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um zu sehen, daß das Schulaufsichtsgefeß ein Ausnahmegesetz gegen den Katholicismus war. Das thatsächliche Verhalten des Culturkampfministers wie seine Erklärung schließen sich ergänzend an die Theorie, die sein Vorgänger v. Raumer 1854 entwickelte: Seit der Reformation seien Staat und Kirche identificirt, daher müsse der preußische Staat für die evangelische Kirche sorgen wie für sich selbst, während er der katholischen Kirche gegenüber nur die unabweisbaren Rechtsforderungen zu erfüllen habe. Das erklärt Vieles, und spätere gegentheilige Erklärungen preußischer Cultusminister werden den Eindruck nicht verwischen, daß v. Raumer, unvorsichtiger oder offener als seine Collegen, lediglich die Praxis in Worte überseht hat.

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Mit welcher Gewissenhaftigkeit der Staat unabweis, bare Rechtsforderungen" erfüllt hat, mag man aus dem Abschnitt Säcularisation und Staatsleistungen“ ersehen, für welchen die Denkschrift die Vorarbeiten Rudolphi's benußen konnte. Die Herren, welche die von Freiherrn von Hertling wieder in Erinnerung gebrachte „Säcularisationshypothese“ so obenhin abfertigten, sollten diese sehr lehrreichen Studien lesen über das schon seit dem 17. Jahrhundert an den katholischen Klöstern und Stiften ausgeübte, höchst sinnreich erdachte Schröpfsystem, über die dreifache Abstufung des Aufsaugungsprocesses durch stufenweise Säcularisation der Einkünfte, der Bewirthschaftung und schließlich des Vermögens selbst. Daß schon während dieses Processes allerhand Rechtsforderungen" Schiffbruch litten, fann nicht ernsthaft bestritten werden, und für die spätere Zeit läßt sich aus der Geschichte der Ausführung bezw. Nichtausführung der Bulle de salute animarum Vieles lernen. Den Triumph, welchen die feierliche, staatliche Verbürgung der Bulle in der eminenten Rechtsthat des Sperrgesezes feierte, hat die Denkschrift nicht einmal erwähnt. Durch die Säcularisation ist innerhalb des preußischen Staates cine bedeutende Verschiebung des Besizes zwischen den beiden Hauptconfessionen

herbeigeführt worden. Millionen auf Millionen sind durch die Säcularisation den Protestanten in Folge von Kauf oder Schenkung zugefallen. In der Säcularisation liegt darum eine mächtig wirkende Ursache für die Erscheinung, daß in einzelnen Gegenden die Protestanten reich, die Katholiken arm sind und erstere deßhalb für ihre Schul- und Kirchenbedürfnisse besser sorgen können, wie legtere“ - was freilich nicht gehindert hat, daß die staatliche Fürsorge für Schulen und Kirchen der beiden Confessionen sich unzählige Male im umgekehrten Verhältniß der Bedürftigkeit geäußert hat. Man vergleiche beispielsweise die Schilderung dieser Fürsorge bei Errichtung protestantischer Pfarrsysteme und Bau protestantischer Kirchen (S. 132), und schließlich den Abschnitt über die Behandlung der katholischen Stiftungsfonds (S. 144 ff.), welche vor mehr als 40 Jahren Hermann v. Mallinckrodt den Ausspruch „Wüste der Imparität“ abpreßte.

Was geschehen ist, ist geschehen, und werthlos bleibt die Darstellung des Vergangenen und seiner Nachwirkungen in der Gegenwart, ohne die Arbeit für eine bessere Zukunft. Unentbehrlich waren deßhalb die beiden kurzen Schlußkapitel über die Bedeutung der Paritätsfrage und über die Bekämpfung der Imparität, wobei wir ganz besonders auf die Zurückweisung jener staatsrechtlichen Theorie (S. 153 ff.) verweisen, welche die Paritätsverlegung mit Berufung auf Aussprüche und Entscheidungen von Päpsten, auf Säße des Syllabus von 1864 und auf gewisse Aufstellungen katholischer Moralisten vertheidigt. In knappster Form wird hier ausgeführt, wie die systematische Zurückjehung auf den verschiedenen hier in Betracht kommenden Gebieten die Gesammtstellung der preußischen (und auch der sonstigen deutschen) Katholiken im politischen, wie im socialen Leben beeinträchtigt" hat und wie bei Fortdauer des Systems, namentlich bei der Besezung der höheren Staatsstellen, die Katholiken politisch, social und wirth

