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Staatsgewalt erfülle. Oder wäre etwa der Staatsgewalt das menschliche Leben auch jenen Beziehungen nach untergeordnet, wodurch auf ihre Weise auch die rein natürliche Thätigkeit des Menschen in die übernatürliche Ordnung hinübergreift? Eine solche Ausdehnung seiner Oberhoheit wird der moderne Staat am wenigsten beanspruchen. Sein auszeichnendes Wesen besteht ja im Unterschied vom christlichen Staate gerade darin, daß er sich als solcher, als Staat, gegen das ganze Gebiet des Religiösen abschließt, dieses dem Belieben der Einzelnen überlassend. Eine gesetzliche Beschränkung dieser Freiheit ist nach den eigenen Grundsäßen des modernen Staates allein im Ueberschreitungsfalle des religiösen Gebietes zulässig. Dieses als solches entzieht sich seinem Einfluß. Die päpstliche Unfehlbarkeit ist aber wesentlich religiöser Natur und daher für den modernen Staat eine gleichgültige Sache. Dies folgt mit Evidenz aus der in gegenwärtiger Schrift nachgewiesenen Wahrheit, daß die päpstliche Unfehlbarkeit zum Wesen der Kirche gehöre. Dann nämlich fällt auch sie unter den Begriff der sogenannten innerkirchlichen Angelegenheiten, denen gegenüber sich der moderne Staat seinem eigenen Princip gemäß vollständig gleichgültig verhält. Dies Princip ist nicht das unserige, wir haben aber damit zu rechnen, und in dieser Absicht muß dem modernen Staate das Unrecht seiner Bekämpfung der päpstlichen Unfehlbarkeit von seinem eigenen Standpunkte aus gezeigt werden, indem ihm nachgewiesen wird, daß er dadurch seinem eigenen Princip untreu werde, dem Princip der Nichteinmischung in das religiöse Gebiet.

Wer in der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogma eine Bedrohung der weltlichen Regierungen erblickt, der muß, um consequent zu sein, die Unfehlbarkeit der sichtbaren Kirche überhaupt bestreiten. Ob die der Kirche zustehende Vollmacht, ohne Gefahr eines Irrthums die göttliche Offenbarung auszulegen, durch den Papst ausgeübt werde, oder durch die Bischöfe, dies ändert an dem Wesen dieser Vollmacht

nichts. Wäre sie also bei der erstern Weise ihrer Ausübung mit dem Staatswohl unverträglich, so ist sie dieses überhaupt, und der Kampf gegen die päpstliche Unfehlbarkeit hat entweder keinen Sinn, oder man bekämpft dabei die Kirche selber, ihre wesentliche Unfehlbarkeit in Glaubenssachen. Daß dieses der wirkliche Stand der Sache sei, geht ganz deutlich aus den Argumenten hervor, womit ihre heutigen Gegner die päpstliche Unfehlbarkeit bestreiten.

Dahin gehört vor Allem die Behauptung, daß nicht das Urtheil des Papstes, sondern allein der allgemeine Consens die oberste Glaubensregel sei. Bekanntlich wird die der Kirche wesentliche Unfehlbarkeit dadurch allein eine geschichtliche Macht, daß sie sich in einem bestimmten Subjecte verkörpert, in einem Inhaber derselben, der sie nach Bedürfniß zu gebrauchen vermag, und diese nothwendige Bedingung der sichtbaren Kirche ist durch die päpstliche Unfehlbarkeit erfüllt. Durch die unfehlbaren Lehraussprüche des Papstes wird das unsichtbare Wesen der Kirche, die Gemeinschaft im wahren Glauben, in die geschichtliche Erscheinung eingeführt. Bliebe dagegen nicht bei der entgegengesetzten Theorie, wenn man anders damit Ernst macht, die unfehlbare kirchliche Lehrgewalt und hiemit die wahre Kirche selber in der idealen oder unsichtbaren Sphäre? Der allgemeine Consens, welcher dieser Theorie gemäß die höchste Autorität in Glaubenssachen bildet, ist gerade bezüglich der Punkte, worüber eine kirchliche Entscheidung noth thut, wie unter andern die Erfahrung der jüngsten Vergangenheit gezeigt hat, gar nicht zu ermitteln, und die Thatsache selber, daß sich von Zeit zu Zeit in der Kirche das Bedürfniß eines autoritativen Ausspruchs über gewisse Punkte geltend macht, ist ein Beweis dafür, daß sich darüber jener allgemeine Consens noch nicht so klar herausgestellt hat, als nothwendig wäre, um sich zur Entscheidung der Sache mit Erfolg auf ihn berufen zu können. Die öffentliche Meinung," wodurch man behauptet, daß er sich unfehlbar kund gebe, ist so schwankend und über

