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J.

Zum deutschen Nenjahr

ist vom Osten her unendlich traurig eingeläutet worden. Wer sich noch an das alte biedere Desterreich erinnern kann, dem mußte das Herz bluten über den Nachrichten, die von dorther seit Wochen und namentlich seit Ende November uns überschütteten. Im Parlament die furchtbare Macht der Obstruktion, wie jezt selbst das Wiener Regierungsblatt sich ausdrückt, zu Ungeheuerlichkeiten bis zur Raserei ausgeartet ; Raufereien bis zum Präsidententisch troß des über Nacht um ihn hergestellten „Bärenzwingers“; dann die Schreckenstage in Prag bis zur Verhängung des Standrechts mit ihrer Verpflanzung der barbarischen Deutschenheze bis hart an die bayerische Grenze: Zerrüttung der Verhältnisse in der Hauptstadt selbst und in den betheiligten Provinzen und Hülflosigkeit der Regierung überall. Als der verunglückte Minister Graf Badeni im Reichsrath, während er bei allerhöchster Stelle noch „bombenfest“ zu stehen glauben durfte, seine Hochachtung vor der „voranleuchtenden deutschen Cultur“ versicherte, hat er den wunden Punkt getroffen, um den es sich handelt. Die Zurückdrängung des Deutschthums steht auf dem Spiel, und die deutsche Nation reicht zurück über die Grenzen vor 1866.

Gerade während der parlamentarischen Krisis des österreichischen Reichsraths ist auch die Verschiebung der Lage

Hiftor polit. Blätter CXXI. (1898).

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zwischen den europäischen Mächten in den Delegationen für die gemeinsamen Angelegenheiten der Monarchie feierlich verkündigt worden. Die Thatsache ist in den Stürmen der deutsch-slavischen Verwicklungen wenig gewürdigt worden, aber sie gehört zum Ganzen. Es ist freilich schon lange her, daß die Frage von der Zukunft des Panslavismus unter unseren Geschichtsphilosophen leidenschaftlich erörtert wurde. Die Vertreter der Eintheilung der Weltgeschichte in die drei Perioden der antiken, der germanischen und der flavischen würden jest triumphirend ausrufen können: Da haben wir's ja!1)

Der Streit spielte zur Zeit vor dem Krimkrieg. Damals thaten sich noch die Westmächte zusammen, um das türkische Reich vor der Beschlagnahme Rußlands zu retten. Desterreich war damit als selbstverständlich einverstanden, wenn es sich auch, in Rücksicht auf seine traurige Finanzlage, aktiv nicht betheiligte und sich von Sardinien den Rang ablaufen ließ, was dann zur Begründung der verküpperten Großmacht Italien den ersten Anlaß gab. Czar Nikolaus war schwer enttäuscht über die Haltung Oesterreichs, in seinen Verhandlungen mit dem englischen Gesandten Seymour hatte er geäußert: wenn man von Oesterreich spreche, dann spreche man von ihm, beide Mächte seien vollständig einig. Seitdem dauerte die Spannung zwischen ihnen fort, und galten die Schwierigkeiten für unüberwindlich. Als auch eine Erkältung zwischen Rußland und Preußen eintrat, wurde der deutschösterreichische Bundesvertrag vor zwei Jahrzehnten geschlossen und vor zehn Jahren veröffentlicht, welcher im ersten Artikel bestimmt: wenn Eines der beiden Reiche von Seite Rußlands angegriffen würde, so seien die hohen Contrahenten ver

1) Dr. Volkmuth: „Gervinus und die Zukunft der Slaven". Halle 1853. S. Osteuropäische Thesen“ „Histor.polit. Blätter". 1854. Band 33. S. 697 ff.

pflichtet, einander mit der gesammten Kriegsmacht ihrer Reiche beizustehen." Am 20. November sagte nun der gemeinsame Minister des Auswärtigen, Graf Goluchowski, in seiner Ausführung an die ungarische Delegation, unter deutlicher Bezichung auf die Verhandlungen, welche im April d. Is. bei dem Besuche des österreichischen Kaisers in St. Petersburg stattfanden, der auch in der Thronrede an die Delegationen erwähnt wurde:

Unser von Erfolg begleitetes Zusammenwirken mit dem Petersburger Kabinet beim Ausbruch des türkisch-griechischen Confliktes, dessen ich socben erwähnte, führte uns sehr bald zu einer offenen loyalen Aussprache, aus der man beiderseits die Ueberzeugung zu schöpfen vermochte, daß eigentlich keine derartigen Differenzen zwischen uns bestehen, die sich bei einigem guten Willen nicht ausgleichen ließen. Sobald constatirt werden. fonnte, daß wir Beide die Aufrechterhaltung des Status quo anstreben, daß Rußland ebenso wie wir jeden Eroberungsgedanken auf der Balkanhalbinsel mit Entschiedenheit zurückweist, und daß auf beiden Seiten der feste Entschluß besteht, die Unabhängigkeit und das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Balkanstaaten, mit Ausschluß jeder präponderanten Einflußnahme auf deren innere Geschicke, zu respektiren, war mit Einemmale das Terrain zu einer Verständigung zwischen uns geschaffen. Unter diesen Umständen kamen wir leicht zu der Erkenntniß, daß sich unsere Interessen keineswegs kreuzen, daß wir vielmehr, als die von den orientalischen Wirren in erster Linie berührten Mächte, allen Grund haben, zusammenzuhalten. und in beständiger Fühlung zu verbleiben, um jede Ausartung der zum Vorschein kommenden Bewegungen zu verhindern und dem bisherigen Treiben spekulativer Geister am Balkan, die uns gegen einander zum eigenen Vortheil stets auszuspielen suchten, ein Ende zu machen“.

Zuvor noch hatte die sehr selbstbewußte Rede des Ministers den Dreibund gepriesen: „Der Dreibund hat sich mit Einem Worte das Bürgerrecht in Europa erworben, und diese seine Stellung zu consolidiren, ist unser beständiges Streben."

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