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heiten, nie aber die unüberbrückbaren Klüfte principieller Gegensäge vorkommen können, warum gerade hierin eine unvergängliche Ueberlegenheit - Superiorität". des Katholicismus gefunden werden muß.

Von der Mitte des vorigen Jahrhunderts ab versucht der Unglaube herrschende öffentliche Meinung zu werden. Von vornherein trat er abgestuft auf: als Feindschaft wider die Kirche, als Feindschaft gegen das Christenthum und dessen Anspruch auf göttlichen Ursprung, als Feindschaft gegen die Religion überhaupt. Von Anfang an sahen die Führer, Voltaire, d'Alembert, Diderot, Grimm, Helvetius, Holbach die Nothwendigkeit ein, inmitten der literarischen Massenproduktion die Eintracht zu wahren, Zusammenstöße zu vermeiden, geschlossene Reihen zu bilden. Die freien Denker müssen eine Phalanx bilden, wiederholt Voltaire in den verschiedensten Wendungen immer wieder. „Die wahren Philosophen", schreibt er an d'Alembert, 1) „sollten eine Bruderschaft bilden, wie die Freimaurer, Versammlungen abhulten und sich gegenseitig Hilfe gewähren ...' Eine corporative Vereinigung aber, oder eine Vereinigung auf ein bindendes Programm ist ohne Unterordnung unter eine sociale Autorität undurchführbar, diese aber mit der Denkfreiheit überhaupt schwer zu vereinen und bei der Eigenart der Betheiligten ausgeschlossen. Ist es doch eine aufgeklärte Culturdame ersten Ranges gewesen, der hervorragende Menschenkenntniß eignete und die Gelegenheit hatte, die wahren Philosophen beständig zu beobachten, welche also geurtheilt hat:2) Nie hat es intolerantere Leute gegeben, als diese Apostel der Toleranz, „sie möchten alle vernichten, welche sich nicht vor ihnen niederwerfen". Daher die unzähligemal wiederkehrende Klage über die Uneinigkeit der Philosophen.

1) Am 20. April 1761 Moland 4527; 40, 272.

2) Madame du Deffant an Voltaire. 14. Jan. 1766, Moland 6233; 44, 183.

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Aber auch diese strittig gewesen,

Um irgend etwas zu haben, was die Kämpfer zusammenhielt, versuchte man es mit einem abgekürzten Programm, einer Parole. Eine Reihe von Jahren hielt sich das Voltaire'sche Ecrasez l'Infâme" als Kampfruf gegen die Kirche und das Christenthum. Da es aber rein negativ und durchaus polemisch ist, man zugleich äußerste Scheu trug, es an die Deffentlichkeit zu bringen, war es nicht von ferne das, was man brauchte. Als mot de ralliement" schlug Voltaire gelegentlich Dieu et la tolérance" vor.1) Devise war machtlos. Denn nichts ist so als der Begriff der Toleranz. Ob sie als der rechte Ausdruck für Indifferenz und Verachtung, sei es in Bezug auf das Christenthum oder alle Religion anzusehen sei, oder ob sie eigentlich nur als Deckwort gelte für Feindschaft und Verfolgungssucht, darüber hätte der aufgeklärte Senat nie eine einstimmige Antwort zu geben vermocht. Bliebe noch „Dieu“. So oft auch in den Schriften, die Voltaire unter seinem eigenen Namen veröffentlichte, er für seinen Deismus eintrat, und troßdem er irgendwo versichert, für den Vers: „Wenn Gott nicht wäre, man müßt' ihn erfinden" wahre Vaterliebe zu haben, so brachte er es doch kaum dazu, daß auch nur die vertrautesten Freunde auf seine Ueberzeugung in dieser wie in anderer Beziehung viel gaben. Jemand, der ihn so genau kannte, wie Friedrich II. von Preußen, schrieb: „Voltaire möchte gern die Existenz Gottes leugnen, aber er fürchtet den Scheiterhaufen".2) Und selbst wenn man an seiner eigenen Ueberzeugung nicht gezweifelt hätte, wäre es vergeblich gewesen Es fonnte ihm nicht gelingen, die „wahren Philosophen“ auch nur auf seinen erfundenen Gott einzuschwören. Als kindische, greisenhafte Schrulle bezeichnet. es Grimm in seiner für die fürstlichen Höfe, vornehmlich

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1) An Vasselier 10. Nov. 1770, Moland 8079; 47, 249.
2) An d'Alembert 16. Jan. 1769, Preuß 24, 495.

Deutschlands, bestimmten Zeitschrift, 1) daß der Patriarch von Ferney wegen des Volkes" an dem wiedervergeltenden Gott festhalten zu müssen glaubt. Und sein Freund Condorcet hat ihm deßhalb ins Gewissen geredet und damit geschlossen: „Sagen wir doch nichts Uebles von den Atheisten".2)

