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München volle acht Jahre, von 1872 bis 1880 thätig ge= wesen, ebenfalls Aufzeichnungen über die Entwicklung des Altkatholicismus gemacht, die aber bei seinem 1897 erfolgten Hinscheiden noch in der Mappe beruhten. Diese lettere hat Goyan an die Spiße der römischen Erinnerungen gesezt, mit welchen sie ein abgerundetes Ganze bilden unter dem Titel: „Bruchstücke diplomatischer Geschichte. München 1872 bis 1879. Rom 1882 bis 1887".

Weit entfernt mit dem bloßen Abdruck der Erinnerungen des geistvollen Diplomaten, welcher die meisten Mitglieder seines Standes wie ein Saul überragt, zu begnügen, hat Goyau sie durch eine sehr ansprechende Einleitung bevorwortet, welche den Hintergrund der politischen und religiösen Ereignisse zeichnet, von denen die diplomatische Thätigkeit des Grafen Lefebvre de Béhaine sich abhebt. Geboren 1829 und bereits 1849 in den diplomatischen Dienst getreten, hat er dem Vaterlande in dieser Laufbahn beinahe volle fünfzig Jahre lang gedient. Nur die Hauptdaten seiner diplomatischen Thätigkeit fönnen hierorts angegeben werden. Attaché in München vom 18. April 1849 bis 11. Januar 1850, ging er in gleicher Eigenschaft nach Berlin, wurde 1852 Sekretär der Gesandtschaft in Darmstadt, dann von 1864 bis 1869 erster Sekretär der Botschaft in Berlin. Vom 31. August 1869 bis zum 14. Mai 1872 in gleicher Eigenschaft in Rom thätig, kam er als Geschäftsträger nach München, wurde hier bevollmächtigter Minister und schied aus dieser Stellung 1880 durch seine Beförderung zum Gesandten im Haag. Vom 30. Oftober 1882 hat er dann vierzehn Jahre bis zum 22. Mai 1896 den Posten eines französischen Botschafters beim heiligen Stuhl würdevoll bekleidet.

Berlin, München und Rom waren die drei Posten, auf denen Lefebvre de Béhaine seine Lorbeern gepflückt hat. Welche Bedeutung er als Sekretär der französischen Botschaft in Berlin besaß, geht aus dem von Goyau dem Vorwort eingeflochtenen. Berichte hervor, in welchem der Graf die ihm vom Berliner Botschafter Benedetti im Kriege mit Desterreich 1866 übertragene Sendung an die österreichische Regierung schildert. Er hatte den Zweck, die Vorschläge des Grafen Bismarck an das

österreichische Hauptquartier zu überbringen. Die österreichischen Gegenvorschläge überreichte er dem Grafen Bismarck in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 1866 in Brünn. Sie wurden als unannehmbar bezeichnet. Ein wie scharfer und vorurtheilsfreier Beobachter von deutschen Verhältnissen und Personen Lefebvre de Béhaine zu einer Zeit war, wo Napoleon III., auf der Höhe des Glückes stehend, mit dem falschen Zauber seiner wesenlosen Herrlichkeit in Europa noch den Ton angab, hat Goyau scharf betont. Die Denkschrift des Grafen, welche die Ueberlegenheit des preußischen Heeres über das französische, und die höhere Intelligenz der preußischen Heerführer darlegte, erschien zu einer Zeit, in welcher Kaiser Napoleon mit der tiefgehenden Abneigung der besitzenden Klassen Frankreichs wider die allgemeine Heerespflicht, wollte er seinem Sohne die Thron= folge sichern, zu rechnen hatte. Der Kaiser selbst aber hat sich der Bedeutung der Beobachtungen des ersten Sekretärs der Botschaft in Berlin so wenig verschlossen, daß er dieselben in der mit der Ueberschrift versehenen Broschüre: Une mauvaise économie reichlich verwerthete, die man beim Fall des Kaiserreiches in den Kellerräumen der Tuilerien fand und die Niemand anders als den Kaiser zum Verfasser hatte. In erweiterter Gestalt ist dieselbe ohne Unterschrift 1872 den nachgelassenen Schriften Napoleons III. einverleibt worden.

