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LII.

Der Tiroler Freiheitskampf.

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Unter diesem Titel hat Karl Domanig eine dramatische Trilogie gedichtet, deren zweiter Theil „Der Kronenwirth von Hall" schon 1885 als selbständige Episode aus den Tiroler Freiheitskämpfen" erschien und in diesen Blättern damals bereits eine Besprechung erfahren hat.') Der wohlverdiente Erfolg, den diese Dichtung hatte, ermuthigte Domanig, den ganzen Heldenkampf des tapferen Tirolervolkes in einer dramatischen Trilogie zusammenzufassen. 1895 folgte der erste Theil : Speckbacher, der Mann aus Rinn" mit dem Vorspiele: „Die Braut des Vaterlandes", und 1897 der dritte Theil: „Der Sandwirth" mit dem Nachspiele: „Andreas Hofers Denkmal“.2) Nachdem nunmehr das ganze Werk vollendet vorliegt, ist ein näheres Eingehen auf dasselbe möglich und eine angenehme Pflicht.

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Ueber Domanig seit dem Erscheinen seines „Abt von Fiecht" und Gutskauf" als Dichter noch ein Wort zu sagen, scheint uns überflüssig. Er hat die allgemeine Anerkennung seines Genius gefunden. Man hat ihn mehrfach mit Defregger verglichen. Wenn Defregger der Maler des ächten Tiroler Nationaltypus ist, dann trifft der Vergleich zu. Domanig ist ferntirolerisch im Fühlen und Empfinden, in der Geradheit und Biederkeit, in der Einfachheit und Wahrhaftigkeit, in der Liebe

1) Bd. 97, 391 ff. Die Besprechung stammte aus der Feder eines alten Freundes und vieljährigen Mitarbeiters dieser Zeitschrift, des Hofraths Lulas von Führich in Wien († 29. Jan. 1892). A. d. R. 2) Alle drei Bändchen in der Wagner'schen Universitätsbuchhandlung in Innsbruck erschienen.

Histor. polit. Blätter CXXI. (1898).

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zum Kaiserhause und zur Religion. Das ist der Kern seiner Dichtung: Der Tiroler Freiheitskampf".

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Wie in dem Kronenwirth" eine Episode aus dem Tiroler Freiheitskampfe Gegenstand der dramatischen Handlung ist, so auch in den zwei sich anschließenden Dramen. Alle drei zusammen geben aber ein überaus anschauliches Bild des Entscheidungskampfes des Jahres 1809, nachdem nach der unglücklichen Schlacht von Wagram der Kaiser Tirol abgetreten hatte. Die beiden Episoden „Speckbacher“ und „Der Kronenwirth" spielen fast gleichzeitig und zeigen in abgerundeten, höchst fesselnden Scenen, wie der Gedanke, daß das Tiroler Volk gezwungen vom Landesherrn preisgegeben, nun wider dessen Willen ihm die Treue zeigen müsse, trotz des Widerstreites der einzelnen Führer siegreich durchbrach und die allgemeine Erhebung zu Stande brachte:

Denn ja nicht lebermuth drängt uns zum Streit,
Und nicht die Rache selbst, die Gottes ist!

Es gilt für Gott, für's Land und für den Kaiser.

Ja, für den Kaiser auch! Denn nehmt das Beispiel:

Es wär' ein Herr verarmt und spräche da

Zu seinem Diener: „Nicht bezahlen mehr,

Nicht mehr erhalten kann ich Dich, wir scheiden“:
Soll da der Diener lassen von dem Herrn?
So lassen wir von unserm Kaiser nicht!
Ausharren wir bei ihm, bis dieser Zeiten
Bedrängniß einer bessern Zukunft wich.

Specbacher V. 6.

Zwar tragen beide Episoden den Namen hervorragender Führer, welche den Befreiungskampf an verschiedenen Orten organisirten und aus innerem Ruf sich an die Spiße stellten; aber sie sind nicht die Hauptfigur, die Hauptträger der Handlung. Domanig hat es äußerst geschickt verstanden die Episoden zu einer vortrefflichen Charakteristik des gesammten Volkes und seines Fühlens in jenen schweren Zeiten auszugestalten. Aber gleichwohl kommt auch hier schon die hehre Gestalt des Haupthelden, der eigentlichen Seele des Befreiungstrieges, des Mustertyps des Tirolerthums, Andreas Hofer, zu ihrem Rechte; aber nicht hervorragend über die andern, nicht hinreißend, stürmend, sondern ganz wie er war: der Mann des inneren Rufes, die

Personifikation der Tiroler Volksseele; so betrachten ihn die Stürmischsten, so fügen sie sich ihm, so gehorchen ihm die Zagenden, Aengstlichen.

Ihm, seinem tragischen Schicksale ist der dritte Theil der Trilogie geweiht. Hier erscheint der merkwürdige Mann in seiner ganzen Heldengröße, aber auch in der vollen Naivetät des Trägers einer großen Aufgabe, der dieselbe für seine einfache Pflicht hält - und der dann auch mit derselben Naivetät sich zum Opfer bringt:

„Hab mir jezt her oft denkt, wie in der legten Zeit so viel, o so viel Sachen vorkommen sind, die nicht in der Ordnung waren; zuerst die bravsten Leut', sind sie zulehthinaus wild und rabiat geworden das wird, das muß unser Herrgott ja strafen! Und schau, hab' ich mir denkt, ausgezeichnet hat der Kaiser mich, mich ganz allein von allen Tirolern Mir hat er die goldne Kette g'schickt und das viele Geld warum g'rad mir? Andere hätten's g'rad so verdient, mancher leicht mehr als ich. Aber mich haben die Tiroler aufig'hoben, ich bin der Oberkommandant g'wesen, sollt' ich jezt auch nicht büßen können für andere?" (Sandwirth IV. 7.)

