmann gegründet ist. Dies aber widerstreitet den Worten Christi,

welcher der Kirche gerade in Anbetracht ihres Felsengrundes die Unvergänglichkeit verheißt 1.

Oder bezöge sich etwa die Verheißung Christi, daß Petrus der Felsengrund der Kirche sein solle, nicht auf seine Person, noch auf seine einzelnen Nachfolger, sondern bloß auf den Stuhl Petri? Dieser Unterscheidung zwischen dem Papst und dem päpstlichen Stuhl bedient sich Bossuet in der Absicht, dadurch den Schrift- und Traditionsbeweis für die päpstliche Unfehlbarkeit zu entkräften; er gibt zwar zu, daß durch die biblischen und kirchlichen Zeugnisse über die Stellung Petri und seiner Nachfolger in der Kirche die Unfehlbarkeit in Glaubenssachen wesentlich gefordert werde, dabei aber sucht er ihre Beweiskraft für die persönliche oder von der Kirche unabhängige Unfehlbarkeit des Papstes durch die Wendung abzuschwächen, es sei dabei nicht der einzelne Papst, sondern bloß das Papstthum als solches gemeint.

Das Tendenziöse und Gekünstelte dieser Wendung ist so augenscheinlich, daß dadurch der Sache, welcher sie dienen soll, mehr geschadet, als genügt wird. Man kann unmöglich dem Stuhl Petri die oberste kirchliche Regierungsgewalt in dem Sinne zuerkennen, wie es von jener Theorie geschieht, nämlich so, daß dabei der römische Bischofsstuhl von seinem Inhaber, dem Papste, getrennt wird. Der Bischofsstuhl für sich allein und abgesehen von seinem Inhaber ist offenbar ganz unfähig, eine Regierungsgewalt auszuüben. Wird sie also gleichwohl durch den kirchlichen Sprachgebrauch dem römischen Stuhle zugeschrieben, so soll damit bloß gesagt sein, jene Gewalt sei wesentlich an den römischen Bischofsstuhl geknüpft, und daß sie Niemand rechtmäßig besißt außer dem Inhaber dieses Stuhles.

Daß die bischöfliche oder päpstliche Gewalt, obschon ihrem Inhaber persönlich zugehörig (die persönliche Unfehlbarkeit des Papstes), dennoch von seiner persönlichen Würdigkeit

1 Fénelon, de l'autorité du souverain pontife. chap. 7. 8.

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