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propst von Döllinger an manchen Stellen zu sprechen. Er ist ihm der „Ex prévôt“ (37). Rechtlich gesprochen, trifft diese Bezeichnung vollkommen zu. Thatsächlich dagegen hat Döllinger bis zum Ende seines langgefristeten Lebens die Einkünfte einer hohen Pfründe jener nämlichen Kirche zu genießen kein Bedenken getragen, welche er offen und geheim, durch das gesprochene und das geschriebene Wort so bitter verfolgt hat. Während des vatikanischen Concils suchte der Stiftspropst das Cabinet Gladstone durch seinen Schüler Sir John Acton gegen den Papst einzunehmen. Aber der Erzbischof Manning solgte ihm auf der Spur und ließ durch den diplomatischen Agenten Englands Odo Russell, den nachmaligen großbritannischen Botschafter in Berlin, seine lichtvollen Darstellungen über Papst und Concil ebenfalls in das englische Ministerium gelangen.

In München hatte der Stiftspropst, wie Lefebvre erzählt, eine Unterredung mit dem auf der Durchreise begriffenen italienischen Staatsmann Marco Minghetti. Er beklagte den Niedergang des Altkatholicismus, machte aber auch zugleich der italienischen Regierung Vorwürfe darüber, daß sie das Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 erlassen, welches dem Papstthum eine zu große Freiheit des Handelns gestattet, und daß sie sich außerdem geweigert habe, den italienischen Altkatholiken Unterstüßung zu leihen. Höchlich erstaunt" erwiderte Minghetti, das Ministerium Lanza habe mit dem Erlaß des Garantiegesezes lediglich ein den Mächten gegenüber verpfändetes Wort eingelöst. Altkatholiken kenne man in Italien nicht. gefallenen Priestern und Ordensleuten von zweideutigem Lebenswandel Staatshilfe anzubieten, habe die italienische Regierung nicht für passend erachtet, weil man den achtunggebietenden Elementen der Geistlichkeit damit nur Waffen in die Hand gedrückt hätte (37-38).

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Des Weitern schildert der Graf die ersten Verhandlungen zur Minderung der Culturkampfgeseze zwischen dem Münchener Nuntius Aloisi - Masella und dem Vertrauten des Fürsten Bismarck, dem Oberststallmeister des Königs von Bayern, Grafen Holnstein. Diese tastenden Versuche in den Salons der Münchener Aristokratie über etwaige Einräumungen des apostolischen Stuhles erregen beim Leser einen eigenthümlichen Ein

druck. Handelte es sich doch um die heiligsten religiösen Interessen von Millionen von Unterthanen, deren Vertreter im Heere während des großen Krieges 1870 mit Gut und Blut für die Ehre des Vaterlandes eingetreten waren. Die Schwierigfeiten, welche die durch den sog. königlichen kirchlichen Gerichtshof aus dem Amt entlassenen preußischen Bischöfe darboten, hatte Graf Holnstein kaum erwähnt, als der Nuntius ihm entgegen fam mit den Worten: „Nein, mein lieber Graf, diese Frage ist gewiß die schmerzlichste unter allen, welche jezt die Kirche von der Regierung des Kaisers Wilhelm trennen. Aber sie ist nicht diejenige, welche der Lösung die meisten Schwierigkeiten darbietet, weil sie ehrwürdige Prälaten betrifft, die, nicht zufrieden damit, muthig für die Sache, deren Vertheidigung ihnen die Pflicht gebot, gelitten zu haben, noch Größeres zu dulden bereit sind, indem sie sich zur Erleichterung eines Einvernehmens zum Opfer bringen" (69). Außerdem ertheilte Aloisi-Masella dem Grafen Holnstein das ausdrückliche Versprechen, „daß in keinem Falle die in den Conflikt verwickelten Persönlichkeiten in die Verhandlungen eingeweiht würden, in denen der Vatikan seinen ernsten Willen bekunde, sich in keiner Weise von der den Vorzügen der höchsten bürgerlichen Gewalt schuldigen Hochachtung zu entfernen" (76).

