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seiner Völker benachtheiligt hat; was aber die Kirche Oesterreichs dabei verschuldet haben soll, ist unverständlich. So weit man sie wirken ließ, hat sie ihre Aufgaben treu zu erfüllen gesucht; aber sie wurde seit Joseph II. immer mehr aus dem Bereiche des öffentlichen Lebens hinausgedrängt, zu einer Abtheilung des Staatsministeriums degradirt und zu einer Dienerin der staatlichen Burcaukratie herabgewürdigt. Dadurch verlor sie an geistiger Kraft und an wirksam förderndem Einfluß auf das Volk. Eifersüchtig wachte der Bureaukrat, daß die Kirche nicht etwa über den engen Raum der Sakristeien ohne die staatliche Gutheißung hinaus zu schauen wagte. Worin aber die angeblich nachtheilige „Form des Katholicismus“ in Oesterreich bestanden haben soll, wird Herr Friedjung ebenso wenig klar sagen und nachweisen können, wie die Schaar jener, denen er nachgeschrieben hat. Denn es wäre doch ein kühnes Wagestück, beweisen zu wollen, daß an der Neigung zu Genuß und an der Vertändelung ernster Arbeitstage der specifisch österreichische Katholicismus Schuld sei, dessen Lehre doch die katholische war. Und diese fordert von Jedermann treue Arbeit und stellt strenge Verantwortung in Aussicht. Sollten aber jemals diese Anschauungen der Kirche in Desterreich nicht mit dem wünschenswerthen Nachdruck verkündet worden sein, so könnte nur die Fürcht vor den allmächtigen, sacrosanften Bureaukraten eine solche Pflichtvernachlässigung veranlaßt haben. Leichtlebigkeit und Genußsucht entstammen wahrlich nicht der Lehre und Praxis der katholischen Kirche; sie gedeihen und wuchern dort am üppigsten, wo man die erstere verkennt und die lettere verachtet.

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Die Entscheidung von 1866 hat, wie auch Friedjung hervorhebt, die Stellung der Deutschen in Desterreich wesentlich geschwächt. Sie verloren damals" — drückt er sich aus - „ihren politischen Schwerpunkt und haben ihn noch nicht gefunden". Er gedenkt dann der heutigen nationalen Kämpfe, in welchen die Deutschen nachdrücklich daran

erinnerten, daß sie in anderer Lage seien, als Slaven und Magyaren, die in Desterreich nothgedrungen ihre Heimat sehen müssen; ihnen jedoch als Theil einer großen Culturnation, stehe eine andere Verbindung offen, sobald sie an Desterreich nicht mehr wie seit Jahrhunderten durch freie Wahl, durch ihre in steten Blutopfern erprobte Anhänglichkeit gebunden seien. Unflug genug, daß dieser Gedankengang wieder in einem Volke wachgerufen wurde, das gar nicht darnach geartet ist, immer von neuem die leßten Gründe seines nationalen und politischen Daseins durchzuprüfen, das sich vielmehr in der altererbten Verbindung mit dem Herrscherhause und dem Reiche ausleben will". Glücklicher Weise findet die hier constatirte, leider vorhandene antidynastische Strömung troß der ebenso rührigen wie rücksichtslosen Propaganda Schönerers und seiner Genossen in den breiten Massen und unter den ernsthaften Politikern einen festgeschlossenen Widerstand; aber die Regierung würde sich schwer an den Interessen der Monarchie verjündigen, wenn sie nicht mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln den antidynastischen Heßereien, wo immer sie in die Erscheinung treten, rücksichtslos ein Ende bereitete. Denn die mit verblüffender Offenheit von Herrn Friedjung aufgestellte Behauptung, daß die Deutschen Oesterreichs seit 1866 „ihren politischen Schwerpunkt noch nicht gefunden haben", darf nicht zur allgemeinen Ueberzeugung der Deutschen werden. Sie ist eine unwahrheit. Denn die große Mehrheit der Deutschen ist der Ansicht, daß ihr politischer Schwerpunkt 1866 nicht verloren gegangen ist, daß sie daher auch keinen Anlaß und keine Neigung haben, auf den Irrwegen der sog. Nationalen einen neuen zu suchen; ihr Schwerpunkt liegt nach wie vor in Wien, am Throne ihres Kaisers, dem Centrum der österreichischen Monarchie.

Gmunden.

Adolph Franz.

XLV.

Der Dichter Lebrecht Dreves."

Wie Friedrich Wasmann, der 1886 in Meran gestorbene hamburgische Maler,2) so hat auch sein hanseatischer Landsmann und Freund, der Dichter Lebrecht Dreves, bei seinen Lebzeiten keine seiner Begabung und seinen Leistungen entsprechende Würdigung gefunden. Obgleich mehrere seiner Lieder volksthümlich geworden und heute noch gesungen werden, blieb doch der Name des hamburgischen Dichters auf engere Kreise be schränkt. Obgleich von einem Liebling der Musen beim deutschen Publikum als Sänger eingeführt, ist ihm dieses empfehlende Vorwort Jos. von Eichendorffs eher verhängnißvoll geworden. Denn die registrirenden Literatoren ersparten sich die Mühe eigener näherer Prüfung und stempelten ihn, seine Eigenart verkennend, ohne Besehen zu einem Schüler und Nachahmer Eichendorffs. Und doch ist Dreves ein Charakterkopf, der eine selbständige Stellung einnimmt, wenn auch an der Seite von Chamisso und Eichendorff. Auch nach seinem Tode (1870) fam er nicht zu gebührender Anerkennung. Junerhalb fünfzig Jahren haben Dreves' Gedichte nur drei Auflagen erlebt. Es gibt literaturgeschichtliche Werke, die ihn gar nicht kennen.