schaftlich immer mehr zurückgedrängt werden". Hier Wandel zu schaffen, sind nicht etwa bloß engere katholische Kreise, sondern alle Kreise des katholischen Volkes in gleicher Weise betheiligt und interessirt". Die erste Bedingung, um eine Aenderung herbeizuführen, ist die klare, schonungslose Erkenntniß des ganzen Umfanges des verübten Unrechts, aber auch des ganzen Maßes der Schuld, welche der katho, lische Volkstheil selbst auf sich geladen hat durch Gleichgültigkeit und resignirtes Geschehenlassen. Ist erst einmal die volle Selbsterkenntniß vorhanden, dann wird auch das nöthige Selbstbewußtsein und die Selbsthülfe nicht ausbleiben, so weit sie nicht schon jezt vorhanden ist. Mit der katholischen Gemüthlichkeit" ist da nichts auszurichten. Gestehen wir uns es nur muthig und ohne Rücksicht auf einige ängstliche Seelen ein, „daß es in katholischen Kreisen nicht selten an der richtigen Werthschätzung wissenschaftlichen Strebens fehlt", daß Frömmigkeit und werkthätige Liebe allein nicht ausreichen, um die Zukunft des deutschen Katholicismus sicher zu stellen, daß die Parität der Rechte nur erkämpft werden kann durch die Parität der Leistungen, daß unter den bestehenden ungünstigen Verhältnissen sogar ein Mehreres nöthig ist, daß wir, in erster Linie die katholischen Studenten. „bestrebt sein müssen, mehr zu wissen, mehr zu können, mehr zu leisten als die andern", daß dem Wort von der Inferiorität der katholischen Bildung jeder Vorwand entzogen werden muß, und daß hiebei neben der Geistlichkeit der katholische Laienstand seine ganze Kraft einzusehen haben wird. Dann, aber auch nur dann, wird mit Gottes Hilfe der Saß zur Wahrheit werden, den vor mehr als einem halben Jahrhundert Görres im‚Athanasius“ schrieb und den die Denkschrift sich als Motto gewählt hat: „Haltet zusammen eng und fest, denn Ihr habt alle ein und dasselbe Ziel, und dieses Ziel ist die ganze und volle Realisirung der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung der Katholiken ohne Gefährde und Hinterhalt; es wird Euch gewonnen sein, wenn Ihr mit Eifer und Beharrlichkeit darauf besteht".

C.

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XVIII.

Freiherr v. Hertling über Naturrecht und Politik.

Gesammelte Auffäße herauszugeben, darf sich nicht Jedermann erlauben. Wer das thut, muß darauf rechnen dürfen, daß sein Wort, mag es auch nur ein gelegentliches jein, Anklang findet, daß man ihn als eine Autorität verehrt. Diese Voraussetzungen treffen nun in hervorragendem Grade zu bei G. Freiherrn von Hertling, dessen „Kleine Schriften zur Zeitgeschichte und Politik" ich hier zur Anzeige bringe.

Hertling ist ein Mann, auf den die deutschen Katholiken stolz sein dürfen, er ist nicht bloß ein bedeutender Politiker, sondern auch ein bedeutender Gelehrter und hat in beiden Richtungen große Erfolge errungen. In weitern Kreisen ist er vor allem bekannt als Parlamentarier und Parteiführer. Als langjähriger Reichstagsabgeordneter hat er durch seine gehaltvollen, wohldurchdachten und abgerundeten Reden weitgehende Aufmerksamkeit erregt und sich beim Zustandekommen manchen Gesetzes auf socialem Gebiete auch anerkanntermaßen Verdienste erworben. Und doch war diese öffentliche Thätigkeit gleichsam nur Nebenarbeit neben dem mit Gewissenhaftigkeit und vielem Erfolg gepflegten Lehrberuf. Die ins Weite und Große gehende Thätigkeit umschließt eine geräuschlose Denk- und Lehrarbeit. Es kommt ja auch bei anderen Männern vor, daß sie zugleich dem praktischen oder öffent

lichen Leben und zugleich der stillen Muse dienen. Aber selten zeichnen sie sich in beiden Richtungen gleichmäßig aus. Hertling ist den so verschiedenartigen Ansprüchen einer theilweise entgegengesezten Berufsarbeit in erstaunlichem Grade gerecht geworden und hat gezeigt, daß seine seltenen Geistesfräfte ebenso der Vertiefung als der Erweiterung, ebenso der Einkehr wie der Außenwirkung fähig sind. Dabei hut er weder als Gelehrter noch als Politiker den angebornen Adel verleugnet. Er bewegt sich immer in vornehmen Formen und innerhalb der Grenzen edler Mäßigung.

Als Gelehrter zeichnet er sich aus durch eine große Schärfe und Bestimmtheit der Auffassung und Eleganz der Darstellung. Hertling ist bekanntlich Aristoteliker und Thomist, aber ein sehr gemäßigter; schon seine Sprache erinnert mehr an Trendelenburg und Loze, als an Aristoteles, und ist völlig verschieden von der Sprache etwa Pesch's oder Gutberlet's. In sachlicher Hinsicht dringt Hertling überall scharf und klar auf das Wesentliche und den Kern der Dinge, uud was er in's Auge faßt, stellt sich der objektiven Anschauung in seiner vollen und ganzen Realität dar. Neben der treffenden Sicherheit geht eine objektive Ruhe der Auffassung, welche jederzeit das Einfließen subjektiver Elemente zurückzuhalten und alle störenden und ablenkenden Gesichtspunkte zu beseitigen weiß. Diese Vorzüge zeigen sich auch bei den vorliegenden kleinen Arbeiten, die Hertling zu einem Band gesammelt hat. Es sind Musterleistungen ihrer Art. Diese Arbeiten liegen auf dem Grenzgebiete zwischen Politik und Wissenschaft, sie haben mit wenigen Ausnahmen eine praktische und politische Tendenz.

Es fällt einem schwer, aus der Fülle des Gebotenen etwas herauszugreifen, und kann es sich hier nur darum handeln, nicht so fast eine Uebersicht zu geben, als vielmehr charakteristische Meinungsäußerungen und den Grundcharakter, den Grundzug herauszuheben. Der Grundzug der meisten Aufsäße besteht uun darin, in den socialpolitischen Kämpfen

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