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und Hunger an Früchten auf dem Felde und sonstigen nothwendigen Lebensmitteln gehen Hand in Hand mit jenen traurigen Zuständen und mehren sich; ein Blick in unsere s. g. Besserungs-, d. h. Zuchthäuser läßt keinen Zweifel an der Wahrheit dieser Behauptung. Die Räume und Zellen darin vermögen kaum die Sträflinge zu fassen, und weder die bisherige Einrichtung unserer alten Strafanstalten, noch die nach dem pennsylvanischen Systeme gegründeten modernen,,Paläste des Grauens" werden die Moral bessern mit pietistischen Gebetbüchern und Tractätchen, so lange die Natur ihre Rechte fordert und der Hunger waltet.

In gleicher Weise sind Zucht und Sittlichkeit in Verfall; die Mädchen der untern Classen der Bevölkerung verfallen immermehr der Prostitution, und der Betrug ersinnt die raffinirtesten Mittel und Weisen zum Schaden Anderer. Noth, Elend und Verzweiflung in den furchtbarsten Gestalten haben in unsern Lagen nicht allein zu Beschädigungen andern Besißthums und Verwüstungen fremden Eigenthums geführt, sondern selbst vielfach in offener Widerseßlichkeit zu gemeingefährlichen, tumultuarischen, zerstörenden Zusammenrottungen verleitet, sodaß Waffengewalt gegen sonst friedliche und vertragsame Bürger aufgeboten werden mußte, und Bürgerblut in deutschen Gauen geflossen ist, welche sonst der Siz bürgerlicher Ruhe und emsiger Betriebsamkeit waren.

In vielen Gegenden Deutschlands zeigten sich tumultuarische Regungen des Pauperismus, in fast allen Aeußerungen der Unzufriedenheit des Proletariats. Wol trifft die strafende Hand der Gefeße diejenigen Ruhestörer, die sich mit frevelnden Händen an das Eigenthum ihrer Mitbürger vergriffen; aber dem Fortschreiten der Noth und dem Wachsthum des Elends wird dadurch nicht gesteuert. Strafe schreckt zwar; aber die Verzweiflung sieht über Strafen hinweg; sie kennt keine Abschreckungstheorie, welche gelehrte Herren mit befriedigtem Magen und in wohlgeheizten Zimmern behaglich ausgeflügelt haben; denn der Hunger schmerzt ärger als Beraubung der Freiheit, und im Gefängnisse fehlt es nicht an den nothwendigsten Bedürfnissen des Lebens. Der Proletarier findet in den Mauern des Kerkers, wonach er im Genuffe der Freiheit vergeblich schmachtet, indem er ein Leben voll Entbehrungen jeder Art führt, darbend und des Nothwendigsten baar.

Vor allen Classen ist es die Classe der Fabrikarbeiter, welche am meisten unter dem Drucke der Zeitverhältnisse leidet;

und namentlich ist u. a. Preußen der Boden, in welchem das Elend dieser Volksclaffe sich offen kundgegeben. Die Linnenfabrikation war lange Zeit hindurch in einigen Provinzen Preußens, namentlich in Oberschlesien und Westfalen, ein Haupterwerb für einen großen Theil der niederen Volksclaffe gewesen, indem sie mit ihrer Hände Arbeit durch Spinnen und Weben sich ihren Lebensunterhalt verschaffte. Schlesisches und westfälisches Linnen war seit länger als hundert Jahren ein bedeutender Handelsartikel auf allen Märkten der Welt, und überall wegen seiner Güte sehr gesucht; es ward nach Holland, Spanien und Portugal, nach Großbritannien und Ostindien wie nach Nord- und Südamerifa in großen Duantitäten und zu guten Preisen ausgeführt, und war ein gewinnergiebiger Ausfuhrartikel für die beiden genannten Provinzen Preußens. Der allsehende Blick Friedrichs des Großen, in gleichem Grade auf Ausbildung und Intelligenz wie auf das materielle Wohl seines Volks gerichtet, widmete diesem Industriezweige besondere Aufmerksamkeit. Indem er die Linnenfabrikation auf jede Weise förderte, gründete er einen ,,Verein der Vaterlandsfreunde“ zur Förderung des Leinwandhandels; er sandte den Oberften von Schöning nach Holland, Spanien und Portugal, um dieserhalb mit den dortigen Höfen zu unterhandeln; und so ward ein Absagweg für dieses Landesfabrikat nach Amerika auf dem Wege von Hamburg über Cadir geöffnet. Im Jahre 1756 wurde. bereits an schlesischer Leinwand für 3 Mill. 771,175 Thaler, und 1780 für 4 Mill. 384,951 Thaler abgesezt; im erstern Jahre waren 21,977 und in leßterm 24,576 Weberstühle vorhanden. Die Versendung nahm indeß mit den Jahren zu, und die blühendste Zeit des schlesischen Leinwandhandels fällt zwischen die Jahre 1795 bis 1806 mit 6 Millionen Thaler Absaz. Von 1806 an fank das Gewerbe immer mehr, besonders während der französischen Fremdherrschaft, bis es sich von 1825 an wieder größern Absaßes erfreute. Späterhin aber sank die Fabrikation wiederum, und ward besonders in lezterer Zeit durch ausländische Fabrikate, zulezt durch inländisches Linnen verdrängt. Viele Weberstühle standen still, und die Linnenfabrikanten Oberschlesiens etablirten theilweise Baumwollfabriken. Im Jahre 1842 betrug die Ausfuhr von Linnen. für den ganzen Staat 71⁄2 Mill. Thaler oder 22 Procent der gesammten Ausfuhr von ungefähr 36 Mill. Thaler; man machte die feinste Leinwand, Drillich, Zwillich, graue Packleinwand und

