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fatholicismus" in Preußen erlitt, im Sommer 1873, hatte die Bismarck'sche „Nordd. Allg. Zeitung" noch einmal den Mund recht voll genommen und hatte anläßlich der „Bischofs" - Weihe des Professor Reinkens erklärt, bald werde, wenn die übrigen Bischofssize verwaist seien, das katholische Volk sich von Reinkens „Priester erbitten", und zwar deutsche Priester“, keine „römischen", und diese würden dann mit den „staatstreuen" Katholiken und den Andersgläubigen die „religiöse Einigung“ Deutschlands herbeiführen, d. h. eine Nationalkirche unter dem Papst-Reichskanzler.

Bismarck, der einmal offen feinen Plan, „das Werk Luthers in Deutschland zu Ende zu führen", ausgesprochen hatte, sollte sich indeß bald getäuscht fühlen. Schon zwei Jahre nachher, als ihm mitgetheilt wurde, daß wieder“ ein katholischer „Gelehrter" in die Reinkens'sche Heerde eingetreten sei, äußerte er: „Ein Bauer wär' mir lieber!"

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Von Stund' an ging die neue Sektenbildung sowohl der ,Altkatholiken", sowie Derer um Frankenberg rückwärts und konnte auch nicht vorwärts kommen, als Johannes Ronge seinen Beitritt in die bunte Coalition anbot, was auch an sich ein vergebliches Bemühen blieb.

Jezt gesteht man allgemein, daß der preußische Staatskatholicismus eine Todtgeburt war und daß er für Niemanden etwas Verlockendes hat, durch Galvanisirung ihn noch einmal zu einem Scheinleben hervorzurufen.

XXII.

Hand's Kirchengeschichte Deutschlands.

(Schluß.)

Der erste Theil des dritten Bandes trägt den Titel: Consolidirung der deutschen Kirche, und behandelt 1. die Grundlegung der bischöflichen Fürstenmacht, 2. die Gründung der Kirche im norddeutschen Wendenland, 3. Wiederaufnahme der füdöstlichen Mission, 4. Erneuerung der Beziehungen zu Italien 5. Literatur und Kunst, 6. die Anfänge der Klosterreform.

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Die Glanzpartie dieses Theils sind das fünfte und sechste Kapitel. Die Charakteristik Rathers von Lüttich ist so ausgezeichnet, weil Houck die Stellen aus seinen Werken zusammen getragen, weil sein Endurtheil über diesen seltsamen Mann auf einer gründlichen Kenntniß seiner Lebensschicksale und seiner Schriften ruht. Es gibt wenige Männer, sagt H., bei denen ein einzelner Charakterzug so bestimmt dominirt als bei ihm: er war ein Genie der Reflexion. Er reflektirte über alles, bald über sein Talent, bald über seinen Ruhm; jezt über seinen Stil und dann über seine literarische Methode; heute über seinen Lebensgang und morgen über die Menschen, mit denen er in Berührung gekommen war. Am wenigsten kam er über seinen sittlichen Zustand mit sich ins Reine. Was ich einst war, sagt er (Praeloq. VI, 25), und was ich jest bin, was ich nicht war und nicht bin, was ich sein soll und sein sollte, das will ich erkennen und kann es nicht erkennen; ich denke darüber nach, wodurch, wo und wie ich mir diese Blindheit zugezogen habe. Ich kann mich nicht beklagen weder über den Geber

Histor. polit. Blätter CXXI. (1898).

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des Lichts, noch meine Führer: an mir selbst liegt die Schuld." Unwillkürlich erinnert man sich beim Lesen dieser Schriften, so urtheilt H. ganz richtig, an die große Beichte Augustins. In dem grübelnden Tiefsinn, der beiden Männern eigen ist, in der rücksichtslosen Schärfe des Gerichts, das sie an sich selbst üben, ist eine Aehnlichkeit zwischen ihnen unverkennbar. Aber größer ist doch die Verschiedenheit: in den Confessionen Augustins scheint ein Mann zu sprechen, der vom festen Lande aus zurückblickt auf den Ocean von Sünden, den er durchmessen hat. In den Selbstbekenntnissen Rathers dagegen spricht ein Mann, der im Sumpfe watend vergeblich sich abmüht, für seine Schritte festen Grund zu finden. Die trostvollen Worte der heiligen Schrift enthalten für ihn nicht Friede, sondern Anfechtung, tröstlich dünkt ihm nur das skeptische Wort des Predigers: Es weiß der Mensch nicht, ob er der Liebe oder des Hasses werth sei, unsicher wird alles für die Zukunft bewahrt" (III, 292-293). Ein Kleinmeister in der Geschichte würde in Rather einen Typus des nach Aufklärung und nach Heils gewißheit begierigen, aber sie nimmer findenden Mittelalters entdecken und sich bei dieser Gelegenheit über die Segnungen der Reformation verbreiten. Nicht so H. „Dieses in Zickzacklinien sich bewegende Leben ist kein Moment in der allgemeinen. Entwicklung. Nur als literarischer Charakter kommt Rather für uns in Betracht" (288).