1) Lebrecht Dreves. Ein Lebensbild. Als Beitrag zur Literaturund Kirchengeschichte nach dem handschriftlichen Nachlaß und den gedruckten Quellen entworfen von Wilhelm Kreiten S. J. Mit Dreves Bildniß. Freiburg, Herder 1897. VI, 431 S. 2, Vgl. über ihn Bd. 119, S. 562-581: „Der Maler Fr. Wasmann. Ein deutsches Künstlerleben“.

Selbst die vielverbreitete illustrirte deutsche Literaturgeschichte von Robert König weiß wenigstens in der 11. Auflage (1881) noch nichts von ihm.

So war es wohl an der Zeit, daß ihm von kundiger und berufener Hand der gebührende Plaß in der Literatur angewiesen wurde. In der schönen Biographie, die ihm P. Kreiten widmet, ist dies in ebenso ansprechender als gründlicher und erschöpfender Weise geschehen. Auf Grund ver lässiger Quellen, insbesondere zahlreicher Briefe von und an Treves, war der Verfasser in der Lage, ein lebensvolles Bild des Dichters zu zeichnen, das durch die Art der Behandlung, indem sie hauptsächlich den Quellen das Wort läßt, das Interesse des Lesers zu erwärmen und festzuhalten vermag. Denn es ist die Geschichte eines geist- und gemüthvollen Schriftstellers, der zugleich ein mannhafter Charakter gewesen, oder wie der Biograph dieses Leben in ganz bezeichnender Weise zusammenfaßt, die Geschichte eines edlen, redlich strebenden und kämpfenden Mannes, eines ächten, wenn auch früh verstummenden Sängers, eines ernsten, überzeugungstreuen Christen", der den Muth des Bekenners hatte.

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Lebrecht Dreves war der Sohn eines mecklenburgischen Commissionsrathes, geboren am 12. September 1816 zu Hamburg, und erhielt seinen Vornamen von seinem Pathen, dem alten Feldmarschall Fürsten Blücher, einem Landsmann und Gönner seines Vaters. Die Gymnasialstudien machte er am Johanneum in Hamburg, die akademische Bildung holte er sich dann auf den Universitäten Jena (1836-37) und Heidelberg (1837-38). Ueberraschend ist die große Fertigkeit des poet= ischen Ausdrucks, die der junge Dreves bereits am Gymnasium sich angeeignet hatte. Schon in dieser Zeit wagte er Gedichte an Chamisso und Schwab für deren Musenalmanach zu schicken, denen Chamisso ungewöhnliches Formtalent nachrühmte, und am Ende seiner Gymnasialzeit konnte er ein Bändchen in Druck ausgehen lassen, das er mit richtiger Erkenntniß „Lyrische Anflänge benannte, das aber immerhin, wie Kreiten sagt, eine staunenswerthe technische Kraftleistung" bedeutete. Diesen folgten in kurzer Frist Vigilien" (1839), die dichterische Ausbeute des akademischen Trienniums, die bereits größere Selbständigkeit

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verrathen. Noch gereifter sind die „Lieder eines Hanseaten“ und zumal die gehaltvolle Sammlung Schlichte Lieder", in denen bereits seine Eigenart sich ausprägt. An die Jenaer Studentenzeit erinnert sein in die deutschen Commersbücher übergegangenes Studentenlied: „Auf den Bergen die Burgen, Im Thale die Saale", in dem sich auch seine Kunst und Vorliebe für klingende Reimspiele zeigt. Wenn Dreves, früh den großen Zeitfragen zugewendet, in den Liedern eines Hanseaten noch der Freiheitsbewegung der Poeten des jungen Deutschlands sich anschloß, so bekundete er doch, daß er ein anderes Ziel verfolgte, als die Mehrzahl jener politischen Sänger vom Schlage Herweghs, indem er singt:

Freiheit ist ein helles Sternbild, das am nächt’gen Himmel brennt, Doch das Kreuz wird ewig bleiben dieses Sternes Fundament."

Bon den Schlichten Liedern", die ihrem Entstehen nach den Jahren 1839-42 angehören und 1843 im Druck erschienen, sagt Kreiten, sie bezeichnen eigentlich den Höhepunkt der Dreves'schen Lyrik, und das, was aus ihnen in die späteren Auswahlen überging, bildet deren schönsten und vollsten Kern" (.56). Sie spiegeln das Bild seines Seelenlebens in diesen Jahren, das noch im unruhigen Kampfe, im Widerstreit materieller Interessen mit den höheren idealen Wünschen und Strebungen hin und her bewegt wird. Ein Zug der Schwermuth und der Unbefriedigung geht durch viele dieser Lieder, die theils in drückenden zeitlichen Sorgen und herben Erfahrungen ihren Grund haben, theils aber in einer geheimen Sehnsucht, in dem still mahnenden, zeitweilig wohl verschleierten, immer wieder andringenden Heimweh nach oben.

Dreves hatte die Rechtswissenschaft als Lebensberuf ergriffen und in Heidelberg den juristischen Doktorhut erworben. Der Vater hätte es lieber gesehen, wenn er sich dem Predigerstande gewidmet hätte, wogegen sich aber der Sohn sträubte, ohne dem Vater den eigentlichen Grund zu verrathen. Es leitete ihn nämlich dabei das unbestimmte Gefühl, daß er auf diesem Wege nicht zur Befriedigung seiner tiefsten Sehnsucht und zu seinem Lebensglück gelangen werde". Seine unbewußte Liebe zur katholischen Kirche datirte aus früher Jugendzeit.

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