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abgesetzt war und am 19. Dezember die zweite erschien. Das Geheimniß des Erfolges liegt in der Verwerthung des seltenen handschriftlichen Stoffes, welcher eine über die Grenze Englands weit hinaus reichende Bedeutung besißt. Der Cardinal hat ihm denselben zu uneingeschränkter Benüßung überlassen, was Ward in der Vorrede ausdrücklich betont. Neben den officiellen Urkunden wurden dem Verfasser aus den mit Wiseman befreundeten Kreisen zahlreiche Briefe zur Verfügung gestellt, namentlich für jenes hochinteressante Kapitel des zweiten Bandes, welches überaus werthvolle Beiträge zur Charakeristik Wiseman's darbietet. Männer, welche an der Spiße der englischen Gesellschaft stehen, wie der vormalige Ministerpräsident W. E. Gladstone, haben bereitwillig den Schaß ihres Gedächtnisses zur Verfügung gestellt und aus den Abgründen ihrer vis conservativa specierum eine Menge von Erinnerungen an Wiseman's Thätigkeit hervor geholt, welche sonst unzweifelhaft der Vergessenheit anheimgefallen wären.

Einige dieser Urkunden haben in den Anhängen Aufnahme gefunden. Für Staats- und Kirchengeschichte kommt gleichmäßig in Betracht die Denkschrift über die von der päpst: lichen Regierung in der Verwaltung des Kirchenstaates eingeführten Verbesserungen, welche der apostolische Vikar Nikolaus Wiseman mit Genehmigung Pius IX. verfaßte und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lord Palmerston, in London übergab. Dieses echt staatsmännische Dokument, welches unvergänglichen Werth besißt, läßt uns die Ungerechtig feit der gegen den Papst gerichteten Angriffe erkennen, zeugt für die Bereitwilligkeit der päpstlichen Regierung, allen berechtigten Forderungen nach Entwicklung und Vervollkommnung der staatlichen Einrichtungen Rechnung zu tragen, und wirft scharfe Schlaglichter auf die trübe sociale Lage des heutigen Italiens, welche mehr als einem der besten Söhne des Landes das Wort abgepreßt hat: Quando si stava peggio, si stava meglio.

Was aber der Wiseman-Biographie Ward's die uneingeschränkte Anerkennung der gesammten englischen Presse, sie mag einer politischen Richtung oder einem religiösen Bekenntniß wie immer angehören, eingetragen hat, das ist die meisterhafte

Behandlung des Stoffes. Ein geschichts-philosophischer Zug durchwaltet das Ganze. In Folge dessen werden sämmtliche Erscheinungen in Verbindung mit ihren geschichtlichen Hintergründen aufgefaßt. Diese Bemerkung trifft zu für die Richtung der Studien in Rom während des ersten Viertels im laufenden Jahrhundert, für die Lage der englischen Katholiken zur Zeit von Wiseman's erstem öffentlichen Auftreten in London, sowie für seine Stellung zur Orfordbewegung, wie zur Romantik und der großen katholischen Bewegung auf dem Festlande. Wie zu Montalembert, La Mennais und Lacordaire, so unterhielt Wiseman auch innige Beziehungen zum katholischen München. Hier waren es Windischmann, Görres, insbesondere aber Döllinger, welche ihn anzogen. Döllinger war für Wiseman's wissenschaftliche und religiöse Thätigkeit von Bewunderung erfüllt und unterhielt eifrigen Briefwechsel mit ihm, von dem wir in beiden Bänden ansprechende Proben empfangen. Höchst interessant ist Döllingers Urtheil (II, 30) vom 8. Februar 1851 über das gegen die Titel der katholischen Bischöfe in Vorbereitung begriffene Gefeß. Scharfblickend schaute er der famosen Bill auf den Grund, schälte den Bombast der Worte von der eigentlichen Substanz der Sache los und verkündete mit voraussehendem Blicke, daß der weitausgeholte Schlag in das Wasser fallen werde.