Die Epoche des Liberalismus beherrschte als „mot de ralliement" das Zauberwort Freiheit: Denkfreiheit, Redefreiheit, Preßfreiheit u. s. f. Die gedachten Freiheiten leisteten im Kampf wider die religiöse Weltanschauung vorzügliche Dienste, aber sie einigen nicht im geringsten zu positivem Zusammenwirken. Sie halfen beim Niederreißen, aber sie enthalten nicht von ferne Grund- und Aufriß zum nothwendigen Neubau, sagen überhaupt nichts über diesen aus. Der Neubau ist aber nothwendig. So wenig Menschen höherer Cultur ohne Dach zu leben, oder Menschen irgendwelcher Art in der Luft zu wohnen vermögen, so wenig kann die öffentliche Meinung, kann das sociale Leben ohne Weltanschauung sein. Deren Kern ist die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung und Zweck des menschlichen Lebens. Könnte verboten werden, diese Frage zu beant worten oder auch nur aufzuwerfen, so würde das gesammte sociale Leben an lauter Fragezeichen befestigt in der Luft hängen. Ein Fragezeichen wäre der Unterschied zwischen Gut und Bös, Recht und Unrecht, ein Fragezeichen Eigenthum, Ehe, Eid, sociale Autorität. Und deßhalb ist es eine Naturnothwendigkeit, daß irgend eine Antwort gegeben werde. Beschränkt man den Ansturm und das Einreißen auf die katholische Wahrheit, oder auf das Christenthum, so kann gejagt werden: Wir wohnen dann in dem, was übrig bleibt. Wird aber die Religion überhaupt, die Existenz Gottes, die Unsterblichkeit der Seele, die Norm der Moralität, oder werden deren philosophische Voraussetzungen, die Wirklichkeit

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1) September 1770.

2) 12. August 1775, Moland 9458; 49, 351.

der Welt, die Giltigkeit des Causalitätsgefeßes bestritten, so wühlt man zugleich die socialen Fundamente auf, und alles muß einstürzen, was darauf steht. Und naturnothwendig durchschwirren Umsturzideen seltsamster Art dann die öffent liche Meinung: Weg mit Ehe und Eid, Freiheit für „Liebe" und Lüge! Weg mit Recht und Pflicht! Adieu Eigenthum, du Diebstahl du! Kein Gott? also auch kein Herr über uns! Der große Kladderadatsch komme über die ganze Baracke!

Den Neubau beim wahren Namen zu nennen: Atheismus, hat, so sehr es betrieben wird, seine unüberwindlichen Schwierigkeiten wider sich; schon deßhalb, weil selbst die höchste Gedankenlosigkeit es nicht über sich bringt, das Nichts, die blanke Negation, auch nur für ein Kartenhaus, geschweige für eine Kaserne auszugeben. Von der akademischen Bildung bleibt aber doch, zumeist wenigstens, die Erinnerung an das Alpha privativum, und daraus ergibt sich das Verständniß dafür, daß der Atheismus etwas rein Negatives ist. Die Läugnung aller Religion ist imgleichen namenlos. Wie soll man sie anders nennen, als Religionslosigkeit? Sie ist ferner ganz unfähig genossenschaftliche Existenz zu haben, eine Gemeinde zu einen. Die freireligiöse Gemeinde ist erstens eine sprachliche Unredlichkeit, denn man meint eigentlich eine religionfreie; und zweitens als innerer Widerspruch ein todtgeborenes Kind. Man sagt freireligiös und meint irreligiös, man spricht von einer Gemeinde, die nichts Positives gemein haben darf. Der Atheismus kann aber außerdem das Brandmal zweifelhafter Abstammung und daher einer erblichen Belastung mit anarchischen Instinkten nicht los werden. Er ist ein Sklavenkind, von der dem Willen verknechteten Vernunft geboren, und daher mit dem Fluche behaftet, lebenslängliche, widernatürliche und gottlose Zwangsarbeit für den zu sein, der ihn festhalten will.

Durchaus positiv ist dagegen: Materialismus. Was ihu stets compromittirt hat, war, daß man vielfach dabei

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an abgehauste und abgelebte Egoisten denkt, die sich weigern auch nur ein Löffelchen der altruistischen Limonade zu genießen, welche ihnen von den Apothekern der ‚ethischen Cultur angeboten wird. Daher das eifrige Bemühen, die Wortführer des Materialismus als prachtvolle Biedermänner, oder als liebetriefende Idealisten hinzustellen, bis ehrliche Schriftsteller, ein Taine etwa, das Vergnügen störten und die Leute zeigten, wie sie waren. Mögen sie übrigens in sämmtlichen Tugenden Heroen gewesen sein, desto besser für sie, aber ein Zufall war's doch. Hielten sie sich an Logik und Vernunft, dann war's aus mit dem Sittengesch und jeglichem Altruismus; hielten sie sich an's Sittengesetz und augenverdrehendsten Altruismus, so war's aus mit der Logik. Heutzutage aber hat man andere Schmerzen. Es ist ein großartiges Verdienst des Socialismus, für gewisse elementare logische Vornahmen, wie z. B. consequentes Denken, auch die verstopftesten Ohren aufgeknallt, auch die verriegelten Geheimraths Einsichten aufgesprengt zu haben. Wenn der Materialismus herrschende öffentliche Meinung ist, dann hat also auch jeder, jede, jedes, Mann, Frau, Kind ein strenges Recht auf irdisches Glück so hohen Grades, als es darnach bedürftig und aus sich dazu fähig ist; ein strenges Recht auf die Mittel Glücksgüter -die dazu vonnöthen sind. Möglichst hohe und völlig gleiche Antheilscheine an den Glücksgütern, an alle vertheilt, deren Verwendung unter Aufsicht, staatliche Garantie für gleiche Bilanzen . . . das wäre wohl etwas, aber lang noch nicht alles. Denn schandbares Unrecht wäre es, dem in den Arm zu fallen, der stark genug ist, um zwanzig Antheilscheine zu erobern. Nietzsche's Gewaltmensch wird in den Zukunftsstaat Abwechslung bringen. Zunächst aber steht dieses fest: Wenn Materialismus, dann ist das gleiche Recht auf irdische Glücksgüter ein unleugbares, unabweisbares, unverbrüchliches, unverlierbares Recht, das von jedem und jeder mit allen Mitteln nach Maßgabe der Kräfte durchgesezt werden kann und muß. Der Unter

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