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Noch aber bleibt die Naturalwirthschaft auf kurze Zeit hin auch im Güterumsaß herrschend, gibt Waare für Waare, oder Waare für Dienste, oder Waare als Abgabe. Namentlich im ersten Falle sind lose Werthansäße nicht zu vermeiden. Der selbständige Handwerker und der Kaufmann am Markt find aber genöthigt, genaue Werthbestimmung und baare Bezahlung zu verlangen. Schlecht gedient wäre ihnen, würden fie regelmäßig in Getreide, Holz, Vieh oder Honig bezahlt. Mit dem Aufschwung der Gewerbe und des Handels wird das Geld demnach nothwendig immer ausschließlicher und endlich als Werthmesser und Tauschmittel Verwendung finden. Werden die Kaufpreise aller Waaren kaum anders bestimmt, als in Geld, so ist die Geldwirthschaft wohl schon zum Durchbruch gekommen, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch Gehalte und Löhne, Abgaben und Steuern in Geldansäßen bestimmt werden.

Und dennoch dürfte hierin nicht das eigentliche, jedenfalls nicht das einzige Merkmal des Aufkommens der Geldwirthschaft als Wirthschaftsform zu suchen sein. Das entscheidende Moment liegt vielmehr darin, daß das Geld Capital wird. Was heißt das? In den Zeiten vorwaltender Naturalwirth= schaft, ursprünglich also, ist der Grundbesig und sein nicht zum unmittelbaren Verbrauch bestimmter Ertrag: Capital, d. h. das wichtigste Mittel, um über die Produktion für unmittelbaren Verbrauch hinaus, um zu Vorräthen, zu immer steigender Produktion und höherem Wohlstand zu gelangen. Wenn nun aber der Handwerker, oder der gewerbliche Unternehmer in dem Maße, als er über Geld verfügt, Werkzeuge zu kaufen, Werkstätten einzurichten, Hülfskräfte zu entlohnen vermag; wenn der Kaufmann in dem Maße, als er über baares Geld verfügt, Großeinkäufe zu machen, Waarenlager anzulegen, Absaßgebiete zu erschließen vermag, dann wird zunächst für diese beiden das Geld gleichfalls ein Mittel zu steigender Produktion, zu höherem Wohlstand. Es ist nun, anders zwar, aber doch analog Capital, wie der Grundbesitz und dessen ersparter Ertrag für den Landwirth von jeher Capital gewesen ist. In Verbindung mit der menschlichen Arbeit beginnt es sich immer mehr als „fruchtbar" zu erweisen. Die Geldwirthschaft durch

dringt nun, unaufhaltsam fortschreitend, alle ökonomischen Verhältnisse. Und wie dieses geschieht, wird das Wort und der Begriff Capital" immer ausschließlicher für das mobile Capital, das Geld verwendet, bis im „Capitalismus“ „die üblen Folgen der an sich vollkommen berechtigten Geldwirthschaft“, die schon „von den Dichtern und Predigern des 13. Jahrhunderts mit lebendigen Farben geschildert worden sind" (S. 139 ff.), zu Tage treten.

Neue Berufsstände: Handwerker, Kaufleute, Großhändler; zahlreiche neue Rechtsbeziehungen; eine neue Siedelungsweise: die städtische; eine neue Volksklasse: die Stadtbewohner oder Bürger; eine neue Wirthschaftsform: die Geldwirthschaft verlangen neue sociale Ordnungen und freie Bahn für weitere Entwicklung. Hätten diese Forderungen etwa die Staatsomnipotenz späterer Zeiten wider sich gehabt, oder den Mangel an Gemeinsinn, der die liberale, individualistische Wirthschaftslehre auszeichnet, so hätte nothwendig eine bedeutende sociale Spannung eintreten müssen, und viele Tausende hätten sich um die Fahne des socialen Umsturzes geschaart.