Der römische Aufenthalt Wiseman's von 1818 bis 1840 ist nach ganz unbekannten Materialien, insbesondere auf Grund von Tagebüchern (Diaries), mögen sie von seiner eigenen Hand, oder aus den Kreisen ihm befreundeter Personen. herrühren, sehr geschickt gezeichnet. Das Rom Pius VII und seiner drei nächsten Nachfolger steigt vor unserem Geiste empor. Wiseman unterhält Beziehungen zu allen geistig hervorragenden Männern, welche Rom entweder vorübergehend besuchen, wie Macaulay, Gladstone, Froude und Newman und das Dreigestirn Montalembert, Lacordaire und La Mennais, oder ständig dort Aufenthalt genommen, wie Overbeck und namentlich der preußische Gesandte Freiherr von Bunsen. Der leztere verfolgte mit gespanntem Interesse Wiseman's orientalische Studien, trat in Briefwechsel mit demselben, aus welchem interessante Stücke zur Mittheilung gelangen, und verfehlte nie, als auf

Hiftor, volit. Blätter CXX1 (1898..

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merksamer Zuhörer in jenen Vorlesungen zu erscheinen, in welchen Wiseman in den Gemächern des englischen Cardinals Weld den Zusammenhang zwischen Wissenschaft und geoffenbarter Religion schilderte. Es ist ein besonderes Verdienst Ward's, daß er diese Vorträge, die nach Ausweis der WisemanBiographie Döllingers Bewunderung erregten, wie auch die sämmtlichen übrigen wissenschaftlichen Leistungen Wiseman's im Zusammenhang mit den geistigen Strömungen der Zeit mit ebenso seiner Maßhaltung wie Gründlichkeit prüft.

Im Interesse der studirenden Jugend, wie überhaupt Aller, die sich berufsmäßig mit dem Studium der akatholischen Literatur zu befassen haben, wollen wir aus Wiseman's Leben die Thatsache anmerken, daß er infolge der Beschäftigung mit der rationalistischen protestantischen theologischen Exegese des ausgehenden 18. Jahrhunderts schwere Seelenkämpfe zu bestehen hatte. Jahre lang haben dieselben fortgedauert, bis sie gegen Mitte der dreißiger Jahre infolge anhaltenden eifrigen Gebets und eines vertieften Lebens aus dem Glauben zu glücklichem Austrag gebracht wurden. Daß Wiseman in der Philosophie und Theologie sich hervorragende Kenntnisse in Rom gesammelt, beweist sein feierlicher Actus publicus im römischen Colleg, über dessen Vollziehung die Biographie sehr eingehende, durch manches Bonmot gewürzte Mittheilung erhält. Aber vorwiegend erscheint der Cardinol als eine „impressionable Natur", welche, allen Eindrücken des Schönen und Guten zus gänglich, sich dem Studium der Kunst, der Literatur und des heidnischen und christlichen Alterthums hingab. Um so tiefer wurde seine Seele von jenen Kämpfen zerwühlt, von welchen. er so anschauliche Beschreibungen uns hinterlassen hat.

In der Mitte der dreißiger Jahre wurde Wiseman's gelehrte Laufbahn zum Abschluß gebracht. Sein Inneres festigte sich, sein Charakter wurde gestählt und die göttliche Vorsehung bereitete ihm in England ein neues Feld, auf dem er als Mann der Auktorität zu wirken berufen war. Als echter Historiker schildert Ward in dem Kapitel „The English,Papists'," einem der belehrendsten des ganzen Buches, die firchenpolitische Gesezgebung Englands von Königin Elisabeth bis zur Emancipation der Ratholiten (1558---1829),

