Obrazy na stronie
PDF
ePub

zösischen Nordseegeschwader gewachsen zu seyn, fann man nicht verlangen. Die Kosten würden für uns geradezu unerschwinglich seyn. Und welchen Zweck hat eine Vermehrung unserer Marine, wenn dieses Ziel doch nicht erreicht werden fann?" Italien und auch Desterreich, meinte man damals, sollten ihre Seemacht vermehren. 1) Jezt hat der Kaiser in seiner jüngsten Thronrede des „Dreibunds" nicht einmal gedacht. Sobald aber die deutschen Flottenpläne bekannt wurden, rührte es sich in Frankreich und in England. Dort konnte der Marine Minister ohne Anstand 200 Millionen für Flottenzwecke verlangen, und in London kündigte derselbe Minister dem Parlament an: „Sollten im Laufe des Jahres irgendwo anderwärts außergewöhnliche Schiffsbauten in die Hand genommen werden, so werde das Haus, dessen sei er sicher, unbedingt die Nachtragscredite bewilligen, welche die veränderten Umstände erheischen." Allgemeine Zustimmung. Hundert Millionen Pfund seien bereit," sagte ein radikales Blatt; "um Deutschland zu Land im Schraubstock zu halten," fügte ein anderes bei.2) Nun fommt aber auch noch die neue Macht in Ostasien dazu, Japan rüstet über Hals und Kopf, und Deutschland hat es sich zum Feinde gemacht.

„Also mehr als eine halbe Milliarde werden vom deutschen. Volke für den Wasser-Militarismus neu verlangt! Damit soll es dann freilich nach sieben Jahren sein Ende haben! So sagt die Begründung. Man meint also, wenn das Deutsche Reich seine Flotte so verstärkt, wie es der Entwurf vorsieht, so würden die übrigen Mächte Europa's die Hände in den Schooß legen? Nun beweist aber die Geschichte des Militarismus zu Lande und zu Wasser, daß die Anstrengungen des einen Volkes, seine militärische Rüstung zu vergrößern, mit absoluter Sicherheit größere Anstrengungen der andern Völker hervorrufen, um den Vorsprung wieder einzuholen. Deshalb ist eben der Militarismus die Schraube ohne Ende', an der die Cultur

1) „Kölnische Volkszeitung" vom 1. September 1893. 2) Londoner Corresp. d. Berliner „Vorwärts“ v. 16. März 1897.

völker zu Grunde gehen. Die Marine-Vorlage der verbündeten Regierungen des Deutschen Reiches ist unfehlbar das Signal zu einer ungeheuern Steigerung der Marinelasten in allen andern Ländern Europa's. Nach sieben Jahren werden wir demgemäß in Deutschland in unserm Verhältniß zu den Flottenstärken der übrigen Nationen auf demselben Fleck stehen wie heute! Das ist der Segen des bewaffneten Friedens'!" 1)

Vor zwei Jahren ist dem Reichstage eine Denkschrift übergeben worden, aus welcher sich ergab, wie die Reichsschuld von zwei Milliarden aus unbedeutenden Anfängen im Laufe der zwanzig Jahre entstand. Darnach sind aus diesen Anleihen für das Reichsheer ein Betrag von rund 1298 Millionen, für die Marine ein Betrag von 276 Millionen verwendet worden. Für andere Schöpfungen blieb nicht viel übrig.2) Aus den vergleichenden Flotten-Tabellen, die der Kaiser im vorigen Jahre für den Reichstag angefertigt hatte, ergab sich, daß wir ungefähr zehnmal so viel aufwenden müßten, als bisher, um mit den Engländern gleichen Schritt zu halten, und daß es annähernd 3000 Millionen kosten würde, um so weit zu kommen, wie die Engländer jezt sind.3) Was jezt bereits erreicht ist, darf gewiß als eine achtungswerthe Leistung anerkannt werden, wenn man sich erinnert, daß vor 50 Jahren, am 27. Mai 1847, in Preußen der erste Seeoffizier ernannt wurde für die „Amazone“ in Danzig, cine Art Zwitterding zwischen Handels- und Kriegsschiff. Und jezt ist bereits von einer eigenen Colonialtruppe die Rede.

Aber das Landheer darf natürlich auch nicht zurückbleiben. Sobald Frankreich einen Schritt that, wurde die deutsche Nachfolge sofort angekündigt. „Einschneidende Reformen in der Infanterie- und in der Artilleriebewaffnung wirken natur

1) Aus der „Berliner Volkszeitung“ s. „Kölnische Volkszeitung vom 29. November 1897.

2) Berliner „Vorwärts“ vom 11. Dezember 1895. 3) Berliner „Vorwärts“ vom 25. Juni 1897.

gemäß auf die Ausrüstungen der Armeen und auf das Befestigungswesen zurück. Es gehört aber nicht viel Combinationsgabe und sehr wenig Phantasie dazu, um schon heute zu sagen, daß das von der französischen Regierung den französischen Steuerzahlern gemachte Weihnachtsgeschenk von 200 Millionen für Artilleriezwecke durch Europa fortrollend lawinenartig anwachsen, und der Ausgangspunkt werden wird für nach Milliarden sich beziffernde neue Ausgaben zum Zweck der Befestigung des europäischen Friedens"!1)" In der That wurde bald darauf in der Commission des deutschen Reichstags in aller Heimlichkeit die erste Rate der Summe von 144,000,000 Mark für die Erneuerung der Feldartillerie bewilligt, und fast gleichzeitig tauchte die Nachricht auf, daß auch die Einführung eines neuen InfanterieGewehrs noch kleineren Kalibers als des bisherigen beschlossen, und Muster des neuesten Modells bereits zur Probe vertheilt seien.