Aber die eigentliche Kraft des Volkslebens, der genossenschaftliche Trieb, fand gar kein Hinderniß, kaum eine Beschränkung

Man möchte mit Rücksicht auf spätere Zeiten fast sagen, er konnte machen, was er wollte. Wohlgefügte genossenschaftliche Bildungen haben im 13. Jahrhundert die sociale Frage zu lösen versucht und es gelang ihnen zu gutem Theil deßhalb in so hohem Maße, weil, bei der herrschenden innigen Berbindung der religiös sittlichen mit der weltlichen und socialen. Lebensordnung, es als gemeinsame Pflicht Aller gegen Alle empfunden wurde, daß dem Erwerbssinn und der Gewinnsucht starke Zügel angelegt werden müssen, damit jeder redlichen Arbeit gutes Auskommen gesichert bleibe, und der Weg zu höherem Wohlstand für Bevorzugtere nicht über die Ausbeutung der wirthschaftlich Schwächeren führe. Diese sociale That vollbrachten die Zünfte im Gewerbebetrieb, die Gilden der Kaufmannschaft. Noch höhere Ziele strebte das Genossenschaftswesen an und schuf freie städtische Verfassungen, rief „Gesammtvereine aus den Verbrüderungen von Kaufleuten einzelner Städte gebildet" (197) ins Leben, aus denen weiterhin imposante

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Handelsbündnisse sich gestalteten und endlich eine Seemacht ersten Ranges" erwuchs, die deutsche Hansa. Und als eine öffentliche Angelegenheit. die zweifellos Reichssache war, die Sicherheit des Verkehrs und die Wahrung des Landfriedens, von Reichswegen ungenügend besorgt wurde, sind die deutschen Bürger in den Städtebündnissen zu erfolgreicher Selbsthülfe geschritten. In diesem regen Genossenschaftsleben findet sich eine ungeheure Mannigfaltigkeit, dennoch treten überall einheitlich gleichartige Züge und Ziele hervor. So ungemein verschieden die Zünfte z. B. in manchen Beziehungen gewesen sind, so erscheinen sie doch, abgesehen vom gemeinsamen religiös-sittlichen Charakter, allenthalben als Schußanstalten freier redlicher Arbeit wider Unredlichkeit und Ausbeutung. Sie schüßen die Hülfskräfte wider die Unternehmer, die Unternehmer gegen einander, die Consumenten gegen die Producenten, die Producenten gegen Produktionskrisen". Und das erreichen sie durch freie Selbstbestimmung der Betheiligten.

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Es ist ein staunenswerther Vorgang, daß eine Zeit, in welcher die Theorie des Staatsrechtes, wie die des Genossenschaftsrechtes doch noch verhältnißmäßig wenig ausgebildet war, so zahlreiche und mannigfaltige Jnnungen hervorbrachte, die den Bedürfnissen der Zeit, wie den Sonderzwecken und den gegenseitigen Beziehungen der Interessenten so vollkommen angepakt waren, und die sich so trefflich bewährten. Zwar wird. man die juristische Bildung einer Epoche, welche die großen Codifikationen deutschen Rechtes und die Stadtrechtaufzeichnungen hervorbrachte, selbstverständlich nicht gering einschäßen dürfen, sieht man aber auf die Anfänge der Zünfte, der Gilden, der Stadtverfassungen, so wird man doch wohl zum Schlusse kommen, daß die Praxis der Theorie vorausging. Mag nun auch immerhin der genossenschaftliche Trieb im deutschen Wesen ties begründet sein, es bleibt doch außerordentlich merkwürdig, daß er in jenen Zeiten so stark sich äußerte, das ganze sociale Leben und Streben zu organisiren und so wohlgefügte Gebilde zu schaffen vermochte. Man wird sich dabei an Eines erinnern müssen. Wie die werdende Reichsverfassung und Reichsverwaltung, wie die Ausgestaltung der Aemter zu öffentlichen Diensten und die administrative Thätigkeit der königlichen Histor. polit. Blätter CXXI. (1898).

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Kanzlei, oder doch deren Anfänge, an der hierarchischen Verfassung und zumal an der Regierung der Kirche ein Vorbild hatten, das die Fürsten nicht bloß beständig vor sich sahen, mit dem sie überdieß in unaufhörlichem Contakt standen, so hatten alle Regungen des Genossenschaftstriebes im Voltsleben an den Ordensständen der Kirche ein großartiges Vorbild, dessen Erscheinung voll Hoheit und Kraft, dessen segensreiches Walten in eindrucksvoller Weise durch die That die Lehre verkündete, daß große Ideale und sociale Ziele nur dann verwirklicht werden, und der sociale Friede nur dann ge= wahrt bleibt, wenn der Egoismus des Einzelnen vor der Rücksicht auf das Gesammtwohl immer und freiwillig zurücktritt.