sowie die infolge der Capitis diminutio maxima herausgebildete höchst traurige gesellschaftliche Lage der Bekenner des alten Glaubens. Wiseman war der richtige Mann, um zwischen den Nachkommen der Blutzeugen und Bekenner des katholischen Glaubens, welche sich in die seit 1829 neugeschaffene Stellung noch nicht zu finden wußten, und den rastlos vorwärts drängenden, für die höchsten Ideale begeisterten Oxford-Convertiten, in echt katholischer Weise zu vermitteln. Hätte Wiseman seine theologische Bildung in England empfangen, wo damals der seit der Einwanderung der emigrirten Abbé's in der Revolution eingeführte Gallikanismus zwar eben verschieden war, aber eine gewisse nationale Richtung noch immer ihr Leben fristete, er wäre jener Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Aber im Schatten des heiligen Stuhles aufgewachsen, mit der universalen Bildung Roms erfüllt, und eine tief sympathische Natur, kam er den Oxford-Convertiten mit ganzer Seele entgegen. Nachdem er durch seine weltberühmten Artikel in der „Dublin Review“1) über die Aehnlichkeit des Verhältnisses der Tractarianer zur katholischen Kirche unserer Tage mit demjenigen der alten Donatisten zur Kirche des vierten Jahrhunderts die ganze Stellung der Oxford-Männer erschüttert hatte, nahm er sie in Oscott liebevoll auf, sorgte für die Zerstreuung ihrer lezten Zweifel und leitete ihren Uebergang zur Kirche. Nur eine genaue Lektüre der klassischen Schilderung der damals seitens der alten englischen Katholiken von Wiseman erfahrenen Anfechtungen lassen einen Blick thun in das schmerzerfüllte Herz des jungen Bischofs, welcher dem verlorenen Schafe nachging, ohne die 99 Gerechten zu vergessen. Kaum bedarf es der Bemerkung, daß Ward aus dem Briefwechsel zwischen Wiseman. und den namhaftesten Oxford-Convertiten, insbesondere dem mit John Henry Newman, reichlich zu schöpfen versteht.

Schlüssel für das tiefste Verständniß der von Wiseman der Erfordbewegung gegenüber behaupteten Stellung liegt in seinem Lebensprogramm, welches furz dahin lautet: Alles Gute, wo

1) Ueber das sechzigjährige Jubiläum der „Dublin Review" vergl. meinen Artikel im „Katholik“ 1896. II, 533 ff.

immer es in die Erscheinung tritt, ist in den Dienst der Kirche zu stellen.

Ein ausnehmend tiefes Interesse erwecken beide Bände zufolge fleißiger Benüßung der von Wiseman dem apostolischen Stuhle über die religiöse Lage Englands und die Errichtung der Hierarchie eingereichten Denkschriften. Nicht blos in England fand dieser Plan heftige Gegner. In Rom war es Cardinal Weld, der noch ganz in der Zeit vor 1829 lebte, welcher schwere Bedenken hegte. Die englische Regierung war über den Plan des heiligen Vaters genau verständigt, in den englischen Colonien, namentlich in Canada, und, wie wir jezt aus der klassischen Geschichte der katholischen Kirche in Australien vom Cardinal-Erzbischof Moran in Sydney wissen (Katholik 1897. II, 50 ff.), auch in Australien, hatte sie gegen die Titel katholischer Bischöfe keine Einwendungen erhoben, und der Minister Lord John Russell hatte im Jahre 1840, bei Errichtung der Hierarchie in Canada, jene Clauseln „absurd" genannt, welche den katholischen Bischöfen Englands die Führung ihrer Titel untersagten. Was aber ganz überraschend wirkt, ist die von Ward zum ersten Male mit getheilte Thatsache, daß Wiseman, ehe er 1850 sich nach Rom begab, die Titelfrage im Colonialamte in London zur Sprache gebracht und hier erfuhr, daß man sich um die Titel der Bischöfe gar nicht fümmere und es als gleichgültig erachte, ob die Katholiken ihre geistlichen Vorsteher Bischöfe, Mufti's oder Mandarinen benennen. Und kaum war das Breve vom 29. September 1850 zur Errichtung der Hierarchie, sammt Wiseman's erstem Hirtenbrief vom 7. Oktober „von außerhalb des Flaminischen Thores in Rom", erschienen, als Russell den berüchtigten Brief an den Bischof Maltby von Durham schrieb, welcher ganz England in Flammen verseßte.

Die großen Linien der damaligen Bewegung sind bekannt Ward läßt uns aber hinter die Coulissen schauen und theilt eine lange Reihe unbekannter Züge mit. Wir sehen den Zwiespalt im Ministerium, welches jede Verantwortung für das plumpe Auftreten Russells ablehnte, wir sind Zeugen der mit großer Sorgfalt nach Zeitungsberichten geschilderten Angst der katholischen Bevölkerung, welche Scenen wie die des

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