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Last zu legen, ihren Verdacht oder ihre Muthmaßungen als Thatsachen darzustellen. Diese Anklagen zu wiederholen, ist eines Kritikers ebenso unwürdig als der Glaube an so manche Herengeschichten. deren Ungereimtheit selbst dem blödesten Auge sichtbar ist. Noch schlimmer ist es, wenn ein Schriftsteller aus zwei sich widersprechenden Quellenberichten seine Schlüsse zieht oder gar das Zeugniß eines Zeitgenossen neben das eines späteren Bearbeiters stellt, der nach Dichterart die Quellen ummodelt.

Fleming hat diese Fehler sehr häufig sich zu Schulden kommen lassen. Einige Beispiele müssen genügen. „So furchtbar, heißt es S. 458, die in dem Book of Articles gegen Maria Stuart erhobenen Anklagen sind, so werden sie von denen Lesley's, eines ihrer wärmsten Anhänger, noch überboten, der zur Zeit der Gefahr den Muth verlor und gestand, er glaube, fie habe ihren ersten Gatten, den König von Frankreich, vergiftet, zu der Ermordung Darnley's ihre Zustimmung gegeben. und den Mörder desselben geheirathet, sie habe ihn dann auf das Feld gelockt, damit er erschlagen würde; darauf habe sie beabsichtigt, den Herzog von Norfolk zu heirathen, dem sie auch nicht lange eheliche Treue bewahrt haben würde." Nach Fleming sollte man meinen, Bischof Lesley sei auf die Folter gespannt worden und habe sich dieses Geständniß entreißen lassen. Dies war jedoch keineswegs der Fall. Fleming selbst erzählt uns (S. 225): Der Bischof von Roß (Lesley) habe dieses (das obenerwähnte Geständniß) Dr. Thomas Wilson gemacht, der nichts Eiligeres zu thun gehabt hätte, als diese Nachricht an Cecil zu übermitteln. Lesley's Aussage steht im Widerspruch mit gut beglaubigten Nachrichten, die Fl. selbst mittheilt. Der venetianische Gesandte schreibt, Calendar Venice VII, 278: „Nach und nach wird Jedermann den Tod des Königs Franz II. vergessen außer der jungen Königin, seiner Wittwe, die nicht weniger edelherzig als schön und in ihrem Aeußern anmuthig ist. Der Gedanke an den Wittwenstand in einem so jugendlichen Alter und der Verlust eines Gemahls, der ein so mächtiger König war und sie zärtlich liebte, und der Umstand, daß sie die Krone Frankreichs verloren, ohne Hoffnung, die von Schottland zu gewinnen, drücken sie so nieder, daß sie

sich nicht trösten lassen will, sondern unter Strömen von Thränen über ihrem Unglück brütet und allgemein großes Mitleid einflößt." Daß Mary bei Carberry Bothwell nicht verlassen wollte, macht ihr ja Fl. selbst (S. 164) zum Vorwurf; er durfte somit diese Stelle, die ganz unglaubwürdig ist, nicht anführen. Dr. Wilson scheint entweder ein leichtgläubiger Mensch gewesen zu sein, der auch das Allerunwahrscheinlichste glaubt, oder ein Lügner.

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Ueber das Leben am Hofe Heinrichs II. sind wir sehr wohl unterrichtet; statt die Urtheile der Zeitgenossen anzuführen, werden von Fl. Lamartine's Marie Stuart" und die Encyclopaedia Britannica" citirt. Lamartine, der gerade so wenig wie Schiller seiner Phantasie Zügel anzulegen verstand, berichtet uns: An dem seinen und wollüstigen Hof der Valois, an dem eine Maitresse herrschte, wurde sie eher wie eine vollendete Hofdame, nicht als eine Königin erzogen, und ihre Erziehung war mehr danach angethan, sie zur Maitresse des Dauphin als zu seiner Gattin zu machen" (S. 205). Noch dicker werden die Farben aufgetragen in der Encyclopaedia Britannica: Jede Art von Unzucht, Mord in jeglicher Form waren der Gegenstand der Unterhaltung für den glänzenden Hof Katharinas von Medici. Nach zehn Jahren der Erziehung unter der Vormundschaft einer Frau, deren Politik darin bestand, ihre Kinder sittlich zu Grunde zu richten, ward die schottische Königin dem ältesten und schwächsten ihrer Söhne vermählt." Diese Säße enthalten so viele Fehler als Worte. Nicht Katharina, die zu Lebzeiten ihres Gemahls und ihres ältesten Sohnes gar keinen politischen Einfluß besaß, vermählte Maria, sondern Heinrich II. selbst. Als nach dem Tode Franz' II. der neue König geneigt war, Maria zu heirathen, hintertrieb Katharina diesen Plan; ouch später zeigte sie sich gegen ihre Schwieger. tochter sehr feindselig. Maria fann schon deshalb nie ihr Liebling gewesen sein, auch weil sie unter dem Einfluß des Herzogs von Guise und des Cardinals von Guise stand. Katharina fann erst nach dem Tode Franz' II. ihre Söhne grundsätzlich corrumpirt haben, denn erst dann übte sie großen Einfluß. Schon die Chronologie widerlegt Fl. und den Verfasser des Artikels in der Encyclopaedia Britannica. Das

