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Vorwort.

Hat eine Vorrede zunächst den Zweck, das | theile es auch gewähren mag, die gesammte Publikum mit dem Standpunkte bekannt zu Geschichte der Literatur wie ein zusammenhänmachen, den der Verfasser bei der Bearbei- gendes Gemälde vor den Augen des Lesers zu tung seines Werks eingenommen, so möchte eine solche bei einem Buche ganz unnöthig | erscheinen, von welchem schon ein großer Theil in den Händen der Leser ist, da dieselben schon binlängliche Gelegenheit hatten, die Grundsáze, die bei dessen Abfassung leiteten, kennen zu lernen und zu beurtheilen. Da jedoch bei der Ankündigung des vorliegenden Buchs das Versprechen gegeben worden ist, in einer Vorrede jene Grundsäge zu entwickeln, so glaube ich mich verpflichtet, diese Zusage zu erfüllen: es wird aber aus den angegebenen Gründen eine gedrängte Darstellung der wesentlichsten Punkte vollkommen genügen.

Vor Allem ging meine Absicht dahin, eine Literaturgeschichte für das größere Publikum zu schreiben; dieser Absicht mußte die ganze Behandlungsweise entsprechen. Das größere Publikum will zwar eben so gut, als der Gelehrte, in den Büchern, die ihm dargeboten werden, Wahrheit und richtige Darstellung der ihm vorgelegten Verhältnisse und Thatsachen finden; aber es will nicht auch, wie jener, den mühevollen Weg gehen, den der Verfasser bei seiner Arbeit zurücklegen mußte. Wenn dem Gelehrten daran liegt, zu wissen, ¦ wie der Verfasser eines Buchs zu Werke geganIgen ist, welche Quellen er hatte, wie er diesel|ken benugt hat, so genügt es dem größeren Bublikum, die Ergebnisse dieser Forschungen zu erfahren; aber es verlangt auch zugleich, daß ihm diese Ergebnisse in einer klaren, dem Inhalt entsprechenden Darstellung gegeben werden, welche die Thatsachen mit Wahrheit und Anschaulichkeit vorführt und den Leser so viel als möglich von dem Urtheile des Verfassers unabhängig macht. Um zu diesem Ziele zu gelangen, schien es nothwendig, die bisher gewöhnliche Weise der Darstellung und Entwickelung zu verlassen. So bedeutende Vor

entfalten, so unverkennbar es namentlich ist, daß auf diesem Wege allein der innere Entwickelungsgang der gesammten Literatur von ihren ersten Anfängen bis auf die spätesten Zeiten zum Verständniß gebracht werden kann; so ist es eben so sicher, daß der Leser bei dieser Methode ganz in die Hände seines Führers gegeben ist, der ihm die Thatsachen nur in übersichtlicher Kürze und von denselben auch nur die mittheilt, welche seiner Anschauung entspre chen, da er sich sogar meistens darauf beschrånken muß, sein Urtheil auszusprechen, das zwar vollkommen richtig sein kann, aber den Beweis seiner Richtigkeit nicht mit sich führt. Uebrigens haben solche allgemeine Urtheile, so geistreich und gewandt sie auch vorgetragen werden mögen, immer etwas Unbestimmtes, Unsicheres an sich, sie können die lebendige Anschauung mit ihrer Sicherheit in keiner Weise erseßen, und mag sie sich der Leser noch so gut einprágen, er wird doch nichts Bleibendes und Dauerhaftes gewinnen. Diese Darstellungen haben in der That nur für den Werth, der den Stoff schon kennt, nicht aber für den, der ihn erft soll kennen lernen. Ich glaubte daher, um dem größeren Leserkreis und dessen Bedürfnissen zu genügen, einen andern Weg einschlagen zu müssen, und der besteht darin, daß ich jede einzelne Erscheinung im Gebiete der Literaturgeschichte gleichsam selbstständig behandelte, jeden Schriftsteller einzeln vorführte und ein möglichst getreues Bild seiner Leistungen zu geben mich bestrebte, indem ich dieselben je nach ihrer Bedeutsamkeit in gedrängter Uebersicht darstellte oder ausführlicher zergliederte, und diese Zergliederung mit einem darauf begründeten Urtheile begleitete. Doch auch dies schien mir noch nicht hinlänglich, um den angegebenen Zweck zu erreichen. Wer eine Geschichte der Kunst schreiben wollte, ohne seinem Buche Abbildungen der darin be

