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Aus derartigen Aeußerungen Martin Luthers, die sich leicht hundertfach nachweisen lassen, scheint folgen zu müssen, daß auch in Kursachsen wie in Preußen das Volk treu an der Kirche hing und namentlich auch die Klöster hoch hielt, demnach auch an dem Entlaufen von Mönchen aus den Klöstern geringen Gefallen fand. Hauptsächlich aber entlaufene Mönche waren die Träger des neuen Evangeliums, des Glaubens allein, ohne die Nothwendigkeit der Werke. Zwei solche ehemalige Mönche, Brießmann und Amandus, von Martin Luther mit Vorwissen und Zuthun des Hochmeisters entsendet, verkündeten vom Herbste 1523 an, in Königsberg die neue Lehre.

Und hier muß der bedeutsame Unterschied hervorgehoben werden, der in Preußen stattfand, gegenüber anderen Ländern. In dielen derselben zogen entlaufene Mönche umher zu predigen. Die Zügel der kirchlichen Jurisdiktion erschlafften aller Orten, schleiften am Boden. Die Bischöfe vermochten nicht zu hindern, auch wenn sie, was oft fraglich, den Willen hatten. In Preußen allein trat der Bischof Polenz von Samland voran. Er hegte und empfahl den Brießmann, ließ dem Amandus freien Lauf. Martin Luther gab über dieses Verhalten des Bischofs Polenz seine Freude kund mit den Worten:1) Endlich hat doch auch Ein Bischof sich Christo zu Dienste erklärt und evangelisirt in Preußen, nämlich derjenige von Samland, erwärmt und unterwiesen von Johann Brießmann, den, nach Ablegung der Mönchskappe, wir dahin entsendet haben, damit auch Preußen beginne, dem Reiche des Satans abzusagen".

(Schlußartikel folgt.)

1) De Wette II, 474. Vom 1. Februar 1524.

O. Klopp.

XXXIV.

Die anglikanische Kirche während der Regierung der Königin Victoria.

Warum, so fragt man sich oft erstaunt, sind die Uebertritte der Anglikaner zur katholischen Kirche nicht häufiger? Viele unter ihnen haben nicht blos dieselben Gebräuche, sondern auch dieselbe Lehre, dieselbe Verehrung für das katholische Mittelalter und seine Heiligen, dieselbe Bewunderung des mächtigen Organismus der Kirche, ja sogar dieselbe Hochachtung des Papstthums und seiner Träger, und doch können sie sich nicht entschließen, das auf halbem Wege gelegene Haus, die anglikanische Kirche, zu verlassen. Es ist nicht blos, wie man häufig behauptet hat, die Scheu, von alten Freunden zu scheiden, liebgewonnene Verhältnisse aufzulösen, sondern wie bei Pusey der Glaube, daß die Charismen des hl. Geistes sich in der Schwesterkirche gerade so fänden, wie in der Mutterkirche, daß die etwaigen Fehler und Mißbräuche in der anglikanischen Kirche ganz und gar nicht als Beweis gegen den apostolischen Ursprung und den apostolischen Geist dieser Kirche geltend gemacht werden könnten. Noch mehr, die Ritualisten und die Anglikaner aller Schattirungen weisen hin auf die unleugbaren Fortschritte in ihrer Kirche, denen, wie sie behaupten, die katholische Kirche nichts Aehnliches entgegenzusehen habe. Eine solche Kirche, die so viele Zeichen eines neuen Lebens gegeben habe, könne man ohne Sünde

nicht verlassen, müsse man zu vervollkommnen suchen, dürfe man nicht durch Trennung von ihr schwächen. Ein Blick auf manche Mißbräuche in katholischen Ländern, z. B. Portugal und Spanien, befestigt manche zum Katholicismus sich hinneigende Seelen in dem Vorsag, dem Anglikanismus treu zu bleiben.

Boyd Carpenter, Bischof von Ripon, hat in einer merkwürdigen, vor dem Church-Congreß in Nottingham gehaltenen Rede die Vorzüge der neuen Aera in folgende sieben Punkte zusammengefaßt: 1. Größere Mildherzigkeit; 2. Erleuchtetere Ansichten über Gott und seine Liebe zum Menschen; 3. Eine richtigere Vorstellung über den Dienst Gottes; 4. Realisirung des Vereinslebens in der Kirche; 5. Umfänglichere Realisirung unserer Pflichten rücksichtlich der innern und äußern Mission; 6. Aufblühen der religiösen Dichtung; 7. Christliche Toleranz.

Wir wollen mit dem Bischof darüber nicht rechten, ob die erleuchteteren Ansichten über Gott nothwendig einen Fortschritt bedeuten, wir erkennen mit Höhler „Fortschrittlicher Katholicismus“ (S. 67) gerne an, daß auf akatholischer Seite auch aus rein übernatürlichen, wahrhaft und tief christlichen Motiven viel Gutes geschieht", aber das darf uns nicht blind machen gegen die Mängel des Anglikanismus. Den von dem Bischof selbst hervorgehobenen Mängeln, die wir furz wiedergeben wollen, ließen sich leicht noch andere beifügen.