denselben Punkt mit sich selber so oft in Widerspruch, daß daraus unmöglich der wirkliche Consens der Gesammtheit entnommen werden kann, denn um die Glaubensregel bilden zu können, darf er niemals sich selber widersprechen, da die Wahrheit, welche den Menschen dadurch kund werden soll, überall und zu jeder Zeit ein und dieselbe ist.

Einem bekannten Grundsaß des hl. Vincenz von Lerin zufolge ist das allein katholisch, was überall, allezeit und von Allen geglaubt worden ist. Obschon indessen jede katholische Wahrheit, wie schon das Wort „katholisch“ verlangt, mit der allgemeinen Ueberzeugung der ganzen Kirche nothwendig übereinstimmt, so ist doch die Allgemeinheit dieser Ueberzeugung nicht unmittelbar aus sich selber bekannt. €3 handelt sich also bei der gegenwärtigen Controverse um den Erkenntnißgrund der Kirchenlehre, oder darum, welches das Mittel sei, wodurch die jedem Dogma wesentliche Universalität den einzelnen Gläubigen mit Sicherheit fund wird. Im Gegensatz zu der bekannten Ansicht, daß dieses durch „die öffentliche Meinung“ geschehe, „vor der zulezt sich Alle beugen, auch die Häupter der Kirche und die Träger der Gewalt," bekennen wir uns zu der Lehre, daß die Vollmacht, endgültig zu bestimmen, was über einen bestimmten Punkt Glaubenswahrheit sei, nicht der Gesammtheit der Gläubigen, sondern vielmehr der Stiftung Christi gemäß dem sichtbaren Haupt der Kirche zustehe, und daß sohin aus seinen Lehraussprüchen, nicht aber aus der „öffentlichen Meinung," der allgemeine Kirchenglaube mit Sicherheit erkannt werde. Bevor wir diesen Beweis antreten, dürfte es nüßlich sein, auf den tiefern Grund jener gegensätzlichen Auffassung einen Blick zu werfen. Die Stellung der päpstlichen Unfehlbarkeit im christlichen Lehrganzen tritt dadurch in ein neues Licht.

Die Kirche steht nicht allein ihrem innern Wesen nach, sondern auch in ihrer geschichtlichen Erscheinungsform unter einem fortgesetzten Einfluß Christi, ihres unsichtbaren Hauptes, und mittelst der Lehraussprüche seines Statthalters unter