Ausführlich wird der Lebensgang der Nonne von Gandersheim, Hrotsuith (Roswitha) besprochen. „Der ganze Bildungsgang Hrotsuiths hat nichts Singuläres. Es hat gewiß in diesen Jahrzehnten zahlreiche Jungfrauen gegeben, die in derselben. Weise gebildet, auch in den gleichen Gedankenkreisen lebten wie fie. Daß sie sich über den Durchschnitt erhob, verdankt sie dem Umstande, daß sie in Beziehungen zu Gerberg, der Tochter Herzog Heinrichs von Bayern trat. Die Freundschaft mit der Herzogstochter öffnete ihr einen Blick auf das, was draußen vor den Klostermauern geschah" (302). Die Schriften der Gandersheimer Nonne sind trefflich charakterisirt, ihre Stärke ist nicht in der Anschaulichkeit der Erzählung, sondern in der Lebhaftigkeit des Dialogs zu suchen. Ihre Dramen stehen auch deshalb höher als ihre Legenden, weil sie in denselben

das volksthümliche Element verwerthet und die metrischen Fesseln ihres Vorbildes Terentius abgeworfen hat. Obgleich damals keine Schauspiele in der Landessprache cursirten, so darf man doch als sicher annehmen, daß Spiele, in denen die dramatische Form extemporirt wurde, häufig waren. Schon Ebert hat Hrotsuith ein fruchtbares dichterisches Talent genannt, dem selbst nicht der Trieb und der Muth des dichterischen Genies fehlte, ganz neue Bahnen einzuschlagen; H. hat im Einzelnen die Kunst der psychologischen Entwicklung einiger Charaktere ihrer Dramen nachgewiesen, er rühmt auch ihr frisches Talent für derbe Komik. Auf die Form gesehen, so schließt H. sein Urtheil ab, sind Hrotsuiths Komödien die eigenartigste literarische That des zehnten Jahrhunderts. Aber schließlich muß man doch urtheilen: der Gedanke, der sie inspirirte, war nicht Eigenthum dieses Jahrhunderts; eine teren= tianische Komödie mit christlichem Inhalt: das ist der Gedanke der karolingischen Literatur, die Vermählung der antiken Bildung mit dem christlichen Geist" (309). Auch die großen Dichter der Neuzeit sind darüber nicht hinaus gekommen. H. handelt ausführlich über die übrigen Schriftsteller dieser Zeit, über Widukinds Geschichtswerk, das so schätzbar ist durch die Fülle anschaulicher Einzelheiten und das patriotische Gefühl, über die Fortsetzung der Chronik Regino's durch Abt Adalbert (?), der sich durch umfassende Anschauung über Widukind erhebt; über die Biographie Udalrichs von Gerhard. In dem Verfasser des Traktats Ueber den Leib und das Blut des Herrn" sieht H. einen Vorläufer der Scholastik.

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Das so gehaltvolle fünfte Kapitel wird an Werth übertroffen durch das sechste: Anfänge der Klosterreform“. H. macht aufmerksam auf die Schwierigkeit, Pflege der Cultur mit asketischer Weltanschauung zu verbinden, und meint, freilich irrig, daß Cultur und Astetik sich gegenseitig ausschlössen und sich un= möglich verschmelzen ließen. Das muß man H. zugeben, daß das Leben in den Klöstern Fulda, St. Gallen, Reichenau, den großen Pflegestätten der Cultur im 10. Jahrhundert, sich vielfach im Widerspruch mit den Satzungen der Regel befand und daß man sich desselben bewußt war; daß aber Askese und Bildung sich nicht vereinen lassen, ist damit noch nicht erwiesen. Neben

der Verweltlichung der Klöster in Folge der Pflege der Wissenschaft wirkten auch noch andere Ursachen zum Verfalle der Klosterzucht mit, z. B. die Verheerungen Deutschlands durch die Ungarn, dann der weitere Uebelstand, daß manche Klöster in den Besitz von Laien und von Bischöfen gekommen waren, welche die Hauptursache der Verarmung der Klöster und des Verfalls der Ordenszucht waren.

Zum Glück hatte man das Ideal des religiösen Lebens noch nicht vergessen, reagirte der gesunde Sinn des Volkes und mancher Mönche gegen die Entartung, die sie mit ansehen. mußten. Der erste Mann, der in Lothringen, von wo die Reform sich auf andere Provinzen ausbreitete, die Mönche zur Beobachtung der Benediktinerregel zurückrief, war der Abt Gerhard. Was Gerhard that, berichtet H., machte Aufsehen, „es war etwas Außergewöhnliches, daß ein Grundherr, der ein Kloster stiftete, selbst Mönch wurde, und daß ein junger Abt kein höheres Ziel fannte, als seine Mönche zur genauen Beobachtung der strengen Regel anzuleiten. Für den Eindruck einer solchen Persönlichkeit war das Volk empfänglich, bewundernd strömten Schaaren von Pilgern nach Brogne. Es war nicht nach Gerhards Wunsch; denn ihm war es ernst mit der Weltflucht. Er entzog sich der Verehrung des Volkes, indem er die unmittelbare Leitung des Klosters niederlegte und die Einsamkeit aufsuchte. Das war im Geiste Benedikts von Nursia gehandelt; aber konnte es anders sein, als daß die Verehrung des Volkes dadurch noch gesteigert wurde"? (347). Mit wenigen Säßen wird uns hier ein Bild von großen Persönlichkeiten. und Ereignissen gegeben, nicht weniger groß ist die Kunst, auffallende Thatsachen zu erklären. „Es berührt seltsam, daß der Herzog Giselbrecht der erste Förderer der Klosterreform

Denn nichts scheint so weit auseinander zu liegen, als die Gesinnung des gewaltthätigen, nur auf Macht und Besig gerichteten Großen und die eines Mönches wie Gerhard... Ter imponirende Eindruck von Gerhards Person und Handeln war sicher die Hauptsache Denn gerade diejenigen, denen das Weltliche allein etwas zu gelten scheint, sind stets geneigt, die Größe eines Affeten anzuerkennen, sie wissen die Kraft zu ers messen, die in der Weltentsagung liegt" (347). Vier Jahr

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