Der Staatssekretär Cardinal Franchi bewies 1878 ein weites Entgegenkommen, als er die Zurücknahme des vom Cardinal Caterini, Präfekten der Congregation zur Erklärung der Dekrete des Concils von Trient, erlassenen Rescriptes anordnete, welches denjenigen preußischen Geistlichen, welche das Staatsgehalt zu beziehen fortfuhren, die Strafe der Suspension androhte. Die Rechtfertigung dieses Schrittes seitens des Grafen Lefebvre scheint uns unzutreffend. Denn weit entfernt davon, wie der Graf schreibt, sich nur mit „Angelegenheiten zu befassen, welche den Glauben berühren" (77), besaß diese Congregation in der vorwürfigen Frage ihre Competenz im höchsten Sinne des Wortes. Offenbar empfindet der Graf hier mit seinem Collegen Aloisi-Masella, welchen dieser Zwischenfall peinlicher berührte als den Fürsten Bismarck, der ihn unbeachtet vorübergehen ließ. Die Vorschläge des letteren betrafen damals lediglich einen Waffenstillstand, aber keine Be

seitigung der Maigeseße, welche der neue Staatssekretär Cardinal Nina, vielleicht der trefflichste Kenner des kanonischen Rechts unter seinen damaligen Collegen im hl. Collegium, beharrlich anstrebte. Lefebvre de Béhaine weiß uns auch zu erzählen, daß damals auf der Münchener Nuntiatur in der Verkleidung eines Colporteurs der Erzbischof Melchers von Köln erschien, um die Stellung des Centrums zum Socialistengeseß zu vertheidigen, in welchem man lediglich Verstärkung der Macht der national-liberalen Partei erblicken zu sollen glaubte, womit Leo XIII. aber nicht einverstanden war (93).

Die Verseßung des Nuntius Aloisi-Masella von München nach Lissabon wurde vom Fürsten Bismarck ungern gesehen. Der preußische Gesandte in München, Baron Werthern, ließ außerdem durchblicken, daß man in Berlin auf Absendung eines Prälaten zur Beglückwünschung des Kaisers bei Gelegenheit seiner goldenen Hochzeit Werth lege. Aloisi-Masella erwiderte, der heilige Vater würde ohne Zweifel sich glücklich schäßen, dem Kaiser seine Glückwünsche darzubringen; nur angesichts der Thatsache, daß die zur Wiederherstellung des kirchlichen Friedens angestellten Bemühungen ohne Erfolg geblieben, würde man sich die Anwesenheit eines Specialgesandten in Berlin nicht zu erklären vermögen. Nach dem Abgang Aloisi Masella's von München erfolgten die Unterredungen des Fürsten Bismarck mit dem Wiener Nuntius Msgr. Jacobini in Gastein, die sich in dem nämlichen Maße erfolglos erwiesen, als das von den Kammern erlangte System discretionärer Vollmachten die Parteien zu befriedigen im Stande war.

Die Wiederanknüpfung diplomatischer Beziehungen zwischen Rom und Berlin und die Abordnung des Herrn von Schloezer nach Rom bezeichnet Lefebvre de Béhaine als zweite Phase in der Entwicklung der Verhandlungen zur Beis legung des Kirchenstreites. Die Haltung des Centrums, der katholischen Bevölkerung, sowie der mit den deutschen Fragen befaßten Cardinal-Congregation in Rom, bestimmte den Fürsten Bismarck, als Ort neuer Verhandlungen Rom zu wählen. Sein Organ wurde Herr von Schloezer, dessen heiteres Wesen als Gesandtschaftssekretär unter dem Herrn von Arnim in den sechsziger Jahren in Rom noch in gutem Andenken stand.