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In Rom erhielt der mit seltenem schriftstellerischen Talente begabte Graf Lefebvre de Béhaine 1869 einen höheren und erweiterten Geschäftskreis. Es waren die Zeiten des Batikanischen Concils, wo das Wort Infallibilität“ auf allen Seiten widerhallte. Der französische Episkopat war tief gespalten. Monseigneur Pie von Poitiers, der gelehrteste Prälat Frankreichs im laufenden Jahrhundert, und Monseigneur Dupanloup von Orleans, hochverdient als Kanzelredner, Pädagog und geistvoller Schriftsteller in aktuellen Fragen, wie die weltliche Herrschaft des Papstes, erschienen als Heerführer der Infallibilisten und Anti-Infallibilisten. Eine dritte, mittlere Gruppe folgte dem vorsichtigen Erzbischof von Tours (seit 1872 von Paris) Msgr. Guibert. Die kaiserliche Regierung, in welcher Emile Ollivier und Graf Daru den Ton angaben, stand hinter Msgr. Darboy, Erzbischof von Paris, von dem

der Cardinal-Erzbischof Geissel von Köln 1863 nach der Lektüre des ihm von Darboy nach der Besizergreifung des Erzstuhles von Paris gesandten ersten Hirtenschreibens die bemerkenswerthe lakonische Aeußerung machte: Ein echt napoleonischer Bischof! Graf Lefebvre, mit der Natur der antivatikanischen Strömungen in Deutschland schon vertraut geworden, trat von Anfang an mit männlicher Offenheit auf die Seite des apostolischen Stuhles und erwies sich in Rom als Freund der Infallibilität. In schwerbedrängten Tagen hat er sich Pius IX. mit selbstloser Hingabe angenommen. Er war es, welcher den Vorschlag des preußischen Gesandten Harry von Arnim, Pius IX. möchte, ohne die Anwendung von Gewalt seitens der Piemontesen abzuwarten, Rom den leßteren überliefern, im diplomatischen Corps zu Fall brachte. Von fast allen bei ihm beglaubigten Vertretern fremder Mächte ermuntert, hat Pius IX. mit vollem Recht, als Landesherr wie als oberster Hierarch der Kirche, den Augenblick, in welchem Bresche in die Porta Pia am 20. September 1870 gelegt wurde, abgewartet, bevor er die weiße Friedensfahne auf der First des Vatikan aufziehen ließ (XXII).

Mit der zeitweiligen Verwaltung der französischen Botschaft in Rom betraut, fuhr Graf Lefebvre fort, katholische Institute und Interessen in Rom zu schüßen. Was nach der Behandlung des Kirchenvermögens durch die piemontesische Regierung seit 1818 im eigentlichen Piemont, dann nach der Errichtung des Regno d'Italia 1860 zu erwarten war, trat nach 1870 auch in Rom ein. Gähnend öffnete der Fiskus seinen Rachen, um die euphemistisch sogenannte Incamerazione des Kirchengutes zu besorgen. Auch an die fremdländischen Collegien sollte die Reihe kommen, als Lefebvre de Béhaine zunächst die französischen Anstalten, sodann aber auch diejenigen der übrigen auswärtigen Katholiken unter seinen Schutz nahm. Den Antheil, welchen er an der Errettung derselben hatte, wozu wir namentlich das deutsche Colleg in der ewigen Stadt zählen, würdigt cine von sämmtlichen Leitern dieser Anstalten dem Grafen Lefebvre dargebrachte Adresse, die ihm den Dank aller Betheiligten in einfachen, aber warmen Ausdrücken darbringt. Ihren edelmüthigen Bestrebungen, heißt es darin,

wird der göttliche Segen nicht vorenthalten bleiben, und mit unsern unablässigen Gebeten werden wir Ihnen jene Belohnung erflehen, deren Sie sich so würdig erzeigt haben“ (XXVIII). Zu den Unterzeichnern der Adresse gehört ein Mann, welcher heute den römischen Purpur mit doppeltem Rechte trägt, weil er die würdevolle Haltung, die den Mitgliedern des höchsten Senates der Kirche eigenthümlich ist, mit dem Glanze echt katholischer und echt deutscher Gelehrsamkeit verbindet. Es ist der Cardinal Andreas Steinhuber in Rom, der in jenen Tagen, in welchen die Adresse entstand, den Posten eines Rektors des deutschen Collegs in Rom bekleidete.

