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im geistigen Leben bestand. Lange Zeit galt die Sittlichkeit als der Staatszweck; heutzutage ist man in weiten Kreisen davon abgekommen und erblickt wieder in ev syv den Staatszweck, denkt sich das Wohlbefinden aber als rein materielles. Solch hohe schwere Ziele dünken aber mit Recht besonnenen Männern hinauszugehen über den eigentlichen Staatszweck, sie halten dessen Erreichung für unmöglich und weisen dem Staate beschränktere Ziele, den Schuß der Freiheit und der Rechtsordnung, höchstens noch die Gerechtigkeit. Zu ihnen gehört Hertling.

Ganz im Sinne seiner principiellen Anschauungen verwirft H. den Glaubenszwang, verlangt aber doch energisch einen Schutz religiöser Gefühle. Die Gleichheit hat nach ihm blos eine Berechtigung, soferu sie jedem die gleiche Möglichkeit der Freiheitsbethätigung verschafft. Von Zwangsorganisationen erwartet er fein großes Heil und verwirft die Zwangsinnung.

Im Collektiveigenthum erblickt er selbstverständlich auch kein Ideal und betont mit Entschiedenheit, daß schon das Naturrecht das Privateigenthum fordere, weil nur so die Persönlichkeit des Menschen sich entwickeln und ausbilden könne. Beim hl. Thomas ist in dieser Hinsicht ein gewisses Schwanken zu bemerken, er sagt allerdings, es sei ein natürliches Recht des Menschen, Eigenthum zu besißen und führt dafür verschiedene Gründe an, andererseits hat er aber auch die Gütergemeinschaft als natürliches Recht erklärt.1) Diese

1) Die Gütergemeinschaft, sagt der hl. Thomas, wird auf das natürliche Recht zurückgefühit, nicht in dem Einne, als ob das natürliche Recht vorschriebe, alles müsse im Gemeinbesig verbleiben und niemand etwas als sein Sondereigenthum bésißen, sondern darum, weil die Austheilung des Besizes nicht auf Grund des natürlichen Rechtes erfolgt, sie erfolgt vielmehr auf Grund menschlicher Vereinbarung, die dem positiven R:chte an= gehört" (Hertling, S. 143).

lettere Meinung stammt, wie Hertling nachweist, eigentlich aus der römischen Jurisprudenz und ging in das corpus iuris canonici über.1) Aus der ursprünglichen Gütergemeinschaft wurde nun die moralische Pflicht für die Reichen abgeleitet, von ihrem Ueberflusse an die Armen zu geben. In diesem Sinne sprechen eine Reihe von Kirchenvätern von einer Art freiwilligem Communismus, dessen Ideal in der ersten Christengemeinde gesucht wird. Selbstverständlich sind diese Aussprüche dem Spürsinn der Socialisten nicht entgangen. Im Lichte der socialistischen Geschichtsauffassung waren die ersten Christen und ihre Nachbilder in verschiedenen häretischen Sekten wirkliche Communisten. Der bedeutende Unterschied, daß hier von einem freiwilligen, nicht von einem Zwangscommunismus die Rede ist, ficht einen Socialisten natürlich weiter nicht an.

Auf der andern Seite hat man aus communistisch klingenden Aeußerungen katholischer Theologen, wobei man die älteren Kirchenväter womöglich aus dem Spiel zu lassen suchte, auf eine Seelengemeinschaft zwischen dem Communismus und dem Katholicismus geschlossen. Den bedeutendsten Versuch in dieser Richtung stellt dar die Göttinger Jubiläumsrede des Professors der Theologie Dr. Albrecht Ritschl, des Hauptes der weitverzweigten Ritschl'schen Schule. Ihr trat seiner Zeit (1887) Hertling entgegen in der geistvollen Antwort, die er nun wieder abdrucken ließ. Er weist mit viel Ironie und Gewandtheit nach, daß der Zusammenhang zwischen dem socialdemokratischen Programm und den Aeußerungen des hl. Thomas, den Ritschl entdeckt haben will, rein construirt ist. Auch ein revolutionäres Princip wollte Ritschl beim hl. Thomas entdecken, da er angeblich die Volks

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1) Jus naturale est commune omnium nationum. . ut communis omnium possessio et omnium una libertas (c. VII, Dist. 1.)

souveränetät und das Recht der Revolution lehre. Auch diesen Vorwurf hat Hertling schlagend zurückgewiesen.

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Hatte man bis vor kurzem die Katholiken als Reaktionäre und als Feinde des modernen Constitutionalismus verfolgt. so stellt man sie heute als Demokraten und Socialdemokraten an den Pranger. Auch hiegegen vertheidigt sie Hertling in dem Aufsaß Christliche Demokratie", der in diesen Blättern erschien und bekannt sein dürfte. Hertling führt diese Vertheidigung nicht, ohne an die Vertheidigung leichte Warnungen anzuknüpfen. Mit Recht wendet sich H. ebenso gegen die Demokratie, wie gegen den Absolutismus und tritt für die constitutionelle Monarchie ein. An der Demo: kratie erkennt er an, daß sie den Gemeinsinn und die Selbstthätigkeit der Einzelnen entwickle, aber die Monarchie hat nach ihm einen entschiedenen Vorzug, weil sie der Staatsordnung Festigkeit und Stetigkeit gewähre. Die staatliche Autorität ist bei der Monarchie am besten gesichert.

