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katholischen Kreisen maßgebend. Wenn auch heute die Empfindung für diese Geschmacksrichtung uns abgehen mag, so war sie thatsächlich vorhanden. Hatte Rubens zu ihrer Ausprägung den entsprechenden Accent gefunden, so antwortete Mit- und Nachwelt in treuem Beharren bei dem von ihm geschaffenen Vorstellungskreise und seinen Formen. Mit den Typen des Heilandes und seiner heiligen Mutter lenfte er in theilweise veränderte Bahnen ein., Die spätmittelalterliche Kunst der Vlamänder hatte den Typus der Madonna und der weiblichen Heiligen nach einheimischen Vorbildern in höchst unerfreulicher Weise ausgestaltet. Hydrofephale Stirne mit glasigen, dicken Augen und zurückgestrichenem Haar gab den Bildern einen Zug von blöder Thatlosigkeit und Senilität. Im Unterschied knüpften die sog. Romanisten gern an italienische Bildtypen, namentlich der Mailänder Schule an. Rubens seinerseits blieb der germanischen Heimat treu. Er schuf einen Frauentypus, der zwar nicht übersinnlich, aber keineswegs im Sinne unserer Veristen und Naturalisten durch das Modell bestimmt, an vornehme Erscheinung der christlichen Frauenwelt seiner Umgebung sich anlchute. Seine heiligen Frauen sind körperlich und geistig gesunde Wesen von rosiger, temperamentvoller Art. Im Leiden erhebt er sie dann zu großer, tragischer Erscheinung voll der tiefsten Empfindung, vorab die Schmerzensmutter. Nach der andern Seite thut sich in der Verherrlichung des Erlösers seine ganze Kraft, sein Schönheitsgefühl auf. „Die große Kreuzabnahme des Domes von Antwerpen mit ihrer grandiosen Einheit, welche alle Gestalten am Thun und am Empfinden theilnehmen läßt, ist vielleicht überhaupt die lezte und höchste mögliche Lösung der Aufgabe, im religiösen wie im künstlerischen Sinne." Den Christusbildern treten einige der dem Lobpreise der Kirche dienenden würdig zur Seite. Rubens hat für König Philipp IV. von Spanien neun Compositionen entworfen, die den Triumph des Glaubens feiern. Von ihnen sind

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sechs, der „Sieg über das Heidenthum“, die „Ecclesia per sanctam Eucharistiam triumphans", die „Mannaleje“, „Abraham und Melchisedek“, „die vier Evangelisten“ und die sechs Kirchenlehrer mit der hl. Klara", von dem größten Werthe und Zeugnisse eines das ganze Dasein durchdringenden und erhebenden Katholicismus, besonders das Bild der Ecclesia per sanctam Eucharistiam triumphans schlägt uns in seiner Pracht und Empfindung ans Herz wie der Ausbruch des Jubels eines durch seinen Glauben sich ganz befreit und glücklich fühlenden Menschen. Rubens hat diese Lebenswonne der Kirche, der er sie verdankte, nach Kräften vergolten. Es war ein außerordentliches Glück für den Katholicismus des ganzen Nordens, einen so großen, glücklichen, freiwilligen Dolmetscher zu finden, der sich für alles Dasein der religiösen Gestaltenwelt so von selber begeistern fonnte.... Die Kirchenbilder des Rubens sind der große Gipfelpunkt des Ersages für das, was der furchtbare niederländische Bildersturm des Jahres 1566 zernichtet hatte."

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Karl Neumann sagt in dem eingangs erwähnten Aufsaße über Jakob Burckhardt: Der Individualismus war das Resultat und die feinste Blüthe des Mittelalters, zu Tage gefördert durch die seelische Verfeinerung und Durchfnetung der menschlichen Natur in der Schule des Christenthums. Dieselbe Frucht ist auch diesseits der Alpen ohne die Sonne der Antike gewachsen als ein Erzeugniß des Mittelalters. Was der italienische Volksgeist und die Antike als Würze hinzubrachten, war der unsterbliche Zujah von Schönheit, der Zauber der Form". Rubens war wohl die lezte, jedenfalls eine der größten Individualitäten der im christenthumfeindlichen Sinne mit so großem Unrechte Renaissance genannten gewaltigen Kunst- und Geschichtsperiode. Seine große ursprüngliche Persönlichkeit ist durch und durch christlich und im Besonderen eminent katholisch. Burckhardt nennt ihn in einem Athemzuge mit Homer und Goethe. Er hat seinen Plag aber mit begründeterem Rechte neben Shakespeare, seinem älteren, gleich ihm germanisch-christlichen Zeitgenossen.

Martin Spah n.

LXX.

Zeitläufe.

Ueber den Krieg Nordamerika's gegen Spanien wegen

Cuba's und im stillen Ocean.

Den 12. Mai 1898.

Das ehr

Wendepunkt in der Weltgeschichte": heißt die neueste Ueberraschung des alten Europa, welche seinen Verwicklungen im fernsten Ostasien nun auf dem Fuße folgt. würdige, nun schwach gewordene Spanien mit 17 Millionen Einwohnern im Verzweiflungskampfe mit dem jungen, kraftund geldstrogenden amerikanischen Riesen mit seinen 71 Millionen, dieses Spanien, dereinst die erste Großmacht Europa's, von welcher Kaiser Karl V. sagen konnte: „in seinem Reiche gehe die Sonne nicht unter", jezt in Gefahr, den zusammengeschrumpften Rest seines dereinstigen ungeheuren Colonialbesizes, Cuba, Portorico und die Philippinen, an die großen Finanzmächte in Nordamerika zu verlieren: das ist die Lage. Und was jenseits diese neue Welt gewinnt, das verliert unsere alte Welt.