Carpenter beklagt vor allem die Abnahme der Wahrheitsliebe im geschäftlichen Leben und in der religiösen Controverse; 2. die größere Lockerheit der Sitten, die Duldung der schlechten Literatur; 3. die Vielgeschäftigkeit, welche dem Studium und der Betrachtung hinderlich ist, das Zurschautragen der Frömmigkeit, den Mangel an Tiefe; 4. die Sucht nach Vergnügen und Aufregung, die Ruhmredigkeit; 5. die Vernachlässigung der Interessen eines gesunden christlichen Lebens, und schließt mit folgender beherzigenswerthen Ermahnung: Laßt uns das Erbe der Vergangenheit nicht

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verlieren und die Gefahren der Gegenwart nicht vergessen. Nehmen wir ein Interesse an dem Einzelnen, ohne darüber die Kirche zu vergessen; gehen wir nicht so in der Kirche auf, daß wir den Einzelnen vergessen, vergessen wir über der Philanthropie nicht die Seele des Menschen, über den Aeußerlichkeiten das Innere der Religion". Wenn der Bischof von Ripon die Kirche, der er angehört, richtig charakterisirt hat, und das scheint der Fall gewesen zu sein, da er in der Versammlung auf keinen Widerspruch stieß, so hat er dadurch die Minderwerthigkeit der eigenen Kirche gegenüber der katholischen dargethan.

Drei religiöse Strömungen sind aufeinander gefolgt, drei geistige Bewegungen haben nach Carpenter einander abgelöst: die evangelikale, die Oxford-Bewegung und die liberale Richtung der Neuzeit. Die zweite Bewegung drohte die Wirkungen der ersten, die dritte die der zweiten zu zerstören, aber es schien nur so. In der That haben Evangelikalismus, Traktarianismus, Liberalismus die Kirche Englands geläutert, befruchtet und gefördert. Gläubige Christen werden den wohlthätigen Einfluß eines Wesley, Whitefield, ihrer evangelikalen Gegner Toplady und anderer gerne anerkennen und zugeben, daß durch Männer wie Newman, Keble, Pusey eine Quelle des Heils über die anglikanische Kirche und den Dissens sich ergossen und neues Leben geweckt hat; der liberalen Theologie eines Arnold, Denison Maurice, Stanley Farrar werden sie jedoch wenig Gutes nachrühmen. Der Bischof von Ripon ist viel weitherziger, er nennt unter den geistlichen Wohlthätern und Förderern selbst solche Männer, die kaum als Christen gelten können. Carlyle, der Charon der Literatur", so bemerkt der Bischof, „trieb die Menschen zur Erfüllung ihrer Pflicht an, Browning forderte sie auf, zu handeln und nicht zu träumen, Tennyson stellte der Nation edle Ideale vor. Matthew Arnold empfahl Sanftmuth und Licht, Ruskin Ritterlichkeit und Wahrheit, Dickens Frieden und Menschenfreundlichkeit. Schaaren von

andern halfen mit, Gewohnheiten änderten sich, alte Bräuche verschwanden".

Es ist auffallend, daß auch nicht Einer von den oben genannten ein gläubiger Christ war und bei seiner Empfehlung der Tugend die christlichen Beweggründe betonte. Ein Wilberforce, cin Lightfoot und manche andere waren zwar nicht so bedeutende Literaten wie Carlyle, Arnold, Tennyson, haben aber nicht wie die Obengenannten eine undogmatische Religion gepredigt, aus der das übernatürliche Element verbannt ist. Die natürlichen Tugenden, welche gerade bei dem englischen Volke so bedeutsam hervortreten und durch das humanistische Evangelium eines Ruskin, Arnold 2c. so mächtig gefördert worden sind, dürfen uns nicht täuschen über den Mangel der übernatürlichen Beweggründe. Philanthropismus fann wohl zum Christenthum führen, fällt aber mit demselben nicht zusammen. Manche herrlich veranlagte und edle Charaktere Englands gehen in der Philanthropie ganz auf und statt den Dienst des Nächsten mit dem Gottesdienst zu verbinden, betrachten sie letzteren als das größte Hinderniß wahrer Philanthropie. Morrison gab diesem Gedanken beredten Ausdruck in seinem bekannten Buch The Service of Man". Miß Cobbe vertritt dieselben Grundsäße. Der Doktor, welcher die Frage stellte, ob es schädlich für ein Kind sei, wenn es während 23 Stunden fortwährend bei der Arbeit stehen müsse, war wahrscheinlich ein ebenso schlechter Christ als Arzt; aber der Philanthropist, der den Kindern die geistige Nahrung, die Religion vorenthält, oder nur eine verblaßte, undogmatische Religion für die Kinder zuläßt, ist kaum weniger thöricht und graujam als der oben genannte Arzt. Der Fromme ist nicht immer uncigennütiger, liebevoller, aufopfernder als der Unfromme, Religionslose, gleichwohl kann man behaupten, daß die Liebe zu Gott das Amt eines Krankenpflegers nugbringender und segensreicher macht. Der moderne Engländer hat manche Vorurtheile seiner Väter überwunden, ist weniger einseitig,

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