Die staatliche Autorität stammt ohne Zweifel von Gott, man fann aber verschiedener Ansicht sein, wie ihre Uebertragung an das Königthum zu denken ist. Im Mittelalter dachte man sich die Souveränetät durch das Volk vermittelt, aber schon im Mittelalter, noch mehr aber im 16. und 17. Jahrhundert vertheidigte man das unmittelbar göttliche Recht der Könige. Dieses unmittelbare Recht setzte man entgegen sowohl dem Volksrecht als auch den kirchlichen Ansprüchen. Es war besonders der Gallifanismus, der dieses unmittelbar göttliche Recht der Könige in sein Programm aufnahm. Gerade deshalb sind die modernen französischen Verfechter der christlichen Demokratie auf den Gallifanismus schlecht zu sprechen. Das Buch des Dominifaners Vincent Maumus „L'Eglise et la France moderne" hat hauptsächlich die Tendenz, den Gallifanismus wegen seiner absolutistischen Neigungen zu verurtheilen.

Dem Spektator der Allgemeinen Zeitung, der das Buch von Maumus am 1. Oktober 1897 ausführlich besprach, war

es ein willkommener Beweis für seine Behauptung von dem demokratischen Zuge des heutigen Ultramontanismus. Ein anderes Hauptmoment für seine Beweisführung ist die von ihm constatirte Agitation der Katholiken für die Wiederherstellung des Kirchenstaates. Damit befaßt sich nun Hertling noch eingehend, er druckt seinen Hauptartikel gegen die Aufstellungen des Spektator aus den Histor -polit. Blättern" wieder ab. Darin weist er die Anschuldigungen des Spektator zurück, stimmt aber in wichtigen Punkten mit diesem überein. Er hebt namentlich hervor, daß es vergeblich und unheilvoll wäre, von der Revolution, vom Zweibund, von der französischen Republik eine Wiederherstellung des Kirchenstaates zu erhoffen. Wahrscheinlicher als eine solche Aussicht, sagt er mit dem Spektator, ist es, daß an dem Tage, wo mit dem Sturz des Königreichs Italien die staatliche Ordnung überhaupt zu Grabe getragen würde, sowohl Vatikan als Lateran in die Luft gesprengt und so gründlich mit der Curie aufgeräumt würde, daß sie in den nächsten Jahrzehnten wenigstens in Italien nur noch als historische Erinnerung in Betracht käme.“

Auch eine Wiederherstellung des Kirchenstaates im alten Sinne sei nicht mehr möglich. Aber eine Versöhnung zwischen dem Vatikan und Quirinal müsse als sehnlichster Wunsch erscheinen, fast noch mehr im Interesse Italiens und des Dreibundes als im Interesse der Kirche. Dieses Ziel sei aber nur zu erreichen durch eine Gesundung der italienischen Verhältnisse von innen heraus, durch eine Stärkung des conservativen Elementes, durch die Anbahnung einer conser= vativen Politik, durch die Ueberwindung der freimaurerischen Bevormundung, des Freimaurerregimentes in Italien. In diesem Wunsche begegnet sich Hertling mit dem Spektator. Verschieden mögen nur die Ansichten darüber sein, warum nicht eine solche Politik schon bisher mit allen Mitteln erstrebt wurde und wie eine solche Politik möglich werden solle. Die Schuld, warum dies bisher nicht geschah, sucht

der Spektator natürlich in klerikalen Kreijen, in den Reihen. der Unversöhnlichen, der Extremen, Hertling sucht die Schuld mehr außerhalb derselben. Ob aber die Schuld innerhalb oder außerhalb liege, sicher sind die Aussichten einer Besserung der Verhälinisse sehr geringe und eine Auslösung der unheilvollen Spannung ist zunächst nicht absehbar. Da müssen andere Ereignisse eintreten, welche die Lage gründlich

verändern.

G. Grupp.

XIX.

Ein sich anbahnender Umschwung in Frankreich.

Paris im Januar 1898.

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Im Juli vorigen Jahres hatte der Dichter François Coppée in seiner Wochenplauderei (im „Journal“) aufgefordert, den durch Unwetter heimgesuchten Elsässern als theilnehmende Erinnerung Unterstüßungen zu schicken. Am folgenden Donnerstag mußte er gestehen, daß sein Aufruf, troß aller Wärme, nicht gezündet, keine Wirkung hervorgebracht hatte. „Zu meinem großen Bedauern getraue ich mir nicht, noch weiter eine Kundgebung zu empfehlen, welche nur Wirkung haben konnte, wenn fie großartig gewesen wäre", bestätigte er. Der Mercure de France" sah sich hierauf veranlaßt, einer Menge Personen jeden Standes, jung und alt, folgende Fragen vorzulegen: 1. Ist betreffs des Frankfurter Friedens eine Beruhigung der Geister eingetreten? 2. Denkt man weniger an Elsaß-Lothringen, obgleich, im Widerspruch mit dem Rathe Gambetta's, man immer noch ebenso viel davon spricht? 3. Sieht man den Augenblick voraus, wo der 1870/71er Krieg nur noch einfach als geschichtliches Ereigniß betrachtet wird? 4. Würde ein zwischen beiden Ländern ausbrechender Krieg heutzutage in Frankreich günstig aufgenommen werden?

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