Der Kaiser hat am 23. April v. Js. in einer Anrede zu Karlsruhe gesagt: „Die Erhaltung des Friedens sei nur möglich auf Grundlage einer starken Armee und einer starken Marine." Aber kommen die zwei Erfordernisse in Rücksicht auf das Volkswohl wirklich in gleicher Weise in Anrechnung, Eines wie das andere? In Bezug auf die neuen Weltreichspläne hat vor Kurzem der abdankende Regierungspräsident Herr von Bennigsen in seiner Abschiedsrede, ohne moralische Bedenken zu verhehlen, von der Nothwendigkeit gesprochen, auf große Hülfsmittel in Handel und Industrie zurückzugreifen und die „Quellen des Reichthums zu pflegen." Das heißt: man braucht Geld und immer wieder Geld, und das soll die Ausbeutung des Handels und der Industrie liefern. Diese Schaustellung des „Classenstaates" in seiner Nacktheit rief auch unwillkürlich die Frage auf, wer dann die Kosten

1) Aus Paris in der „Allg. Zeitung" vom 31. Dezember 1896.

"

der Veranstaltung tragen soll? Der Abgeordnete Dr. Lieber sagte es zuerst: die starken Schultern", die, welche den Vortheil davon haben. In der That wagte bis jezt Niemand, von neuen indirekten Steuern zu sprechen, wie im Jahre 1893, wo man auf diesem Wege für die Kosten der Militärvorlage 200 Millionen herauszuschlagen hoffte 1) Das Reich hat aber kein Recht zur direkten Besteuerung, also bleibt es mit den starken Schultern" nach wie vor ein Räthsel.

Im Verlauf des unerhörten Aufgebots zum Ansturm für die Marinepläne wurde auch der Versuch gemacht, für einen Flottenfond freiwillige Beiträge zu sammeln. Der Capitalismus rührte sich nicht, der lächerliche Ertrag von einigen tausend Mark war der ganze Erfolg. Aus den Kreisen des Handels und der Industrie erhoben sich aber zur Abwehr der ganzen Frontänderung nur vereinzelnte Stimmen mit der Hinweisung: England habe mit seiner ununterbrochenen Flottenvermehrung in den lezten 25 Jahren weder den Rückgang seines eigenen Exports, noch den gewaltigen Fortschritt des deutschen Ausfuhrhandels aufzuhalten vermocht.) Zulegt hat noch die großartige Versammlung der Weltpolitiker im „Kaiserhof“ zu Berlin der Socialdemokratie das Vergnügen gemacht, nachfolgenden Bericht über die deren Namen aber hier nicht ausgeschrieben werden. liefern zu können :

Führer jollen

"

--

Einen Ausdruck des Nationalgefühls nannte der Vorsigende der vorgestrigen Flottenfreunde-Demonstration im Kaiserhofe diese Unternehmer-Versammlung. Wir wissen ja zur Genüge, das Nationalgefühl wird von den Herren immer dann am lautesten betont, wenn die Profitjagd reiche Beute in Aussicht stellt. Als 1870 die Bismarck'sche Regierung an das Nationalgefühl der Procentpatrioten bei Begebung der Kriegsanleihe

1) Wochenblatt der Frankfurter Zeitung" v. 6. Aug. 1893. 2) Berliner Vorwärts“ vom 13. Januar d. Js.

appellirte, da fand sie taube Ohren; anders jezt bei der Flottenvorlage, die den Unternehmern reiche Handelsbeute sichern, deren Kosten aber auf die Schultern der breiten SteuerzahlerMassen, der misera contribuens plebs, gelegt werden soll. Für die im Kaiserhof versammelten und mit ihrem Nationalgefühl hausirenden Unternehmer und Großindustriellen ist gerade ihr Vorsißender, der geadelte bayerische Reichsrath und Aktienspinnerei-Direktor v. H. der berufenste Mann. Wenn der von Patriotismus und Nationalgefühl redet, dann wissen seine schlechtgelöhnten Spinner und Weber in Augsburg immer, daß ihm der Patriotismus und das Nationalgefühl nichts kostet. Wenn Herr von H., aber an seine deutschen Mitbürger in der Arbeiterklasse mehr Löhne zahlen soll dann ade Nationalgefühl! Die Augsburger Arbeiter wissen davon ein Lied zu singen, wie Herr von H. und der national gesinnte Augsburger Unternehmer-Klüngel ihre Lohnbewegungen wiederholt damit niedergezwungen haben, daß sie an Stelle der außer Brot getriebenen deutschen Weber und Spinner ganze Eisenbahnladungen czechischer Arbeitskräfte nach Augsburg verfrachteten und dort ganze Stadttheile, z. B. die Arbeitervorstädte Hettenbach und Oberhausen, mit ihnen bevölkerten, ein Segen, den noch Jahre später die Stadtverwaltung mit vermehrten Polizei und Gendarmerie-Ausgaben bezahlte! Neben Herren B. und Ŵ. war Herr v. H. wirklich der würdigste dritte! Herr W. mit den chinesischen Kulis und der Generalsekretär der brutalsten Unternehmercoalition, welche die einheimische Bergbaubevölkerung durch polnische Arbeiter erseßte, und Herr v. H., der Importeur billiger Czechen besser und deutlicher kann das Nationalgefühl unserer deutschen Unternehmer nicht gekennzeichnet werden." 1)

-

Gerade auch zur Ableitung des wachsenden BevölkerungsUeberschusses im Reich nach der ostasiatischen Provinz und zur Verbreitung des Deutschthums in den fremden Ländern sollte aber die neue Seemacht dienen!2)

1) Berliner „Vorwärts“ vom 15. Januar d. Js.
2) S. „Zeitläufe“ vom 16. Januar d. Js., S. 153.

« PoprzedniaDalej »