Noch eine neue Ueberraschung. Während Jedermann annahm, daß der Angriff der Nordamerikaner auf Cuba, die benachbarte „Perle der Antillen", im atlantischen Meere erfolgen würde, erfolgte er im stillen Ocean auf die Philippinen durch ein überlegenes Geschwader, das in dem britischen Hafen Hongkong gelagert war, also auf ursprünglich chinesischem Gebiet. So kämpfen also die zwei Mächte auch in

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Ostasien, und allem Anschein nach steht hier Japan im Hintergrunde, das des Liebäugelns mit Nordamerika, und umgekehrt, längst verdächtig ist. Auch auf den Philippinen wüthete während des Aufruhrs auf Cuba ein Aufstand, der den Spaniern furchtbare Menschenverluste und Kosten verursachte. Erst vor ein paar Monaten ließen sich die Insurgentenführer mit Geld zur Unterwerfung bewegen und zur Auswanderung nach Hongkong verpflichten. Jetzt werden. sie natürlich wiederkehren. Wie sich die Verhältnisse in diesen Colonien seit fünfzig Jahren verändert haben, mag aus dem Bericht über das Buch eines berühmten Colonialreisenden ersehen werden:

Auf seiner weiteren Fahrt hielt das Schiff in Manila oder Luzon (Philippinen) an. Das ist die einzige große Befizung, welche den Spaniern im stillen Ocean übrig geblieben ist und die noch so ganz in alter Weise verwaltet wird, daß das Volk mehr an den Mönchen, als an der weltlichen Regierung hängt, welche lehtere sich deshalb hütet, mit den Mönchen in Conflikt zu kommen. Während Progressismus, Voltairianismus und Maçonnerie im spanischen Mutterlande die Klöster geplündert und zum Theil verbrannt hat, wagte doch selbst das fortschrittlichste Ministerium nicht, auf den Philippinen in derselben frivolen Weise zu verfahren. Deshalb ist auch dort das Volk noch auf eine denkwürdige Weise zufrieden und glücklich. Die eingebornen Tongalesen sind längst bekehrt, ein frommes und friedfertiges Volk, welches seinen geistlichen Vätern mit findlicher Liebe zugethan ist. Man pflegt einen solchen Wohlstand und eine solche Volkszufriedenheit unter geistlicher Obhut im gebildeten Europa zu verlachen und würde am liebsten dem letten Pfaffenregiment, das sich noch in einem Winkel der Erde verbirgt, mit Feuer und Schwert ein Ende machen, um die armen Tongalesen mit Parlamentswahlen, Juristerei, Schulmeisterei und Fabrikjammer in die höhere staatliche Civilisation einzuführen. Wir hegen die abweichende Meinung, daß unsere heillose Staatsomnipotenz, die demokratische und liberale, wie die despotische, doch wenigstens noch auf einem Fleck Erde die Kirche und das in ihrem Frieden lebende Volk in Ruhe lassen

sollte. Die spanische Verwaltung der Philippinen verdient bei weitem mehr Achtung als die englische und holländische in Ostindien. In den englischen und holländischen Colonien hat man den heidnischen Bevölkerungen den Segen des Christenthums nicht gebracht. Man hat sie in ihrem blinden Heidenthum stecken lassen und sie nur ausgeplündert, gequält und geschunden, und muß daher einen immerwährenden oder nur immer kurz unterbrochenen Krieg mit ihnen führen. In Manila hört man nie etwas von solchen Greueln. Hier ist die Bevölkerung der milden geistlichen Vormundschaft froh und viel freier und glücklicher, auch sittlich veredelter, als irgend sonstwo auf indischer Erde. Ganz ebenso fand Alexander von Humboldt die Indianer in Südamerika, und er, dem man keine Vorliebe für kirchliche Institute zum Vorwurf machen wird, rühmt doch ausdrücklich den Segen, den die Mönche in südamerikanischen Missionen verbreitet haben. Jahrhunderte hindurch war in Südamerika unter der milden geistlichen Herrschaft Ruhe, und das Volk in Paraguay lebte in so einem paradiesischen Glücke dahin, wie in Manila, bis das Ungeheuer der Revolution seine Zähne fletschend einbrach, und seitdem schon siebzig Jahre lang ununterbrochen Bürgerkrieg im Lande wüthet, eine unsinnige Republik die andere verschlingt und die Verwilderung kaum mehr zähmbar scheint. Die Kirche hat der alten Wildheit gesteuert, der Staatsdämon hat zu ihr zurückgeführt. Der Genius des Staats wird jedesmal zu einem bösen Dämon, wenn er das Kreuz, welches der Sohn Gottes auf der Welt= kugel aufgerichtet hat, niederzureißen unternimmt“.1)

Fünf Jahre später berichtet ein „Augenzeuge“ über die cubanische Frage. Zur Ehre der spanischen Regierung, bemerkt er, sei es gesagt, daß sie seit den Tagen der ersten

1) Wolfgang Menzel's Literaturblatt" vom 7. September 1864 über „Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde, in den Jahren 1857-59. Beschreibender Theil von Dr. Karl von Scherzer.“ Aehnliche Urtheile werden jezt mehrfach aus der Schrift des bekannten Nationalöconomen Roscher Colonien, Colonialpolitik" (Leipzig 1856) citirt.

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