weist Christus selber seine Kirche. Bei dieser Auffassung wird unschwer begriffen, daß die Unfehlbarkeit der päpst= lichen Lehraussprüche von der Zustimmung der Kirche unabhängig sei, beruht sie doch auf einem besondern Beistand Gottes, welcher unmittelbar dem Apostel Petrus und seinen Nachfolgern verheißen ist, und daher nehmen die übrigen Inhaber der kirchlichen Lehrgewalt an jenem Vorrecht der Unfehlbarkeit nur in dem Maße Theil, als ihr Glaubensurtheil mit dem Glauben Petri übereinstimmt. Dies Verhältniß bleibt aber demjenigen unverständlich, dem die Verfassung der Kirche und ihre erst allmählich festgestellte Lehrform nichts Höheres ist, als das natürliche Ergebniß einer rein menschlichen Entwicklung. In dieser irrthümlichen Anschauung, welche man nicht ansteht, die allein wahrhaft geschichtliche zu nennen, muß der tiefere Grund dafür gesucht werden, weßhalb es heutzutage Manchen erfahrungsgemäß so überaus schwer fällt, in den päpstlichen Lehrentscheidungen die oberste Glaubensregel zu erkennen. Sie könnte allerdings, wenn jene Ansicht die richtige wäre, nur durch den allgemeinen Consens gebildet werden, wie ja überhaupt die Dogmenbildung nach dieser Auffassung aus einer rein menschlichen Entwicklung hervorgeht. Diese Auffassung ist aber darin mangelhaft, daß sie, das innere Wesen der Kirche von ihrer geschichtlichen Erscheinungsform trennend, diese für etwas rein Natürliches erklärt, und sonach entspringt in der That die kaum berührte gegensätzliche Ansicht von der Glaubensregel aus einer verschiedenen Ansicht vom Wesen der Kirche.

Obschon über die einzelnen Glaubenswahrheiten noth= wendig ein allgemeiner Consens besteht, so sind doch diese Wahrheiten selber so beschaffen, daß darüber jener nothwendige Consens niemals zu Stande kommt, außer durch ein besonderes Eingreifen Gottes, das durch die Lehraussprüche des mit der Auslegung seiner Offenbarung durch Gott betrauten, ordentlichen Kirchenamts vermittelt wird.

Nicht also die kirchliche Autorität hat sich in ihrer Lehrthätigkeit nach dem allgemeinen Consens zu richten, sondern umgekehrt dieser wird durch sie erst ermöglicht, indem es allein der kirchlichen Autorität zusteht, endgültig zu bestimmen, was Glaubenswahrheit sei. Diese Autorität hat Christus zunächst einem einzigen Manne verliehen, unmittelbar und direct, um mit dem vaticanischen Concil zu sprechen, dem Apostel Petrus, und der jedesmalige Papst ist der Erbe seiner apostolischen Vollgewalt. Diese ganz einzige Stellung des Papstes wird in ihrem Verhältniß zur bischöflichen Regierungsgewalt der Gegenstand eingehender Erörterungen sein. Bei dieser einleitenden Untersuchung kommt es uns bloß darauf an, den innern Zusammenhang der päpstlichen Unfehlbarkeit mit andern Lehrpunkten und damit ihre schlechthin principielle Stellung im katholischen Lehrsystem kurz hervorzuheben.

Zunächst tritt uns hier ein Begriff entgegen, worüber in den letzten Jahren lebhafte Verhandlungen geführt worden sind, ich meine der chriftliche Glaubensbegriff. Nach katholischer Lehre wird der Glaubensgegenstand, welcher wesentlich die Wahrheit enthält, den Einzelnen durch das kirchliche Lehramt vorgelegt, und eben darum ist sein oberster Juhaber nothwendig unfehlbar. Das rechte Verständniß hiefür fehlt aber einer Theologie, welche sich ihren Glaubensbegriff unter dem bestimmenden Einfluß der theologisch so folgenreichen philosophischen Ansicht gebildet hat, daß die natürliche Vernunft des Menschen ein unmittelbares Vernehmen des Göttlichen sei, ein unmittelbares Bewußtsein der Wahrheit. Hier ist für einen Einfluß des kirchlichen Lehramts auf das Glaubensleben des Einzelnen kein Raum mehr vorhanden. Denn nach dieser Ansicht tritt die göttliche Wahrheit dem menschlichen Geiste, sei es in seiner Vernunft oder in der positiven Offenbarung Gottes, unmittelbar entgegen. und wird so von ihm ergriffen. Dagegen ist gerade die entgegengesetzte Annahme, daß im menschlichen Geiste der

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