Schreiben Heinrichs II. an die schottischen Stände, in dem er hervorhebt, sie sei am königlichen Hof unter seiner heiligmäßigen (!) Gemahlin erzogen worden, steht nicht im Widerspruch mit den übrigen Nachrichten, welche berichten, daß Maria in einem Kloster erzogen worden sei. Denn der Brief will nur sagen, daß sie bisweilen am Hofe erschienen und gleich den Kindern. Heinrichs II. geehrt worden sei. Fl. versteht es so trefflich, scheinbare Widersprüche auszugleichen, wenn es gilt, Knox oder Murray zu vertheidigen. Warum wird hier kein Versuch gemacht, die scheinbaren Widersprüche zu lösen?

P. Stevensons Behauptung steht somit nicht im Widerspruch mit den Quellen. „Katharina hatte keinen Antheil an der Erziehung Marias, sie besaß durchaus keinen Einfluß am Hof; sie hegte besondere Abneigung gegen die Schottin, deren Gesellschaft sie soviel als möglich vermied."

Fl. selbst läßt die Erziehung durch Katharina fallen, denn er schwärzt zuerst Lady Fleming an, die in Folge ihres unsittlichen Lebens für den Posten einer Erzieherin der Prinzessin nicht getaugt habe, dann zeigt er sich entrüstet darüber, daß Diana von Poitiers, die Maitresse des Königs, die junge Maria freundlich begrüßt habe. Fl. sett stillschweigend voraus, an anderen Orten spricht er es offen aus, daß Jeder, der am französischen Hofe in Berührung mit der Schottin kam, sie in alle seine Schlechtigkeiten und Intriguen eingeweiht habe. Wahrhaft empörend sind die Insinuationen gegen den Cardinal von Lothringen (206). Fl. führt Baird an, der die sittliche Unbescholtenheit des Cardinals gegen seine Ankläger darthut, schämt sich aber nicht, den allerschlimmsten Gerüchten gegen ihn Glauben zu schenken. Maria kann es Fl. nie recht machen. Sie hatte dem englischen Gesandten Throckmorton erklärt: „Ich will offen mit Ihnen sein. Ich halte die Religion, zu der ich mich bekenne, für eine Gott wohlgefällige; und in Wahrheit kenne ich keine andere und verlange nach keiner anderen. Wenn Standhaftigkeit sich für Alle geziemt, dann ziemt sie sich ganz besonders für Herrscher in weltlichen und religiösen Angelegenheiten. Sie wissen wohl, daß ich nicht zu denen gehöre, die ihre Religion jedes Jahr ändern, und daß ich auch meine Unterthauen zu einer Religionsänderung nicht zwingen will, obgleich

Histor. polit. Blätter CXXI (1898).