schriebenen Kunstwerke beizufügen, würde seinen Zweck, die Entwickelung und Ausbildung der Kunst zur Anschauung zu bringen, kaum zur Hälfte erreichen. Denn auch die lebendigsten und richtigsten Schilderungen der einzelnen Kunstwerke würden im Geiste des Lesers die sinnliche Anschaulichkeit nicht erseßen, welche eine auch nur mittelmäßige Abbildung gewährt. Gerade so verhält es sich auch mit den Werken der Poeste und der künstlerischen Prosa; es wird das richtigste und schärfste Urtheil im Leser nur ein ungenügendes Bild des Schriftstellers erwecken. Soll er mit demselben in der That bekannt gemacht werden, so ist es unum gänglich nothwendig, daß er ihm, wenn ich mich so ausdrücken darf, lebendig vorgeführt, daß ihm solche Stellen aus seinen Schriften mitgetheilt werden, welche am geeignetsten erscheinen, seine Eigenthümlichkeit anschaulich hervortreten zu lassen. Zwar gibt es mancherlei Sammlungen, welche Proben aus den meisten deutschen Klassikern geben, doch war es nicht thunlich, auf sie zu verweisen, weil die Mitthei- | lungen derselben oft von ganz andern Gesichtspunkten ausgehen, als diejenigen sind, die hier maßgebend sein mußten, abgesehen davon, daß man gezwungen gewesen wäre, bald auf diese, bald auf jene Sammlung zu verweisen, weil keine alle die Stücke enthält, deren nähere Betrachtung und Kenntniß erforderlich schien, und selbst eine nicht geringe Zahl derselben in keiner der bekannten Sammlungen zu finden ist.

So häufig auch die schriftstellerischen Leistungen eines Mannes mit dessen Lebensschick- | salen in nur geringer oder gar keiner nähern Beziehung zu stehen scheinen, so geben diese doch in vielen Fällen bedeutende Anhaltspunkte zur richtigen Beurtheilung seiner Schriften; es durfen daher in einer Literaturgeschichte biographische Notizen nicht fehlen, und selbst dann nicht, wenn Lebensverhältnisse und schriftstellerische Thätigkeit weit aus einander stehen. Es war die Mittheilung solcher Notizen zudem eine nothwendige Folge des eingeschlagenen Weges, die einzelnen Schriftsteller in selbstständiger Auffassung darzustellen. Ist es aber richtig, daß die nähere Bekanntschaft mit den Lebensverhältnissen eines Schriftstellers wesentlich zum Verständniß seiner Werke beitrage, so liegt der Wunsch nahe, ihn auch in seiner persön lichen Erscheinung kennen zu lernen, weil auch diese folgenreiche Blicke in das Seelen- und Geistesleben des Menschen gestattet: das geistige Bild, welches wir uns aus den Werken eines Schriftstellers zusammentragen müssen, erscheint uns in den Zügen seines

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Gesichts in lebensvoller Wahrheit, und es wird uns aus ihnen manche seiner Eigenthümlichkeiten erst recht verständlich. Soll aber die Absicht solcher Illustrationen nicht ganz verfehlt werden, so ist es vor Allem nöthig, nur gute und ächte Porträte zum Grunde zu legen. Es war freilich nicht immer leicht, solche ausfindig zu machen, da bekanntlich in den Kupferstichsammlungen die Bildnisse nicht nach den Namen der dargestellten Personen, sondern, wie es auch dem Zwecke einer solchen Sammlung allein entspricht, nach den Künstlern, von denen sie herrühren, geordnet sind. Es gibt vielleicht auch solche Sammlungen, welche als Porträtsammlungen angelegt und daher nach den abgebildeten Personen geordnet sind; allein solche sind wahrscheinlich nur im Besiße von Privaten, und jedenfalls wurde mir auch bei fortgesezter Nachfrage keine bekannt. Troß den hieraus erwachsenen Schwierigkeiten ist es jedoch gelungen, eine gute Auswahl von Bildnissen zu veranstalten, für deren Treue um so mehr gebürgt werden darf, als der Herr Verleger keine Opfer gescheut hat, um sie in würdiger und acht künstlerischer Weise nachbilden. zu lassen. Bei den älteren Schriftstellern bis zum Ende des 15. Jahrh. herab, war es mit einer oder zwei Ausnahmen freilich nicht möglich, ächte Porträte aufzufinden; um aber die betreffenden Theile des Werks nicht ganz leer ausgehen zu lassen, wurden passende Gemälde aus alten Handschriften in Nachzeichnungen mitgetheilt. Wenn diese auch den Mangel eines Bildnisses nicht ersezen, so machen sie uns doch mit den Anschauungen und Lebensverhältnissen, vor Allem mit Kleidung und Tracht jener Zeiten bekannt, und sind daher für das Verständniß der Dichtungen oft das, was die Bildnisse für das Verständniß des Dichters sind. Aus demselben Grunde wurden auch einzelne Nachbildungen von Holzschnitten aus alten Drucken mitgetheilt. Diese hätten freilich sehr leicht in weit größerer Menge gegeben, und so hátten z. B. dergleichen auch von einigen älteren Poesien, die schon in den ersten Zeiten nach Erfindung der Buchdruckerkunft durch dieselbe vervielfältigt wurden, mitgetheilt werden können, allein es wäre eben dadurch gerade das verfehlt worden, was vor Allem beabsichtigt wurde; denn die Holzschnitte jener alten Drucke behandeln bekanntlich das Gostúm ihrer Figuren durchaus gegen alle historische Wahrheit, indem sie auch den Personen der frühesten Zeiten diejenige Tracht geben, die zu der ihrigen gebräuchlich war; sie führen uns daher nicht