Segeltuch. Seit dem mindern Absage deutscher Leinwand wandte man sich der Baumwollweberei zu, und die Mehrzahl der bisherigen Leinweber im gebirgigen Schlesien wob statt Linnen baumwollene Zeuge.

Unter den Manufacturdistricten Schlesiens nimmt neben den Kreisen Schweidniß, Waldenburg, Landeshut und Rothenhain der kleine, aber stark bevölkerte landräthliche Kreis Reichenbach eine der ersten Stellen ein; denn es befinden sich darin Fabrikdörfer, wie Langenbielau und Peterswaldau, wo das erste allein 12000 Einwohner zählt. Prachtvolle Gebäude der Fabrikbefizer, nur selten von ländlichen Feldbauerwirthschaften unterbrochen, geben ihm nicht nur ein städtisches, sondern fast großstädtisches Ansehen. Aber in ihm und umher in den kleinen Gebirgsdörfchen herrscht seit längerer Zeit das bitterste Elend unter den für jene Fabrikanten arbeitenden Leinwand-, jezt meistentheils Baumwollwebern. Die Bezeichnung:,,a bielauer Waber" bringt dem nächsten Umwohner das kläglichste Bild eines bleichen, schwindsüchtigen, augenschwachen Menschen vor die Seele, der mit seinem Gebirgsstab in der Hand, mit blauer Leinwandjacke bekleidet, mühsam sein Leinwandschock in das Thal hinabschleppt; und diese ,,armen fiechen Menschen sind aufständisch geworden." Wahrlich, die Noth muß groß, das Elend unerträglich geworden sein, wenn solche Menschen zu Gewaltthätigkeiten ihre Zuflucht nehmen.

Schon vor Weihnachten 1843 hatte in Bielau ein bedeutender Auflauf stattgefunden. Mehre Hunderte dieser Unglücklichen was ren mit Trommeln und Trompeten in den herrschaftlichen Hof gezogen und hatten den Gutsherrn, den Grafen von Stolberg, zu sprechen gewünscht. Als man aber ihre Sprecher gefangen sezen. wollte, hatten die Uebrigen so drohende Anstalten gemacht, daß man sie sofort freiließ, und die Menge mit den besten Versprechungen zu begütigen suchte. Man begann auch Schritte zu Unterstüßung der Bedürftigen und Abhülfe der Noth zu thun. Indeß genügte, was wirklich geschah, beiweitem nicht: Noth und Elend waren in fortwährendem Steigen begriffen. Ostern rückte heran; ein schlimmer Winter neigte sich seinem Ende zu. Da veröffentlichte Anfangs März die schlesische Zeitung einen Aufruf an die deutsche Presse, damit sie nachdrücklich dahin wirke, daß das gemeinsame Vaterland sich der armen schlesischen Weber annehme. Sie sagte u. A.: „Die politischen und industriellen Verhältnisse