Wir können kein breiteres Exposé der Trilogie hier geben, weil es den Rahmen einer Besprechung in dieser Zeitschrift übersteigen würde, aber wir müssen betonen, daß es selten einem Dichter gelungen ist, in packenden Scenen, trefflicher Gruppirung und scharfer Charakteristik eine Folge von Ereig= nissen, die den Höhepunkt der Geschichte eines Volkes bilden, derart plastisch vor Augen zu führen, wie es Domanig in seiner Trilogie erreicht hat.

Keine Eigenschaft des Tiroler Charakters bleibt unberücksichtigt; der Humor, dieser ächte Zwillingsbruder der Charaktertiefe, der dem Tiroler mehr im Augenwinkel als auf der Zunge sigt, kommt überaus fein beobachtet meist zum Ausdruck, wo der Gegner schon selbst fühlt, daß er unterlegen ist; die Weichheit, die in Tirol nie Sentimentalität ist, wird in keiner noch so ergreifenden Scene der Trilogie zur Birch-Pfeiffer'schen Rührseligkeit oder Gärtnertheaterlichen Gefühlszerrerei. Eine wahre Perle in dieser Beziehung ist die siebente Scene des vierten Aftes im Sandwirth", wo Andreas Hofer, in der

Vorahnung, daß er verrathen werden würde, vor'm Schlafengehen mit seinem starken Weibe Rücksprache hält über die Vergangenheit und sie auf seinen Tod vorbereitet.

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Wie aus den beiden mitgetheilten Proben hervorgeht, ist die Trilogie abwechselnd in Versen und in Prosa geschrieben. Daß Domanig den Vers nicht durchweg gebraucht hat, ergab sich durch den Stoff; er gebraucht ihn nur da, wo die Handlung den Gang der Hauptereignisse schildert, diesen daher gebührend hervorhebend. Die Sprache ist, wie die mitgetheilten Proben gleichfalls ergeben, ein adaptirter Dialekt. Man hat Domanig vorgeworfen, daß er die Dichtung nicht entweder ganz dialektfrei oder vollständig im Dialekt geschrieben habe. Letzteres war wohl kaum angängig. Denn in welcher der unzähligen Thalmundarten. hätte er schreiben sollen? Und außer einem in Tirol oder den „angrenzenden Ländern“ Gebornen hätte sie dann lesen können? Der adaptirte Dialekt ist geschickt gewählt und im Ganzen gut durchgeführt. Das Treuherzige, was er an sich hat, würde man ungern vermissen; man käme dann gar zu leicht auf die Schiller'sche Bank von Stein", auf die der biedere Schweizer Tell sich setzen mußte. Nur durch den so berechtigten Thalpatriotismus erklärlich ist uns die sehr häufige Anwendung des Flickwörtchens das in der engsten Heimat des Dichters für wohl“, „also“, „gerade“, „schon" gebraucht wird, das aber im nächsten Thale schon ungekannt ist.

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Aus dem, was wir über die Exposition des Gesammtwerkes und die Ausgestaltung der einzelnen Akte und Scenen gesagt haben, ergibt sich, daß die Trilogie durchaus bühnengerecht verfaßt ist, auch die Scenerie ist überall wirkungsvoll und ohne Schwierigkeiten herzustellen. „Der Kronenwirth" hat denn auch schon die Feuerprobe des Lampenlichtes mit wirklichem Erfolg in Tirol und Wien bestanden. Wir glauben, jede Theaterleitung wird sich den Dank des Publikums erwerben, wenn sie die Domanig'sche Trilogie in ihren Spiels plan aufnimmt, tüchtig einstudirt und würdig zur Aufführung bringt. Sie birgt alles in sich, was ein Theater bieten soll, wenn es dem Ideal entsprechen will, welches Schiller im Auge hatte, als er an eine Erziehungsstätte dachte und für eine solche

fein Schweizer-Drama Wilhelm Tell dichtete. In Domanigs Trilogie haben wir keine Salontiroler. Und darin ist er Defregger gleich und ähnlich. Und wenn unsere reichsdeutschen. Gallerien Defregger'sche Bilder kaufen und damit die Tiroler Freiheitskämpfe uns als Erziehungsmaterial vor Augen führen, warum sollen denn die Herren Theaterintendanten engherziger sein? Frankfurt a. M. v. Steinle.

LIII.

Zur Kunstgeschichte."

Die hohe Vollendung, zu welcher die photographischen Aufnahmen von Werken der Architektur und das auf denselben beruhende Verfahren des Lichtdrucks neuerdings gelangt sind, übt ohne Zweifel einen überaus förderlichen Einfluß auf das Studium der Kunstgeschichte aus und muß deshalb freudig begrüßt werden. In allen Schulen und Anstalten, denen die Pflege der Kunst und der mit dieser in naher Beziehung stehenden Industrie obliegt, dienen daher die zahlreichen meisterhaft ausgeführten Photographien und deren durch verschiedenartiges Druckverfahren vervielfältigten Nachbildungen als höchst willkommene Vorlagen. Ihre Unmittelbarkeit und naturgetreue Erscheinung ist besonders dazu angethan, den Geschmack an hervorragenden Kunstwerken zu wecken und somit das ästhetische Gefühl zu beleben; aber auch selbst für die Praxis können solche

1) Mittelalterliche Bauten Regensburgs. Photographisch aufgenommen von Otto Aufleger, Architekt. Mit geschichtlicher Einleitung von Dr. G. Hager, Conservator am Bayerischen Nationalmuseum. I Abtheilung, 25 Lichtdrucktafeln. München 1896. Verlag von L. Werner. II. Abtheilung 1897.

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