in die Zeiten zurück, in welchen die Dichtung entstanden ist, und es war doch gerade dies der Punkt, welcher hier beachtet werden mußte. Aber auch von den Schriften, welche zur Zeit der ersten Versuche in der Buchdruckerkunst verfaßt worden sind, bei denen also jene Rücksicht wegsiel, schien es angemessen, nur wenige Holzschnitte mitzutheilen, weil dieselben in den meisten Fällen keinen künstlerischen Werth haben, weil sie tief unter dem damaligen Standpunkt der Kunst stehen und sie daher nicht auch, wie jene Gemälde aus alten Handschriften, zugleich als Repräsentanten der gleichzeitigen Kunstbestrebungen gelten konnten. Unter allen Künsten nahm im Mittelalter vorzüglich die Architektur einen hohen Aufschwung; um dies zu vergegenwärtigen und zugleich den Mangel an Bildnissen zu erseßen, wurden Abbildungen von solchen Werken der Baukunft mitgetheilt, welche entweder mit den Schriftstellern oder mit deren Werken in irgend einer Beziehung standen. Wenn in den späteren Perioden auch von den Häusern, Wohnungen u. s. w. einzelner Schriftsteller Abbildungen mitgegeben werden, so geschieht dies freilich weder aus Mangel an Bildnissen, noch um den Zustand der Baukunft zu veran schaulichen, sondern um den Leser auch auf diesem Wege in die nächste Beziehung zur be sprochenen Persönlichkeit zu bringen; daß dies aber nur bei wenigen hervorragenden Gestal ten geschehen soll, wird man gewiß zweckmäßig

finden.

Nicht weniger bedeutsam ist die Handschrift, in welcher sich, wenn auch wohl nur im Großen und Allgemeinen, der Charakter des Menschen ausdrückt; es schien daher aus demselben Grunde, der zur Mittheilung von Bildnissen veranlaßte, angemessen, getreue Nachbildungen von Handschriften der bedeutenderen Schriftsteller beizufügen, so oft der gleichen zu erhalten waren.

Ich konnte nicht verkennen, daß durch die gewählte Behandlungsweise die Geschichte der Literatur in eine Menge von kleineren Bildern aufgelöst werden mußte, welche in ihrer Gesammtheit eben so wenig ein überschauliches Gemälde geben können, als sich aus einer Reihe von Biographien der Könige, Staatsmánner, Feldherren u. f. w. eine Weltgeschichte bilden ließe. Um diesem allerdings sehr bedeutenden Uebelstande zu begegnen, habe ich nicht nur so viel als möglich bei den Darstellungen der einzelnen Schriftsteller ihre Stellung zur Gesammtheit anzudeuten, oder, wo es nothwendig erschien, ausführlicher nachzuweisen