Deutschlands dem Auslande gegenüber haben seit vierzig Jahren so an unserer einst blühenden Linnenmanufactur genagt, daß nur noch ein Schatten davon übrig ist. Auf einer Ausdehnung von mehr als fünfzehn Meilen in und an dem schlesischen Gebirge hin nährten sich sonst fünfzigtausend Familien mühsam und fleißig durch Spinnen und Weben; jezt sind sie dem Verhungern preisgegeben, weil der Kaufmann nicht mehr im Stande ist, ihnen ihre Auslagen zurückzuerstatten, viel weniger ihren Fleiß zu belohnen. Sie haben geduldet und geschwiegen; ihre physische Kraft ist dahin, ihre moralische gebrochen. Was soll mit ihnen geschehen? Will Deutschland ruhig zusehen, wie Tausende gewerbfleißiger Menschen, die schon seit zwanzig Jahren den langsamen Dualen des Hungers ausgesezt sind, ohne ihre Schuld dahinsinken, einzig aus Mangel an Nahrung? Jeßt gilt es nicht eine reiche Stadt aufzubauen, welche das wüthende Element zerstörte; es gilt etwas viel Höheres als einen Kampf mit der Natures gilt Menschen zu retten. Troß aller Noth und alles Hungers arbeiten unsere Weber und Spinner noch, während sie mit der Verzweiflung in ihrem Herzen ringen. Schon haben sich auch in der Nähe und Ferne Vereine gebildet, am Rhein und in Westfalen sammeln die öffentlichen Blätter, sowie die Behörden. Magdeburg hat ́einen Aufruf erlassen, und überall imi schlesischen Lande treten thatkräftige Männer und edle Frauen zusammen, um durch Geld und Arbeit dem Nothstande zu steuern. Mögen daher auch alle deutschen Zeitungen, an welche dieser Aufruf zunächst ergeht, da die Sache des Volks auch die ihrige ist, Gemeinsinn in dieser Ehrensache fördern helfen und durch Veranstaltung von Sammlungen ihren Lesern Gelegenheit geben ihr Mitgefühl zu bethätigen."

Es bildeten sich wirklich auch nicht allein in Schlesien, sondern auch in andern Provinzen Preußens Vereine zur Steuerung der Noth; allein bei der Größe derselben waren die Gaben aus mildthätigen Händen wie Wassertropfen auf glühendem Stein. Deshalb wandte man sich mehrseitig von der Privatwohlthätigkeit an den Staat, und stellte als Mittel, deren vereinte Anwendung bei gehöriger Energie zur Abhülfe der Noth unfehlbar ausreichen würde, zwei auf: Schußzölle und Organisation der Arbeit.

Was bezwecken sagte man die Vereine, welche sich verbunden haben, um Bestellungen auf schlesische Fabrikate zu machen, anders, als die Einführung des Schugsystems, wenngleich mit

Umgehung der Zollgesetzgebung? Diejenigen, welche sich verpflichten, gewisse Quantitäten Leinwand in Schlesien zu kaufen, ignoriren sie nicht die englischen und belgischen Preise; thun sie nicht, als ob ein erhöhter Eingangspreis sie wirklich abhielte anderswo zu kaufen? Dieses humane Benehmen von einer Anzahl Privatleute beschämt in gewisser Art die Stipulationen der Zollgeseßgebung, und könnte ihr, da die Gesezgebung stets das Meiste aus den Sitten kennen zu lernen hat, einen wichtigen Wink geben. Zollschuß wäre also das erste dringliche Mittel zur Abhülfe der Noth. Das zweite besteht in der Organisation der Arbeit.". Was die Meisten wol noch nicht klar wissen, ist, daß die schlestschen Weber nicht als Masse, nicht einmal in Masse dem Verkehr und den Consumenten gegenüber treten, daß sie vielmehr als einzelne isolirte Individuen mit wenig Mitteln, die von Hand zu Mund leben, der gänzlichen Willkür der Vorkäufer, der Capitalisten, der Kaufleute preisgegeben sind, welche, ihre augenblickliche Verlegenheit benußend, lediglich auf eigene Speculations chancen achten und so den Weber zu einem untergeordneten Helfershelfer, zu einem Knechte und Sklaven herabdrücken. Der Sit dieser Vor- und Auffäufer für die schlesischen Gebirge ist die Stadt Leipzig. Die Weber stehen zu diesen Herren ganz in demselben Verhältnisse wie unsere Winzer an Ahr und Mosel zu den Weinhändlern in den Städten, welche gerade am billigsten kaufen, wenn die Ernte am ergiebigsten gewesen ist, weil der arme Weinbauer sehr oft die Fässer leer haben muß, die er mit neuen zu ersehen keine Mittel besigt. Die Production wäre dergestalt zu organisiren, daß jeder Wucher beim Zwischentausche unmöglich werde. Wir wollen dem Handel sein Recht lassen, auch sein Recht Procente zu ver= dienen, wir wollen ihn als den brauchbaren Diener der bürgerlichen Gesellschaft betrachten. Allein die Production ist etwas zu Wesentliches, als daß man sie in die Sklaverei des Handels kommen lassen dürfte, als daß man nicht, wo dieses bereits geschehen, auf alle Mittel und Wege finnen sollte, sie wieder selbständig zu machen. Organisire man also die schlesischen Weber in freie Drganisationen, wo Jeder frei ist und durch den Verband erst recht frei wird, dann können diese Associationen den Kaufherren anders gegenübertreten, und wenn der Grenzzoll ihnen die Abnahme sichert, so wird es sich blos fragen, welche Affociation am besten und probehaltigsten producirt. Aus diesem Wetteifer dürfte sich binnen

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