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ich wünsche, daß sie alle wären wie ich, und daß man sie nicht unterstüßte, wenn sie meiner religiösen Ueberzeugung Gewalt anthun wollten." Diese Toleranz, diese Anerkennung der geseßlich erworbenen Rechte der schottischen Presbyterianer schließt natürlich die positive Förderung der Protestanten, die Unterdrückung der Katholiken nicht ein. Maria machte sich weder der Ungerechtigkeit noch der Doppelzüngigkeit schuldig, als sie die Katholiken gegen Verfolgungen zu schüßen suchte, von ihrer Dispensationsgewalt Gebrauch machte, um die Katholiken zu schüßen, und sich bemühte, die gegen die Katholiken erlassenen Strafgeseze abzuschaffen. Heutzutage sollte man über diesen Punkt einig sein. Fl. ist durch und durch Fanatiker und theilt den wilden Haß des Reformators Knox, der in seiner Königin eine Jezabel erblickte. Auch nicht eine der Stellen, die er S. 378, 264 c. anführt, beweist, daß Maria je geschwankt oder je sich mit dem Gedanken getragen, ihre protestantischen Unterthanen ihres Glaubens wegen zu verfolgen. Maria schrack vor Blutvergießen und Gewaltthaten zurück und gab in Folge ihrer Milde ihren schlimmsten Feinden Muth; die Königin Elisabeth schlug das entgegengesezte Verfahren ein und erzwang sich dadurch Gehorsam. Selbst Fl. muß S. 378—379 zugeben, daß die schottische Königin der katholischen Liga nicht beigetreten sei, meint jedoch, es sei nur Zufall, daß sie den Bund nicht unterzeichnet habe. Die Unterhandlungen Marias mit Philipp II. bezweckten bekanntlich, was immer auch Philippson und Fleming dagegen einwenden mögen, die Erhaltung der katholischen Kirche, keineswegs die Ausrottung des Presbyterianismus.

Das Ansehen des schottischen Reformators Knox ist Dank den neueren Forschungen so tief gesunken, daß selbst eifrige Presbyterianer denselben nicht länger zu vertheidigen wagen. Er war nicht nur ein in der Theologie ganz unbewanderter Mensch, ein Feigling, der erst nach Schottland kam, als der Protestantismus den Sieg errungen, sondern ein roher Demagog, der sich auf nichts besser verstand, als auf das Aufreizen der Menge und die Entfeßlung der schlimmsten Leidenschaften. Fl. gilt dieser Mann als ein in erhabener Vollkommenheit dastehender Prophet, als ein Eiferer für die Ehre Gottes, als ein Todfeind der Messe und des Lasters. Sein

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rohes und brutales Benehmen der Königin gegenüber ist ihm ein Beweis seiner Weltverachtung. Gott ist Knox Alles, die Welt ist nichts in seinen Augen, nichts kann ihn ablenken von Gott, dem Mittelpunkt, auf dem all sein Sinnen und Denken zusammenläuft“ (S. 259). Es ist nur Schade, daß die Briefe des Reformers an Elisabeth, in denen dieselbe aufgefordert wird, die schottische Königin zu stürzen, noch erhalten sind, daß die Predigten und die von Knox verfaßte Geschichte Schottlands eine recht häßliche Kehrseite zeigen; daß nicht nur Katholiken, sondern auch Elisabeth und ihre Staatsmänner recht abfällig über Knox urtheilen. Fl. hütet sich wohl, die gegen den Reformer erhobenen Anklagen zu widerlegen; er ist auch nicht frei von Aberglauben und seßt den Wundern der hl. Margaretha die zu Gunsten des bejahrten Peden gewirkten Wunder entgegen. Dieser Peden gab vor, es hätte sich öfters ein Nebel erhoben und ihn gegen seine Verfolger beschüßt (S. 250).

Kaum weniger hoch als Knor steht in der Achtung Flemings James Murray, Stiefbruder der Königin, der die schlimmsten Eigenschaften der gewissenlosen Staatsmänner jener Tage, Ehrgeiz, Verlogenheit, Heuchelei, Grausamkeit in sich vereinigte, sich aber als eifriger Protestant geberdete. Seine Verbrechen sind bekannt. Wohl wenige haben die macchiavellistischen Grundsäße mit demselben Geschick und derselben Rücksichtslosigkeit durchgeführt. Sein bitterster Feind war eine Zeit lang Henry Darnley, der jugendliche Gemahl Maria Stuarts, der sich später von Murray überlisten und als dessen Werkzeug bei der Ermordung Riccios gebrauchen ließ. Derselbe war ebenso unfähig und unbeständig als sittlich verkommen und gemein. Ueber die Trunksucht, die Wollust, den Verkehr mit der niedrigsten Gesellschaft, die Verstocktheit und Verlogenheit Darnley's herrscht nur eine Stimme, selbst Fl. gesteht, daß Keiner außer „Maidment" ein gutes Wort für diesen Mann habe: gleichwohl wird er entschuldigt, wird es Maria zum Vorwurf gemacht, daß sie ihn nicht besser behandelt habe. Es ist eine Voreingenommenheit sonder Gleichen, wie Fl. alle die Laster Darnley's, die er selbst berichtet, als Kleinigkeiten behandelt, die keinen Tadel verdienen.

Fl. hat, wir wollen das gerne einräumen, durch das Nach

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