versucht, sondern auch jedem Zeitraum und jedem Hauptabschnitte innerhalb der Perioden eine zwar möglichst gedrängte, aber doch alle Verhältnisse berührende Darstellung des Entwickelungsgangs unserer Literatur vorangestellt, in welcher ich vorzüglich darnach gestrebt habe, diejenigen Punkte kräftig hervorzuheben, welche auf die Gestaltung und den Charakter der deutschen Poesie von wesentlichem Einflusse waren. Ich habe mich insbesondere bemüht, in diesen einleitenden Bemerkungen, wie auch bei der Darstellung der einzelnen Schriftsteller nachzuweisen, daß unsere Literatur, wie keine andere, wesentlich aus der Gesammtheit des Volks hervorgegangen, daß sie ihrer ganzen Entwickelung und ihrem unverkennbaren Charakter nach durchaus volksthümlich ist, wie keine andere; daß sie stets auf Abwege gerieth, wenn sich einzelne bevorrechtete Stände ihrer ausschließlich bemächtigten, und daß sie immer wieder nur dadurch dem Verderben und dem drohenden Untergang entrissen wurde, wenn sich die Schriftsteller wieder unbedingt an das Volk wendeten, als an die wahrste und lebendigste Quelle der Poeste sowohl, als der Richtigkeit und Schönheit der Sprache. Nur in der Zeit des Minnegesangs haben die höhern Stände großen und zum Theil wohlthätigen Einfluß auf die Literatur ausgeübt. Aber wenn auch nicht zu verkennen ist, daß sie den Charakter der damaligen Poesie bestimmt, derfelben ihre Richtung gegeben haben; so finden wir doch neben den ritterlichen Dichtern auch hervorragende, ja darunter selbst die größten der Zeit, die nicht adeliger Abkunft waren, und zugleich erhebt sich die rein volksmäßige Dichtung zu einer solchen Fülle und Höhe, daß sie die hösische Poesie weit überragt. Seit dem Absterben des Minnegesangs aber nimmt der Adel als solcher keinen Theil mehr an der geistigen Entwickelung des Volks und bis auf die neueste Zeit sind adelige Dichter oder Schriftsteller nur als seltene Ausnahmen zu betrachten. Auch von Einfluß der Höfe auf die Literatur ist keine Spur mehr zu finden; denn selbst am Hofe zu Weimar hat nicht sowohl der Hof auf die Literatur gewirkt, als vielmehr umgekehrt diese auf jenen; es hat nicht die höfische Bildung auf die Literatur Einfluß gehabt, es hat vielmehr diese den Hof zu höherer Vildung gehoben, die erst allmählich auch an andern Höfen Eingang fand. Bei keinem Volke haben sich die höheren Stände so entschieden alles Einflusses auf die Literatur begeben, als es bei uns der Fall war. In Frankreich, in Italien und selbst in England finden wir

Sprößlinge der edelsten Geschlechter unter den berühmtesten und einflußreichsten Schriftstellern, während wir in Deutschland nur selten einen solchen an den allgemeinen Bestrebungen Theil nehmen, noch seltener zu ausgezeichneter Bedeutsamkeit gelangen sehen. Zudem blieb in jenen Ländern die Theilnahme der Höfe an der Literatur und ihr Einfluß auf dieselbe gleich | bedeutend. Die größte Periode der französi schen Literatur ist an den Namen Ludwigs XIV. geknüpft; in Italien sind die Medicis und an- | dere fürstliche Familien Beförderer der Künste und Wissenschaften gewesen; in England ist | es schon lange Sitte, die großen Dichter in Westmünster beizusehen, wo auch die Könige ruhen. In Deutschland finden wir von allem | dem Nichts, haben ja selbst die zwei einzigen Fürsten, die Herzöge Heinrich Julius und An- | ton Ulrich von Braunschweig, die selbst Dich- | ter waren, keinen bemerkbaren Einfluß auf | ihre nächsten Umgebungen ausüben können.

Es ist kein Zweifel, daß die deutsche Literas tur eben wegen dieser Theilnahmlosigkeit der höheren Stände gegen die der andern Völker | in Nachtheil steht; es hat sich die künstlerische Seite eben deshalb nur schwer und nur spåt entwickeln können; es hat ihr das Element der feinern, gesellschaftlichen Bildung, und das, was man geistreich zu nennen pflegt, lange

Aarau, im October 1853.

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gefehlt; ste ist zu Zeiten in die ungeschickten Hände der Gelehrten gefallen, welche ihr den Stempel des langweiligsten Pedantismus aufgedrückt haben. Aber dagegen hat sie den unendlichen Vorzug vor den Literaturen aller übrigen Völker, daß sie die breiteste und unvergänglichste Grundlage hat, nämlich das Volk selbst, daß sie daher nur mit diesem sinken und vergehen kann, daß sie mit ihm auch sich heben muß, daß ihr noch eine große Zukunft bevorsteht, wie dem Volke selbst, während die Literatur der andern Völker, namentlich aber der Franzosen, weil sie auf beschränkterer Basis beruht, mit dieser auch fallen und sich erst ein neues Leben, eine neue Grundlage schaffen muß. Seit dem Untergange des alten Hofs hat die französische Literatur ihren Mittelpunkt, ihr bewegendes Element verloren; sie hat sich daher seitdem auch nicht wieder erholen können. Ist ja selbst die Heldenzeit unter Napoleon für sie spurlos vorübergegangen, während die Erhebung des deutschen Volks im I. 1813 einen Uhland und Rückert hervorgebracht, und in der neuesten Zeit die bloße Ahnung einer größeren Zukunft eine Menge von Talenten hervorgerufen hat, die, ohne selbst überwiegend Großes und Unvergängliches zu leisten, dennoch die Gewähr geben, daß Solches unzweifelhaft zu erwarten steht.

Heinrich Kurz.

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