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„Hochgebildet“, so schreibt Lefebvre über den neuen preußischen Gesandten, „von gutem Humor, ein feiner Kopf, war er zugleich dem Fürsten Bismarck durchaus ergeben, auf dessen Veranlassung er vor wenigen Jahren nach St. Petersburg versezt worden, aber auch ein Feind jener religiösen Leidenschaften, womit sich die Anführer der national-liberalen Partei beim Beginn des Culturkampfes durchdrungen hatten" (111). Der Gang der römischen Verhandlungen wird vom Grafen Lefebvre mit dramatischer Lebendigkeit geschildert. Wenn irgend etwas Herrn von Schloezer in diesen Jahren aufrechterhalten, dann ist das jedenfalls sein Humor gewesen. Mehr als einmal ist er, weil die Curie die übertriebenen Forderungen des Fürsten Bismarck nicht zu erfüllen vermochte, unmuthig von Rom abgereist. Der Reichskanzler wollte alles haben, aber nichts bewilligen, während der römische Stuhl dem gewiß redlichen Grundsaße, pari passu vorzugehen, huldigte. Bewilligen Sie die Anzeigepflicht bei der Ernennung der Geistlichen, so lautete von Schloezer's Forderung, dann werden wir die Maigeseze verbessern, oder vielmehr gewisse Strafbestimmungen derselben abschaffen (129-130). Jedermann sieht, daß man dem heil. Bater fast Unmögliches zumuthete. Und doch wollte der Papst einen dauernden Frieden und, ungeachtet gewisser Bewilligungen, zu denen er bereit war, das Wesen der Sache retten. Zwischen Cardinal Jacobini und Herrn v. Schloezer kam es mehr als einmal zu ernsten Auseinanderseßungen. Dem Gesandten machte Seine Eminenz den Vorwurf, daß er sich in irrthümlichen Auffassungen bewege, deren Elemente er aus dem Umgang mit mehr oder weniger abgestandenen Prälaten schöpfe, die zum päpstlichen Hof keinen Zutritt hatten und die Sachen. dem Herrn von Schloezer in falschem Lichte darstellten" (134). Ja sogar in der Umgebung des Papstes befanden sich Prälaten mit der Neigung, diese Angriffe gegen den Staatssekretär zu unterstügen, und die die Möglichkeit einer Ungnade für den Fall einräumten, wenn die Verhandlungen zur Beendigung des kirchenpolitischen Kampfes nicht zur Befriedigung des heiligen Vaters enden würden" (119).

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Daß der Besuch des Kronprinzen Friedrich Wilhelm bei Leo XIII, am 18. Dezember 1883 ohne jede Einwirkung

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auf den Gang der Verhandlungen geblieben, hat Lefebvre gut erwiesen. Die päpstliche Kanzlei und die preußische Diplomatie bewegten sich nach dem Ausdruck des Cardinals Jacobini in einem verhängnißvollen Zirkel (159) Im Punkte der Freiheit der Bildung des Klerus wollte Bismarck nicht weichen. Aber der Papst, der die Verantwortung um die Kirche zu tragen hatte, konnte noch viel weniger weichen. „Der Fürst Bismarck", sagte der heilige Vater 1885, ist sehr hart, sehr eigenwillig; bis jetzt hat er nicht anerkennen wollen, bis zu welchem Punkte unsere Forderungen gerecht sind, und daß ich, ohne schwere Beeinträchtigung der Würde und Sicherheit der Kirche, auf dieselben nicht verzichten kann“ (169). Auch über die mit diesen Verhandlungen in enger Beziehung stehenden Personalfragen der Erzbischöfe von Posen und Köln empfangen wir manche interessante Mittheilungen. Für Köln war bald ein dem Reichskanzler genehmer Nachfolger gefunden, während dreizehn seitens des Papstes für Posen vorgeschlagene Candidaten abgelehnt wurden (195). Und doch machte der Papst die Annahme der von der Regierung gewünschten Resignation dieser beiden Erzbischöfe abhängig von einer gründlichen Revision der Maigeseye.

Das Schlußkapitel behandelt die Carolinenfrage, in welcher Fürst Bismarck den Papst als Schiedsrichter anrief, sowie die endliche Beilegung des Culturkampfes durch das Gesetz vom 30. April 1887 und die Bewilligung der Anzeigepflicht. Einer der heftigsten Gegner dieser Bewilligung war Cardinal Melchers, während die Cardinäle Hergenröther und Ledochowski, von höheren und weiteren Gesichtspunkten ausgehend, die Einräumung derselben empfahlen. Diesem Rathe ist Se. Heiligkeit der Papst gefolgt (214). Was die Sendung des Msgr. Galimberti nach Berlin zur Gratulation des Kaisers bei seinem neunzigsten Geburtstage anlangt, so erfahren wir interessante Neuigkeiten über Einleitung und Ausführung dieser Mission. Die kühle Haltung desselben in Berlin gegenüber dem Centrum hat damals in den Kreifen des lettern zu bittern Klagen Veranlassung gegeben. Wer die Darstellung des Grafen Lefebvre aufmerksam verfolgt, wird nicht umhin können, Galimberti's Verfahren als maßvoll und durch die Lage der Verhältnisse

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