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Die Besiedelung und Colonisation des ostelbischen Gebietes feiert Michael mit Recht als „den glänzendsten Sieg der deutschen Landwirthschaft im 13. Jahrhundert“ (S.86). Ein hervorragend schönes und inhaltreiches Kapitel des Werkes schildert diese „Großthat des deutschen Volkes im Mittelalter (. 86-128). Ganz Deutschland war an der Wanderung uach dem Osten betheiligt", vereinten Kräften gelang dieje rückläufige Volkswanderung. Die Pioniere aber, die voranschritten, Bahn brachen und bleibende Grundlagen legten, deren stille und geduldige, unverdrossene und leidensstarke Culturarbeit darthat, daß friedlich vereinten Kräften der Sieg gehöre, sind die Orden der Prämonstratenser und "Cisterzienser gewesen.

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Die politischen Folgen, wie den Einfluß des Genossenschaftswesens auf die öffentliche Meinung und die herrschende Lebensansicht beleuchtet der Verfasser wiederholt und in trefflichen Worten. So namentlich S. 159: Es ist die große That der deutschen Zünfte des 13. Jahrhunderts, daß sie zur Heranbildung eines kräftigen Bürgerthums im Mittelalter wesentlich beigetragen haben. In engem Anschluß an die Kirche stärkten sie den Geist der Zusammengehörigkeit und das Gefühl einer berechtigten Standeschre. Der Handwerker wußte sehr gut, daß es Bornehmere, Reichere, Mächtigere gab, als er, Aber er war der Ansicht, daß er nicht schlechter sei, als dieje. Gott der Herr hatte ja verschiedene Stände eingeseßt, von ihm stammte auch das Handwerk her. Für das Ganze war er ebenso nothwendig, wie Raiser, Könige und Herren.

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Bleibt die vorstehende Skizze der socialen Frage im 13. Jahrhundert" in jeder Beziehung weit hinter dem Original zurück, nach dem sie entworfen ward, so gibt sie noch viel weniger ein Bild von dem reichen Inhalt und den großen Vorzügen des gesammten Werkes. Der Referent bittet von den lezteren nur einen besonders eigenartigen namhaft machen zu dürfen und will sich darauf beschränken. Andere sind ja auch anderwärts schon hervorgehoben worden; so die edle Schönheit und der lebhafte Fluß der Darstellung, die staunenswerthe Beherrschung der Literatur, die nicht bloß in dem fast 500 Nummern zählenden Verzeichniß zu Tage tritt, sondern noch mehr in vielen Anmerkungen zu controversen oder viel behandelten Fragen. Gang und Stand der Discussion wird da nicht selten in gedrängter Kürze zusammengefaßt.

Es ist ein historisches Werk, das wir vor uns haben. Ein Bild der Zustände, wie sie waren, wollte der Verfasser zeichnen und zog Strich um Strich nach der Natur, nahm Zug um Zug aus den Quellen. Die Darstellung ist von strenger Sachlichkeit. Der Verfasser denkt nicht daran, den Bildern deutschen Lebens, die er entwirft, aus Eigenem, auch nur wie nebenher, oder vom Stoffe hingerissen einen ästhetischen Schimmer, weihevollen Glanz oder sonstwie effektvolle Beleuchtung zu geben. So streng sachlich und rein historisch das Werk gearbeitet ist, so kann man doch noch viel mehr daraus lernen, als bloß eine Fülle von Thatsachen. Es geht ein echt philosophischer Geist durch das Buch. Ihm verdankt es, wie die klare Fassung der wirthschaftlichen, juridischen, politischen Begriffe, so auch das maßvolle, abgeklärte Urtheil in oft gar schwierigen und heiklen Fragen. Der Verfasser weiß, daß in allen menschlichen Dingen. das Schlußurtheil immer eine Bilanz ist, welche die Vortheile und Nachtheile gegen einander abgewogen hat. Dazu kommt aber noch ein Anderes, wo alle Philosophie allein doch nicht ausreichen möchte. Wer denkend Geschichte studirt, weiß, daß alle menschlichen Bestrebungen feindseligem Widerstreit der Meinungen und Interessen zutreiben, und daß gerade die größten Culturfortschritte oft scheinbar unversöhnliche Gegenfäße schaffen. Mit der fortschreitenden ständischen Gliederung der Gesellschaft werden aus Standesunterschieden oft Klassengegensäße, und

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