In späteren Jahren hat der Botschafter, wie wir aus der Einleitung Goyau's erfahren, den Plan verschiedener Cabinette, durch eine Conferenz die Lage des Papstes zu regeln, oder genauer gesprochen, seine Botmäßigkeit unter die italienische Regierung dauernd zu besiegeln, erfolgreich bekämpft. Einen Beweis seiner Uneigennüßigkeit gab er in dem Drängen nach Ernennung eines französischen Botschafters beim Vatikan, obwohl er wußte, daß seine Verseßung von Rom damit zugleich gegeben sein würde. Wenn aber Goyau in der Einleitung geneigt scheint, die römische Frage mit der Herausgabe von Elsaß- Lothringen auf eine Linie zu stellen, dann ist nicht zu verkennen, daß hier der Patriot den Geschichtschreiber verschlungen. Zur Ehre des Grafen Lefebvre wollen wir ferner bereitwillig annehmen, daß er die Schußherrlichkeit Frankreichs über die Christen im Orient, insonderheit in der Levante in edelster Weise und von den höchsten Absichten geleitet wahrgenommen habe. Heute, im Jahre 1898 dagegen, wird dieses alte Recht Frankreichs von seinem Bündniß mit dem vornehmsten Träger des Schisma in einer Weise beeinflußt, welche im Orient den Schuß Frankreichs als eine Bedrückung empfinden läßt und nur zu oft französische Diplomaten dahin bringt, daß sie das Verhältniß zu Rußland der Vertheidigung katholischer Interessen vorziehen.

Was weiß denn der bevollmächtigte französische Minister am Hofe zu München aus seinem achtjährigen Aufenthalt in der Isarstadt aus der Zeit von 1872 bis 1880 uns zu erzählen? Das hier einschlagende erste Kapitel führt den Titel:

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Der Kampf des Vatikan gegen die Einflüsse der Altkatholiken. Erste Verhandlung zwischen dem heiligen Stuhl und Deutschland bis 1880." Sowohl hier, wie im Verlauf der übrigen Darstellung hat Graf Lefebvre de Béhaine zahlreiche wörtliche Aeußerungen höchster und hoher Personen in Anführungszeichen eingeflochten, ohne eine nähere Quelle für deren Ursprung zu bezeichnen. Das trifft namentlich zu bei den Unterredungen zwischen Papst Leo XIII. und dem Gesandten Kurt von Schloezer. Da Herr von Schloezer College des Grafen in dem bei Sr. Heiligkeit beglaubigten diplomatischen Corps war, so darf man annehmen, daß er dieselben aus dem Munde seines Amtsgenossen empfangen und dann sogleich aufgezeichnet habe Selbstverständlich ist nicht alles neu, was die Artikel des Gräfen uns darbieten, aber nicht wenige Züge aus jener aufgeregten Zeit der siebenziger Jahre treten uns hier erstmals entgegen, während bekannte Thatsachen wenigstens in einer neuen Beleuchtung erscheinen.

Durchaus richtig beurtheilt der Graf das Bedenkliche, was in dem Vorschlage des Fürsten Bismarck lag, den Cardinal Hohenlohe zum Botschafter Deutschlands beim Papst zu ernennen. Selbst dann, bemerkt er, wenn Pius IX. dieselbe genehm gehalten, wäre sie von der Umgebung des Papstes ebenso wenig wie in der katholischen Presse Deutschlands gebilligt worden. Und offenbar römische Erinnerungen in sich wachrufend, fährt der Graf fort: „Der Cardinal Hohenlohe hat während des Concils eine auffallende Rolle gespielt. Die anti-infallibilistischen Bischöfe zu unterstüßen hatte er abgelehnt, aber seine Unthätigkeit besaß einen feindlichen Charakter und stand im Gegensaß zu der zugleich opponirenden aber loyalen Haltung seiner Landsleute, der Cardinäle Rauscher und Schwarzen= berg. In den Schatten sich zurückziehend, hatte er an feiner Besprechung der Führer der liberalen Minderheit theilgenommen und ebensowenig den Msgr. Darboy (Erzbischof von Paris), wie den hervorragenden Erzbischof von Prag besucht. Aber ihn hatte bloßgestellt die geräuschvolle Sprache seines Theologen, jenes Abbé (Professors) Friedrich, der ein Jahr nachher einer der rührigsten Leiter der deutschen Altkatholiken geworden“ (29). Selbstverständlich kommt Graf Lefebvre auf den Stifts

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